Parlamentskorrespondenz Nr. 932 vom 20.09.2023

Bundesrechnungsabschluss 2022: Koalition sieht Erfolge der Wirtschaftspolitik, Opposition bedenkliche Neuverschuldung

Keine Mehrheit im Nationalrat für SPÖ-Misstrauensantrag gegen Bundesregierung

Wien (PK) – Die bereinigten Finanzschulden des Bundes betrugen Ende 2022 270,890 Mrd. € bzw. 60,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und waren damit um 6,8 % höher als im Vorjahr. Das zeigt der vom Rechnungshof vorgelegte Bundesrechnungsabschluss 2022 auf. Der Nationalrat genehmigte den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2022 nach einer lebhaften Debatte heute mehrheitlich mit den Stimmen der Abgeordneten der Koalition. Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker nahm ihre Stellungnahme zum Bericht zum Anlass, auf die Wichtigkeit einer nachhaltigen Budgetpolitik hinzuweisen.

Die SPÖ benützte die Debatte zum Bundesrechnungsabschluss, um einen Misstrauensantrag gegen die Bundesregierung einzubringen. Da die Koalition nichts gegen die Teuerung unternehme, mache sie sich der "unterlassenen Hilfeleistung" schuldig, lautete die Begründung des Antrags, der nur von SPÖ und Freiheitlichen unterstützt wurde und damit keine Mehrheit fand.

Mehrheitlich sprach sich der Nationalrat für eine Änderung der Auszahlungsobergrenze bei kurzfristigen Finanzierungen der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) aus. Die Novelle reagiere auf geänderte Rahmenbedingungen am Kapitalmarkt, heißt es dazu seitens der Koalition.

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat die EU im Dezember 2022 eine Unterstützung zur Schließung der Finanzierungslücke im Jahr 2023 für die Ukraine beschlossen. Die dazu notwendige Änderung des Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetzes wurde vom Nationalrat mehrheitlich, mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS, beschlossen.

Rechnungshof betont Wichtigkeit nachhaltiger Budgetpolitik

Laut Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker zeigt der Bundesrechnungsabschluss für 2022 im Bundeshaushalt mit einem Minus von 12,744 Mrd. € (Nettoergebnis) im Jahr 2022 zum dritten Mal in Folge ein hohes Defizit. Das Ergebnis fiel jedoch um 6,901 Mrd. € besser aus als im Jahr davor. Gegenüber dem Vorjahr stiegen 2022 die Erträge auf 7,948 Mrd. € an, was der Rechnungshof auf höhere Abgabenerträge durch die hohe Inflation und die gute Wirtschaftsentwicklung zurückführt.

Gedämpft wurde die positive Entwicklung laut dem Rechnungshof durch mehrere Faktoren wie die Maßnahmen zur Abfederung der Teuerung. Insbesondere die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID–19–Pandemie hätten zu einem starken Anstieg der Finanzschulden geführt. Mit einem Plus von 8,6 % wurde im Jahr 2022 auch der höchste Preisanstieg seit 1974 verzeichnet. Allein die Erhöhung des Klimabonus sowie der Anti–Teuerungsbonus machten zusammen 60,5 % der Unterstützungsleistungen aus.

Abgeleitet aus diesem Befund empfahl die Rechnungshofpräsidentin der Bundesregierung, alle von ihr getroffenen Maßnahmen künftig stärker auf ihre Nachhaltigkeit zu überprüfen. In Hinblick auf künftige Budgets warnte Kraker vor den steigenden Zinsrisiken, da das Zinsniveau im Laufe des Jahres 2022 deutlich angestiegen und ein Ende der Leitzinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank aufgrund der nach wie vor hohen Inflation noch nicht absehbar sei. Mit Blick auf die Verschuldung weise der Rechnungshof daher die Notwendigkeit einer nachhaltigen Budgetpolitik hin. Dazu müsse unter anderem auch der Bundesfinanzrahmen einen größeren Stellenwert erhalten und es müsse möglich werden, Krisenbudgets über einen Zeitraum von mehreren Jahren zu betrachten, führte Kraker aus.

