Bundesrat Stenographisches Protokoll 610. Sitzung / Seite 65

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

banale historische Wahrheit ist, daß es zu keinem Einverständnis mehr dann kam, als nicht nur Kompetenzen, sondern auch Kosten verteilt werden sollten, und daß jene, die diese Kompetenzen für sich in Anspruch nehmen wollten, nämlich die Länder, in vielen Fällen dann gemeint haben, so war es denn nun nicht gemeint.

Ich glaube, hier müssen wir einen neuen Start versuchen. Wir müssen aus der Erfahrung, daß ein gutgemeintes und gutes Konzept letztlich an der Finanzierung gescheitert ist, die Lehre ziehen, und wir müssen sehen, daß es möglicherweise die richtigere Vorgangsweise ist, von der finanziellen Basis auszugehen und dann zu konkreten Aufgabenzuordnungen zu kommen. Es ist keine Frage, daß auch ich und wir Sozialdemokraten in einem solchen Prozeß der Neudefinition des Bundesstaates für diese Kammer, für den Bundesrat, eine entsprechende Rolle, eine entsprechende zentrale Rolle reklamieren.

Nicht alles, was historisch föderalistisch in den einzelnen Bundesländern geregelt ist, gehört notwendigerweise dorthin. Es hat heute zwar schon einmal eine Verteidigung dieser Situation gegeben, aber mich hat sie nicht überzeugt. Daß Tierschutz etwa in neun Bundesländern unterschiedlichen Kriterien zu folgen hat, ist schon richtig. Aber – wie sage ich das jetzt, um es nicht arrogant zu sagen? –: Rindviecher sind in Wien etwas selten – was ausschließlich für den Bereich der Landwirtschaft gemeint ist (Heiterkeit) –, und daher ist der Regelungsbedarf hier ein bescheidener. Haushunde, also in der kleinen Wohnung gehaltene Hunde, sind in Wien etwas häufiger. Aber der kleine Hund in der Imster Wohnung leidet nicht weniger als der kleine Hund in der Ottakringer Wohnung. Und die paar in Wien gehaltenen Rinder sollten eigentlich denselben Regelungsstandard wie die vielen in der Steiermark haben.

Mich hat also die Argumentation nicht überzeugt, daß es mehr Tiere der einen Art dort und der anderen Art dort gibt. Das ist jetzt nicht mein Thema, aber es ist ein gutes Beispiel dafür, daß es Bereiche gibt, in denen wir darüber nachdenken sollten, ob neun Regelungen wirklich solch ein leidenschaftlicher Beitrag zum Funktionieren des Föderalismus sind.

Die österreichische Baustoffindustrie und die österreichische Bauwirtschaft pflegen bei jeder ihrer Tagungen über den Unfug von neun Bauordnungen zu reden. Ich maße mir kein endgültiges Urteil darüber an, aber auch hier gilt: Nicht alles, was föderalistisch geregelt ist, muß notwendigerweise dort bleiben. Und es ist überhaupt keine Frage, daß das umgekehrt genauso zu gelten hat.

Ich plädiere dafür, in einem scheuklappenfreien, nicht durch Rekurse darauf, was irgend jemand irgendwo einmal gesagt oder unterschrieben hat, getrübten Diskussionsklima einen neuen Versuch zu wagen.

Diese Republik, dieses Land, dieser Bundesstaat hat die Möglichkeit zu einem Neuaufbruch. Diese Kammer wird dazu beizutragen haben, und unser Beitrag im besonderen könnte es sein, die einmal in einer Sackgasse gelandete, manchmal sehr schwierig gewordene Föderalismusdiskussion mit einem frischen Wind neu zu beleben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.50

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Helmut Prasch. Ich erteile dieses.

15.50

Bundesrat Dr. Helmut Prasch (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich bitte Sie um Verständnis, wenn ich jetzt das gemütliche Plauderstündchen, das jetzt schon einige Stunden dauert, unterbreche und Ihnen die Situation etwas ungeschminkter darstelle, wie sie sich aus unserer Sicht und aus der Sicht vieler Österreicherinnen und Österreicher zeigt. Und ich sage gleich zu Beginn, daß ich das, was sich heute hier in diesem Hohen Haus abspielt, teilweise für ein tragikomisches Schauspiel halte und über weite Strecken tatsächlich für eine Zumutung. Ich möchte Ihnen auch erklären, warum das aus meiner Sicht so ist.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite