Parlamentskorrespondenz Nr. 524 vom 12.05.2023

Sondersitzung des Nationalrats: SPÖ fordert rasche Preissenkungen bei Lebensmitteln, Wohnkosten und Energie

Debatte startet mit Schlagabtausch zwischen Rendi-Wagner und Nehammer über "richtige Maßnahmen" im Kampf gegen die Inflation

Wien (PK) – Ein "Totalversagen der Bundesregierung im Kampf gegen die Teuerung" ortet die SPÖ, die in der heute von ihr beantragten Nationalratssondersitzung einen Dringlichen Antrag mit diesem Titel einbrachte. Immer mehr Menschen könnten sich trotz harter Arbeit das Leben nicht mehr leisten, beklagte Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner, die unter anderem ein sofortiges, temporäres Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs, eine Rücknahme der Richtwerterhöhungen und ein Einfrieren aller Mieten bis 2025 sowie eine "schlagkräftige" Anti-Teuerungskommission forderte. Während in anderen Ländern die Politik massiv in die Preisentwicklung wichtiger Güter eingegriffen habe, werde die österreichische Bevölkerung von der Regierung seit eineinhalb Jahren im Stich gelassen.

Im Kampf gegen die Teuerung habe die Regierung eine Fülle von Maßnahmen in die Wege geleitet, konterte Bundeskanzler Karl Nehammer, der dabei unter anderem auf die Valorisierung der Sozialleistungen oder die Abschaffung der kalten Progression verwies. Weitere Schritte zur Verhinderung von Kinderarmut werden folgen. Ansetzen wolle die Regierung auch bei den Energiekosten und eine stärkere Abschöpfung von Übergewinnen einführen, falls die mittlerweile gesunkenen Großhandelspreise nicht an die Kunden weitergegeben werden.

Rendi-Wagner: Regierung lässt die Bevölkerung seit eineinhalb Jahren im Stich

Die Regierung aus ÖVP und Grünen habe zu Beginn ihrer Amtszeit das "Beste aus beiden Welten" versprochen, erinnerte Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner, geworden sei es aber ein "Albtraum für unser Land". Die Arbeit der politisch Verantwortlichen sei seit eineinhalb Jahren geprägt von Hilflosigkeit, Planlosigkeit und Gleichgültigkeit, was besonders in den letzten beiden Wochen deutlich unter Beweis gestellt wurde. Weder der Lebensmittelgipfel brachte konkrete Lösungen, noch das sogenannte Anti-Teuerungspaket enthalte wirksame Instrumente, um die Preise zu senken. Während Österreich mit knapp 10 % eine der höchsten Inflationsraten in der  EU aufweise, seien andere Länder viel besser durch die Krise gekommen. Diese hätten die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel gesenkt, Preisdeckel eingeführt, in die Mieten eingegriffen oder die exorbitanten Energiekosten "nicht ungezügelt auf die Bevölkerung losgelassen".

Angesichts der Tatsache, dass etwa 1,5 Millionen Menschen die Miete nicht mehr "stemmen" können, sei der Staat gefordert, in einen nicht mehr funktionierenden Markt einzugreifen, unterstrich die Klubobfrau. Wer in Österreich zu den über 200.000 Menschen zähle, die unter bitterer Armut leiden, der könne die eigenen Grundbedürfnisse nicht mehr erfüllen. Es dürfe der Politik nicht egal sein, wenn so viele Menschen nicht mehr über die Runden kommen, nicht mehr wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen oder ihren Kindern eine warme Mahlzeit auf den Tisch stellen können. Dennoch werde trotz zahlreicher Mahnungen Expert:innen und Wissenschaftler:innen seit eineinhalb Jahren nicht entsprechend reagiert. In diesem Zusammenhang appellierte Rendi-Wagner nachdrücklich an die Grünen, sich endlich gegenüber der ÖVP durchzusetzen. Sollte dies nicht möglich sein, dann müsse man den Mut haben, die Koalition zu beenden. Anderenfalls würden sich die Grünen "zu Komplizen" machen, gab sie zu bedenken.

