Stenographisches Protokoll

613. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Freitag, 24. Mai 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

613. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 24. Mai 1996

Dauer der Sitzung

Freitag, 24. Mai 1996: 9.03 – 18.13 Uhr

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Tagesordnung

1. Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 1994)

2. Bundesgesetz über die Rechtsverhältnisse der Makler und über Änderungen des Konsumentenschutzgesetzes (Maklergesetz – MaklerG)

3. Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten

4. Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16. September 1988, samt Protokollen und Erklärungen sowie Erklärung der Republik Österreich

5. Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird (BHG-Novelle 1996)

6. Übereinkommen zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Absätze 1 und 4 des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen samt Protokoll

7. Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tunesischen Republik andererseits samt Anhängen, Protokollen und Erklärungen

8. Erklärung über den Rücktritt der Republik Österreich vom Internationalen Zuckerübereinkommen 1992

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend eine Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Übertragung der sachlichen Leitung bestimmter


Bundesrat
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613. Sitzung / Seite 2

zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörender Angelegenheiten an eine eigene Bundesministerin 27

Schreiben des Ersten Präsidenten des Kärntner Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes 26

Ordnungsrufe 120

Unterbrechung der Sitzung 43

Personalien

Krankmeldung 7

Entschuldigungen 7

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 27

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 27

Ausschüsse

Zuweisungen 28

Fragestunde

Inneres 7

Albrecht Konečny (601/M-BR/96)

Ing. Walter Grasberger (595/M-BR/96)

Mag. Dieter Langer (607/M-BR/96)

Herbert Platzer (602/M-BR/96)

Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof (596/M-BR/96)

Ernst Winter (603/M-BR/96)

Ilse Giesinger (597/M-BR/96)

Dr. Peter Kapral (608/M-BR/96)

Johanna Schicker (604/M-BR/96)

Anton Hüttmayr (598/M-BR/96)

Gertrude Perl (605/M-BR/96)

Dr. Kurt Kaufmann (599/M-BR/96)

Dr. Paul Tremmel (609/M-BR/96)

Josef Rauchenberger (606/M-BR/96)

Karl Pischl (600/M-BR/96)


Bundesrat
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613. Sitzung / Seite 3

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, Mag. Dieter Langer, Dr. Paul Tremmel und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend "Wahlgeschenke" an das Bundesland Wien (1182/J-BR/96)

und

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, Mag. Dieter Langer, Dr. Paul Tremmel und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend "Wahlgeschenke" an das Bundesland Wien (1183/J-BR/96)

Begründung: Dr. Peter Kapral 92

Beantwortungen: Staatssekretär Mag. Karl Schlögl 94

Bundesminister Dr. Johannes Ditz 97

Redner:

Mag. Dieter Langer 99

Mag. Harald Himmer 101

Anna Elisabeth Haselbach 102

DDr. Franz Werner Königshofer 104

und (tatsächliche Berichtigung) 111

Dr. Michael Ludwig 105

Engelbert Weilharter 107

Albrecht Konečny 108

Erhard Meier 109

Dr. Paul Tremmel 110

Dr. Michael Rockenschaub 112

Verhandlungen

(1) Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 1994) (III-147/BR sowie 5167/BR d. B.)

Berichterstatterin: Hedda Kainz 29

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Mag. Dieter Langer 30

Mag. Harald Himmer 33

Katharina Pfeffer 36

Ursula Haubner 37

Mag. Harald Repar 40

Dr. Helmut Prasch (zur Geschäftsordnung) 43

Dr. Peter Kapral 43 und 44

Anton Hüttmayr 46

Dr. Michael Ludwig 50

Bundesminister Dr. Caspar Einem 53

Dr. Reinhard Eugen Bösch 59

Franz Richau 60

Karl Drochter 62

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 64

Dr. Paul Tremmel 66

Karl Pischl 69

Peter Rieser 71

Jürgen Weiss 72


Bundesrat
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613. Sitzung / Seite 4

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Freiheitlichen 74

(2) Beschluß des Nationalrates vom 7. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Rechtsverhältnisse der Makler und über Änderungen des Konsumentenschutzgesetzes (Maklergesetz – MaklerG) (2 und 87/NR sowie 5168/BR d. B.)

Berichterstatterin: Hedda Kainz 74

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)


Bundesrat
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613. Sitzung / Seite 5

Redner:

Dr. Kurt Kaufmann 75

Karl Drochter 77

Mag. Dieter Langer 78

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 81

Engelbert Weilharter 82

einstimmige Annahme des


Bundesrat
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613. Sitzung / Seite 6

Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben 84

(3) Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten (102 und 154/NR sowie 5174/BR d. B.)

Berichterstatter: Herbert Platzer 84

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. Karl Wilfing 85

Albrecht Konečny 86

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 87

(4) Beschluß des Nationalrates vom 7. Mai 1996 betreffend ein Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16. September 1988, samt Protokollen und Erklärungen sowie Erklärung der Republik Österreich (34 und 88/NR sowie 5169/BR d. B.)

Berichterstatterin: Hedda Kainz 113

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

einstimmige Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben 113

(5) Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird (BHG-Novelle 1996) (188/A und 144/NR sowie 5173/BR d. B.)

Berichterstatter: Josef Pfeifer 113

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Peter Harring 114

Dr. Kurt Kaufmann 116

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 116

(6) Beschluß des Nationalrates vom 7. Mai 1996 betreffend ein Übereinkommen zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Absätze 1 und 4 des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen samt Protokoll (85 und 108/NR sowie 5170/BR d. B.)

Berichterstatter: Gottfried Jaud 117

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 118

(7) Beschluß des Nationalrates vom 7. Mai 1996 betreffend ein Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tunesischen Republik andererseits samt Anhängen, Protokollen und Erklärungen (77/NR sowie 5171/BR d. B.)

Berichterstatter: Gottfried Jaud 118

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 119

(8) Beschluß des Nationalrates vom 7. Mai 1996 betreffend eine Erklärung über den Rücktritt der Republik Österreich vom Internationalen Zuckerübereinkommen 1992 (55/NR sowie 5172/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Weilharter 119

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 120

Eingebracht wurden

Berichte

5020-6723-EU über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG

Bericht der Bundesregierung über den Außenpolitischen Bericht 1995 (III-149-BR/96)

Antrag

Selbständiger Antrag der Bundesräte Dr. Peter Kapral und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Reichspolizeikostengesetz aufgehoben wird (92/A-BR/96)

Anfragen

der Bundesräte Erhard Meier und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend "Säumigkeit Österreichs bei der Umsetzung von EU-Richtlinien" (1181/J-BR/96)

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, Mag. Dieter Langer, Dr. Paul Tremmel und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend "Wahlgeschenke" an das Bundesland Wien (1182/J-BR/96)

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, Mag. Dieter Langer, Dr. Paul Tremmel und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend "Wahlgeschenke" an das Bundesland Wien (1183/J-BR/96)

der Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger, Gottfried Jaud, Theresia Lukasser und Karl Pischl an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Nutzung von Einsparungsmöglichkeiten bei der Zusammenlegung von Bundesministerien (1184/J-BR/96)

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, Mag. Dieter Langer und Dr. Susanne Riess-Passer an den Bundeskanzler betreffend koordinierte Vorgangsweise Bund – Länder (1185/J-BR/96)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Karl Pischl und Kollegen (1078/AB-BR/96 zu 1165/J-BR/96)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Karl Pischl und Kollegen (1079/AB-BR/96 zu 1166/J-BR/96)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Alfred Gerstl und Kollegen (1080/AB-BR/96 zu 1167/J-BR/96)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dr. Peter Kapral und Kollegen (1081/AB-BR/96 zu 1171/J-BR/96)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch (1082/AB-BR/96 zu 1169/J-BR/96)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Alfred Gerstl und Genossen (1083/AB-BR/96 zu 1170/J-BR/96)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Peter Rieser und Kollegen (1084/AB-BR/96 zu 1173/J-BR-/96)

 


Bundesrat
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Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Präsident Johann Payer: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 613. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 612. Sitzung des Bundesrates vom 25. April 1996 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stefan Prähauser.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Irene Crepaz, Aloisia Fischer, Alfred Gerstl, Dr. Milan Linzer, Ing. Johann Penz, Engelbert Schaufler, Karl Wöllert und Erich Farthofer.

Fragestunde

Präsident Johann Payer: Wir gelangen zur Fragestunde.

Bevor wir mit der Fragestunde beginnen, mache ich – vor allem im Hinblick auf die seit der letzten Fragestunde in den Bundesrat neu eingetretenen Mitglieder – darauf aufmerksam, daß jede Zusatzfrage in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hauptfrage beziehungsweise der gegebenen Antwort stehen muß. Die Zusatzfrage darf nur eine konkrete Frage enthalten und darf nicht in mehrere Unterfragen geteilt sein.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde, sofern mit 60 Minuten nicht das Auslangen gefunden wird, im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten erforderlichenfalls auf bis 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9.05 Uhr – mit dem Aufruf.

