Parlamentskorrespondenz Nr. 591 vom 31.05.2023

Nationales Reformprogramm 2022 und Österreichisches Stabilitätsprogramm 2022 bis 2026

Bundesregierung und Finanzminister legen jährliche Berichte vor

Wien (PK) - Das Nationale Reformprogramm 2023 der Bundesregierung (III-928 d.B.), das dem Parlament vorliegt, nimmt auf die länderspezifischen Empfehlungen der Europäischen Kommission Bezug und behandelt aktuelle Reform- und Investitionsprojekte. Zudem hat der Finanzminister die Fortschreibung des Österreichischen Stabilitätsprogramms 2022 bis 2026 (III-938 d.B.) an das Parlament übermittelt, worin die wirtschaftlichen Prognosen für die kommenden Jahre erläutert werden.

Nationales Reformprogramm 2023: Geopolitische Spannungen und Wohlstandsverluste

Im Rahmen des vom Bundeskanzleramt vorgelegten Nationalen Reformprogramms 2023 nimmt die Bundesregierung Stellung zu Maßnahmen, die der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der EU-Kommission dienen. Das aktuelle politische Umfeld könnte laut Nationalem Reformprogramm 2023 kaum herausfordernder sein. Thematisiert werden ungeahnte geopolitische Spannungen in Europa sowie Wohlstandsverluste infolge der höchsten Preisanstiege seit Jahrzehnten. Maßnahmen zur Krisenbewältigung prägen daher das Nationale Reformprogramm.

Während die Vorjahre von Maßnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie gezeichnet waren, haben die hohen Energiepreise und die dadurch angefachte Inflation die Bundesregierung dazu veranlasst, im Laufe des Jahres eine Reihe von Entlastungsmaßnahmen gegen die Teuerung zu setzen. Darunter fielen neben preissenkenden Maßnahmen wie dem Stromkostenzuschuss oder der Senkung der Energieabgaben und Netzverlustentgelte, auch Einmalzahlungen, die Abschaffung der kalten Progression oder die Valorisierung bisher nicht indexierter Sozialleistungen.

Die Ergebnisse einer Analyse des Budgetdienstes des österreichischen Parlaments zu den Verteilungswirkungen der für die Jahre 2022 und 2023 beschlossenen Entlastungsmaßnahmen wurden in das Nationale Reformprogramm aufgenommen. Demnach ist die relative Gesamtentlastung jeweils in den unteren Einkommensbereichen am höchsten. Im Jahr 2022 betrug der Anteil der Entlastungsmaßnahmen am durchschnittlichen Einkommen des untersten Dezils 10,2 % (2023 5,1 %), im obersten Dezil nur mehr 1,3 % (2023 1,5 %). Die Abschaffung der kalten Progression wirke stärker im oberen Einkommensbereich, die automatische Indexierung von Sozialleistungen stärker im unteren Einkommensbereich. Die Aufteilung des absoluten Gesamtvolumens sei relativ gleichmäßig auf alle Einkommensbereiche verteilt, so die Analyse des Budgetdienstes im Nationalen Reformprogramm.

Relativ am stärksten entlastet werden Alleinerzieherinnen und -erzieher, gefolgt von Paarhaushalten mit Kindern, Einpersonenhaushalten und Paarhaushalten ohne Kindern. Bei der Betrachtung der Verteilungswirkung im Gendervergleich wurde vom Budgetdienst kein gravierender Unterschied festgestellt. Während aufgrund der höheren Durchschnittseinkommen die Abschaffung der kalten Progression Männer stärker entlaste, werden einige (neu inflationsangepasste) Sozial- und Familienleistungen wie die Familienbeihilfe oder das Kinderbetreuungsgeld überdurchschnittlich oft von Frauen bezogen.

Österreichisches Stabilitätsprogramm geht von 3,8 % Inflationsrate 2024 aus

Laut Österreichischem Stabilitätsprogramm prognostiziert das WIFO für das Gesamtjahr 2023 einen Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts um 0,3 %. Für die mittelfristige Sicht von 2023 bis zum Jahr 2026 sieht das WIFO die jährliche Wachstumsrate Österreichs bei durchschnittlich 1,5 %. Im Jahr 2024 soll sich das reale Wirtschaftswachstum auf 1,8 % beschleunigen. Für die Jahre 2025 und 2026 werden Wachstumsraten von 2,1 % bzw. 2,0 % berechnet. Die diesjährige Schwäche der Konjunktur soll laut Bericht kaum Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen. Die Arbeitslosigkeit soll bis 2026 sukzessive auf 4,3 % - den niedrigsten Wert seit 2008 (4,1 %) – sinken.

Das WIFO geht von einer spürbaren Abschwächung der Inflationsdynamik in der zweiten Jahreshälfte 2023 aus. Für das Gesamtjahr 2023 wird ein Anstieg der Verbraucherpreise um 7,1 % prognostiziert, das entspricht einer leichten Entspannung gegenüber den 8,6 % im Vorjahr. Für das folgende Jahr 2024 wird ein deutlicher Rückgang der Inflationsrate auf 3,8 % prognostiziert. In den Jahren 2025 und 2026 sollen die Verbraucherpreise um 3,0 bzw. 2,5 % ansteigen.

