Parlamentskorrespondenz Nr. 95 vom 07.02.2024

Justizministerin Zadić legt EU-Vorhabensbericht für 2024 vor

EU-Vorhaben zu Lieferketten, Reparatur von Waren, SLAPP-Klagen, Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen

Wien (PK) – Zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für das Jahr 2024 und dem bis 31. Dezember 2024 reichenden 18-Monats-Arbeitsprogramm der Trio-Ratspräsidentschaft Spaniens, Belgiens und Ungarns hat Justizministerin Alma Zadić dem Nationalrat den Vorhabensbericht für das Jahr 2024 für ihr Ressort übermittelt (III-1102 d.B. und III-834-BR/2024 d.B.).

Von einer "überschaubaren" Zahl der für 2024 angekündigten neuen Vorschläge der EU-Kommission vor dem nahenden Ende derer Amtszeit falle zwar keines in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz. Allerdings hebe die Kommission in ihrem aktuellen Arbeitsprogramm auch eine Vielzahl noch nicht abgeschlossener, richtungsweisender Vorschläge hervor, in deren Verhandlungen sich das Bundesministerium für Justiz sehr engagiert einbringe.

Bespielhaft wird dazu auf den Vorschlag für eine EU-Lieferketten-Richtlinie für Sorgfaltspflichten von Unternehmen, auf den Vorschlag für eine Richtlinie zur Förderung zur Reparatur von Waren oder auf den Richtlinienvorschlag zu strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung (SLAPP-Klagen) hingewiesen. Ferner fordere die Kommission den raschen Abschluss der Arbeiten etwa über die Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt oder zum Vorschlag zur Änderung der Opferschutzrichtlinie. Sie spreche aber auch weitere Maßnahmen zur Verwirklichung der Sicherheitsunion, etwa in den Bereichen Bekämpfung von Menschen- und Drogenhandel oder zur organisierten Kriminalität auch durch Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten an.

Das 18-Monats-Arbeitsprogramm der Triopräsidentschaft Spaniens, Belgiens und Ungarns wiederum decke sich in seiner Zielsetzung in vielen Bereichen mit der Agenda der Europäischen Kommission, so der Bericht. Zudem werde etwa die Digitalisierung der Justiz eine horizontale Priorität darstellen und darauf ausgerichtet sein, den Zugang zur Justiz zu erleichtern und die allgemeine Effizienz und Widerstandsfähigkeit der Justizsysteme zu steigern.

EU-Lieferkettengesetz: Vorerst kein nationaler Konsens

Ein wichtiger Schritt zur nachhaltigen Verbesserung der menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Situation entlang der gesamten Lieferkette werde dem Bericht zufolge die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit sein, also das sogenannte EU-Lieferkettengesetz, das vor seiner Annahme stehe. Im Zuge des fünften Trilogs im Dezember 2023 sei auf EU-Ebene eine vorläufige politische Einigung erzielt worden.

Österreich bekenne sich zur Achtung und Förderung von internationalen Menschenrechten, Arbeits-, Klima- und Umweltstandards auf allen Ebenen. Da sich zu dem Instrument allerdings kein nationaler Konsens gefunden habe, habe sich Österreich im Dezember 2022 bei der Abstimmung zur Allgemeinen Ausrichtung enthalten. Das Finanzministerium habe sich zuvor dafür ausgesprochen, den gesamten Finanzsektor aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen. Auch das Wirtschaftsministerium habe zur Richtlinie noch Diskussionsbedarf gesehen, während das Justizministerium die Allgemeine Ausrichtung begrüße.

EU-Recht auf Reparatur

Mit einem Vorschlag für eine EU-Richtlinie zur Förderung der Reparatur von Waren werde man einer echten Kreislaufwirtschaft näherkommen, heißt es im Bericht des Justizministeriums. Mit einem Abschluss sei unter belgischem Vorsitz in der ersten Hälfte des Jahres 2024 zu rechnen. Unter anderem sollen Hersteller:innen etwa bei Haushaltswaschmaschinen, Haushaltsgeschirrspülern, Kühlgeräten und Staubsaugern verpflichtet werden, Mängel außerhalb der Haftung der Verkäufer:innen auf Wunsch der Verbraucher:innen und "gegen einen Preis" zu beheben. Österreich unterstütze die Ziele dieser Richtlinie und habe dem Verhandlungsmandat für den Rat zugestimmt.