Bundesministerium für Inneres

Präsident Johann Payer: Wir kommen zur 1. Anfrage an den Herrn Bundesminister für Inneres. Herr Bundesrat Stefan Prähauser hat gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung sein Einverständnis bekanntgegeben, daß Herr Bundesrat Albrecht Konečny an seiner Stelle die Anfrage 601/M stellt. Ich bitte Herrn Bundesrat Konečny (SPÖ, Wien), die 1. Frage zu formulieren.

Bundesrat Albrecht Konečny: Herr Bundesminister! Die Frage lautet:

601/M-BR/96

Ist zu erwarten, daß im Rahmen der EU-Regierungskonferenz für den Bereich der inneren Sicherheit Änderungen vereinbart werden?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich beantworte die Anfrage wie folgt: Derzeit sind die Beratungen im Zusammenhang mit der EU-Regierungskonferenz noch nicht sehr weit fortgeschritten. Konkret fanden zum Bereich der Zusammenarbeit hinsichtlich Justiz und Inneres erst zwei Gesprächstermine statt, bei denen sich zunächst noch kein Ergebnis abgezeichnet hat.

Nach den vorgelegten Vorschlägen ist zu erwarten, daß der Bereich Justiz und innere Sicherheit ein Kernbereich der Reformüberlegung ist und daß zumindest von einer Reihe von Staaten versucht werden wird, das derzeit bestehende System weiterzuentwickeln.


Bundesrat
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Konkret stehen Vorschläge im Zusammenhang mit der Vereinfachung der Arbeitsstruktur im Raum. Es wird versucht, die derzeit bestehenden fünf Arbeitsebenen zu reduzieren. Österreich unterstützt im Interesse einer größeren Effizienz diese Bemühungen.

Weiters wurde vorgeschlagen, den Katalog der Rechtsformen im Bereich der dritten Säule auszuweiten und einerseits rechtlich nicht verbindliche Empfehlungen und andererseits Durchführungsnormen zu Konventionen in das Normengefüge des Unionsvertrages einzubauen. Auch diese Vorschläge entsprechen den von Österreich bisher immer wieder vorgebrachten Positionen.

Eine intensive Diskussion ist zur Frage der Rolle des Europäischen Gerichtshofes zu erwarten. Österreich gehört zu jenen Staaten, die sich für den Ausbau der Rolle des Gerichtshofes einsetzen. Ob allerdings tatsächlich eine Ausweitung der Kompetenzen des Gerichtshofes erreicht werden kann, ist beim derzeitigen Diskussionsstand noch nicht abzuschätzen. Aus rechtsstaatlichen Überlegungen wäre allerdings eine solche Kompetenzausweitung zweifellos wünschenswert.

Ebenfalls noch unklar ist das Ausmaß und die Wahrscheinlichkeit möglicher Vergemeinschaftungen von Rechtsbereichen der dritten Säule. Es wird immer wieder und von einer Reihe von Staaten eine teilweise Vergemeinschaftung gefordert, und auch Österreich vertritt im Grundsatz eine gemeinschaftsfreundliche Position. Es zeigte sich allerdings bereits in den ersten Diskussionen, daß einige Staaten der Union diesen Weg jedenfalls nicht mitgehen wollen.

Schließlich scheint die Frage des Verhältnisses zwischen Schengen und der Europäischen Union bei den Arbeiten der Regierungskonferenz eine große Bedeutung zu gewinnen. Seitens des Ratssekretariats wurden bereits zwei Papiere vorgelegt, die eine schrittweise Integration des Schengener Rechtssystems in das Rechtssystem der Union enthalten. Gleichzeitig ist aber auch klar, daß die Schengener Staaten kein Interesse daran haben, daß Schengen in der Union "aufgeht" und damit seine Funktion als Motor einer gesamteuropäischen Entwicklung im Sicherheitsbereich verliert.

Beim derzeitigen Diskussionsstand ist eher zu erwarten, daß die Übernahme des Schengener Besitzstandes durch Nicht-Schengen-Staaten im Rahmen der Europäischen Union erleichtert und daß die Möglichkeit geschaffen wird, Institutionen der Europäischen Union wie etwa den Gerichtshof auch für den Schengener Bereich für zuständig zu erklären.

Insgesamt steht diese Frage aber im Zusammenhang mit der Grundfrage, ob sich innerhalb der Europäischen Union ein flexibleres Regelungssystem und eine variable Geometrie entwickeln kann. Dies ist aber eine grundsatzpolitische Frage der europäischen Rechtsentwicklung, die wohl nicht ausschließlich im Hinblick auf die dritte Säule zu entscheiden sein wird.

Wenn ich mir noch eine abschließende Bemerkung zu diesem Themenkomplex erlauben darf: Wenn ich die Wahlfreiheit hätte, welchen anderen Bereich ich zu integrieren hätte, dann würde ich mir wünschen, eher die dritte Säule, den Bereich Inneres, in das Schengener System zu integrieren als umgekehrt, einfach deshalb, weil die pragmatische Funktionsweise des Schengener Systems die überzeugendere ist.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Albrecht Konečny: Herr Bundesminister! Können Sie abschätzen, ob bei einer möglichen Vergemeinschaftung auch Mitspracherechte des Europäischen Parlaments in diesem Bereich gewährleistet werden können?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Es ist so, daß die österreichische Position in zwei Punkten mehr verlangt, als derzeit schon im Konsens erreicht werden konnte. Das eine ist der Punkt, den ich schon angesprochen habe, nämlich die Integration des Europäischen Gerichtshofs in Materien der dritten Säule. Das zweite ist die verstärkte Einbeziehung des


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Europäischen Parlaments, weil wir der Überzeugung sind, daß auch dort eine entsprechende parlamentarische Kontrolle und Beratung notwendig und sinnvoll ist.


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Präsident Johann Payer:
Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur 2. Anfrage, 595/M, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ing. Grasberger (ÖVP, Niederösterreich), um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger : Herr Bundesminister! Ich darf an Sie eine Anfrage stellen, die besonders in den letzten Monaten vor allem die Bewohner von Landgemeinden sehr bewegt hat, nämlich die Frage:

595/M-BR/9


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Ist die Schließung weiterer Gendarmerieposten geplant?


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Präsident Johann Payer:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Vielleicht darf ich mit einer Vorbemerkung beginnen. Wir haben uns auch in der Vergangenheit bemüht, nicht Gendarmerieposten zu schließen, sondern die Kräfte zu konzentrieren, wo dies versprochen hat, sachlich die besseren Voraussetzungen für die Sicherheit der Bevölkerung zu schaffen.

Ich beantworte die Frage wie folgt: Im Rahmen einer kontinuierlichen Anpassung der Dienststellenstruktur an geänderte Verhältnisse und soferne sich dadurch der Sicherheitsdienst verbessern läßt – und nur dann! –, sind auch weiterhin Zusammenlegungen von Gendarmerieposten nicht gänzlich auszuschließen. Ausdrücklich auszuschließen ist die Zusammenlegung von Gendarmerieposten als bloße Sparmaßnahme.

Erstens bin ich daran interessiert, die auch im Bereich der Sicherheitsverwaltung vorzunehmenden Einsparungen möglichst ohne nachteilige Wirkung auf den Sicherheitsdienst umzusetzen, indem Rationalisierungsmaßnahmen lediglich auf den internen Dienstbereich beschränkt bleiben. Das bezieht sich, was die Gendarmerieposten betrifft, im Falle von Konzentrationen darauf, daß bei zwei getrennten, im Vergleich zu einem zusammengelegten Posten, auch ein höherer Führungs- und Administrationsaufwand – nämlich der zweifache – notwendig ist, während er bei Konzentration nur einmal notwendig ist.

Zweitens ist auch der Einsparungseffekt einer Dienststellenzusammenlegung relativ gering, weil der erforderliche Personalstand in der betroffenen Region ohnedies gewährleistet bleiben muß und sich die in der einen Dienststelle eingesparten Unterkunftskosten durch das häufige Erfordernis einer größeren Unterkunft in der übernehmenden Dienststelle jedenfalls teilweise kompensieren.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger: Herr Bundesminister! Sie sprechen von einer Konzentration der Kräfte. – Der Landesgendarmeriekommandant von Niederösterreich spricht von Zusammenlegung einzelner Gendarmerieposten. Er spricht davon – ich selbst war Zeuge dieser Aussage während einer Aussprache im Ministerium –, daß nur 20 Prozent des Sicherheitsbedürfnisses der Bevölkerung durch Landesgendarmerieposten in der Größenordnung von Drei-Mann-Besatzungen gewährleistet werden können. Ihrer Antwort habe ich entnommen, daß auch Sie, zwar in Form des Begriffs "Konzentration", aber doch von der Zusammenlegung einzelner Posten reden. Offensichtlich ist aber die Zusammenlegung von Posten für die Bevölkerung de facto die Schließung von Posten.