Misstrauensantrag im Rahmen der Debatte zum Bundesrechnungsabschluss

Kai Jan Krainer (SPÖ) sagte, der Budgetabschluss zeige die großen Linien der Budgetpolitik der aktuellen Bundesregierung. Klar erkennbar sei daraus, dass die Konzerne weniger zum Budget beitragen mussten, während die Einnahmen aus der Umsatzsteuer stark anstiegen. Bei den Ausgaben setze die Regierung sehr wenig auf Zukunftsbereiche, wie die Bildung. Gleichzeitig seien die Verschuldung und die Inflation stark gestiegen. Die Bundesregierung habe sich dafür entschieden, bis auf Einmalzahlungen nichts gegen die Inflation zu unternehmen. Aufgrund dieses "Totalversagens in der Teuerungskrise" bringe er einen Misstrauensantrag der SPÖ gegenüber der Bundesregierung ein. Wer eine solche Wirtschaftspolitik zu verantworten habe, verdiene kein Vertrauen, meinte er. Diesem Befund schloss sich Karin Greiner (SPÖ) an. Entgegen dem, was der Bundeskanzler gerade behauptet habe, sei die Inflation im August wieder gestiegen und Österreich weiterhin Spitzenreiter bei Inflation und Preisen. Die Bevölkerung frage sich, wann die Bundesregierung endlich nachhaltige Maßnahmen setze. Die Bundesregierung müsse den Weg für Neuwahlen freimachen. Auch Christian Oxonitsch (SPÖ) sah das "Versagen der Bundesregierung" bei der Inflationsbekämpfung als ausreichenden Grund für einen Misstrauensantrag.

Andreas Hanger (ÖVP) bezeichnete den SPÖ-Misstrauensantrag als "linken Populismus", der mit den Fakten nichts zu tun habe. Faktum sei, dass Österreich trotz der Krise hohe Wachstumsraten der Wirtschaft erreichen konnte. Der Budgetdienst des Parlaments habe auch bestätigt, dass es 2021 und 2022 zu einer Steigerung der Realeinkommen gekommen sei. Für 2023 sei zwar insgesamt ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Gerade bei den unteren Einkommensgruppen sei aber auch 2023 mit einer Steigerung der Realeinkommen zu rechnen. Er rechne aufgrund des Wirkens der Antiteuerungspakete auch für 2024 mit einer Steigerung der Einkommen, sagte Hanger. Er appelliere daher an die Opposition, diese Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Christian Stocker (ÖVP) warf der SPÖ unglaubwürdige Argumentation vor. Die Bundesregierung habe in der Krise ein Einbrechen der Wirtschaft verhindert und dafür gesorgt, dass das Gesundheitssystem aufrechterhalten werden konnte. Auch eine drohende Energiekrise sei abgewendet worden.

Für Hubert Fuchs (FPÖ) hingegen verschließt die Bundesregierung die Augen vor den Tatsachen. Sie bekämpfe die wahren Ursachen der Inflation nicht, die Fuchs in der Corona-, Asyl- und Sanktionspolitik der Schwarz-Grünen Koalition sah. Lieber werfe sie das Geld für "finanzielle Ungeheuerlichkeiten" wie den Klimabonus "zum Fenster hinaus". Die kontinuierliche Erhöhung des Budgetdefizits und das Verfehlen der Maastricht-Ziele sei eine logische Folge dieser Politik. Gerhard Kaniak (FPÖ) sah einen "desaströsen" Bundesrechnungsabschluss, die Koalition wolle aber die Kritik nicht hören. Der Finanzminister müsse endlich eine Trendwende in der Budgetpolitik einleiten. Die Ursache der ausufernden Staatsverschuldung sei ein katastrophales Krisenmanagement der Bundesregierung. Die steigende Zinsbelastung schränke den Handlungsspielraum zukünftiger Bundesregierungen massiv ein. Auch Kaniak trat für sofortige Neuwahlen ein, da sich die Probleme unter der aktuellen Bundesregierung nur immer weiter verschärfen würden.

Jakob Schwarz (Grüne) sah das Budgetdefizit als Ergebnis der Maßnahmen gegen COVID-19, die steigenden Energiepreise und die Klimakrise. Hier nichts zu tun, wäre aber langfristig Österreich noch teurer zu stehen gekommen, argumentierte er. Studien würden zeigen, dass die Antiteuerungspolitik der Bunderegierung sich für die unteren Einkommen klar positiv auswirkt. Die SPÖ sage schlicht die Unwahrheit, wenn sie behaupte, dass die Bundesregierung gegen die Teuerung nichts unternommen habe. Lukas Hammer (Grüne) wies darauf hin, dass die Bundesregierung eine wirksame Strompreisbremse eingeführt habe. Bei der Fernwärme habe hingegen die SPÖ-geführte Wiener Stadtregierung genau das gemacht, was die SPÖ im Parlament der Bundesregierung vorwerfe, nämlich nichts gegen massive Preiserhöhungen des Energieunternehmens unternommen. Er frage sich, ob die SPÖ auch der Wiener Stadtregierung den Rücktritt nahelegen wolle.

