Parlamentskorrespondenz Nr. 281 vom 14.03.2023

Wirtschaftsausschuss diskutiert Berichte zu EU-Vorhaben, Situation der KMU sowie zum Härtefallfonds für Selbstständige

Bekämpfung der Energie- und Teuerungskrise bleibt für EU 2023 oberste Priorität

Wien (PK) – Im heutigen Wirtschaftsausschuss standen die Berichte von Wirtschaftsminister Martin Kocher zu den EU-Vorhaben für das heurige Jahr in seinem Arbeitsbereich, zur Situation von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie zu den Ausgaben für den Härtefallfonds für Selbstständige auf der Tagesordnung. Nach den Anstrengungen wegen der COVID-19-Pandemie und vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine habe für das Jahr 2023 oberste Priorität, die aktuelle Energie- und Teuerungskrise weiterhin bestmöglich einzudämmen und eine nachhaltige wirtschaftliche und gesellschaftliche Erholung sicherzustellen, so Wirtschaftsminister Martin Kocher im Bericht seines Ressorts zu den EU-Jahresvorhaben für 2023.

Laut dem Bericht "KMU im Fokus 2022" zeichnen sich Österreichs KMU im europäischen Vergleich durch einen hohen Innovations- und Internationalisierungsgrad aus. Die kleinstrukturierte österreichische Wirtschaft habe zu flächendeckendem Wohlstand beigetragen, zudem würden KMU konjunkturelle Schwankungen oft besser abfedern, betonte Kocher im Ausschuss.

EU-Jahresvorschau für 2023: Energieversorgung, Abmilderung der COVID-19-Folgen sowie grüne und digitale Transformation im Fokus

In der EU-Jahresvorschau des Wirtschaftsministeriums(III-877 d.B.) wird ein breites Themenspektrum – von Arbeit über Wirtschaft, Industrie und angewandte Forschung über Handelspolitik und Außenbeziehungen bis hin zum Tourismus - abgedeckt. Für 2023 gelte es, kurzfristig die negativen Auswirkungen des Energiepreisschocks und die Kriegs- und COVID-19 Folgen abzumildern sowie mittel- und langfristig die grüne und digitale Transformation erfolgreich zu bewerkstelligen. Die Wirtschaftskrise von 2008 habe deutlich gemacht, dass eine stärkere wirtschaftspolitische Steuerung und eine bessere sozialpolitische Koordinierung zwischen den EU-Mitgliedstaaten erforderlich seien, so der Bericht. Zudem stehe das 30-jährige Bestehen des gemeinsamen EU-Binnenmarkts im Zentrum der Arbeiten. Der schwedische EU-Ratsvorsitz im ersten Halbjahr 2023 legt hier dem Bericht zufolge unter anderem den Fokus auf den Bereich der Energie- und Rohstoffversorgungssicherheit, der digitalen Wirtschaft, den grünen Übergang und auf den Dienstleistungsbereich. Der Bericht wurde im Ausschuss von allen Fraktionen, außer der FPÖ, mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Freihandelsabkommen, Plattformrichtlinie sowie EU-Russland-Sanktionen im Zentrum der Debatte mit den Abgeordneten

Wirtschaftsminister Martin Kocher strich in seiner Wortmeldung die für ihn wesentlichsten Punkte hervor. Um Engpässe zu vermeiden, bleibt laut Kocher das Thema der Energieversorgung auch im Jahr 2023 ein herausfordernder Bereich. So werde man sich auf EU-Ebene weiterhin für die Entkoppelung des Strom- und Gaspreises einsetzen. Was den EU-Binnenmarkt betrifft, gehe es aktuell vor allem um die Verringerung von Abhängigkeiten und die Stärkung der strategischen Autonomie, so der Ressortchef. Trotz des "Europäischen Jahres der Kompetenzen 2023" brauche es zudem weiterhin gemeinsame Initiativen auf Unionsebene, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Mit der Ausbildungsgarantie bis zum Alter von 25 Jahren sowie mit dem Modell der Bildungskarenz sei Österreich jedoch europaweites Vorbild, betonte der Minister.

In der Diskussion mit den Abgeordneten hielt Martin Kocher gegenüber Elisabeth Götze (Grüne) zur geplanten Plattformrichtlinie fest, dass der schwedische Ratsvorsitz einen Kompromissvorschlag vorlegen werde, da es vergangenen Dezember im Europäischen Rat zu keiner Einigung gekommen sei. Grundsätzlich begrüße Österreich die Vorschläge in der aktuellen Form, da diese ein "Level-Playing-Field" schaffen würden.

