Parlamentskorrespondenz Nr. 570 vom 25.05.2023

Metsola spricht sich für ein "Europa der Erneuerung" aus

EU-Parlamentspräsidentin gab Erklärung im Nationalrat ab

Wien (PK) – Die Renovierung des Parlamentsgebäudes habe es zu einem offeneren, nachhaltigerem und zugänglicherem "Leuchtturm" der Demokratie gemacht, sagte die Präsidentin des Europäischen Parlaments Roberta Metsola, die in der heutigen Nationalratssitzung eine Erklärung abgab. Im Sinne dieser symbolhaften Veränderung könnten auch wir uns erneuern und so die Grundlagen des europäischen Projekts stärken, meinte sie.

Die Nostalgie könne nicht die Triebkraft für die Politik sein, sagte Metsola. Vielmehr gelte es, zukunftsorientiert und vorausschauend zu agieren. Denn die Entscheidungen, um die Herausforderungen von morgen zu bewältigen, müssten heute getroffen werden. Dies sollte auf eine nachhaltige Weise geschehen, um nicht mehr Probleme für die nächsten Generationen anzuhäufen.

Vielfältige Herausforderungen in Ära multipler Krisen

Wir befänden uns in einer Ära multipler Krisen, hob Metsola den Angriffskrieg auf unserem Kontinent hervor und erwähnte sogleich die hohen Energiekosten, die Preiserhöhungen und die Inflation. Auch der Klimawandel, die Migration und die sich nach der Pandemie nur langsam erholende Wirtschaft bezeichnete sie als Herausforderungen. Allerdings würden nicht diese Herausforderungen unsere Zeit definieren, sondern die gemeinsame Antwort darauf, meinte sie unter Bezugnahme auf die Einigkeit Europas. Diese mache sie stolz. Die Herausforderungen würden Österreich genauso betreffen wie den Rest der Europäischen Union und könnten nur durch gemeinsames Handeln bewältigt werden, betonte sie.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sei eine existenzielle Bedrohung für unsere Union, für unsere Lebensweise, so Metsola. Die Antwort darauf müsse angemessen und überlegt sein, weil sie die globalen Beziehungen für viele Jahre bestimmen werde. Mit der brutalen Invasion sei eine Linie hinsichtlich unserer Werte und unserer Sicherheit überschritten worden. Die EU-Parlamentspräsidentin bezeichnete dies als den "Schicksalspunkt unserer Generation".

Europa stehe für Gerechtigkeit, für Freiheit und für Rechtsstaatlichkeit, auch dann und besonders dann, wenn es schwer sei, diese hochzuhalten, betonte sie. Wenn wir nicht für diese Werte einstehen, dann sei alles wofür wir gekämpft haben, in Gefahr. Daher sei es ihr zufolge nötig, beständig Unterstützung zu leisten und die Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu überdenken.

Die Debatte über strategische Autonomie beeinflusse auch die digitale Wende und die grüne Wende, meinte Die Präsidentin des Europäischen Parlaments. Sie sprach sich für die Schaffung eines Rahmens für ein nachhaltiges, umweltfreundliches Wachstum und einen zielgerichteten Umgang mit dem generationenübergreifenden Problem der Armut aus. Bei der Frage, wie man jungen Menschen Hoffnung geben und die ehrgeizigen Klimaziele erreichen könne, gehe es um die Zukunftssicherheit unserer Wirtschaft, und darum, das europäische Projekt zu stärken, so Metsola. Dabei gelte es auch, die europäischen Entscheidungen besser zu erklären und den Betroffenen – insbesondere im Landwirtschaftssektor – mehr zuzuhören.

"Europa für Alle" braucht Überzeugungsarbeit

Es gebe eine unsichtbare Linie, über die man Menschen nicht drängen könne, sagte Metsola. Für Erfolg brauche es Vertrauen in den Prozess, verwies sie auf das eingangs von ihr erwähnte "Europa der Erneuerung". Der enthusiastische Gedanke des "Europas für Alle" solle wieder zurückgewonnen werden. Österreich habe in dieser Hinsicht Ausgezeichnetes geleistet, indem das Thema der Bekämpfung des Antisemitismus auf europäische Ebene gehoben wurde, dankte die EU-Parlamentspräsidentin Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka für sein diesbezügliches Engagement.

Man sollte stolz auf das sein, wofür die EU steht, sagte Metsola. Das Europäische Parlament gehöre allen Bürger:innen, so auch den österreichischen. Die EU-Maßnahmen und -Strategien würden nur funktionieren, wenn man sie mit ins Boot hole. Das betreffe auch das Thema Migration, wobei es noch viel zu tun gäbe, um den Schengenraum zu stärken und zu sichern. Ein stärkeres Schengen bedeute ein sicheres Europa, betonte sie. Ein enger zusammenrückendes Europa bedeute ihrer Meinung nach außerdem ein besseres Europa. Die Union sei zwar nicht perfekt und der Frust vieler nachvollziehbar, aber die Fähigkeit, Unterschiede zu überbrücken, mache die EU stark. "Europa ist es wert", sagte Metsola und nahm Bezug auf die im Juni 2024 stattfindenden EU-Wahlen, für die es noch Überzeugungsarbeit zu leisten gelte. Man müsse besser darin werden, den Wert Europas zu erklären und dürfe keine Angst vor Veränderung haben, meinte sie.

Zum Abschluss ihrer Erklärung sprach sie mit Wolfgang Amadeus Mozart zu den Nationalratsabgeordneten: "Wir leben in dieser Welt, um immer zu lernen, fleißig zu lernen und einander durch Gespräche zu erleuchten". Darum gehe es auch im europäischen Parlament, in Europa, sagte Metsola.

Zuvor wurde erst zweimal von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, herausragende Persönlichkeiten der europäischen und internationalen Politik zur Abgabe einer Erklärung in eine Nationalratssitzung einzuladen. 2016 sprach der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon und 2019 die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Liliane Maury Pasquier im Plenum. (Fortsetzung Nationalrat) fan

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar. Fotos finden Sie im Webportal des Parlaments.