Die Bundesregierung habe es trotz steigender Einnahmen "geschafft", das Budgetdefizit deutlich zu erhöhen, befand Karin Doppelbauer (NEOS). Die Maßnahmen der Bundesregierung, insbesondere die COVID-19-Hilfen, seien nicht treffsicher ausbezahlt worden. Nur 20 % der Budgetmittel würden für zukunftsrelevante Bereiche fließen, damit könne die Bundesregierung den enormen Reformstau nicht auflösen. Es sei an der Zeit, eine Steuerreform umzusetzen, die diesen Namen tatsächlich verdiene. Vor allem müsse der Faktor Arbeit massiv entlastet werden.

Flexibilität für Liquiditätsmanagement des Bundes

Mit einer Novelle zum Bundesfinanzrahmengesetz 2023 bis 2026 und zum Bundesfinanzgesetz 2023 soll die Finanzierungstätigkeit der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) am Kapitalmarkt flexibel agieren können. Wie Angela Baumgartner (ÖVP) ausführte, werde damit auf geänderte Rahmenbedingungen am Finanzmarkt reagiert. Das Bundesfinanzgesetz 2023 sieht daher für kurzfristige Finanzierungen eine Überschreitung der Auszahlungsobergrenze im Geldfluss aus der Finanzierungstätigkeit in Höhe von 45 Mrd. € vor. Das bedeute aber keineswegs, dass die langfristige Stabilität des Budgets außer Acht gelassen wird. Michaela Schmidt (SPÖ) kritisierte die Erhöhung des Rahmens für die ihr zufolge riskanteren kurzfristigen Kredite. Die Volumina dafür seien vor der Pandemie auf viel geringerem Niveau gewesen. Statt einer Senkung komme es nun zu dieser weiteren Steigerung von 60 %. Damit unterwerfe sich der Staat den Schwankungen des Kapitalmarkts stärker als er müsste. Jakob Schwarz (Grüne) entgegnete der Warnung von Schmidt, es gehe nicht darum, die Finanzschulden zu erhöhen. Diese würden immer noch über Zeiträume von Jahren und nicht kurzfristig finanziert.

Weiters wird mit der Novelle für den zu erwartenden finanziellen Bedarf zum Anti-Teuerungspaket für Familien im Rahmen des Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetzes vorgesorgt und dem Finanzminister eine Überschreitungsermächtigung von bis zu 140,5 Mio. € für 2023 eingeräumt. Jakob Schwarz (Grüne) wies darauf hin, dass das Paket zur Bekämpfung der Kinderarmut damit erst ermöglicht werde.

Österreich unterstützt Ukraine mit bis zu 100 Mio. € an Zuschüssen

Durch günstige Konditionen der so genannten "Makrofinanzhilfe +" stellt die EU einen Betrag von maximal 18 Mrd. € in Form von Darlehen für die Ukraine bereit. Der österreichische Anteil wird voraussichtlich 78,2 Mio. € betragen. Die vom Nationalrat mehrheitlich beschlossene Novelle des Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetzes, die auf einen Initiativantrag der Koalitionsparteien zurückgeht, erlaubt dem Finanzminister, bis zu 100 Mio. € Zuschüsse zugunsten der Ukraine zu gewähren. Mit dem Betrag soll auch dem Zinsänderungsrisiko Rechnung getragen werden. Im Plenum fand auch diese Maßnahme die mehrheitliche Zustimmung der Abgeordneten.

Axel Kassegger (FPÖ) meinte, neben einer verfehlten Corona- sowie Anti-Teuerungs-Politik habe die Bundesregierung nur ein Auge darauf, wieviel Milliarden man in die Ukraine schicken solle. Er erachte diese Politik als "Fass ohne Boden", so Kassegger.

Helmut Brandstätter (NEOS) warf umgekehrt der FPÖ enge Russland-Beziehungen vor. Es geht aus seiner Sicht nicht zuletzt darum, dass "wir uns selbst helfen, indem wir der Ukraine helfen". Er sei dankbar, dass der Bundespräsident klargemacht habe, dass Österreich weiterhin Hilfen liefern werde. (Fortsetzung Nationalrat) sox/mbu

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