Parlamentskorrespondenz Nr. 29 vom 22.01.2024

Verfassungsausschuss behandelt weiteres Volksbegehren zur Abschaffung der ORF-Gebühren

Mehrere Oppositionsanträge zu ORF-Reformen sowie Forderungen zu Maßnahmen gegen Fake-News vertagt

Wien (PK) – Zu den Volksbegehren, die der Verfassungsausschuss in seiner heutigen Sitzung behandelte, gehörte die Initiative "GIS-Gebühren Nein". Konkret gefordert wird von den Proponent:innen, sämtliche allgemeinen Gebühren und Abgaben zur Finanzierung des ORF abzuschaffen. Die Forderungen werden im Plenum des Nationalrats noch weiter diskutiert werden.

Zusammen mit dem Volksbegehren wurden auch eine Reihe von Anträgen von SPÖ, FPÖ und NEOS behandelt. Die Fraktionen sprechen sich für eine Reihe von Anpassungen der rechtlichen Rahmenbedingungen des ORF bei der Erfüllung seines öffentlich-rechtlichen Auftrags aus. Die Anträge zum ORF wurden durchwegs mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt. Vertagt wurden auch zwei Anträge der NEOS, in denen sie eine aktivere Rolle der Bundesregierung bei Maßnahmen gegen Fake-News und mehr Unterstützung für die Entwicklung von Medienkompetenz in der Bevölkerung verlangen.

Volksbegehren fordert Abschaffung aller ORF-Gebühren

Schon mehrfach hat sich der Nationalrat mit der Forderung befasst, ORF-Gebühren grundsätzlich abzuschaffen. Nun liegt den Abgeordneten ein weiteres Volksbegehren zu diesem Thema vor. Insgesamt 167.406 Personen bzw. 2,64 % der Wahlberechtigten haben eine Initiative mit dem Titel "GIS-Gebühren Nein" unterstützt (2076 d.B.) Damit konnte das Volksbegehren zwar nicht so viele Unterschriften erzielen wie vorangegangene Volksbegehren mit demselben Anliegen. Für Marcus Hohenecker und seinen Mitstreiter:innen steht aber fest, dass eine überwältigende Mehrheit von mehr als 90 % die GIS-Gebühren abgeschafft sehen will. Sie leiten das daraus ab, dass eine gleichzeitig aufliegende Initiative mit dem Titel "GIS-Gebühren JA" nur 8.401 Unterstützungserklärungen und damit nicht einmal die für die Einleitung eines Volksbegehrens nötigen Unterschriften erhalten hat.

Aus Sicht ihrer Fraktion brauche es weitere Reformen des ORF, meinte SPÖ-Abgeordnete Muna Duzdar. Eine ersatzlose Streichung aller ORF-Gebühren wäre aber kontraproduktiv, denn sie würde faktisch das Ende des unabhängigen ORF und damit eines wichtigen Faktors in der Medienlandschaft Österreichs bedeuten, der zudem ein wichtiger Teil der österreichischen Identität sei.

Susanne Fürst (FPÖ) sah im Volksbegehren eine wichtige Initiative, die unterstreiche, dass der ORF derzeit seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag zu wenig nachkomme. Aus diesem Grund sei die FPÖ auch dezidiert gegen die ORF-Haushaltsabgabe in ihrer derzeitigen Form, die einen völlig falschen Zugang zur Frage der ORF-Finanzierung zeige.

Eva Blimlinger (Grüne) legte ein klares Bekenntnis zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ab. Die Haushaltsabgabe verteile die Lasten der Finanzierung weit besser und trage dem Umstand Rechnung, dass unterdessen viele Menschen vom ORF produzierte Inhalte nicht nur über Radio- und TV-Geräte, sondern auch online konsumieren.

Henrike Brandstötter (NEOS) betonte, ihre Fraktion bekenne sich zu einem unabhängigen ORF, der aber seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag stärker nachkommen müsse. Die NEOS hätten daher umfangreiche Forderungen zu einer Fortführung der Reform des ORF formuliert.

Kurt Egger (ÖVP) meinte, die Argumentation der Proponent:innen, wonach 90 % der Bürger:innen das Volksbegehren unterstützen würden, sei fragwürdig, da Volksbegehren kein Instrument der Meinungsforschung seien. Sie in diesem Sinne zu verwenden komme einem Missbrauch eines demokratischen Instruments gleich.

Für die Proponent:innen des Volksbegehrens sprach Anatolij Volk im Ausschuss. Er wies den Vorwurf eines Missbrauchs zurück. Volksbegehren sollten als eine wichtige Ergänzung der parlamentarischen Demokratie betrachtet und nicht abgewertet werden. Aus seiner Sicht trage auch der ORF mit seiner Berichterstattung zu der tendenziellen Abwertung von Volksbegehren bei uns zeige damit, dass er seiner Aufgabe einer objektiven Berichterstattung nicht gerecht werde.

FPÖ wendet sich gegen ORF-Haushaltsabgabe

An die Diskussion über das Volksbegehren schloss sich eine Debatte über eine Reihe von Anträgen an, in denen die Opposition ihre Forderungen zum ORF zum Ausdruck bringt. Die FPÖ tritt in Reaktion auf das VfGH-Urteil zum ORF für eine Aufhebung des ORF-Beitrags-Gesetzes ein, auf dessen Grundlage die neue Haushaltsabgabe eingehoben wird (3663/A). Laut FPÖ-Abgeordneter Susanne Fürst sei die Haushaltsabgabe abzulehnen, da das "gesicherte Grundeinkommen für den ORF" nur bewirke, dass die notwendige Transformation des öffentlich-rechtlichen Senders weiter verschleppt werde. Der ORF solle sich auf seine Kernaufgaben als öffentlich-rechtliches Medium besinnen und den Rest dem freien Markt überlassen.

Für SPÖ-Abgeordnete Muna Duzdar braucht es hingegen ein "sozial gerechtes" Modell der ORF-Finanzierung (3806/A(E)). Laut der SPÖ sollten junge Menschen bis zum 24. Lebensjahr sowie einkommensschwache Haushalte generell vom ORF-Beitrag befreit werden. Auch sollte die Berücksichtigung der Wohnkosten bei der Berechnung der Einkommensgrenze über das Jahr 2025 hinaus gelten. Den daraus resultierenden Einnahmenausfall sollte laut der SPÖ dem ORF aus dem Budget refundiert werden. Mittelfristig plädiert Duzdar für ein ORF-Finanzierungsmodell, bei dem Gutverdiener:innen mehr und Personen mit geringem Einkommen wenig bis nichts bezahlen. Den Zugang der FPÖ lehne sie allerdings ab. Die Finanzierung des ORF müsse gesichert bleiben.

Für Eva Blimlinger (Grüne) zielt der Antrag der FPÖ auf eine Einschränkung der Unabhängigkeit des ORF. Die Haushaltsabgabe sei die richtige Lösung, betonte sie. In Richtung SPÖ meinte sie, die soziale Staffelung des Beitrags sei so weit wie möglich umgesetzt worden, indem die Ausnahmebestimmungen ausgeweitet worden seien. Sie von vornherein gestaffelt vorzuschreiben, würde Erhebungen über das Haushaltseinkommen verlangen, die schon aus Datenschutzgründen nicht umsetzbar wären.

In dieselbe Kerbe schlug ÖVP-Abgeordneter Kurt Egger. Er meinte, die SPÖ-Forderung würde auf eine "Schnüffelsteuer" hinauslaufen, da man damit nichts anderes als die Erhebung von Haushaltseinkommen fordere. Der VfGH habe in seinem Urteil sehr sorgfältig durchdachte Vorschläge gemacht, wie die ORF-Finanzierung verfassungskonform geregelt werden könne, denen man gefolgt sei.

Aus Sicht der NEOS müsse die Unabhängigkeit des ORF gewahrt bleiben, betonte NEOS-Abgeordnete Henrike Brandstötter. Bedauerlich sei jedoch, dass die ORF-Reform unterdessen ins Stocken geraten sei und Medienministerin Susanne Raab kein Engagement in diese Richtung mehr entwickle.

SPÖ fordert Ende der ORF-Kettenvertragsregelung

Die SPÖ setzt sich dafür ein, dass grundsätzlich befristeten Kettenverträgen im ORF ein Riegel vorgeschoben wird. Abgeordnete Muna Duzdar fordert in diesem Zusammenhang, die Streichung der aktuell bestehenden Sonderbestimmungen, die es dem ORF ermöglichen, befristete Arbeitsverhältnisse ohne zahlenmäßige Begrenzung auch unmittelbar hintereinander abzuschließen (3703/A(E)). Laut Duzdar stellt der Passus nicht nur eine Bevorzugung des ORF gegenüber anderen Medienunternehmen dar. Wichtig sei auch, dass alle Mitarbeiter:innen des ORF sichere und stabile Arbeitsverhältnisse erhalten, was derzeit nicht der Fall sei.

Unterstützung für den Antrag kam von Henrike Brandstötter (NEOS). Eva Blimlinger (Grüne) konzedierte, dass die Kettenvertragsregelung des ORF im Laufe der Jahre immer nachteiliger für Mitarbeiter:innen geworden sei und daher dringend reformiert werden müsse. Gespräche dazu seien im Laufen und sie hoffe, dass diese noch in dieser Legislaturperiode zu einem positiven Ergebnis führen.

