Bundesrat Stenographisches Protokoll 610. Sitzung / Seite 50

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Regierungserklärung des Jahres 1994 enthalten waren. Reformen werden angekündigt, es bestehen aber Zweifel, ob sie auch tatsächlich realisiert werden. (Bundesrat Ing. Penz: Kollege Kapral! Ihre Rede ist auch kein großer Wurf!)

Dort, wo Strukturen geändert werden hätten sollen, ja wo sie geändert werden hätten müssen, wurde die Gelegenheit nicht ergriffen. Ich verweise auf die Verhandlungen mit den öffentlich Bediensteten, ich verweise auf den ganzen Bereich der Pensions- und Altersvorsorge, um nur einige Beispiele zu nennen. Das Reformpotential, das man dieser Bundesregierung attestieren kann, ist demgemäß äußerst gering. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.39

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizepräsident Dr. Herbert Schambeck. Ich erteile dieses.

14.40

Bundesrat Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Frau Staatssekretärin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Mein Vorredner, Bundesrat Dr. Kapral, hat so gesprochen, als würde die Aufgabe der österreichischen Politik für ihre Bürgerinnen und Bürger in einem bloßen Schlagabtausch bestehen. Sie erinnern mich an das, was der Staatsrechtslehrer Carl Schmitt vor Beginn einer Weltnacht, zu Beginn der dreißiger Jahre über die Politik, nämlich als ein Ausdruck eines Freund-Feind-Verhältnisses geschrieben hat. Wir von der Österreichischen Volkspartei lehnen ein solches Bild von Politik ab! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sehen die Aufgabe einer politischen Partei – für die Österreichische Volkspartei habe ich die Ehre, hier stehen zu dürfen – als ein Teil des Ganzen. Eine Partei hat die Verantwortung, dem Gemeinwohl des gesamten Volkes der Republik zwischen Neusiedler See und Bodensee zu dienen, und nicht bloß einer Clique, die für eine Claque Politik macht, Hohes Haus! Aus dieser Sicht kommt es auf folgendes an – ich wiederhole hier wissentlich das, was ich als Vorsitzender der Bundesversammlung am 8. Juli 1992 gesagt habe, als ich Herrn Dr. Thomas Klestil als Bundespräsidenten anzugeloben hatte –: Es interessiert niemanden im Volk, wer mit wem streitet, nur, das Volk interessiert nur, wer für die Menschen da ist, an wen sie sich wenden können und wer ihnen helfen kann.

Die Österreichische Volkspartei und die Sozialdemokratische Partei sind angetreten nach dem Wählerauftrag – den sie von der FPÖ nicht erhalten haben, aber wir, meine sehr Verehrten –, Regierungsverantwortung auszuüben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Die Sozialdemokraten und die Christlichdemokraten sind angetreten – keine dieser Parteien, und auch nicht die FPÖ, hat die absolute Mehrheit erhalten –, gemeinsam Verantwortung auszuüben. Verantwortung zu tragen verlangt, Antwort zu geben. Herr Bundeskanzler Dr. Vranitzky hat sich heute zum wiederholten Mal bemüht, als Regierungschef hier Antwort zu geben.

Herr Bundeskanzler! Als ich Ihnen das letzte Mal beim Kabinett Vranitzky IV gegenüberstand, habe ich damals – nachlesbar; das Protokoll stimmt bei mir ganz – gesagt: Wenn ich an die nächsten vier Jahre denke, wird es vielleicht die letzte Regierungserklärung sein, zu der ich spreche. – Aber das Schicksal hat es anders gemeint, und ich habe den Vorzug, Ihnen aus Anlaß einer Regierungserklärung ein fünftes Mal gegenüberstehen zu können. (Bundesrat Prähauser: Schüssel sei Dank! – Bundeskanzler Dr. Vranitzky: Deshalb haben wir früher gewählt!) Das ist für mich sehr ehrend.

Ich selbst habe am Tage vor Ihrer ersten Regierungserklärung im Jahr 1986 einen Vortrag vor der Akademie der Wissenschaften in Düsseldorf über das österreichische Regierungssystem vorzeitig abgebrochen, damit ich rechtzeitig in Wien zu Ihrer Regierungserklärung sprechen kann. Dieser Vortrag ist erst jetzt erschienen, ich habe ihn nämlich zehn Jahre liegen lassen, weil ich die Regierungspolitik dieser Zeit und alles, was inzwischen geschehen ist, nach dem letzten Stand einarbeiten wollte.


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