Parlamentskorrespondenz Nr. 628 vom 06.06.2023

Finanzausschuss diskutiert: Warum brauchen wir den digitalen Euro?

Aussprache mit Nationalbank Gouverneur Robert Holzmann und Vize-Gouverneur Gottfried Haber

Wien (PK) – "Was kann der digitale Euro, was eine Kryptowährung nicht kann?", wie hoch sind die Kosten der Einführung und welcher Zeitplan wird verfolgt? Um diese und andere Fragen drehte sich die aktuelle Aussprache im Finanzausschuss mit Nationalbank Gouverneur Robert Holzmann und Vize-Gouverneur Gottfried Haber. Viele Fragen seien bislang noch nicht geklärt, sprach sich Holzmann gegen Eile aus.

Die Sicherstellung der Bargeldversorgung in Österreich war eines der weiteren Kernthemen. Auf Pochen der FPÖ sagte Finanzminister Magnus Brunner zu, bei der Annahmeverpflichtung von Bargeld aktiv zu werden. Die Mehrheit der Fraktionen sei für Nachschärfungen, betonte Hubert Fuchs (FPÖ) in Anlehnung an das Expert:innenhearing zum Volksbegehren (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 500/2023).

Zudem berichteten die beiden OeNB-Chefs über einen schwachen Ausblick für Industrieländer. Gegenüber dem Jahr 2022 sollen sich die Wachstumsraten im Jahr 2023 etwa halbieren. In Schwellenländern liege das erwartete Wachstum für 2023 deutlich über jenem für Industriestaaten. Auch die globale Inflation zeige sich "persistenter" als erwartet. Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziere zwar einen Rückgang der globalen Inflation aufgrund rückläufiger Energie- und Rohstoffpreise. Es werde aber von einer deutlich langsamer sinkenden Kerninflation ausgegangen. Eine rasche Rückkehr zu den Inflationszielen vor dem Jahr 2025 scheint damit nicht wahrscheinlich.

"Was kann der digitale Euro, was eine Kryptowährung nicht kann?"

Mit dem Fortschreiten der Digitalisierung zahlen Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmend digital, und die Bargeldnutzung gehe zurück, zeigte sich Holzmann überzeugt. Daher brauche es künftig den digitalen Euro (d€). "Was kann der digitale Euro, was eine Kryptowährung nicht kann", fragte Gerald Loacker (NEOS). Eine Währung habe drei Funktionen, sagte Holzmann: Wertmaßstab, Tauschmittel, und Wertaufbewahrungsmittel. Kryptowährungen erfüllen nicht alle Elemente. Christoph Matznetter (SPÖ) trat dafür ein, dass der digitale Euro alle Funktionen des Bargelds - insbesondere Anonymität und Datenschutz biete.

Für den digitalen Euro sprechen laut OeNB die Sicherung der Zahlungsverkehrs-Autonomie und der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Bankensystems sowie die Sicherung des Zugangs zu Finanzdienstleistungen für alle. Der digitale Euro werde auf dem Großmarkt eine Bedeutung haben, argumentierte Holzmann. Große Mengen an Geld seien damit viel einfacher zu transferieren.

Der digitale Euro würde das Euro-Bargeld in der digitalen Welt ergänzen und sicherstellen, dass öffentliche Zahlungsmittel für jedermann und in jeder Situation zur Verfügung stehen, betonte der Gouverneur. Aktuell werden europaweit rund zwei Drittel aller elektronischen Zahlungen im Handel und österreichweit mehr als 80 % aller elektronischen Zahlungen von nur zwei US-amerikanischen Zahlungsanbietern durchgeführt, zeigte Holzmann kritisch auf.

Digitaler Euro – Zahlreiche Fragen zu klären

Die zweijährige Analysephase des digitalen Euros soll im Oktober 2023 abgeschlossen werden. Ein Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission soll am 28. Juni 2023 veröffentlicht werden. Der Start der Vorbereitungsphase wird für den 18. Oktober 2023 erwartet. Die rechtlichen Rahmenbedingungen zum digitalen Euro sollen nach Zustimmung des Rats und des Europäischen Parlaments verabschiedet werden. Erst nach der Entscheidung von Rat und Parlament wird das Eurosystem das Implementierungsprojekt starten. Mit einer möglichen Einführung des digitalen Euro kann laut OeNB nicht vor 2027 gerechnet werden.

