Parlamentskorrespondenz Nr. 957 vom 26.09.2023

Unterrichtsausschuss spricht sich einstimmig für Kinderschutzkonzepte an Schulen aus

Umfassende Gewaltprävention durch Kinderschutzteams an allen Schulen

Wien (PK) – Eine Regierungsvorlage zu verpflichtenden Kinderschutzkonzepten an Schulen wurde im Unterrichtsausschuss heute einstimmig angenommen. Ebenso einstimmig angenommen wurde eine Regierungsvorlage zur Aufnahme neuer Ausbildungen im Bereich der Elementarpädagogik in das Anstellungserfordernisse-Grundsatzgesetz.

Kinderschutzkonzepte zur Gewaltprävention an Schulen

Mit einer Änderung des Schulunterrichtsgesetzes soll für jede Schule die Erstellung und Umsetzung eines Kinderschutzkonzepts vorgeschrieben werden, das die Schüler:innen vor physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt an Schulen bewahren soll (2200 d.B.) Jede Schule erstellt ihr eigenes Kinderschutzkonzept. Im Zuge der Konzepterstellung sind die Festlegung eines Verhaltenskodex, die Durchführung einer Risikoanalyse, die Zusammenstellung eines Kinderschutzteams sowie eine Definition der Vorgangsweise bei möglichen Gefährdungen vorgeschrieben. Die Kinderschutzkonzepte zielen einerseits darauf ab, Schüler:innen vor Gewalt durch Erwachsene zu schützen, aber auch vor Gewalt untereinander.

Um sicherzustellen, dass die Schule ein Ort der Sicherheit und Entfaltung ist, werden mit verpflichtenden Kinderschutzkonzepten  neue Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt geschaffen, betonte Bildungsminister Martin Polaschek. Gefahren sollen so rasch identifiziert und die Schulen mit der Schaffung einfacher und einheitlicher Strukturen aktiv bei der Gewaltprävention unterstützt werden.

Yannick Shetty (NEOS) bezeichnete die Regierungsvorlage als Anlassgesetzgebung. Er verwies auf die Kritik von Kinderschutzeinrichtungen, die laut ihm bemängeln, dass für die Umsetzung der Kinderschutzkonzepte kein zusätzliches Budget vorgesehen sei. Shetty sieht die Gefahr, dass sich die Kinderschutzkonzepte zu einem "weiteren Bürokratiemonster" ohne tatsächliche Wirkung entwickeln könnten. Weiters kritisierte er scharf, dass in Bezug auf die Abschätzung der Wirkungsdimension in der Regierungsvorlage davon ausgegangen werde, dass weniger als 1000 Kinder und Jugendliche von den neuen Maßnahmen betroffen sein werden. Dies sei für ihn nicht nachvollziehbar, da die Kinderschutzkonzepte an allen Schulen etabliert und damit für alle Schüler:innen zur Anwendung kommen sollten.

Nico Marchetti (ÖVP) nannte die "Aufregung" Shettys über die Abschätzung der Wirkungsdimension eine "konstruierte Moraldebatte" und verwies auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, in denen zu lesen sei, dass "indirekt alle Schüler:innen" von der neuen Regelung betroffen sein werden. Die Zahl der tatsächlichen Fälle von Gefährdung, soweit bekannt, liege jedoch bei einigen Einzelfällen. In der Analyse der Wirkungsdimension werde daher von der Zahl jener ausgegangen, die durch die neuen Maßnahmen vor Gewalt geschützt werden können.

Es sei wichtig, dass Kinder von klein auf ihre Rechte kennen, betonte Sibylle Hamann (Grüne). Aus Sicht der Grünen sei es daher wichtig gewesen, im Gesetzentwurf von einem "breiten" Gewaltbegriff auszugehen, der unter anderem auch psychische Gewalt, wie beispielsweise Mobbing der Schüler:innen untereinander, beinhalte. Zudem sei der Entwurf laut Hamann in enger Zusammenarbeit mit Kinderschutzorganisationen entstanden. Die Kinderschutzkonzepte würden partizipativ an jedem Standort entwickelt, dies sei bereits als Teil des Kinderschutzes zu sehen, so Hamann. Zur Gewaltprävention gehöre auch die Stärkung der Resilienz der Schüler:innen, sagte Faika El-Nagashi (Grüne). Dazu zähle auch Extremismusprävention, für die es bereits budgetäre Mittel gebe. Daher sei der verschränkte Einsatz von finanziellen Ressourcen zielführend.

