Parlamentskorrespondenz Nr. 766 vom 29.06.2023

Bundesrat: Aktuelle Stunde zu nachhaltigen Schulgebäuden

Opposition sieht drängendere Baustellen im Bildungssystem

Wien (PK) – Nachhaltige Schulgebäude waren heute im Bundesrat Thema der Aktuellen Stunde mit Bildungsminister Martin Polaschek. Der Bildungsminister gab Auskunft über den Schwerpunkt des vergangenen Schuljahres "energie:bewusst in der Schule" und betonte die Bedeutung von gut ausgestatteten, nachhaltigen Gebäuden als Lernumgebung. SPÖ, FPÖ und NEOS hingegen orteten andere, größere Baustellen im Bildungssystem.

Die Länderkammer trat heute erstmals mit nur 60 statt bisher 61 Mitgliedern zusammen, nachdem das Bundesland Wien aufgrund der jüngsten Volkszählung ein Mandat verloren hatte. Zu Beginn der Sitzung wurden die neuen bzw. wiedergewählten Bundesrät:innen aus Salzburg, Marlies Doppler (FPÖ), Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP), Silvester Gfrerer (ÖVP) und Michael Wanner (SPÖ), angelobt.

Bildungsminister Polaschek über Schwerpunkt "energie:bewusst in der Schule"

Um den Schüler:innen die Themen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz ins Gedächtnis zu rufen und ihnen einfache Werkzeuge mitzugeben, habe er im nun ablaufenden Schuljahr den Schwerpunkt "energie:bewusst in der Schule" gewählt, erläuterte Bildungsminister Martin Polaschek. Die Maßnahmen seien erfolgreich gewesen und würden deshalb im kommenden Schuljahr weitergeführt und ausgebaut, sagte er. Weil der Lehrraum als "dritter Pädagoge" angesehen werde, habe er das ambitionierte Ziel ausgegeben, in Sachen Nachhaltigkeit der Schulgebäude zum Vorreiter in Europa zu werden. Der Minister nannte den Ausbau von Photovoltaik, den erhöhten Klimastandard bei Neubauten, die Verbesserung von Wartung und energieoptimiertem Betrieb, Investitionen in Gebäudetechnik und neue Richtlinien für Schulgebäude als Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen. Er werde die Anstrengungen jedenfalls weiter fortsetzen und intensivieren, versicherte Polaschek.

ÖVP: Schulen sollen Vorreiter bei Energieeffizienz sein

Der Bildungsminister habe erkannt, dass Schulen eine "immense Vorbildwirkung" hätten, und setze sich deshalb dafür ein, sie zu Vorreitern in Sachen Energieeffizienz und erneuerbare Energien zu machen, zeigte sich Elisabeth Wolff (ÖVP/W) erfreut. Sie ortete ein riesiges Potenzial in der Gebäudetechnik der Bundesschulen. So würden etwa alle Neubauten in Kooperation mit der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) nach dem höchsten Standard des Klimaschutzministeriums, "klimaaktiv Gold", errichtet und bestehende Gebäude etwa mit Photovoltaik-Anlagen nachgerüstet. Der wahre Wert liege für Wolff aber auch im Lerneffekt der Schüler:innen. Sie würden das in der Schule Gelernte in ihr alltägliches Leben mitnehmen. Deshalb sei es besonders wichtig, den effizienten Umgang mit Energie in den verschiedensten Unterrichtsfächern zu integrieren. Für sie sei nachhaltiges Bauen und der Einsatz alternativer Energien an Schulen nicht nur eine Möglichkeit, sondern eine Notwendigkeit, betonte die Bundesrätin.

Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S) nutzte die Aktuelle Stunde kurz vor Beginn der Sommerferien an Österreichs Schulen, um sich bei allen Lehrer:innen für ihre Arbeit zu bedanken. Gerade, um deren Arbeitsbedingungen und die Lernbedingungen für Schüler:innen zu verbessern, sei das Thema nachhaltiges Bauen wichtig, so Eder-Gitschthaler.

Grüne setzen auf Vorbildwirkung gut informierter junger Menschen

Es gebe vermutlich kaum etwas pädagogisch Wirksameres als klar auftretende, gut informierte junge Menschen, zeigte sich Adi Gross (Grüne/V) vom Einfluss von Kindern und Jugendlichen auf ihr Umfeld überzeugt. Weil Wissen die Grundvoraussetzung dafür sei, komme der Schule als Ort des organisierten Lernens dabei hohe Bedeutung zu. Aus seiner Sicht sollte es bereits längst selbstverständlich sein, dass die Klimakrise und der Umgang mit knappen Ressourcen zu den Unterrichtsinhalten zählen. Leider sei das aber noch nicht überall der Fall. Auch energieeffiziente Schulgebäude seien laut Gross eigentlich die Mindestanforderung, wenn man den Schüler:innen gegenüber glaubwürdig sein wolle. Es stünde zudem vielen gut an, den Kindern und Jugendlichen besser zuzuhören, statt "besserwisserisch auf sie hinabzuschauen" und sie zu kriminalisieren, weil sie unbequem seien, sagte der Bundesrat mit Blick auf die Klimaproteste.

Simone Jagl (Grüne/NÖ) zeigte sich ebenfalls überzeugt, dass Kinder und Jugendliche als Multiplikator:innen in ihren Familien und in ihrem Umfeld auftreten. Bei den ökologischen Standards der Schulbauten seien wichtige Schritte bereits gesetzt, weitere müssten aber folgen.