Der digitale Euro sei mit einem komplexen Prozess verbunden, betonte Finanzminister Brunner. Erst nach den Vorschlägen der Europäischen Kommission starte der Prozess. Überraschend fand Brunner, dass technische Fragen bereits vor politischer Umsetzung diskutiert werden. Er ortete dabei einigen Diskussionsbedarf. Die Ausgestaltung sei nämlich noch "mehr als offen". Entscheidend sei für ihn ein Mitentscheidungsverfahren mit Parlament und Rat.

Im Moment seien zahlreiche Punkte unklar, dabei gehe es beispielsweise um "Haltelimits und Verzinsung", so Holzmann. Derzeit sehe es eher so aus, als werde gegen eine Verzinsung entschieden. Der digitale Euro sei, ebenso wie die gedruckten Scheine, mit Kosten verbunden. Auch dazu bedürfe es politischer Entscheidungen. Die Kosten der Einführung liegen auf intellektueller – weniger auf technischer - Ebene, betonte Holzmann. Es gebe die gleichen Kosten wie auch bei der Bargeldausgabe.

Holzmann gegen Eile beim digitalen Euro

Bargeld werde es auch weiterhin neben dem digitalen Euro geben, war Peter Haubner (ÖVP) überzeugt. Mit welchen Kosten der digitale Euro verbunden sei, hinterfragte er die Kosten der Einführung. Dazu nannte die OeNB jedoch keine konkreten Zahlen. "Braucht dann jeder ein eigenes Konto bei der EZB", lautete eine weitere Frage an die beiden OeNB-Gouverneure. Es sei nicht geplant, dass die EZB selbst als Dienstleister tätig werde, hieß es von deren Seite. Vielmehr sei angedacht, dass Finanzdienstleister den digitalen Euro ausgeben.

Die Frage zu den Konten sei noch nicht geklärt. Holzmann sprach sich gegen Eile beim digitalen Euro aus. Er plädierte für ein "Zurücknehmen", um das Gesamtsystem zu beobachten. Ähnlich sah dies auch Peter Haubner (ÖVP), der sich für die nähere Risikobetrachtung aussprach. Er wollte den Nutzen des digitalen Euro für die Kund:innen ebenso herausarbeiten wie für Regionalbanken.

Brunner: Annahmepflicht von Bargeld aktiv überdenken

Kai Jan Krainer (SPÖ) setzte sich für die Sicherstellung der Bargeldversorgung ein. Von den beiden OeNB-Gouverneuren wollte Krainer wissen, ob die OeNB (für den Fall, dass von Seiten der Banken nicht mehr ausreichend Bankomaten betrieben werden) im Stande sei, eine flächendeckende Bargeldversorgung sicherzustellen. Zur Bargeldversorgung wurde ein eigenes koordinierendes Gremium eingerichtet, informierte Holzmann. Im Rahmen der nächsten Aussprache werde er über diesbezügliche Vorbereitungen berichten. Die Geldmittelbereitstellung werde weiterhin in Kooperation mit privaten Anbietern erfolgen. Die OeNB plane nicht dies selbst zu übernehmen, erfuhr Krainer.

Hubert Fuchs (FPÖ) replizierte auf den letzten Finanzausschuss und warb für Nachschärfungen bei den Annahmebestimmungen von Bargeld. Die Mehrheit der Fraktionen sei für Nachschärfungen, hielt er fest. Die EU sehe eine Annahmeverpflichtung für den digitalen Euro vor, argumentierte er und forderte Finanzminister Brunner auf, aktiv zu werden. Brunner sagte Fuchs Aktivwerden in Abstimmung mit dem Parlament zu. Die Annahmepflicht sei eine der kritischsten Fragen und "tiefst politisch", sagte Holzmann zu Fuchs. Sollte diese beim digitalen Euro beschlossen werden, sprach sich Holzmann für "Konsistenz" aus.

Während der Negativzinsphase, die bis Mitte 2022 andauerte, bauten die österreichischen Kreditinstitute Bargeldreserven auf. Am Höhepunkt im Mai 2022 wurden 12,9 Mrd. € gelagert. Das Halten von Bargeld brachte den Instituten einen Zinsvorteil gegenüber Einlagen bei der Zentralbank, die mit einem Negativzins belegt waren. Mit dem Beginn der EZB-Zinserhöhungen drehte sich das Bild. Seit dem wurden  76 % der Reserven abgebaut. Der Bestand lag Ende März 2023 nun bei 3,1 Mrd. €, so Holzmann. Österreich bewerbe sich um den Sitz der neuen EU-Geldwäschebehörde (AMLA) und will diese nach Wien holen. Die OeNB würde dies sehr begrüßen, betonte Haber gegenüber Loacker.