NEOS wollen umfassende ORF-Reform

Die NEOS würden eine "echte ORF-Reform" fordern und hätten dazu einen 10-Punkte-Plan formuliert, den Medienministerin Susanne Raab umsetzen soll, führte NEOS-Abgeordnete Henrike Brandstötter aus. Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen würden etwa die Schärfung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags, eine transparente Programmstruktur, verpflichtende öffentliche Hearings für Führungspositionen im ORF, die Aufwertung der ORF-Redakteursversammlung und eine Gremienreform gehören (3698/A(E)). Viele Punkte seien zu hinterfragen, wie die Aufgaben der neun Landesstudios, die Beteiligung des ORF an Lotto-Toto, die Haushaltsabgabe, die Beibehaltung von Landesabgaben in manchen Ländern oder das Anhörungsrecht der Landeshauptleute bei der Besetzung von ORF-Landesdirektor:innen. Medienministerin Susanne Raab müsse einen Zeitplan vorlegen, wann welche Reformschritte umgesetzt werden sollten. Der Kritik an einem aus Sicht der Opposition zu geringen Engagement der Ministerin für eine ORF-Reform schloss sich auch SPÖ-Abgeordneter Alois Stöger an.

Eva Blimlinger (Grüne) betonte, dass die Gespräche über eine Reihe der von den NEOS geforderten Punkte laufen würden. Kurt Ecker (ÖVP) wies darauf hin, dass der ORF bereits umfangreiche Reformen umgesetzt habe, die auch zu deutlichen Einsparungen geführt hätten.

NEOS halten eigene Abteilung gegen Desinformation für notwendig

NEOS-Abgeordnete Henrike Brandstötter wies auf eine immer stärker werdende Bedrohung der Demokratie durch Fake-News hin. Ihre Fraktion fordere daher, dass die Bundesregierung für die Einrichtung einer Abteilung gegen Desinformation sorgen solle (3699/A(E)). Als Vorbild sieht Brandstötter die staatliche Stelle gegen Desinformation in Schweden. Dort würden sich unabhängige Expert:innen des Themas annehmen und unter anderem gezielte Strategien gegen Fake-News entwickeln, NGOs und politische Entscheidungsträger miteinander vernetzen und Medienkompetenzvermittlung koordinieren.

Eva Blimlinger (Grüne) sprach sich gegen die Einrichtung einer staatlichen Stelle aus, die die Richtigkeit von Nachrichten beurteilen solle. Eva-Maria Himmelbauer schloss sich dieser Sicht an und meinte, solche Aufgaben müsse jedenfalls eine unabhängige Stelle übernehmen. SPÖ-Abgeordneter Alois Stöger meinte hingegen, es gebe "keinen Rechtsanspruch auf organisiertes Lügen". In diesem Sinne müsse es daher eine staatlich abgesicherte Stelle geben, die gegen Fake-News vorgehen könne. Wie sie aussehen könnte, werde man zweifellos noch weiter diskutieren müsse.

NEOS für mehr Angebote zur Erhöhung der Medienkompetenz

NEOS-Abgeordnete Brandstötter ruft die Regierung außerdem dazu auf, gemeinsam mit Expert:innen eine Gesamtstrategie zum Thema Medienkompetenz zu entwickeln (3785/A(E)). Ihr zufolge könnte etwa bei der Rundfunk- und Telekomregulierungsbehörde RTR ein Medienkompetenzcluster angesiedelt werden, das in enger Abstimmung mit der Wiener Zeitung und mit Initiativen auf Länderebene entsprechende Vermittlungsangebote bereitstellen solle. Auch die ORF-Landesstudios könnten Aufgaben in der Schulung von Medienkompetenz übernehmen. Die Fördermittel für den Bereich Medienkompetenz müssten deutlich erhöht werden.

ÖVP-Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer betonte, dass bereits sehr viele Schritte gesetzt würden, um Medienkompetenz zu vermitteln. Die RTR werde auf jeden Fall weiterentwickelt, sagte die Abgeordnete, sie bezweifle aber, dass sie die richtige Stelle für diese Aufgabe sei, die die NEOS ihr zugedacht hätten. Auch Grünen-Abgeordnete Eva Blimlinger meinte, sie sehe RTR sehe nicht als die geeignete zentrale Stelle für dieses Thema. Blimlinger und Kurt Egger (ÖVP) verwiesen auf eine deutliche Aufstockung der Mittel für die Förderung von Medienkompetenz und Qualitätsjournalismus. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) sox