SPÖ fordert "nachhaltigen Gesamtumbau des Bildungssystems"

Kritik am Thema der Aktuellen Stunde übte die Opposition. Der Titel werde den vielen Herausforderungen im Schulsystem nicht gerecht, sagte es Daniela Gruber-Pruner (SPÖ/W). Es sei natürlich zu begrüßen, dass Schulbauten klimafit gemacht werden sollen. Aber das Bildungssystem sei eine große Baustelle, die die ganze Energie des Ministers benötige, so Gruber-Pruner. Sie hätte daher den Titel "Nachhaltiger Gesamtumbau des Bildungssystems" gewählt, um die wichtigen Themen anzugehen. Die Bundesrätin thematisierte etwa den Protest von tausenden Freizeitpädagog:innen, die unklare Situation für ukrainische Schüler:innen, das Festhalten an den Deutschklassen, die sich in der Praxis "absolut nicht bewährt" hätten und die fehlende Förderung von Kindern mit Behinderung. Auch dass der Schulerfolg oft davon abhängt, ob die Eltern sich Nachhilfe leisten können, sei ein Armutszeugnis für das Bildungssystem.

Auch Doris Hahn (SPÖ/NÖ) bezeichnete die Schule als "Baustelle". Das Thema nachhaltig Bauen sei daher zwar aktuell, aber in einem anderen Sinne. Schule müsse für Hahn auf einem stabilen Fundament, nämlich einer Elementarpädagogik mit genügend gut ausgebildetem Personal, guter Bezahlung und kleinen Gruppengrößen, aufbauen. Es gelte, eine Schule zu bauen, die Talente fördert und sich nicht nur auf das Beseitigen von Defiziten konzentriere. Statt die "dicken Risse in der Gebäudehülle der Bildungspolitik" mit einem neuen Anstrich zu überdecken, müsse man die dahinterliegenden Probleme angehen. Es dürfe nicht darauf ankommen, wo ein Kind geboren wurde oder wie viel seine Eltern verdienen. Letztlich sprach sich Hahn für eine gemeinsame, ganztätige Schule aus. Nur dann sei Bildung nachhaltig.

FPÖ: Regierung ignoriert wichtigere Themen

Auch die FPÖ zeigte sich nicht einverstanden mit dem Thema der Aktuellen Stunde. Isabella Theuermann (FPÖ/K) warf dem Bildungsminister vor, die Proteste der Freizeitpädagog:innen aufgrund der geplanten Umwandlung ihres Berufsbildes ebenso zu ignorieren wie andere Themen. So würden etwa "unsere Kinder" auf der Strecke bleiben, weil immer mehr Kinder kein Deutsch mehr könnten und damit das Unterrichtsniveau nach unten gehe. Zudem seien die Schüler:innen durch die Maßnahmen in der Corona-Pandemie sozial isoliert worden und hätten massive Lernrückstände. Theuermann vermutete, dass der Bundesregierung "aus Energiespargründen schon lange kein Licht mehr beim Thema Bildung aufgegangen" sei. Es gelte, zuerst über Lerneffizienz und dann über Energieeffizienz zu reden, meinte die Bundesrätin.

Markus Leinfellner (FPÖ/St) führte den Anteil an Kindern, die nicht sinnerfassend lesen können, das "Gehaltschaos" bei Lehrer:innen und den Lehrkräftemangel als Probleme im Bildungsbereich an. Auch interreligiöse Feierlichkeiten und Drag-Queen-Lesungen in Schulen kritisierte er.

NEOS: Keine Fortschritte bei "größeren Baustellen"

Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) vermutete, dass der Bildungsminister mit dem "vermeintlichen Wohlfühlthema" der Debatte den eigentlich drängenderen Themen ausweichen wollte. Bei den größeren Baustellen wie dem Personalmangel und dem "ideologischen Holzweg Deutschförderklassen" gehe nämlich nichts weiter. Arlamovsky nannte drei zentrale Forderungen der NEOS: autonome Schulen, bei denen Ministerium und Bildungsdirektionen zu Serviceeinrichtungen werden und nicht mehr als Kontrollorgane fungieren, digitale und benutzer:innenfreundliche Schulen sowie den Einsatz von Lehrkräften, Verwaltungspersonal und Sozialarbeiter:innen und Schulpsycholog:innen dort, wofür sie ausgebildet wurden.

Polaschek: Nachhaltige Schulen nicht geringschätzen

Der Bildungsminister plädierte abschließend dafür, das Thema der nachhaltigen Schulgebäude nicht geringzuschätzen. Denn die Schüler:innen und Lehrkräfte hätten es sich verdient, jeden Tag in gut ausgestatteten und nachhaltigen Gebäuden zu verbringen. Er sprach sich zudem gegen das "generelle Schlechtmachen" des Systems aus, das jedes Jahr zu Schulschluss stattfinde. Auf die verschiedenen Themen im Schulbereich habe er bereits reagiert. So solle man etwa den Lehrkräftebedarf mit Quereinsteiger:innen und einer verkürzten Ausbildung für die Sekundarstufe bewältigen. Auch an der Entbürokratisierung arbeite er, so Polaschek. Er sprach allen Lehrer:innen, dem unterstützenden Personal, den Eltern, Familien und nicht zuletzt den Schüler:innen seinen Dank für das vergangene Schuljahr aus. (Fortsetzung Bundesrat) kar

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