Euroraum: Moderates Wirtschaftswachstum und Abwärtsrevision der Inflationsprognose

Zu den neuen Herausforderungen im ersten Quartal 2023 zählen laut der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) der unerwartete Zusammenbruch zweier regionaler US-Banken und die Notübernahme der strauchelnden Schweizer Großbank Credit Suisse durch die UBS im März 2023. Stärkere Folgeeffekte zeichnen sich bislang nicht ab, betonte der Gouverneur, es wurden jedoch Verwundbarkeiten im Bankensektor sichtbar. Unter der Annahme, dass die Turbulenzen auf den Finanzmärkten zu keinen weiteren Verwerfungen führen, sieht der Internationale Währungsfonds (IWF) ein globales Wachstum von 2,8 % im Jahr 2023 und 3,0 % im Jahr 2024, führte Holzmann aus.

Dies entspreche einer deutlichen Verlangsamung des Weltwirtschaftswachstums gegenüber dem Jahr 2022, in dem das globale Wachstum noch bei 3,4 % gelegen war. Die niedrigeren Wachstumsraten spiegeln die straffere Geldpolitik zur Eindämmung der Inflation, den anhaltenden Krieg in der Ukraine und die zunehmende geoökonomische Fragmentierung wider.

Die jährliche Inflationsrate im Euroraum lag im April 2023 bei 7 % und damit knapp über dem Wert vom März 2023 von 6,9 %. Die Kerninflationsrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) blieb im April 2023 mit 5,6 % deutlich erhöht. Die aktuelle Euroraum-Prognose der EZB von März 2023 erwarte 5,3 % Jahresinflation für das Jahr 2023, 2,9 % für 2024 und 2,1 % für 2025, so Holzmann. Eine Rückkehr zum mittelfristigen Inflationsziel von 2 % wird im Jahr 2025 prognostiziert.

Österreich: BIP-Wachstum 2023 sehr schwach, Inflation bleibt hoch

Die österreichische HVPI-Inflationsrate sei seit Jahresbeginn 2023 deutlich zurückgegangen. Sie erreichte im April 2023 9,5 % und war damit um 2,1 % geringer als im Jänner 2023 (11,6 %). Der Rückgang der Teuerung im bisherigen Jahresverlauf 2023 wurde laut Holzmann hauptsächlich von der Entwicklung der Energiepreise bestimmt, unter anderem durch die Strompreisbremse. Allerdings werde die Inflationsentwicklung zunehmend vom heimischen Preisdruck bestimmt, der auch auf die kräftigen Lohnkostensteigerungen der letzten Zeit zurückgeführt wird.

Die österreichische Inflation werde für die nächsten drei Jahre über dem europäischen Wert liegen, so Holzmann. Der "Inflationsspread" zwischen Österreich und Europa mache Österreich weniger wettbewerbsfähig. Langfristig hätte dies Auswirkungen auf Beschäftigung und Wirtschaftswachstum. Die OeNB rechnet aber nicht mit einer dauerhaften Situation.

Geldpolitik: Leitzinsen auf ein restriktives Niveau gehoben

In sieben Schritten hob der EZB-Rat seit 27. Juli 2022 die drei geldpolitischen Leitzinssätze um 375 Basispunkte an, wodurch die Nachfrage gedämpft und dem Risiko einer anhaltenden Aufwärtsverschiebung der Inflationserwartungen entgegengewirkt wird. Die Maßnahmen der Bundesregierung stehen der Politik der EZB entgehen, kritisierte Gerald Loacker (NEOS).

Neben der Anhebung der Leitzinsen schrumpfe die Bilanz des Eurosystems zudem, weil die Bestände aus dem Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme, APP) verringert werden. Bis Ende Juni 2023 werden die APP-Bestände monatlich um 15 Mrd. € reduziert, führte Holzmann aus.

Haber: Immobilienkredite gehen zurück

Die Nachfrage nach Unternehmenskrediten wurde im Jahr 2022 durch den Finanzierungsbedarf für Lagerhaltung und Betriebsmittel angetrieben. Außerdem waren österreichische Unternehmen daran interessiert, die in Erwartung steigender Zinsen noch vorteilhaften Finanzierungsbedingungen beizubehalten, informierte Vize-Gouverneur Haber. Infolgedessen stiegen die Unternehmenskredite mit Ende März 2023 im Vorjahresvergleich um 8,3 % an, so Haber. Das Wachstum der Immobilienkredite war in den letzten Jahren anhaltend hoch (+5,0 % im Dezember 2022 im Vorjahresvergleich). Durch die Anhebungen der EZB-Leitzinsen zeichnete sich eine Umkehr bei den Kundenzinssätzen ab. Infolgedessen gingen die Neukreditvergaben für Immobilienkredite seit dem zweiten Halbjahr 2022 deutlich zurück.