2023: Positive Entwicklung von Arbeitsmarkt, privatem Konsum und Tourismusexporten

Der Arbeitsmarkt, privater Konsum und auch die Tourismusexporte sollen laut Österreichischem Stabilitätsprogramm im Jahr 2023 eine sehr gute Entwicklung verzeichnen. Budgetär beginne die Abschaffung der Kalten Progression auf der Einnahmenseite ihre Wirkung zu zeigen. Auf der Ausgabenseite werden umfassende Maßnahmen zur Sicherstellung einer leistbaren Energieversorgung gesetzt, die Unternehmen und private Haushalte spürbar entlasten, heißt es.

2023 soll sich der gesamtstaatliche Maastricht-Saldo auf -15,4 Mrd. € bzw. -3,2 % des BIP belaufen. Der strukturelle Saldo werde dem Maastricht-Saldo nahezu gleichen. Der bereits 2021 einsetzende Rückgang der Schuldenquote setzt sich laut Prognose auch 2023 weiter fort. Das beständig hohe nominelle BIP-Wachstum von 7,4 % bewirke weiterhin ein Sinken der Schuldenquote trotz eines Anstiegs des absoluten Schuldenstands. Konkret wird ein Rückgang der Schuldenquote von 78,4 % des BIP im Jahr 2022 auf 77,0 % des BIP im Jahr 2023 erwartet. Absolut wird mit einem Anstieg des Schuldenstands von 350,8 Mrd. € im Jahr 2022 auf prognostizierte 369,9 Mrd. € gerechnet.

2023 wird seitens des WIFO weiterhin ein hohes gesamtstaatliches Einnahmenwachstum von 6,5 % erwartet. Diese dynamische Entwicklung sei auf einen starken Konsum, sowie die inflationsbedingten höheren Lohnabschlüsse und die gute Beschäftigungssituation auf dem Arbeitsmarkt 2023 zurückzuführen. Die Ausgaben des Staates im Jahr 2023 nehmen voraussichtlich erneut zu und wachsen mit 6,6 % auf einen Wert von 251,5 Mrd. €. Als Gründe nennt das Stabilitätsprogramm hierfür die verzögert einsetzenden Effekte der Inflation auf der Ausgabenseite und eine veränderte Dynamik der Zinsausgaben, hinzu kommen umfassende Energie-Entlastungsmaßnahmen sowie bestehende Maßnahmen aus dem Konjunkturpaket 2021. Die COVID-19-Ausgaben gehen hingegen weiter deutlich zurück.

2026: Schuldenquote nur noch geringfügig höher als vor COVID-19-Krise

Fiskalpolitisch werden die Jahre 2024-2026 durch drei langfristige Reformpakete geprägt: Investitionen in die Grüne Transformation und den digitalen Wandel, das Paket zur Landesverteidigung sowie die  2022 beschlossene Pflegereform, die eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen umfasst und den dringendsten Herausforderungen im Pflegebereich begegnet.

Der Maastricht-Saldo soll aufgrund rückläufiger Ausgaben zur Abfederung der Energiekrise 2024 mit -1,6 % des BIP deutlich unter der Maastricht-Grenze von -3,0 % liegen und bis 2026 auf -1,3 % des BIP zurückgehen. Die Schuldenquote wird 2024 mit 75,1 % des BIP voraussichtlich rückläufig sein. Ende 2026 liegt sie laut aktueller Prognose bei 71,4 % des BIP und damit nur noch geringfügig höher als vor Beginn der COVID-19-Krise. Der absolute Schuldenstand wird laut Prognose hingegen bis zum Jahr 2026 auf rd. 400 Mrd. Euro ansteigen. 2024 bis 2026 bleiben die Einnahmen bei etwa 49 % des BIP stabil. Die Ausgaben sind von 2024 bis 2026 weiter rückläufig, was auf auslaufende Energieentlastungsmaßnahmen und Konjunkturstützungsmaßnahmen wie z.B. die Investitionsprämie zurückzuführen ist. 2024 liegt die Staatsausgabenquote noch bei 50,6 % des BIP, 2026 wird sie 49,9 % betragen.

Rückblick auf 2022: Pandemiebedingter Aufholprozess und stagnierende Wirtschaftsleistung

2022 ist die österreichische Volkswirtschaft  preisbereinigt um 5,0 % gewachsen. Die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs 2022 wird vom Finanzministerium zweigeteilt betrachtet. Während im ersten Halbjahr die Wirtschaft vom pandemiebedingten Aufholprozess geprägt war und sich besser als erwartet entwickelte, stagniert die heimische Wirtschaftsleistung seit Mitte letzten Jahres. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine belaste die Weltwirtschaft und habe den Preisdruck erheblich verschärft, so der Bericht des Finanzministeriums.

Die von den Energiepreisen getriebene Inflation, hohe Unsicherheit und die schwachen internationalen Rahmenbedingungen haben die Wirtschaftsdynamik in der zweiten Jahreshälfte 2022 merkbar gebremst. Für das Wachstum von 5 % sorgte vor allem der Bereich der Dienstleistungen. Gastronomie, Beherbergung und Verkehr wuchsen angesichts der Überwindung der Pandemie äußerst kräftig. Aber auch im Bereich Herstellung von Waren gab es einen realen Wertschöpfungszuwachs von 3,5 %. Auch die Warenexporte (+7,5 %) legten wesentlich zu. Positiv hob das Finanzministerium den Arbeitsmarkt hervor. Die Anzahl aktiv Erwerbstätiger (+115.900) stieg erheblich, während die Zahl der Arbeitslosen kräftig zurückging (-20,7 %). (Schluss) gla