Kritik "am Fehlen zusätzlicher Mittel" für die Umsetzung der Kinderschutzkonzepte übte auch die SPÖ. Klaus Köchl wollte von Minister Polaschek wissen, wie Lehrer:innen mit dem zusätzlichen Mehraufwand umgehen sollten und fragte, ob es tatsächlich an jeder Schule ein eigenes Kinderschutzteam geben werde. Zudem bemängelte er, dass bei der Entwicklung des Gesetzentwurfs zu wenig auf die Schulpartner eingegangen worden sei. Petra Tanzler (SPÖ) pochte darauf, dass die auf dem Gesetz basierende Verordnung zeitnahe kommen müsse, sodass den Schulen genug Zeit für die Umsetzung bleibe.

Bundesminister Martin Polaschek erklärte, dass kein zusätzliches Budget für die Kinderschutzkonzepte vorgesehen sei, da durch die neuen Maßnahmen vor allem Kosten für Weiterbildung des Lehrpersonals erwartet werden und es bereits ein sehr umfangreiches Budget für Weiterbildungsmaßnahmen gebe. Daher wolle man beim bestehenden Weiterbildungsangebot einen Schwerpunkt auf das Thema Kinderschutz legen. Zur Frage von Klaus Köchl (SPÖ), ob es an jeder Schule ein Kinderschutzteam geben werde, sagte Polaschek, dass für Kleinschulen die Etablierung eines Kinderschutzteams innerhalb eines Schulclusters vorgesehen sei, da es nicht zweckmäßig sei, wenn alle Personen an einer Schule dem Kinderschutzteam angehören. Die genauen Details dazu würden in der Verordnung zu definieren sein.

FPÖ-Abgeordneter Hermann Brückl kritisierte, dass die Formulierungen in der Gesetzesvorlage sehr offen seien. Er sehe darin die Gefahr, dass die Kinderschutzkonzepte beispielsweise bei künftigen Pandemien für Anlassgesetzgebung verwendet oder zum Erlass für Kleidervorschriften herangezogen werden könnten. Zudem wollte Brückl von Bildungsminister Martin Polaschek wissen, welche Konsequenzen bei Missachtung der im Kinderschutzkonzept festgeschriebenen Regeln vorgesehen seien.

Polaschek erklärte, dass man bewusst auf möglichst breite Formulierungen gesetzt habe, um den Schulen die Möglichkeit zu geben, autonom zu entscheiden, was sie im jeweiligen Kinderschutzpaket festschreiben wollen. Für Kleiderordnungen sei das Konzept nicht gedacht, diese können von Schulen ohnehin bereits jetzt beschlossen werden. Die Konsequenzen bei Fehlverhalten seien im Dienstrecht der Lehrer:innen sowie in den Schulordnungen bereits klar geregelt. Es gehe darum, Gefährdungen und Notsituationen durch die Kinderschutzkonzepte möglichst rasch erkennen zu können. Die Erstellung der Konzepte sei ein breiter Prozess, in dem die Schulpartner gut einzubinden seien, um von möglichst vielen Personen mitgetragen zu werden.

Anerkennung der neuen Ausbildungen in der Elementarpädagogik

Damit Absolvent:innen von neu geschaffenen Ausbildungen im Bereich Elementarpädagogik ihre berufliche Tätigkeit als gruppenführende Elementarpädagog:innen aufnehmen dürfen, wurde einstimmig beschlossen, diese neuen Ausbildungen in das Anstellungserfordernisse-Grundsatzgesetz aufzunehmen (2203 d.B.).

Bildungsminister Martin Polaschek betonte die Bedeutung von gut ausgebildetem Personal im Bereich der Elementarpädagogik und nannte es einen Meilenstein, dass nun, wie von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) angekündigt, € 4,5 Mrd. in den Bereich der Kinderbetreuung investiert würden.

Petra Tanzler (SPÖ) kritisierte, dass es seitens der ÖVP bereits "mehrfach Ankündigungen und Lippenbekenntnisse" gegeben habe, wenn es um den Ausbau der Kinderbetreuung ging, von denen aber nichts übrig geblieben sei. Daher warnte sie vor einer neuerlichen "Mogelpackung" und stellte die Frage an Bildungsminister Polaschek, ab wann und in welcher Form mit den angekündigten € 4,5 Mrd. zu rechnen sei.

Für Martina Künsberg Sarre (NEOS) ist es ein Meilenstein, dass die ÖVP erkannt habe, dass Elementarpädagogik doch wichtig sei, die angekündigten € 4,5 Mrd. seien hingegen kein Meilenstein, da viel mehr Geld allein für die Elementarpädagogik nötig sei. Es sei jedoch gut, dass sich in diesem Bereich etwas bewege. Nötig sei jedenfalls die Entwicklung eines Stufenplans für die Einsetzung der angekündigten finanziellen Mittel, man solle das Geld nicht einfach an die Länder übergeben. Zudem forderte sie mittelfristig einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem 1. Geburtstag des Kindes sowie die Schaffung von Qualitätsstandards in den Betreuungseinrichtungen.

Sie freue sich darüber, dass es nun erstmals einen breiten Konsens über die Wichtigkeit der Elementarpädagogik gebe, betonte Sybille Hamann (Grüne). Natürlich handle es sich bei den angekündigten € 4,5 Mrd. für die Kinderbetreuung um keine Mogelpackung, diese Investition sei "ernst gemeint". Sie stimme zu, dass es für den Einsatz der Mittel einen Stufenplan brauchen werde.

Hermann Brückl (FPÖ) kritisierte, dass es an Reformen und an  Mut zur Umsetzung fehle. Dringend nötig sei aus seiner Sicht eine Dienstrechtsreform. Zudem sei es inzwischen verwirrend, welche Ausbildung man wählen müsse, wenn man in der Elementarpädagogik arbeiten möchte, da es so viele verschiedene Möglichkeiten gebe.

Agnes Totter (ÖVP) entgegnete, dass es sonderbar sei, wenn kritisiert werde, dass es zu viele Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich der Elementarpädagogik gebe. Bildungsminister Martin Polaschek meinte dazu, dass man aufgrund des Fachkräftemangels versuche, Menschen in verschiedenen Abschnitten ihres Lebens für eine berufliche Tätigkeit im Bereich der Elementarpädagogik zu gewinnen. Daher brauche es viele verschiedene Ausbildungswege. Es werde eine einheitliche Anlaufstelle geschaffen, an der alle Informationen zu den möglichen Ausbildungswegen abrufbar sein werden. Zur Verwendung der angekündigten € 4,5 Mrd. für die Kinderbetreuung sagte Polaschek, dass gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden festgelegt werde, wie dieses Geld bestmöglich eingesetzt werde. Man werde sich für einen gemeinsamen Weg betreffend der geforderten Qualitätsstandards einsetzen, jedoch könne man hier nur vermitteln, da die Umsetzung in der Kompetenz der Länder liege.

Anträge der SPÖ (3565/A(E)) und NEOS (3118/A(E)) auf einen Rechtsanspruch auf Elementarbildung ab dem 1. Lebensjahr des Kindes sowie auf weitere Verbesserungen im Bereich der Elementarpädagogik wurden von ÖVP und Grünen mit Verweis auf die angekündigten Investitionen im Bereich der Kinderbetreuung vertagt.

COVID-Berichte zur Kenntnis genommen

Mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurden die Berichte zur COVID-19-Bewältigung an Schulen der Monate Mai 2023 (III-965 d.B.) und Juni 2023 (III-992 d.B.). Corona-Antigen-Tests an Schulen gab es in diesem Zeitraum nur noch im Einzelfall zur Abklärung von Verdachtsfällen. Im Mai 2023 schlugen an Schulen 50 von 12.073 Testungen positiv auf das Corona-Virus an. Im Juni 2023 wurden 4.006 Antigen-Testungen an Schüler:innen sowie an Lehr- und Verwaltungspersonal durchgeführt, dabei fielen 14 Tests positiv aus.

Agnes Totter (ÖVP) betonte, dass das Förderstundenpaket zum Aufholen der durch die Pandemie verursachten Lernrückstände von Schüler:innen Früchte getragen habe. Auch Sybille Hamann (Grüne) sagte, dass das Förderpaket die richtige Maßnahme zur richtigen Zeit gewesen sei. Rudolf Silvan (SPÖ) fragte Bildungsminister Martin Polaschek, ob es Konzepte für den Fall gebe, wenn es diesen Herbst und Winter durch eine erneute Krankheitswelle zu vermehrten Ausfällen beim Lehrpersonal komme. Hermann Brückl (FPÖ) verwies auf die Kritik des Rechnungshofs im Zusammenhang mit Mängeln bei der Beschaffung der Corona-Tests für Schulen und fragte Minister Martin Polaschek nach den daraus gezogenen Konsequenzen.

Polaschek erklärte, dass Krankheitsfälle beim Lehrpersonal diesen Herbst vor allem durch Supplierungen abgedeckt werden. Es würden jedoch laufend neue Stellen ausgeschrieben, um den Personalstock weiter aufzubauen, sodass mögliche Ausfälle gut abgedeckt werden können. Die Learnings aus der Pandemie werden laut Polaschek systematisch aufgearbeitet. In Bezug auf die Kritik an der Beschaffung von Corona-Tests erklärte er, dass man aus den Fehlern bei den Notvergaben gelernt habe. Schon bei den darauffolgenden weiteren Vergabeverfahren sei eine ordnungsgemäße Vorgangsweise erfolgt. (Fortsetzung Unterrichtsausschuss) bea


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