Daher meine Zusatzfrage: Ist aus Ihrer Sicht die Zusammenlegung von Posten damit kombinierbar, daß dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung entsprochen werden kann?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung durch zweierlei Maßnahmen der Exekutive befriedigt oder unterstützt werden kann.

Das eine – dafür haben wir zu sorgen – ist, daß Freiheit von Unsicherheit und Freiheit von Angst dadurch gewährleistet wird, daß wir eine möglichst effiziente Form der Arbeit der Exekutive sicherstellen. Das ist im wesentlichen eine Frage professioneller Binnenorganisation. In diesem Kontext ist auch eine bestimmte Mindestgröße für Gendarmerieposten zu erreichen, weil erfahrungsgemäß Posten mit einer Größe von nur drei oder vier Mann weite Teile des Tages nicht besetzt werden können, weil diese Gruppengröße keinen durchgehenden Dienst erlaubt.

Das zweite ist – auch das verkennen wir nicht –, daß die Bevölkerung ein hohes Interesse daran hat, in regelmäßiger und sie beruhigender Weise vor Ort auch Gendarmeriebeamte zu sehen. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Die Vergangenheit – die letzten drei Jahre nach der Umsetzung der großen Gendarmeriereform – zeigt, daß dieses Gefühl auch dadurch erzeugbar ist, daß eine entsprechend intensivere Streifung stattfindet, sei es motorisiert oder sei es zu Fuß. Daher haben wir auch nach Zusammenlegungen von Gendarmerieposten, die, während sie erfolgten oder kurz davor, zu einer gewissen öffentlichen Diskussion geführt haben, in der Regel sehr gute Ergebnisse, was die Zufriedenheit der Bevölkerung mit den getroffenen Maßnahmen angeht, erzielt.

Grundsätzlich daher zu Ihrer Ergänzungsfrage: Ich stehe dazu, daß die Bevölkerung einen Anspruch darauf hat, genügend Polizei oder Gendarmerie vor Ort erleben zu können, weil das einen wesentlichen Beitrag zum Sicherheitsgefühl leistet. Ich gehe allerdings auch weiterhin davon aus, daß, im Einzelfall und über Vorschlag des jeweiligen Landesgendarmeriekommandanten, Zusammenlegungen dort vorzunehmen sind, wo mit der Kleinstruktur nicht mehr das Auslangen gefunden werden kann.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger: Können aus Ihrer ganz persönlichen Sicht, Herr Bundesminister, die kleinsten Gendarmerieposteneinheiten, das sind die sogenannten Drei-Mann-Posten, in Hinkunft das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung decken, und wenn ja, zu welchem Grad?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Diese Frage ist in dieser generellen Form nicht beantwortbar. Tatsache ist, daß da oder dort unter den spezifischen örtlichen Gegebenheiten auch die Aufrechterhaltung eines Drei- respektive Vier-Mann-Postens gerechtfertigt sein kann. Sie können also davon ausgehen, daß wir nicht nach einem vorgefaßten Beschluß alle Drei-Mann-Posten schließen und mit anderen zusammenlegen, weil es örtliche Gegebenheiten gibt, bei denen die Aufrechterhaltung auch von Drei-Mann-Posten gerechtfertigt sein kann. Dort aber, wo nach der örtlichen Lage und nach entsprechender Verständigung zwischen den beteiligten Dienststellen, den Bezirksgendarmeriekommandos, den Bürgermeistern, die davon betroffen sind, insgesamt aus guten Gründen eine Zusammenlegung geboten erscheint, wird sie auch künftig vorzunehmen sein. Es steht allerdings derzeit keine größere Anzahl von Zusammenlegungen in Diskussion oder bevor.

Präsident Johann Payer: Danke.

Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage, 607/M, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Dieter Langer (Freiheitliche, Wien), um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Mag. Dieter Langer: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

607/M-BR/96

Auf welche Kenntnis gründet sich Ihre, die Bediensteten Ihres Ressorts pauschal herabsetzende Aussage, wonach es in Ihrem Ministerium "kaputte" Beamte in "kaputten" Abteilungen geben soll?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Ich denke, wir sollten die Frage doch in den Zusammenhang stellen, aus dem sie stammt. Sie beziehen sich hier auf ein Interview, in dem die Frage gestellt wurde, wie ich es mir erkläre, daß immer wieder vertrauliche Akten oder Informationen aus meinem Ressort entgegen den dafür Bezug habenden Gesetzen das Haus verlassen und anderen dazu an sich nicht befugten Personen in die Hände kommen. Ich habe dazu eine umfangreichere Antwort gegeben; sie ist dort nachzulesen, wo Sie dieses Zitat hergenommen haben. Sie lautet wie folgt: daß es einerseits durchaus Beamte gibt, die dies absichtsvoll und aus politischen Gründen tun. Es ist dies ebensowenig gutzuheißen wie andere Gründe, die dazu führen mögen.

Mitunter ist es so, daß innerhalb von Gruppen von Beamten – das ist keine Erfahrung, die sich spezifisch auf das Innenministerium bezieht – unter den spezifischen Bedingungen des Dienstes eine derartige Belastung oder auch ein derartiger Gruppendruck im Inneren entsteht, der gar nicht ausschließlich mit der Belastung des Dienstes verbunden sein muß, sondern auch damit verbunden sein kann, daß die Kommunikation nicht gelingt, die Führung nicht paßt, oder was auch immer es ist, daß daraus solche Reaktionen erfolgen.

Wenn jemand durch die Überbelastung – welchen Grund sie auch haben mag – psychischen Schaden nimmt, dann ist das im umgangssprachlichen Sinne auch mit "kaputt" zu bezeichnen, oder wenn innerhalb einer Gruppe, die teamartig zusammenarbeitet, die Kommunikation nicht funktioniert und nur mehr eine Haltung obwaltet, die nicht mehr als konstruktiv, sondern als destruktiv zu bezeichnen ist, dann ist auch diese Gruppe als "kaputt" zu bezeichnen. Nur auf jene Fälle, in denen solche Gruppen Informationen, die vertraulich zu behandeln sind, oder Akten, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, an die Öffentlichkeit spielen, nur auf solche Gruppen hat sich meine Aussage bezogen, wie aus der entsprechenden Bezugsstelle ohne weiteres ersichtlich ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Mag. Dieter Langer: Herr Bundesminister! Sie haben von diversen Beamten und verschiedenen Abteilungen gesprochen, auf die Ihr Zitat zutrifft, und davon, unter welchen Voraussetzungen es zutreffen sollte. Welche Abteilungen meinen Sie damit im speziellen?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Ich meine jene Abteilungen, aus denen derartige Akten herausgegangen sind, ohne daß dazu eine rechtliche Grundlage bestanden hätte.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Mag. Dieter Langer : Herr Bundesminister! Das war noch immer nicht die Antwort auf meine Frage, weil ich im Gegensatz zu Ihnen nicht weiß, welche Abteilungen das betrifft, aus denen solche Akten hinausgegangen sind. Sie haben dann letztlich auch davon gesprochen, worauf zurückzuführen wäre, daß es möglicherweise dazu kommt oder tatsächlich dazu kommt, daß aus einigen Abteilungen solche Akten weitergegeben werden. Ich will nun wissen, ob Sie den Hinweisen nachgegangen sind, ob Sie die Umstände in diesen Abteilungen geändert haben, wenn diese Umstände dafür verantwortlich sind, daß solche Abteilungen "kaputt" sind.

Aber primär will ich wissen: Welche Abteilungen sind es, die Sie meinen?

Präsident Johann Payer: Die Frage, bitte. Sie haben jetzt mehrere Zusatzfragen in eine Frage verpackt. Ich bitte um eine konkrete Frage. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sie müssen zuhören, Herr Präsident! – Bundesrat Konečny: Ihr müßt ihn belehren, wie eine Frage zu stellen ist! – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das muß der Herr Minister lernen, wie eine Antwort zu geben ist!)

Ich mache darauf aufmerksam, daß die Zusatzfrage in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage stehen muß und eine konkrete Frage sein soll. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Mag. Dieter Langer : Der letzte Halbsatz hat die konkrete Frage beinhaltet, die der Herr Bundesminister in seiner Antwort auf meine erste Zusatzfrage nicht beantwortet hat, nämlich welche Abteilungen wirklich gemeint sind.

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Sie haben als Antwort auf die erste Zusatzfrage auch die zutreffende Antwort erhalten.

Die in Ihrer Begründung der zweiten Zusatzfrage verpackt gewesene Frage, was ich in solchen Fällen tue, kann ich Ihnen gerne auch beantworten: Ich bemühe mich darum, die Verhältnisse dort, wo vermutet werden kann, daß die Information das Haus verlassen hat, erstens im Detail kennenzulernen und zweitens dort, wo sie änderungsbedürftig zu sein scheinen, sie auch zu verändern.