Mehrere Abgeordnete, darunter Gerald Loacker, Michael Bernhard (beide NEOS) sowie Christoph Matznetter (SPÖ) brachten das Thema der Freihandelsabkommen zur Sprache. So kritisierte Loacker die Blockadehaltung von ÖVP und Grünen beim Mercosur-Abkommen. "Wenige Agrarmagnaten blockieren hier die ganze Volkspartei", so der NEOS-Mandatar. Auch Matznetter betonte die Wichtigkeit von Freihandelsabkommen für die exportorientierte österreichische Volkswirtschaft und interessierte sich für die vor allem von Brasilien zu leistenden "Meilensteine". Um den Wohlstand in Österreich abzusichern ist es für Bernhard zentral, so rasch wie möglich mit anderen westlich geprägten Demokratien Freihandelsabkommen abzuschließen.

Wirtschaftsminister Kocher teilte die Meinung, dass man als kleine exportorientierte Volkwirtschaft auf den Abschluss von Handelsabkommen angewiesen sei. Was Mercosur betrifft, sei man an den Beschluss des Parlaments gebunden, das Abkommen in der jetzigen Form abzulehnen. Aus Kochers Sicht würden substanzielle Änderungen etwa den Schutz des Regenwaldes, der Biodiversität sowie der europäischen Landwirtschaft bedeuten. Es gelte hierzu die aktuellen Gespräche abzuwarten, zudem bedürfe es danach auch einer Neupositionierung des Gesetzgebers.

In Bezug auf das "Fit für 55-Paket" sowie auf die EU-Sanktionen gegen Russland kritisierte FPÖ-Abgeordneter Axel Kassegger, dass die heimischen Vertreter:innen "alles vorbehaltlos mittragen, was die EU-Gremien vorschlagen". Die österreichische Wettbewerbsfähigkeit könne durch ausreichend günstige Energie, Innovation und einer Produktivitätssteigerung erhalten werden. Österreich sei sehr kritisch und mache auf europäischer Ebene nicht alles mit, erwiderte Kocher. Es gehe darum, bei Zukunftstechnologien, wie etwa bei Wasserstoff, führend zu sein. Zu den Russland-Sanktionen hielt Kocher fest, dass eine einseitige Aufhebung durch Österreich die Energiepreise nicht senken würde. Es handle sich um ein globales Problem und eine Antwort auf den russischen Angriffskrieg, den man so nicht stehen lassen dürfe.

Laurenz Pöttinger (ÖVP) zeigte sich über die Nennung der internationalen Berufswettbewerbe WorldSkills und EuroSkills im Bericht erfreut und sprach von wichtigen Initiativen für das österreichische Handwerk. Pöttinger kritisierte jedoch grundsätzlich den von europäischer Ebene erzeugten Verwaltungsaufwand für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Das sah der Wirtschaftsminister ähnlich. Für Kocher sollte daher bei neuen Richtlinien das Prinzip "One-in, one-out" angedacht werden. Was die in Diskussion stehende Lieferkettenrichtlinie betrifft, müssen laut dem Minister die Auswirkungen auf KMU im Auge behalten werden. Grundsätzlich sei er für ethisch korrekte Lieferketten, aber es sei wichtig, "es gut zu machen, nicht nur gut zu meinen".

KMU über Vorkrisen-Niveau mit neuen Herausforderungen

Auf der Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses stand zudem der Bericht "KMU im Fokus 2022" (III-892 d.B.), der einstimmig zur Kenntnis genommen wurde. Knapp zwei Drittel der Umsätze und der Bruttowertschöpfung der österreichischen Wirtschaft gehen auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zurück, hält der Bericht fest. Im Jahr 2021 gab es demnach in Österreich rund 366.500 Klein- und Mittelunternehmen, was einem Anteil von 99,7 % aller Unternehmen der marktorientierten Wirtschaft des Landes entspricht.

Nach Einbrüchen 2020 aufgrund der Corona-Pandemie kam es 2021 zu einem erneuten Wachstum des KMU-Sektors. Die reale (+7 %) sowie nominelle (+10 %) Bruttowertschöpfung lag 2021 bereits wieder über dem Niveau von 2019. Die Beschäftigung (2021: +3 %) hat demzufolge nach vorläufigen Daten im Jahr 2022 das Vorkrisen-Niveau wieder erreicht. Zu den neuen Herausforderungen für KMU zählen laut Bericht die stark gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise sowie Lieferkettenprobleme, der Fachkräftemangel, ein geringer Anteil an Risikokapitalfinanzierung oder die notwendigen Anpassungen im Sinne der Nachhaltigkeit sowie das Thema Digitalisierung. Was die Stärken und Resilienzfaktoren des Sektors betrifft, zeichnen sich laut Wirtschaftsminister Martin Kocher Österreichs KMU im europäischen Vergleich unter anderem durch einen hohen Innovations- und Internationalisierungsgrad aus. Die kleinstrukturierte österreichische Wirtschaft habe zu flächendeckendem Wohlstand beigetragen. KMU würden konjunkturelle Schwankungen oft besser abfedern als große Betrieb, so Kocher im Ausschuss.

Gerald Loacker (NEOS) sprach von einem guten Bericht, der viele Probleme, wie etwa das Aufbringen von Risikokapital, ans Licht bringe. Zudem fehle es an einer Senkung der Kosten auf Arbeit sowie an einem Gründerpaket. Obwohl man durch die ökosoziale Steuerreform und durch die Abschaffung der Kalten Progression den Faktor Arbeit entlastet habe, brauche es weitere Schritte zur Senkung der Lohnebenkosten, stimmte Kocher dem NEOS-Mandatar zu. Beim Gründerpaket hofft der Wirtschaftsminister auf die baldige Vorstellung konkreter Projekte.

FPÖ-Mandatar Erwin Angerer fragte nach Lösungsansätzen für den für viele Betriebe bedrohlichen Fachkräftemangel und kritisierte die "Symptombekämpfung" der Bundesregierung in Bezug auf die Teuerung. Es gebe beim Fachkräftemangel nicht "die eine Lösung", antwortete Kocher. Das Wirtschaftsministerium habe Vieles in seinem Bereich umgesetzt, wie etwa die Änderungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte. Aufgrund der Demographie brauche es in den nächsten Jahren Lösungen "auf allen Ebenen". Was die Energiekosten betrifft, habe man auf EU-Ebene die Aussetzung des Merit-Order-Prinzips vorgeschlagen sowie den Energiekostenzuschuss für Unternehmen eingeführt. KMU würden grundsätzlich stärker von den Hilfsinstrumenten profitieren. Für Kocher ist es zudem wichtig, dass die aktuellen Preissenkungen an die Kund:innen weitergegeben werden.

Christoph Matznetter (SPÖ) fragte nach Initiativen der Bundesregierung für die Lehrlingsausbildung. Diese werde überwiegend von den KMU übernommen, er habe jedoch die Sorge, dass dies in Zukunft nicht mehr so passieren könne. "Wir müssen uns aufgrund der Demographie darauf einstellen, dass künftig weniger Lehrlinge auf den Arbeitsmarkt kommen", antwortete Kocher. Sein Ressort habe jedoch bereits Maßnahmen zur Attraktivierung gesetzt. So modernisiere man die Ausbildungsinhalte alle fünf Jahre, erleichtere die Zugänge und forciere die duale Lehrlingsausbildung, so der Minister.

Härtefallfonds für Selbstständige: Rund 2,42 Mrd. € bis Ende Jänner 2023 ausbezahlt

Laut den Berichten des Wirtschaftsministeriums über die coronabedingten Auszahlungen aus dem Härtefallfonds für Selbstständige für Oktober (III-812 d.B.), November (III-833 d.B.) Dezember 2022 (III-862 d.B.) Jänner 2023 (III-895 d.B.) wurden von den insgesamt bis zum Stichtag 31.Jänner eingelangten 2.362.484 Anträgen 2.057.559 positiv erledigt. Die Auszahlungssumme an die Fördernehmer:innen belief sich auf rund 2,42 Mrd. €. Die Abwicklung des Härtefallfonds erfolgt im Auftrag des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort über die Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Die Berichte wurden durch ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grüne mit breiter Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Christoph Stark (ÖVP) sprach von einer "gewaltigen Zahl" von Anträgen. Obwohl rund 90 % davon positiv erledigt worden seien, könne keine Rede davon sein, dass Anträge durchgewunken worden seien. Das Kontrollsystem habe gut funktioniert.

Anders sah dies SPÖ-Abgeordnete Cornelia Ecker. So gebe es Betriebe, die immer noch auf die Förderungen warten würden. Zudem seien jene Unternehmen "am Abstellgleis", die keine Vorjahreszahlen vorweisen können würden. (Fortsetzung Wirtschaftsausschuss) med