Parlamentskorrespondenz Nr. 800 vom 06.07.2023

Ausbau der Medizinstudienplätze sowie Lehrkräftemangel im Zentrum der Fragestunde mit Bildungsminister Martin Polaschek

Polaschek: Prüfen Erkenntnisse des Gutachtens von Landeshauptfrau Mikl-Leitner zu "Numerus Clausus-Flüchtlingen" aus Deutschland

Wien (PK) – Am Beginn des zweiten Tages des dieswöchigen Nationalratsplenums standen Bildungs- und Hochschulthemen im Rahmen einer Fragstunde mit Bildungsminister Martin Polaschek auf der Tagesordnung. Die Abgeordneten thematisierten dabei unter anderem den Ausbau der Medizin-Studienplätze, Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel, die Deutschförderung in den Schulen sowie das neue Berufsbilds der Assistenz- und Freizeitpädagogik.

Betreffend eines Gutachtens der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner zu den hohen Zahlen an "Numerus Clausus-Flüchtlingen" aus Deutschland im Medizinstudium sprach Bildungsminister Martin Polaschek von "interessanten Aspekten", die sein Ressort sorgfältig prüfen werde.

200 zusätzliche Studienplätze für das Medizinstudium

Bis zum Jahr 2024 würden für die Medizin-Universitäten rund 180 Mio. € für den weiteren Ausbau der Studienplätze zur Verfügung stehen, hielt Bildungsminister Martin Polaschek gegenüber Rudolf Taschner (ÖVP) fest, der sich für den Beitrag der Hochschulen zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen im Gesundheitssystem interessierte. Laut Polascheck sollen dadurch im Laufe der nächsten Jahre 200 zusätzliche Studienplätze geschaffen werden. Außerdem setze man auf die Attraktivierung der Allgemeinmedizin im Rahmen der Lehre, verstärke etwa Forschungskooperationen und investieren in mehrere langjährige "millionenschwere" Infrastrukturprojekte.

Gerhard Kaniak (FPÖ) zeigte sich skeptisch, dass 200 zusätzliche Medizinstudienplätze aufgrund der hohen Pensionierungswelle von Ärtz:innen in den nächsten Jahren ausreichen werden. Mit rund 1.600 Absolvent:innen im letzten Studienjahr sei die Zahl durchaus hoch, es brauche aber eine weitere Attraktivierung des Berufsfeldes, da zahlreiche Absolvent:innen nicht in ihren entsprechenden Bereichen zu arbeiten beginnen würden, so Polaschek.

Was das von Andrea Kuntzl (SPÖ) und Martin Graf (FPÖ) angesprochene Gutachten der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner zu den hohen Zahlen an "Numerus Clausus-Flüchtlingen" aus Deutschland im Medizinstudium betrifft, sprach der Bildungsminister von "interessanten Aspekten", die man nun sorgfältig prüfen werde. Man habe dazu im Ministerium eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die abklären soll, in wie weit sich auf Basis des Gutachtens die Möglichkeit ergebe, mit der Europäischen Kommission über eine Neuregelung zu verhandeln. In die Prüfung miteinbezogen sei auch der Vorschlag, Medizinstudierende dazu zu verpflichten, nach Abschluss des Studiums eine gewisse Zeit lang in Österreich zu arbeiten. Der Ressortchef gab jedoch zu bedenken, dass selbst unter der Annahme einer zeitnahen Umsetzung des Herkunftslandprinzips, die Auswirkungen auf das Gesundheitssystem frühestens in 12 Jahren spürbar sein würden. Wichtiger sei es, in den kommenden Jahren rasch Maßnahmen gegen den Ärzt:innenmangel zu setzen.

Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel

Der Lehrer:innenmangel sei eine der größten Herausforderungen im Bildungsbereich, weswegen sein Ressort die größte Lehrkräfteoffensive der Zweiten Republik gestartet habe, so Polaschek zu Martina Künsberg Sarre (NEOS) und Gertraud Salzmann (ÖVP). Die Mandatarinnen hatten nach den Maßnahmen des Bildungsministeriums gefragt. Es müsse gelingen, den Menschen in Erinnerung zu rufen, wie schön der Beruf des Lehrers oder der Lehrerin sei, hier gelte es, auf den verschiedensten Ebenen anzusetzen. Neben der Digitalisierung des Bewerbungsprozesses an allen Bundesschulen habe man etwa das Modell des Quereinstiegs in den Lehrberuf auf neue Beine gestellt. Diese Maßnahme zeige auch bereits Wirkung, gegenüber den rund 300 jährlichen Quereinsteiger:innen in der Vergangenheit, sei die Zahl aktuell auf etwa 600 Personen angestiegen. Zudem überprüfe man, in wie weit man die Möglichkeit für einen Quereinstieg im Primarbereich schaffen könne, informierte der Bildungsminister. Was die Verkürzung der Studiendauer betrifft, ist es laut Polaschek durchaus vertretbar diese für die Primar- und Sekundarstufen zu ändern. Dazu gehöre auch eine "Entrümpelung" der Curricula sowie die Verankerung von Praxisinhalten.

Von Sibylle Hamann (Grüne) auf die Auswirkungen des vor einigen Wochen präsentierten neue Berufsbilds der Assistenz- und Freizeitpädagogik auf den Schulbetrieb angesprochen, gehe es darum, zusätzliches Personal mit pädagogischer Qualifikation in den Schulbetrieb zu bringen, so der Ressortchef. Hier herrsche "massiver Nachholbedarf". Ziel sei es, das Personal "in einer Hand" zuhaben, wodurch man etwa auch die Möglichkeit habe, eine ganztägige Schule zu organisieren. Man sei hier aber erst am Anfang der Überlegungen, weshalb die Befürchtungen der Gewerkschaft über Entlassungen nicht gerechtfertigt seien. Zuerst wolle man mit den für die Abwicklung zuständigen Bundesländern in Kontakt treten und dann die Gespräche mit den Interessensvertretungen suchen. Man habe jedenfalls kein Interesse, engagiertes und qualifiziertes Personal zu verlieren, versicherte Polaschek.

Fiona Fiedler (NEOS) forderte mehr Tempo bei der Umsetzung des Rechts auf ein 11. und 12. Schuljahr für Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf. In seinem Ressort sei zur Erarbeitung einer langfristigen Lösung eine eigene Arbeitsgruppe eigerichtet worden, antwortete Polaschek. Zudem sei es erfreulich, dass im letzten Schuljahr etwa 90 % der Anträge auf ein 11. und 12. Schuljahr bewilligt worden seien. Ablehnungen müssten nun von den Bildungsdirektionen mit dem Ministerium besprochen werden, seitdem sei etwa aus Wien kein einziger Antrag mehr negativ entschieden worden. Davor seien 90 % der Ablehnungen aus der Bundeshauptstadt gekommen.

Deutschförderklassen

Man habe den in einer Studie formulierten Verbesserungsbedarf erkannt und umgesetzt, antwortete der Bildungsminister Petra Tanzler (SPÖ). Die SPÖ-Mandatarin hatte das Festhalten am Modell der Deutschförderklassen kritisiert, obwohl alle Expert:innen und publizierten Studien an deren Erfolg zweifeln würden. Laut Polaschek gibt es nun 10 Mio. € zusätzlich für diesen Bereich, es liege an den Bildungsdirektionen, die Gelder gemeinsam mit den Schulleitungen entsprechend einzusetzen. Zudem arbeite man an einer Änderung der MIKA-D-Sprachtests, damit der Wechsel in Regelklassen schneller und flexibler möglich sei.

Da laut Hermann Brückl (FPÖ) immer mehr Volksschulkinder im Alltag überwiegend eine andere Sprache sprechen, ortete der FPÖ-Abgeordnete eine Benachteiligung von Kindern mit deutscher Muttersprache. Der "Schlüssel" sei eine entsprechende Sprachförderung, betonte Polaschek. Im Rahmen einer Bund-Länder-Vereinbarung habe man dafür Sorge getragen, dass die Sprachförderung im Kindergarten ausgebaut werde. Die Deutschförderklassen sollen laut Bildungsminister zudem dafür sorgen, dass alle Schüler:innen der gemeinsamen Sprache Deutsch im Unterricht folgen können.

Energiesparmaßnahmen in den Schulen, Open Source Software im Bereich Bildung und Lehre

Nico Marchetti (ÖVP) fragte nach dem Beitrag der Schulen zum Energiesparen. Es handle sich um einen wichtigen Bereich, immerhin seien davon rund 1,2 Mio. Kinder und 120.000 Lehrkräfte betroffen, betonte Bildungsminister Polaschek. Um das Thema in den Schulen präsent zu machen habe man etwa im Oktober den "Energie-Bewusst-Monat" ausgerufen, man habe Unterrichtsmaterialen aufbereitet oder Checklisten zum Energiesparen an die Schulen verteilt. Zudem habe man jene HTLs, die sich mit diesem Thema beschäftigen eingeladen, Vorschläge zu Energiesparmaßnahmen zu liefern. Laut Polaschek sollen die Schüler:innen zu "Energiebotschafter:innen" gemacht werden, die dieses Thema auch mit nach Hause tragen sollen.

Was den Schulbau betrifft, plane man etwa, die Photovoltaik-Leistung in den nächsten zwei Jahren zu verdoppeln. Außerdem habe man die Gebäudestandards für Schulneu- und –umbauten verbessert. Neubauten sollen laut Polaschek nur mehr mit dem "klimaaktiv Gold Standard" errichtet werden.

Die Entscheidung, welche Software im Unterricht zum Einsatz komme, liege bei den Schulen selbst, hielt der Bildungsminister gegenüber Petra Oberrauner (SPÖ) fest, die nach den Maßnahmen zu einem verstärkten Einsatz dieser Produkte fragte. Man trachte natürlich nach einer möglichst kostengünstigen Beschaffung von Softwareprodukten, die Schüler:innen müssten jedoch auch lernen mit den "bezahlten Produkten" umzugehen, da diese in vielen Unternehmen zur Anwendung kommen würden. Das Thema Open Source sei zudem im Unterrichtsfach Digitale Grundbildung enthalten. Hier würden die Kinder über Unterschiede und Anwendungsmöglichkeiten aufgeklärt, so der Minister.

Weitere Themen: Aktueller Stand zum IDSA, Maßnahmen gegen Wissenschaftsskepsis

Ein weiteres Thema der Fragestunde war der von Eva Blimlinger (Grüne) angesprochene aktuelle Stand zur Aufnahme des Studienbetriebs am neu gegründeten Institute of Digital Sciences Austria (IDSA) in Linz. Laut Polaschek werden erste Studienangebote bereits im Spätsommer und Herbst in Zusammenarbeit mit der Ars Electronica starten. Als nächster Schritt sei der Entwurf von PhD-Programmen sowie die Einrichtung eines regulären Master- und Bachelorstudiums nach der Bologna-Studienarchitektur geplant. Wann die Curricula genau starten, hänge davon ab, wie schnell es gelinge, akademisches Personal für die neue Hochschule zu lukrieren. Er gehe davon aus, dass damit rasch begonnen werde, so der Minister. Insgesamt würden bis 2025 45 Mio. € für IDSA zur Verfügung stehen, die nicht zu Lasten anderer Universitäten gehen sollen.

Von Joachim Schnabel (ÖVP) auf die Maßnahmen gegen die anhaltende Wissenschaftsskepsis in der Bevölkerung angesprochen, verwies Polaschek auf ein 10-Punkte-Programm seines Hauses. Dieses beinhalte etwa den Besuch von Wissenschaftsbotschafter:innen in Schulen, um in  den Klassen den großen Wert von Wissenschaft und Forschung zu vermitteln. Die im Sommer angebotenen Kinder- und Jugenduniversitäten sollen es Kindern erleichtern, mit wissenschaftlichen Themen in Berührung zu kommen. Zudem habe man eine Ursachenstudie zur Wissenschaftsskepsis in Österreich in Auftrag gegeben, informierte der Minister. (Fortsetzung Nationalrat) med

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