Es liegt allerdings in der Natur der Sache, daß dann, wenn Informationen nicht ausschließlich einer Abteilung, sondern mehreren zur Verfügung gestanden sind, die Ortung der undichten Stelle nicht jedesmal ohne weiteres möglich ist.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen zur 4. Anfrage, 602/M. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Herbert Platzer (SPÖ, Niederösterreich), um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Herbert Platzer: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

602/M-BR/96

Welche Aktivitäten setzen Bund und Länder im Rahmen der Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe für die bosnischen Kriegsvertriebenen?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Der Bund und die Länder haben sich auf meine Initiative hin in den letzten Wochen darauf geeinigt, die Betreuungsaktion für bosnische Kriegsvertriebene um ein weiteres Jahr zu verlängern. Gleichzeitig werden aber jene Aktivitäten, die das Innenressort und die Länder bereits seit Monaten betreiben und die auf Unterstützung und Hilfe bei der Rückkehr abzielen, verstärkt fortgesetzt. Konkret verweise ich auf die Unterlagen einer Pressekonferenz, die ich dazu vor kurzem gemeinsam mit Herrn Landeshauptmann Zernatto abgehalten habe. Ich werde diese Unterlagen den Damen und Herren Bundesräten gerne zur Verfügung stellen.

Kurz zusammengefaßt konzentrieren sich unsere Bemühungen bei der Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe für bosnische Kriegsvertriebene auf folgende Punkte:

Das Bundesministerium für Inneres hat ein Rückkehrberatungsbüro eingerichtet und gemeinsam mit der bosnischen Regierung dafür Sorge getragen, daß auch von dieser Seite ein Rückkehrberatungsbüro installiert wird. Hier können insbesondere jene Institutionen Hilfestellungen und Informationen erhalten, die die Bosnierbetreuung durchführen und sich daher auch mit Fragen der Rückkehr auseinanderzusetzen haben.


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613. Sitzung / Seite 13

Österreich gibt im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten die Möglichkeit, daß kriegsvertriebene Bosnier in ihre Heimat fahren und sich dort über Rückkehr- und Wiederansiedelungsmöglichkeiten erkundigen können, ohne daß sie ihr Aufenthaltsrecht in Österreich deshalb verlieren. Diese Regelung, die sich aus dem Aufenthaltsgesetz ergibt, ist sicher ein Faktor dafür, daß in Österreich die Zahl der Rückkehrer bisher wesentlich größer gewesen ist als in den meisten anderen europäischen Staaten.

Im Bedarfsfall wird heimkehrwilligen bosnischen Kriegsvertriebenen auch eine finanzielle Unterstützung für die Reisekosten und eine kleine Überbrückungshilfe gegeben. Im Einklang mit dem UNHCR, mit dem UNO-Flüchtlingshochkommissar, und der internationalen Staatenpraxis wurde aber davon abgesehen, große Beträge für rückkehrwillige Kriegsvertriebene auszusetzen, da es vielmehr darum geht, in Bosnien selbst in Wiederansiedelungsprojekte zu investieren.

Das Innenressort hat selbst oder gemeinsam mit anderen Institutionen eine Reihe von Projekten in Bosnien-Herzegowina ins Leben gerufen oder sich an diesen beteiligt. Hier ist etwa die Errichtung von Bauhöfen in Bosnien zu nennen, an denen sich Heimkehrer beteiligen können; weitere Projekte betreffen den Landwirtschaftsbereich, darüber hinaus gibt es einige konkrete Wiederaufbauprojekte, die gemeinsam mit dem Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten vorbereitet werden.

Schließlich hat sich das Bundesministerium für Inneres darum bemüht, eine exakte Liste der Herkunftsorte der bosnischen Kriegsvertriebenen zu erstellen und dabei zu klären, in welchen ethnischen Gebieten diese Ortschaften liegen. Diese Basisinformation ist eine wichtige Hilfestellung für heimkehrwillige Kriegsvertriebene. Primär konzentrieren sich die Rückkehrbemühungen auch auf jene Personengruppen, die aus Gebieten der moslemisch-kroatischen Föderation kommen und die selbst ethnisch der moslemischen oder der kroatischen Gruppe angehören. Für diesen Personenkreis sind die Voraussetzungen für eine Heimkehr am günstigsten.

Abschließend weise ich darauf hin, daß seit Beginn dieses Jahres wöchentlich mehr als 100 Kriegsvertriebene freiwillig die Unterstützungsaktion verlassen konnten, wobei davon ausgegangen werden kann, daß ein Großteil von ihnen in ihre Heimat zurückgegangen ist. Insgesamt ist dies ein Personenkreis von bisher knapp 3 000 Personen im Jahr 1996. Dadurch wurde der Stand der in der Bund-Länder-Aktion befindlichen Flüchtlinge von etwa 18 500 auf knapp über 15 500 reduziert.

Ich bin durchaus zuversichtlich, daß die Prognose des Innenressorts, wonach im Laufe des Jahres 1996 zwischen 5 000 und 7 000 bosnische Kriegsvertriebene in ihre Heimat zurückkehren wollen, realistisch ist, ohne daß seitens österreichischer Stellen Druck auf die Kriegsvertriebenen ausgeübt wird.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Der Herr Bundesrat verzichtet.

Wir kommen zur 5. Anfrage, 596/M. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Manfred Mautner Markhof (ÖVP, Wien), um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof: Herr Bundesminister! Ich darf nochmals auf Schengen zurückkommen. Meine Frage lautet:

596/M-BR/96

Wann ist mit der Schaffung der Voraussetzungen zur Ratifizierung der Schengener Abkommen zu rechnen?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Bekanntlich besteht die Umsetzung dieser Schengener Regelungen aus drei Schritten. Im April des Vorjahres ist Österreich mit der Unterzeichnung den Abkommen beigetreten. Im Laufe des heurigen Jahres werden die


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Abkommen zu ratifizieren sein, und mit deren Inkraftsetzung ist mit Abschluß der technischen Vorbereitungsarbeiten im Juli des nächsten Jahres zu rechnen.

Die Anfrage bezieht sich nun auf die zweite dieser Stufen, nämlich die Zuleitung des Vertragswerkes samt Erläuterungen an das Parlament zum Zweck der Durchführung des Ratifizierungsverfahrens. Da empfiehlt es sich, jene gesetzlichen Änderungen, die aufgrund der Schengener Regelungen erforderlich werden, noch vor oder spätestens gleichzeitig mit dem Ratifizierungsverfahren durchzuführen.

Der wesentlichste Schritt wurde damit gesetzt, daß dem Parlament ein neues Grenzkontrollgesetz zugeleitet wurde. Dieses enthält alle sich aus dem Schengener Vertragswerk ergebenden Regelungen für die Außengrenzkontrolle und für die Beseitigung der Schengener Binnengrenzkontrolle. Ich hoffe darauf, daß ein Abschluß der parlamentarischen Behandlungen noch vor dem heurigen Sommer möglich sein wird.

In weiterer Folge werden zur Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Schengener Abkommen auch Änderungen des Konsulargebührengesetzes zur Harmonisierung der Visagebühren mit dem Schengener System, des Fremdengesetzes zur Harmonisierung der Visa-Typen mit dem Schengener System und des Asylgesetzes im Hinblick auf die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Schengener Mitgliedstaaten für die Behandlung eines Asylantrages erforderlich sein.

Sinnvoll ist weiters eine Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes im Hinblick auf Details des Datentransfers, wobei allerdings das Schengener Regelungssystem diese gesetzliche Anpassung nicht notwendigerweise voraussetzt.

Soweit die Regierungsvorlagen für diese Neuregelungen in meinem Wirkungsbereich vorzubereiten sind, werden sie bis zum Sommer dieses Jahres vorgelegt werden und wird gleichzeitig damit auch das Vertragswerk selbst samt den Erläuterungen dem Nationalrat zur parlamentarischen Behandlung zugeleitet sein. Ich rechne in diesem Zusammenhang damit, daß im Laufe der zweiten Jahreshälfte 1996 das parlamentarische Verfahren abgeschlossen werden kann.

Bei Einhaltung dieses Zeitplanes wäre die Ratifizierung des Schengener Vertragswerkes ein halbes Jahr vor dem Zeitpunkt abgeschlossen, den ich für das Inkrafttreten der Regelungen vorgesehen und geplant habe.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.


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613. Sitzung / Seite 15

Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof:
Wie soll der Grenzdienst an den EU-Außengrenzen zwischen Zoll und Gendarmerie organisiert werden?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.