Die Profitabilität des österreichischen Bankensektors erreichte 2022 einen neuen Höchststand in einem angespannten Umfeld, hob Haber hervor. Die Kapitalisierung des österreichischen Bankensektors ist im Jahr 2022 leicht gestiegen. Die österreichischen Banken verfügen dank einer deutlich höheren Kapitalausstattung (im Vergleich zur Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren) über eine komfortable Risikoabsorptionsfähigkeit in Zeiten der COVID-19-Pandemie, des Kriegs in der Ukraine und der Unsicherheiten auf dem internationalen Bankensektor, sagte Haber.

Die Kreditqualität blieb im Jahr 2022 nach wie vor auf hohem Niveau, unterstrich der Vize-Gouverneur. Ein Stresstest der OeNB attestiere dem österreichischen Bankensektor Resilienz.

Nina Tomaselli (Grüne) interessierte sich für die Auswirkungen der Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-V). Grundsächlich begrüßte sie verpflichtende Standards für die Kreditvergabe, wollte aber wissen, ob der Rückgang von Immobilienverkäufen darauf basiere. Aus Sicht der Wirtschaftskammer sei die Verordnung überholt und erschwere die Schaffung von Eigentum und leistbarem Wohnen, führte sie aus.

Der Grund für den Rückgang liege großteils bei einer Änderung des Marktverhaltens, führte Haber aus. Anbieter gehen davon aus, dass Immobilienpreise nur temporär stagnieren und warten daher mit dem Verkauf. Käufer hoffen demgegenüber auf weiteres Stagnieren oder einen Rückgang und warten daher ebenfalls ab. Durch den Rückgang von Kreditimmobilien seien die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer um -23,6 % gesunken, erfuhr Tomaselli.

Die Quote notleidender Kredite (NPL-Quote) blieb 2022 auf einem niedrigen Niveau von 1,7 % was unter anderem auch auf das relativ starke Kreditwachstum, das sich erst gegen Jahresende hin abschwächte, zurückzuführen sei, erfuhr Elisabeth Götze (Grüne). Die NPLs seien schon vor der Krise niedrig gewesen. Bei Gewerbekrediten gebe es einen weltweiten Trend zu hohen Risiken, informierte Haber die Abgeordnete. Um dem entgegenzutreten wurde der Gewerbeimmobilien Preisindex eingeführt und Informationslücken geschlossen.

SPÖ hinterfragt Eigenveranlagung der OeNB und Spekulationsgeschäfte

Im Sinne von Stabilität und Vernunft trat Matznetter gegen Spekulationen und für konservative Anlageformen bei der OeNB ein. Er hinterfragte die Gründe für die Änderungen der Veranlagungsvorschriften für die OeNB und beschäftigte sich mit deren "Spekulationsgeschäften". Holzmann hielt dem Vorwurf der Spekulation entgegen: "Was die OenB gemacht hat, war keine Spekulation". Durch die Änderung des Systems sollte Verkäufen zum falschen Zeitpunkt entgegengewirkt werden.

Krainer hinterfragte insbesondere die Entwicklung der Eigenveranlagung der OeNB zum ersten Quartal 2023, erhielt dazu aber keine Daten. Weiters brachte Krainer die Münze Österreich zur Sprache, die Start Ups finanziere. Die Münze Österreich arbeite an der Zugangssicherheit für Zulieferer für die Produktion, erklärte die OeNB. Der OeNB Vorstand sei in die strategischen Entscheidungen eingebunden.

Die SPÖ machte darauf aufmerksam, dass vom Finanzministerium unvollständige Umfrageergebnisse zur Einstellung zum Bargeld veröffentlicht wurden. Im Rahmen der Nationalratssitzung kritisierten die Sozialdemokraten die "parteipolitisch zensurierte Umfrage", da zwei Seiten gefehlt hätten. Brunner informierte, dass die Seiten mittlerweile auf der Homepage ergänzt wurden.

Christoph Matznetter thematisierte die Schwierigkeiten der Raiffeisenbank mit Gewinntransfers aus Russland. Denn Gewinne aus Russland und Belarus können aufgrund der Sanktionen wegen des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine nicht ausgeschüttet werden.

Im Zuge eines weltweiten Hackerangriffs wurden auch Datensätze der österreichischen Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) kopiert und gestohlen, ging Matznetter auf aktuelle Meldungen ein. Die OeNB wurde umgehend über das Datenleck informiert, unterstrich Haber, direkte Betroffenheit gebe es bei der OeNB nicht. (Schluss) gla