Bekämpfung von Gewalt und Opferschutzrichtlinie

Die mit dem Europäischen Parlament diskutierte Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt stelle eine weitere Priorität für das Justizministerium dar. Gewalt gegen Frauen zähle zu den schwersten geschlechtsspezifischen Menschenrechtsverletzungen und wirke sich direkt auf die Gleichstellung von Frauen und Mädchen aus. Ein wesentlicher Schritt in diesem Bereich sei mit dem Beitritt der EU zum Übereinkommen des Europarates ("Übereinkommen von Istanbul") bereits 2023 gesetzt worden, weil damit dessen Inhalt für alle Mitgliedstaaten verbindlich geworden ist. Hauptziel des Richtlinienvorschlags sei, Mindeststandards im EU-Recht zu verankern.

Auf nationaler Ebene seien in den letzten zwei Jahren in dem Bereich in Österreich wesentliche Maßnahmen gesetzt worden, so der Bericht. Dass dieses wichtige Thema auch verstärkt auf EU-Ebene in Angriff genommen wird, werde ausdrücklich begrüßt. Im Allgemeinen werde der Entwurf in Bezug auf jene Bereiche, in denen er bereits der österreichischen Rechtslage entspricht bzw. tatsächlich faktische Verbesserungen bringt, unterstützt. Es sollen jedoch auch bereits bestehende und international anerkannte österreichische Standards wie beispielsweise das Institut der Prozessbegleitung verteidigt werden.

Auch was die geplante Überarbeitung der EU-Opferschutzrichtlinie betrifft, werde der Richtlinienvorschlag seitens Österreich grundsätzlich begrüßt. Berücksichtigt werden sollte demnach aber, dass die hohen österreichischen Standards beibehalten werden können.

EU-Richtlinie zur Korruptionsbekämpfung

Im Bereich des Strafrechts wird aus österreichischer Seite positiv gesehen, dass mit der Richtlinie zur Korruptionsbekämpfung, über die aktuell verhandelt werde, intensivierte und harmonisierte Maßnahmen gegen Korruption auf europäischer Ebene ergriffen werden sollen. Allerdings würden laut Bericht einzelne Strafbestimmungen zu weit reichen, die Mindeststrafhöhen teilweise zu hoch angesetzt sowie die Verjährungsbestimmungen zu weitreichend zu sein. Darüber hinaus sollte über die Richtlinie weder die derzeit geltende institutionelle Zuordnung von Ermittlungsbehörden zu Ministerien noch das verfassungsrechtlich vorgesehene Verfahren zur Aufhebung der Immunität durch das Parlament geändert werden müssen, so der Standpunkt aus dem Bericht des Justizministeriums.

Schutzmechanismen gegen "SLAPP"-Klagen

Unter "SLAPP" ("Strategic Lawsuits against Public Participation") werden Klagen oder Verfahren gegen Journalist:innen, Menschenrechtsverteidiger:innen, Nichtregierungsorganisationen, Medienunternehmen oder Vertreter:innen der Zivilgesellschaft verstanden, die nur dem Ziel dienen, diese einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen, so der Bericht. Mit einem Richtlinienvorschlag soll sowohl ein Beitrag zur Stärkung des Medienpluralismus und der Meinungs- und Medienfreiheit in der Europäischen Union geleistet werden. Zudem soll eine Stärkung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit durch den Schutz von Personen, die sich für den Schutz von öffentlichen Interessen wie die Einhaltung der Menschenrechte oder den Klimaschutz einsetzen, erreicht werden. Zu erwarten sei, dass der Richtlinienvorschlag Anfang 2024 formal angenommen werden wird.

Österreich habe sich dafür ausgesprochen, an verfahrensrechtlichen Schutzmechanismen zu arbeiten. Personen, die sich für den Schutz von öffentlichen Interessen einsetzen, dürfen demnach nicht durch die Einleitung zivilgerichtlicher Verfahren gegen sie an ihrer Arbeit gehindert und eingeschüchtert werden. Andererseits brauche es klare Definitionen und besonderes Augenmerk darauf, dass das Instrument nicht selbst wiederum missbraucht werden kann. Österreich habe sich zudem dafür eingesetzt, dass der Rechtsakt tatsächlich auf Zivilverfahren beschränkt ist und etwa Medienverfahren nicht darunterfallen.

Weitere EU-Vorhaben im Justizbereich umfassen beispielsweise eine Verbesserung des EU-Rechtsrahmens im Bereich der Umweltkriminalität, eine wirksamere Bekämpfung von Schlepperkriminalität oder Anpassungen der Haftungsregelungen an die Besonderheiten von KI-Systemen. (Schluss) mbu