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613. Sitzung / Seite 16

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem:
Dazu ist grundsätzlich zu sagen, daß wir eine pragmatische Lösung für die Dauer dieser Legislaturperiode gefunden haben, die insgesamt drei Wachkörper an diesen Diensten beteiligt. An der grünen Grenze zwischen dem Burgenland, einem kleinen Abschnitt Niederösterreichs und Ungarn wird für die Dauer dieser Legislaturperiode noch das Bundesheer im Rahmen des Assistenzeinsatzes tätig sein. An den sonstigen grünen Grenzen wird die Bundesgendarmerie zur Gänze die Grenzkontrolle in Grenzüberwachungsposten übernehmen. Die Grenzübergänge werden in der Weise kontrolliert, daß bei kleineren Grenzübergängen – das sind die Grenzkontrollstellen und die Zollämter zweiter Klasse – entweder die Zollwache oder die Bundesgendarmerie jeweils den ganzen Aufgabenbereich finanzrechtlicher und sicherheitspolizeilicher Art wahrnehmen. An den großen Grenzübergängen mit hohem Aufkommen an Personen- und Warenverkehr werden beide Wachkörper vorhanden sein, weil dort auch ein Dienst mit beiden Wachkörpern sachlich gerechtfertigt erscheint.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof: Wie viele Planstellen werden vom Bundesministerium für Finanzen an das Bundesministerium für Inneres zur Verwirklichung des Grenzdienstes übertragen werden?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Ihre Frage bezieht sich auf die Zukunft. Im heurigen Jahr rechnen wir mit der Übertragung von 200 Planstellen. Insgesamt rechnen wir in den nächsten Jahren mit einer Übertragung von 700 bis 900 Planstellen, allerdings nicht durchwegs im ostösterreichischen Raum, sondern nach Maßgabe des Freiwerdens beziehungsweise des Wegfallens von entsprechenden Funktionen im Rahmen des Zolldienstes auch im Westen.

Präsident Johann Payer: Danke. – Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage an den Herr Bundesminister. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich), um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Ernst Winter : Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

603/M-BR/96

In welchem Stadium befinden sich die Vorbereitungen zur Schaffung eines Grenzdienstes im Rahmen der Bundesgendarmerie?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Von den im Endausbau des Grenzdienstes der Bundesgendarmerie an der Außengrenze der Europäischen Union im Osten Österreichs vorgesehenen 33 Grenzkontrollstellen und 37 Grenzüberwachungsposten wurden zwischenzeitlich bereits 21 Grenzkontrollstellen und 21 Grenzüberwachungsposten im Bereich der EU-Außengrenzen in Betrieb genommen.

Derzeit stehen dem Grenzdienst insgesamt zirka 1 700 Bedienstete zur Verfügung. Die technische Ausstattung der Grenzdienststellen sowie die fachspezifische Schulung der Bediensteten verläuft programmgemäß. Besonders hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang die zurzeit durchgeführte Beschaffung von Anfrageterminals mit Paßlesegeräten, die neben einer manuellen Datenabfrage bei maschinenlesbaren Reisepässen auch eine automatische Ablesung der am Reisedokument angebrachten Informationen ermöglichen und somit künftig eine wesentliche Unterstützung für die kontrollierenden Bediensteten darstellen.

Der Aufbau des Grenzdienstes der Bundesgendarmerie liegt im vorgesehenen Zeitplan, womit die Erfüllung der Schengener Kriterien zum vorgesehenen Zeitpunkt, nämlich mit 1. Juli 1997, realisierbar erscheint.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur 7. Anfrage, 597/M. Ich bitte Frau Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg) um die Verlesung ihrer Anfrage.

Bundesrätin Ilse Giesinger: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

597/M-BR/96

Ist es richtig, daß es zu einem Austausch der Kennzeichnung der Gendarmerieposten kommen soll?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Die Gendarmerieposten waren bisher mit einer ovalen weißen Tafel, auf der das Hoheitsabzeichen der Republik sowie die Kennzeichnung der Dienststelle angebracht war, gekennzeichnet. Die Beschriftung der Tafel war lediglich aufgeklebt und wurde deshalb durch Witterungseinflüsse schon nach relativ kurzer Zeit unansehnlich. Aus diesem Grunde und um eine einheitliche Kennzeichnung der Gendarmerieposten und Polizeiwachzimmer und damit deren leichtere Auffindung durch ortsunkundige Personen zu erreichen, wurde die Kennzeichnung der Gendarmerieposten geändert. Die neuen Dienststellenbezeichnungstafeln werden seit Februar 1996 ausgetauscht. Der Austausch soll bis Ende dieses Monats abgeschlossen sein.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Ilse Giesinger: Wie hoch sind die Kosten für diese Umstellung?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Die Kosten für die Umstellung von 983 Dienststellentafeln an Gendarmerieposten betragen 4,2 Millionen Schilling.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Ilse Giesinger: Herr Minister! Wie beurteilen Sie die Öffentlichkeitswirksamkeit solcher Maßnahmen in einer Zeit der erhöhten Sparsamkeit?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Frau Bundesrätin! Ich beurteile die Öffentlichkeitswirksamkeit der guten Auffindbarkeit von Gendarmerie- oder Polizeidienststellen sehr positiv, weil es darum geht, nicht nur in Reden über das Sicherheitsgefühl zu sprechen, sondern es auch dadurch zu unterstützen, daß die Schutz suchende Bevölkerung die Gendarmerie- oder Polizeidienststelle auch tatsächlich findet, wenn sie danach Bedarf hat.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage, 608/M, an den Herrn Bundesminister. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien), um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Dr. Peter Kapral : Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

608/M-BR/96

Wie wollen Sie die aufgrund der Sparmaßnahmen und der Verminderung der Zahl der systematisierten Dienstposten notwendigen Personalreduktionen bei Polizei und Gendarmerie erreichen?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Die beschlossenen Einsparungsziele werden im wesentlichen dadurch realisiert, daß bis zum Erreichen des durch diese Einsparungsmaßnahmen vorgegebenen reduzierten Planstellenstandes soweit als irgendwie möglich keine Neuaufnahmen erfolgen. Nachbesetzungen werden vorzugsweise im Wege von Umschichtungen vorzunehmen sein.

Um möglichst zu gewährleisten, daß durch die Umsetzung der Einsparungsmaßnahmen der Sicherheitsstandard im allgemeinen und die Effizienz der Sicherheitsexekutive im besonderen nicht gemindert beziehungsweise beeinträchtigt werden, wurden zusätzlich folgende flankierende Maßnahmen gesetzt beziehungsweise in Angriff genommen. Ich zähle beispielsweise auf:


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613. Sitzung / Seite 17

Erstens: Ausgliederung aller nicht notwendigerweise von der Exekutive wahrzunehmenden Aufgaben und konsequente Zusammenfassung von Servicefunktionen, um so Ressourcen und Personal für die Wahrnehmung der eigentlichen Aufgaben der Sicherheitsexekutive einsetzen zu können.

Zweitens: Straffung der Organisation bei voller Aufrechterhaltung der Sicherheitsfunktion, insbesondere – wenn man so sagen will – auf der Straße. In diesem Sinne wird eine weitere Übertragung der Kontrolle des ruhenden Verkehrs an zivile Stellen angestrebt.

Drittens: Ausgliederung und Privatisierung der Massa- und Monturwirtschaft sowie von Teilen der Kfz-Werkstätten an private Unternehmen.

Viertens: Verstärkte Ausstattung beziehungsweise verstärkter Einsatz von EDV als Führungs- und Kommunikationsinstrument.

Fünftens: Übertragung der Kfz-Zulassung an die Versicherungswirtschaft unter Aufrechterhaltung der notwendigen Mindestfunktionen.

Sechstens: Zusammenführung der personalführenden Stellen in den Bundespolizeidirektionen, also der heute noch für Sicherheitswachedienst, Kriminaldienst und zivil Bediensteten getrennt geführten Stellen.

Unabhängig von all diesen Maßnahmen ist allerdings der Grenzdienst im Rahmen der Bundesgendarmerie zu sehen.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Peter Kapral: Gibt es Vorgaben, wie die Einsparungsmaßnahmen in den einzelnen Bundesländern – sprich: bei den einzelnen Sicherheitsdirektionen, Polizeidirektionen – erreicht werden sollen?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Die Grundsätze für diese Vorgaben sind zum Teil schon in meiner Antwort auf Ihre Hauptfrage enthalten. Das, worum es geht, ist, an allen Stellen, die dafür in Betracht kommen, jeweils die Verwaltungsabläufe zu prüfen und – wenn möglich – zu reduzieren, abzuschlanken und unnotwendige traditionell geübte Kontrollmaßnahmen aufzugeben. Andererseits sind Aufgaben, die nicht notwendigerweise wahrgenommen oder nicht notwendigerweise durch die Exekutive wahrgenommen werden müssen, zur Privatisierung oder zur Einstellung vorzubereiten.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Peter Kapral: Gibt es einen Zeithorizont, bis zu dem die von Ihnen angegebenen Maßnahmen tatsächlich realisiert werden müssen?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Es gibt natürlich einen Zeithorizont. Das Innenministerium hatte sich im Rahmen der Budgetverhandlungen zu verpflichten, bis Ende 1997 insgesamt 1 000 Planstellen einzusparen.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nunmehr zur 9. Anfrage. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark), um die Verlesung ihrer Anfrage.

Bundesrätin Johanna Schicker : Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage an Sie lautet:


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613. Sitzung / Seite 18

604/M-BR/96

Welche weiteren Schritte hinsichtlich der rechtlichen Umsetzung des Schengener Abkommens werden nach Beratung des Grenzkontrollgesetzes erfolgen?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.


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613. Sitzung / Seite 19

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem:
Zur Umsetzung des Schengener Abkommens werden im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Inneres neben der Änderung des Grenzkontrollgesetzes noch Anpassungen im Sicherheitspolizeigesetz und die Schaffung eines Bundesgesetzes über die internationale polizeiliche Zusammenarbeit erforderlich sein. Das Bundesministerium für Inneres ist dabei, diesbezügliche Entwürfe auszuarbeiten.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht?

Bundesrätin Johanna Schicker: Meine Zusatzfragen sind durch Antworten des Herrn Bundesministers auf andere Zusatzfragen in der Zwischenzeit miterledigt, ich danke daher und verzichte darauf.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen zur 10. Anfrage. Ich bitte Herrn Bundesrat Anton Hüttmayr (ÖVP, Oberösterreich) um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Anton Hüttmayr: Herr Bundesminister! Rasche Hilfe ist die beste Hilfe! – Unter diesem Motto ist die Rettungsfliegerei verstärkt in den Medien und darüber hinaus im Gespräch.

Meine Frage:

598/M-BR/96

Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um selbst im Falle einer Kündigung der 15a-Verträge betreffend den Hubschrauberrettungsdienst die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Zunächst darf ich Ihnen dazu sagen, daß wir uns derzeit in einer Phase befinden, in der wir gemeinsam mit den Bundesländern, dem Finanzminister und dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger eine Arbeitsgruppe eingesetzt haben, deren Aufgabe es sein wird, bis Mitte Juli konkrete Vorschläge zur künftigen Gestaltung der Hubschrauberflugrettung zu erstatten.

Ich werde, wenn nicht die Sicherstellung der heute sehr hohen Standard habenden Flugrettung auch künftig gegeben ist, keine Kündigung vornehmen, aber es ist folgendes schon deutlich zu sagen – gerade hier im Bundesrat –: Angelegenheiten des Rettungswesens sind Landessache. Es ist daher auch nicht ausschließlich an mir, zu dieser Frage, wie die Flugrettung künftig sichergestellt werden kann, Vorschläge zu erstatten.

Im Kern geht es bei der Frage, die jetzt zu beraten ist und zu der wir bis Mitte Juli Vorschläge erwarten, darum, sicherzustellen, daß sich der jährlich vergrößernde Abgang auf seiten des Bundes für die Aufrechterhaltung des Flugrettungsbetriebes nicht weiter erhöht, sondern daß eine Methode gefunden wird, die sicherstellt, daß auch für den Bund die Kosten begrenzt werden.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Anton Hüttmayr: Herr Bundesminister! Die Kosten sind die eine Seite, die Sicherheit die andere. Lassen Sie sich aufgrund der in der Arbeitsgruppe geführten Gespräche, die Sie zitiert haben, schon Alternativen erkennen?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Noch einmal, Herr Bundesrat: Die Aufrechterhaltung des Rettungsstandards, den wir in Österreich realisiert haben – dank der tatkräftigen Mitwirkung des Innenministeriums und auch anderer Flugrettungen –, ist oberstes Ziel. Das ändert allerdings nichts daran, daß wir auch im Interesse der Bevölkerung und der Steuerzahler Sorge dafür zu tragen haben, daß die dabei den öffentlichen Gebietskörperschaften zur Last fallenden Kosten nicht ins uferlose wachsen. Es wird daher eine Lösung zu finden sein, die sicherstellt, daß weder die Bundesländer noch der Bund stärker belastet werden, der hohe Rettungsstandard aber dennoch aufrechterhalten werden kann. Das ist eine schwierige, aber eine lösbare Aufgabe.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht?

Bundesrat Anton Hüttmayr: Herr Bundesminister! Sie haben auf die Länder und auf die Länderinteressen verwiesen. Ich nehme an, Sie haben mit den Ländern bereits Gespräche geführt. Können Sie hier schon Ergebnisse dieser Gespräche kundtun?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Ihre Annahme trifft zu. Ich führe seit etwa einem Jahr Gespräche mit den Ländern. Tatsächlich ist der Umstand, daß wir es schon so lange tun, für den Bund nicht besonders günstig, denn solange keine Änderung der gegenwärtigen Rechtslage eintritt, ist der Bund gewissermaßen Bürge und Zahler für jene Kosten, die die anderen beiden Zahler, nämlich der Hauptverband und die Länder, nicht tragen. – Das ist der Grund des Änderungswunsches.

Die Länder haben – das wird Sie nicht überraschen – ebenfalls den Wunsch, daß sie nicht mit höheren Kosten belastet werden. Es wird daher dieses Spiel für die Gebietskörperschaften nur dann einen glücklichen Ausgang nehmen können, wenn es gelingt, zusätzliche Zahler, etwa Versicherungen, die derartige Leistungen auch heute schon anbieten, zu gewinnen.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen zur 11. Anfrage, 605/M.

Ich ersuche Frau Bundesrätin Gertrude Perl (SPÖ, Wien) um die Verlesung ihrer Anfrage.

Bundesrätin Gertrude Perl: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

605/M-BR/96

Wie ist der Stand betreffend die Realisierung eines Bundesgesetzes zur Bekämpfung der Gewalt in der Familie?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Frau Bundesrätin! Die Entwürfe zur Schaffung einer Wegweisung zur Prävention vor häuslicher Gewalt im Sicherheitspolizeigesetz und zur Einführung einer einstweiligen Verfügung in der Exekutionsordnung sind im wesentlichen fertiggestellt und werden dem Ministerrat nach einer redaktionellen Abstimmung demnächst zur Beschlußfassung über eine Regierungsvorlage zugeleitet werden.

Zur Sicherung der Zusammenarbeit mit Interventionsstellen zur Bekämpfung von Gewalt in der Familie wird das Bundesministerium für Inneres seine bereits nach § 25 Abs. 2 des Sicherheitspolizeigesetzes bestehende Möglichkeit zur Förderung solcher Einrichtungen ausschöpfen.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Danke.

Wir gelangen zur 12. Anfrage, 599/M. Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich) um die Verlesung.


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613. Sitzung / Seite 20

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann:
Herr Präsident! Herr Bundesminister! Durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ist auch eine Zusammenarbeit im Bereich von Europol vorgesehen. Meine Frage, Herr Bundesminister:

599/M-BR/96

Welche konkreten Maßnahmen für die Zusammenarbeit mit Europol haben Sie bereits umgesetzt?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Ich darf vorweg eine Bemerkung machen, die den politischen Rahmen, innerhalb dessen sich Europol derzeit bewegt, skizzieren.

Bedauerlicherweise ist es, wie bekannt, bisher nicht gelungen, eine vollständige Abstimmung des Europol-Konventionstextes in dem Sinne zu erreichen, wie dies zumindest 14 der 15 Mitgliedsländer der Europäischen Union wünschen.

Das liegt im wesentlichen daran, daß die Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof und eine stärkere Einbindung des Europäischen Parlaments durch ein Mitgliedsland nicht gewünscht werden.

Es erscheinen nun auch Anzeichen, die sich in den letzten Wochen beziehungsweise in den letzten beiden Monaten dafür gezeigt haben, daß dieses Mitgliedsland einlenken könnte, mittlerweile durch die bekannten Zusammenhänge mit dem Rinderwahn in Frage gestellt. Ich bedaure das äußerst, da ich meine, daß die Frage des Rinderwahns und die Frage des Sicherheitsbedürfnisses der Bevölkerung Europas nicht miteinander junktimiert werden dürfen. Daher stehen also der Realisierung von Europol in ihrem vollen Umfang derzeit leider Gottes noch Hindernisse entgegen.

Zur konkreten Frage, die Sie an mich gerichtet haben, darf ich noch folgendes anmerken: Durch die vom Rat der Justiz- und Innenminister am 10. März 1995 auf der Grundlage von Artikel K 3 Abs. 2 lit. b des EU-Vertrages beschlossene gemeinsame Maßnahme wurde die Europol-Drogenstelle als Vorläuferorganisation für das Europäische Polizeiamt Europol, mit Sitz in Den Haag, auf Basis des Unionsrechtes eingerichtet.

Hauptaufgabe der Europol-Drogenstelle ist der Austausch von operativen kriminalpolizeilichen Informationen zwischen den Mitgliedstaaten in den Kriminalitätsfeldern Suchtgiftkriminalität, Schlepperkriminalität, illegaler Handel mit radioaktiven und nuklearen Materialien, illegale Kfz-Verschiebungen sowie mit diesen Kriminalitätsbereichen zusammenhängende Geldwäsche.

Dieser Informationsaustausch wird über Verbindungsbeamte, die die Mitgliedstaaten in Den Haag stationiert haben, abgewickelt. Derzeit kooperieren zirka 30 Verbindungsbeamte aus den 15 Mitgliedstaaten bei der Europol-Drogenstelle. Der erste österreichische Verbindungsbeamte hat seine Tätigkeit in Den Haag am 13. September 1995 aufgenommen.

Im Jahr 1995 wurden im Rahmen der Europol-Drogenstelle etwa 1 500 Informationen zu konkreten Ermittlungsfällen bearbeitet, die sich auf folgende Kriminalitätsfelder bezogen: 76 Prozent Suchtgiftkriminalität, 12 Prozent Geldwäsche, 8 Prozent Kfz-Verschiebung und 4 Prozent Schlepperorganisationen.

Weiters wirkt der kriminalpolizeiliche Dienst des Bundesministeriums für Inneres an den sonstigen Aufgaben der Europol-Drogenstelle, nämlich der Erarbeitung allgemeiner Lageberichte und Analysen von Kriminalitätsfeldern, sowie dem Erstellen kohärenter Strategien zur Verbrechensbekämpfung im Rahmen von Expertenmeetings, die die Drogenstelle veranstaltet, mit.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
613. Sitzung / Seite 21

Gegenwärtig erfolgt die Ausstattung der österreichischen Zentralstellen mit den technischen Einrichtungen zur Abwicklung der Kommunikation mit dem österreichischen Verbindungsbüro in Den Haag über E-Mail.

Die Tätigkeitsaufnahme durch das Europäische Polizeiamt Europol auf Grundlage der Europol-Konvention, die am 26. Juli 1995 unterzeichnet wurde – allerdings ohne Einschluß des Europäischen Gerichtshofes und seiner Zuständigkeit –, setzt neben der Ratifikation der Konvention die Erlassung mehrerer Rechtsakte zu ihrer Durchführung voraus, die derzeit Gegenstand von Verhandlungen im Rahmen der Zusammenarbeit Justiz und Inneres – Ratsarbeitsgruppe Europol – sind. Die Republik Österreich wird dabei ebenso durch mein Ressort vertreten, wie dies bereits in der Schlußphase der Verhandlungen über den Text der Europol-Konvention unter deutschem beziehungsweise französischem Unionsvorsitz der Fall war.

Zu Beginn des laufenden Jahres 1996 wurden die Planungsarbeiten für die Errichtung eines Computersystems für das Europäische Polizeiamt Europol begonnen. Dieses System wird für die Informationssammlungen von Europol, die Anwendung von Verfahren zur Kriminalitätsanalyse sowie den Informationsaustausch mit den Zentralstellen der Mitgliedstaaten, auf Grundlage der entsprechenden Bestimmungen der Europol-Konvention dienen. Die Experten meines Ressorts wirken innerhalb der Planungsstruktur dieses Projektes aktiv mit.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann: Herr Bundesminister! Sie haben zuerst mehrfach die Einbindung des EuGHs erwähnt. Wie wäre dies vorgesehen? Es geht praktisch um die Frage: Wie können die Grundrechte der einzelnen Staatsbürger beim EuGH sichergestellt werden? Welche Vorstellungen gibt es in dieser Hinsicht?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Grundsätzlich geht es darum, daß bei einer Vereinbarung wie dieser, die im Rahmen der dritten Säule abgeschlossen wird, also einer intergouvernementalen Vereinbarung, auch ein Mechanismus vorgesehen wird, der im Falle von Auslegungsstreitigkeiten oder Schwierigkeiten zwischen den Beteiligten klare Entscheidungen treffen kann beziehungsweise eine klare und eindeutige Auslegungsbefugnis hat. Das ist das Hauptproblem, das es zu lösen gilt, weil der Einzelpersonenrechtsschutz und Grundrechtsschutz im allgemeinen auch durch innerstaatliche Maßnahmen gewährleistet werden kann.

Das zentrale Element ist einerseits die Kontrolle der Tätigkeit vor Ort und andererseits vor allem die Beilegung beziehungsweise die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann: Herr Minister! Sie haben zuerst den Aufbau der technischen Ausrüstung für die Zusammenarbeit mit Europol erwähnt. Wann wird nach Ihrer Vorstellung der Aufbau dieser technischen Ausrüstung abgeschlossen sein?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Wir rechnen damit, daß der Aufbau der technischen Ausrüstung samt entsprechendem Probelauf und Abstimmung noch bis Ende des heurigen Jahres realisiert werden kann, daß aber ein Echtbetrieb nur dann und insoweit aufgenommen werden kann, als die Europol-Konvention auch wirklich ratifiziert wird, weil das die Grundlage für den Datenaustausch und die dabei vorzunehmenden Sicherungsmaßnahmen ist.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen zur 13. Anfrage, 609/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark) um die Verlesung seiner Anfrage.


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613. Sitzung / Seite 22

Bundesrat Dr. Paul Tremmel:
Herr Bundesminister für Inneres! Meine Frage lautet:

609/M-BR/96

Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den Aussagen auf Seite 134 f. des vom ehemaligen Leiter der Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus (EBT), Erwin Kemper, verfaßten Buches "Verrat an Österreich", in denen von einer erheblichen Behinderung der Fahndung durch politisch motivierten Druck auf die Fahndungsbeamten die Rede ist, im Zusammenhang mit dem immer noch nicht aufgeklärten Bombenanschlag von Oberwart, bei dem vier Menschen den Tod fanden?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Es besteht gegenwärtig glücklicherweise kein Anlaß, Konsequenzen aus diesen Aussagen des Erwin Kemper zu ziehen. Tatsächlich beziehen sich die Aussagen von Kemper in seinem Buch – ähnlich wie jene des Herrn Generaldirektors für öffentliche Sicherheit vom März des Vorjahres – auf eine Periode, die schon einige Zeit zurückliegt.

Sowohl die Aussagen als auch meine grundsätzliche Überzeugung sind für mich seit meinem Amtsantritt Anlaß gewesen, klarzustellen, daß den ermittelnden Beamten in diesem Bereich keine wie immer gearteten Scheuklappen zu verpassen sind, sondern daß die Ermittlungen in jede allenfalls erfolgversprechende Richtung zu führen sind. Diese Grundlagen sind geschaffen, es bedarf daher keiner weiteren Änderung.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel: In diesem Buch wird wie folgt zitiert: Im gegenständlichen Fall – gemeint ist Oberwart – wurde ein derartig medialer und folglich auch politischer Druck entwickelt, daß dem letzten Kriminalbeamten klar war, wo er den Täter zu suchen hätte, nämlich im neonazistischen respektive rechtsextremistischen Lager.

Wenn diese Aussage nicht den Tatsachen entspricht, warum wurde sie dann nicht in aller Deutlichkeit durch die zuständigen Stellen des Bundesministeriums widerlegt?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Mir ist ein derartiger Druck seit April des Vorjahres nicht bekannt.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Dr. Tremmel.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel: Warum wurde im Rahmen der ETB, also der Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus, kürzlich eine neue Sonderkommission zur Aufklärung der Bombenattentate eingerichtet, wie Sie auf Befragen in der letzten Sitzung des Innenausschusses mitteilten?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Weil es sich als zweckmäßig erwiesen hat, die Arbeiten zur Aufklärung sowohl der Briefbombenanschläge als auch der Anschläge von Oberwart, Klagenfurt und Stinatz aus der Alltagsarbeit der EBT herauszunehmen und die dafür eingeteilten Beamten ausschließlich für diesen Zweck einzusetzen und sie dabei räumlich und organisatorisch vom Alltag der EBT zu trennen.

 


Bundesrat
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613. Sitzung / Seite 23

Wir gehen davon aus, daß die Ermittlungen in dieser Frage die Einrichtung einer vollständig organisatorisch getrennten Sonderkommission, die sich ausschließlich der Aufklärung dieser Kriminalfälle zu widmen hat, rechtfertigen.

Präsident Johann Payer: Wir kommen zur 14. Anfrage, 606/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien) um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Josef Rauchenberger: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

606/M-BR/96

Wie stehen Sie zur politischen Initiative der Wiener Sozialdemokraten zur Errichtung einer Umwelt-Interpol, mit der die internationale Zusammenarbeit zur Bekämpfung gegen Umweltkriminalität verbessert werden soll?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Grundsätzlich stehen wir jeder Initiative, die einen verbesserten Schutz vor Kriminalität oder eine verbesserte Prävention gegen Überkriminalität verspricht und erlaubt, natürlich positiv gegenüber. Im Bereich der Bekämpfung der Umweltkriminalität erlangt die internationale Kooperation ständig wachsende Bedeutung. Zum einen deshalb, weil die organisierte Kriminalität auch auf diesem Gebiet ein einträgliches Betätigungsfeld vorfindet, vor allem bei der illegalen Abfallverbringung oder beim Handel mit geschützten Tierarten, zum anderen aber auch, weil Verstöße gegen einschlägige Bestimmungen des Umweltrechtes vielfach grenzüberschreitende Wirkung zeitigen.