Ihre Fraktion setze sich unermüdlich dafür ein, die Situationen der Bevölkerung zu verbessern und habe bereits 31 Anträge zur Bekämpfung der Teuerung eingebracht. Die Regierung habe nichts davon umgesetzt, stellte Rendi-Wagner mit Bedauern fest. Es gebe auch heute wieder die Chance, das von der SPÖ vorgelegte Inflationsdämpfungspaket zu unterstützen, das neben einer Rücknahme der Erhöhung der Richtwertmieten und dem Einfrieren aller Mieten bis 2025, das temporäre Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und die Einsetzung einer effizienten Anti-Teuerungskommission enthält. Ihren Anliegen Nachdruck verlieh die sozialdemokratische Klubobfrau durch das Vorlesen eines an den Bundeskanzler gerichteten "offenen Briefes" eines Journalisten, der angesichts der dramatischen Lebensumstände, in denen sich hunderttausende Menschen derzeit befänden, fragt, ob Nehammer "gut schlafen" könne. Dem habe sie nichts hinzuzufügen, konstatierte Rendi-Wagner. Sie erwarte sich von der Bundesregierung nichts mehr außer ihren Rücktritt.

Nehammer kündigt stärkere Abschöpfung von Übergewinnen sowie neue Maßnahmen zur Verhinderung von Kinderarmut at

Bundeskanzler Karl Nehammer verwahrte sich gegen den Vorwurf der SPÖ-Klubobfrau, die Regierung sei untätig gewesen, und erinnerte eingangs der Debatte daran, dass es trotz sehr schwieriger Umstände etwa gelungen sei, die Versorgung mit Gas in Österreich sicherzustellen. Ähnliches gelte auch für das Problem der Teuerung, wo die Koalition eine Fülle an Maßnahmen in die Wege geleitet habe. Als Beispiele dafür führte er die Einführung einer zusätzlichen Familienbeihilfe, die Erhöhung des Familienbonus Plus, die Valorisierung der Sozialleistungen oder die Abschaffung der sogenannten kalten Progression an. Dabei verfolge man die Ziele, die Kaufkraft weiter hoch zu halten, Arbeitslosigkeit zu vermeiden und das Wirtschaftswachstum zu fördern. Und dies sei zu 100 % gelungen, war Nehammer überzeugt, der damit zu einem ganz anderen Befund als Rendi-Wagner kam. Die Zahlen der Statistik Austria würden klar belegen, dass die Wirtschaft im letzten Jahr um 4,7 % gewachsen ist und dass es 200.000 offene Stellen gibt, führte der Bundeskanzler weiter ins Treffen. Was die Vergleiche mit anderen Ländern angehe, so müsse man  auch hinzufügen, dass etwa in Spanien die Arbeitslosenrate bei Jugendlichen bei 30 % liege und die Kaufkraft um 6 % gesunken sei.  In Ungarn wiederum könne man sehen, dass die Einführung von Preisdeckeln gar nicht gewirkt habe. Man müsse zudem zur Kenntnis nehmen, dass die Bekämpfung von Inflation aufgrund der Zuständigkeit der EZB für die Geldpolitik in der Euro-Zone nicht ganz einfach sei, weshalb auch die immer wieder genannten Expert:innen im Laufe der letzten Monate ihre Einschätzungen kontinuierlich angepasst und korrigiert hätten.

Im Fokus seiner Politik stünden jedenfalls die Anliegen der arbeitenden Bevölkerung, der Bäuer:innen und der Unternehmer:innen, weil durch ihre Leistungen die Grundlagen für den solidarischen Ausgleich in der Gesellschaft erst gelegt werden, stellte Nehammer ausdrücklich fest. Es sei ihm daher sehr wichtig gewesen, diese Gruppen durch die Steuerreform um 20 Mrd. € bis  2026 zu entlasten. Auch wenn Österreich noch immer ein sehr engmaschiges soziales Netz habe, müsse man genau schauen, ob es noch Verbesserungsbedarf gebe. Deshalb wurde auch der Heizkostenzuschuss um 500 Mio. € erhöht oder der Wohnschirm "aufgespannt", um Delogierungen zu verhindern. Weiters kündigte Nehammer an, dass es noch zusätzliche Maßnahmen geben werde, um Kinderarmut zu verhindern. Nachdem die Energiekosten als der große Preistreiber gelten, werde die Regierung auch dort ansetzen und eine stärkere Abschöpfung von Übergewinnen vorsehen, falls die gesunkenen Großhandelspreise nicht an die Kund:innen weitergegeben werden. Es funktioniere nur mit einem effizienten Maßnahmenmix und dazu gehöre auch, dass es mehr Transparenz bei den Strompreisen geben soll. Für komplexe Herausforderungen gebe es keine einfachen Lösungen, richtete Nehammer der SPÖ-Klubobfrau aus, aber was es brauche, sei eine Vorgangsweise mit Außenmaß und Übersicht für das Gesamte, für die Gesellschaft im Allgemeinen. (Fortsetzung Nationalrat) sue

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