Diese Initiative entspricht daher den Bestrebungen vieler Staaten zur Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Umweltkriminalität und auch meinen Intentionen als Innenminister. Inwieweit die notwendigen wechselseitigen Informationsflüsse und Amtshilfeleistungen in einer Struktur, wie sie in der Interpol-Organisation bereits bestehen oder in anderen Systemen ablaufen, organisiert sind, erscheint aber zweitrangig, sofern nur Bereitschaft besteht, dieses Problem aufzugreifen und eine Lösung in entsprechender Weise voranzutreiben. Aus meiner Sicht ist aber jedenfalls auch auf das Europol-Abkommen Bedacht zu nehmen, das die Möglichkeit vorsieht, die Tätigkeit des Europäischen Polizeiamtes auf die Bekämpfung und Verhütung internationaler Umweltkriminalität auszudehnen.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Rauchenberger.

Bundesrat Josef Rauchenberger: Herr Minister! Sie haben verschiedene Umweltverbrechen zitiert, bei deren Bearbeitung es derzeit schon eine Zusammenarbeit gibt. Es gibt weitere Verbrechen, ich denke nur an illegale Sondermülltransporte, an den illegalen Handel mit gefährlichen Chemikalien oder an Verstöße gegen internationale Abkommen. Sie sagen, daß es hier schon im Rahmen der Europol eine Zusammenarbeit gibt. Sind von österreichischer Seite konkrete Maßnahmen gesetzt, um diese zu verstärken?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! In einem Punkt haben Sie mich mißverstanden: Ich habe gesagt, daß die Europol-Konvention eine Erweiterung auf diesen Bereich vorsieht und daß das eine Möglichkeit ist, die uns dann zur Verfügung steht, wenn wir die Europol-Konvention ratifiziert haben.

Tatsächlich ist es so, daß wir derzeit alle rechtlichen und tatsächlich gegebenen Möglichkeiten zur Kooperation mit den Polizeiverwaltungen anderer Länder ausschöpfen. Der rechtliche Rahmen, der uns heute für diesen Zweck zur Verfügung steht, ist im wesentlichen nur der Interpol-Rahmen.

Wir haben aber darüber hinaus auf verschiedenen Ebenen vor allem mit den Nachbarstaaten und mit den Staaten der Europäischen Union teils formelle, teils informelle Kooperationen


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gesucht und gefunden. Diese funktioniert auch ohne den ergänzenden und zweifellos für manche Bereiche notwendigen rechtlichen Rahmen, die die Europol-Konvention geben wird und geben soll, jetzt schon ziemlich gut – auch in diesem Bereich.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Josef Rauchenberger: Herr Bundesminister! Sie haben von der Zusammenarbeit auch auf nichtstaatlicher Ebene, also nicht im Rahmen der Polizeidienststellen gesprochen. Sehen Sie auch eine Möglichkeit, durch diese Initiativen im Rahmen von Städten zu einer engeren Kooperation zu kommen?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Ja, ich sehe auch diese Möglichkeit. Es gibt bereits – vom früheren Polizeipräsidenten von Wien eingerichtet und angeregt – eine sehr enge Kooperation namentlich der Städte dieses Raumes, also zwischen den Polizeiverwaltungen etwa von Wien, Prag, Bratislava und Budapest, was den ostösterreichischen Raum im besonderen Maße betrifft. Dies erweist sich als eine sehr glückliche und zufriedenstellende Zusammenarbeit.

Ich glaube, daß darüber hinaus jede Form der Zusammenarbeit, sowohl der städtischen Verwaltungen miteinander als auch unter Einbezug der jeweiligen Polizeiverwaltungen, weiter ermöglicht ist, und wir werden sehr gerne kooperieren.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nunmehr zur 15. und letzten Anfrage, 600/M, an den Herrn Bundesminister, und ich bitte Herrn Bundesrat Karl Pischl (ÖVP, Tirol) um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Karl Pischl: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

600/M-BR/96

Wie beurteilen Sie die Entwicklung der organisierten Kriminalität in Österreich?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Wenngleich bei den traditionellen Erscheinungsformen der Kriminalität die Situation etwas entspannt erscheint, sind die zukünftigen Aussichten im Hinblick auf das organisierte Verbrechen weltweit wenig beruhigend. Organisierte Kriminalität tritt auch in Österreich real in Erscheinung, und es wird aufgrund verschiedener Indikatoren ihr Anteil an der Gesamtkriminalität – je nach Definition, muß ich hinzufügen – derzeit auf etwa 30 bis 35 Prozent eingeschätzt, eine Tendenz, die sich bis zur Jahrtausendwende noch verstärken dürfte.

Als Ursachen dieser Entwicklung können die politischen Veränderungen des Ostens, die Öffnung der Ostgrenzen, die damit verbundene zahlenmäßig hohe Migration, die weitere Liberalisierung des Reiseverkehrs in den Ländern Europas, der Wegfall der europäischen Binnengrenzen, der rasante Anstieg der Kriminalität weltweit und die geographische Lage Österreichs im Herzen Europas angesehen werden.

Die österreichische Exekutive ist mit einer neuen Herausforderung konfrontiert, zumal diese Tätergruppen – über riesige Geldmittel verfügend – keine Grenzen akzeptieren und auf große Mobilität und Unterstützung aus allen Teilen der Welt im illegalen Bereich zählen können.

Organisierte internationale Tätergruppierungen setzen ihre Aktivitäten auf dem Gebiet von Wirtschaftsdelikten, KFZ-Diebstählen, auf der Ebene der Verschiebung von Kraftfahrzeugen, die gestohlen wurden, es gibt Schutzgelderpressungen, Taschendiebstähle in organisierter Form, beziehungsweise PKW- und Wohnungseinbrüche in Verbindung mit Betrugsfällen mittels unbarer Zahlungsmittel wie etwa Euroschecks, Kreditkarten, Reiseschecks und dergleichen,


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weiters Prostitution, Zuhälterei und Menschenhandel, Verbreitung von Falschgeld, Geldwäsche, Suchtgifthandel und sonstige aus Gewinnsucht begangene Straftaten.

Insbesondere im Bereich der organisierten internationalen Wirtschaftskriminalität sind derzeit als größte Bedrohung enorme Geldtransaktionen aus den GUS-Staaten festzustellen, die beispielsweise über dafür in Österreich völlig legal gegründete Handelsgesellschaften in das heimische Bankwesen einfließen, wobei die Herkunft der Gelder meist nicht beweiskräftig eruierbar und die Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden dieser Länder nicht immer effektiv ist.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Karl Pischl: Herr Bundesminister! Ihre Antwort betreffend organisiertes Verbrechen beziehungsweise organisierte Kriminalität ist sicher nicht sehr beruhigend oder optimistisch, was die Zukunft anlangt. Sie haben aber darauf hingewiesen, daß gerade auch durch die Öffnung der Grenzen des ehemaligen Ostblocks diese Situation verschärft wurde. Meine Zusatzfrage geht jetzt in diese Richtung: Welche Kontakte zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität haben Sie zu den ehemaligen Staaten des Ostblocks?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.


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Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem:
Herr Bundesrat! Vielleicht ist es notwendig, dazu auch etwas ausführlicher zu antworten.

Das Grundproblem, um das es sich hier vielfach handelt, ist, daß in den ehemals kommunistisch regierten Staaten zugleich die wirtschaftlichen und die staatlichen Ordnungsstrukturen weitgehend zusammengebrochen sind und bis heute noch keine vollständige Erneuerung erfahren haben. Der Prozeß des gesellschaftlichen Wandels in diesen Staaten, wie etwa den GUS-Staaten, nimmt einen relativ langsamen Verlauf, wie es der Tiefe dieses Umbruchs entspricht.

Das hat auch zur Konsequenz, daß zwar die traditionellen Kontakte mit den Polizeiverwaltungen dieser Staaten weiter aufrecht sind und funktionieren, daß allerdings die Verläßlichkeit der dort erzielbaren Informationen nicht immer gewährleistet ist, zumal festzustellen ist, daß im Prozeß des Zusammenbruchs staatlicher Ordnungsstrukturen im Osten auch die Sicherheitsverwaltungen nicht ungeschoren bleiben und sich zum Teil Subgruppierungen innerhalb dieser Sicherheitsverwaltungen bilden, die auch unterschiedliche Informationen abgeben.

Das erschwert die Bekämpfung dieser Art von Kriminalität und macht es erforderlich, in den Ländern des Westens spezielle Abteilungen oder Einrichtungen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu haben, deren Funktion nicht nur in der Wahrnehmung der internationalen Kontakte besteht, sondern auch darin, die durch diese schwierige Lage der Sicherheitsverwaltungen im Osten entstandene Situation durch besonders intensive und besonders fachkundige Arbeit zu substituieren.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Pischl.

Bundesrat Karl Pischl: Herr Bundesminister! Der von Ihnen jetzt angesprochene gesellschaftliche Wandel in diesen ehemaligen Oststaaten oder in der Sowjetunion zeigt sehr deutlich, daß wir hier im Westen von dieser Seite wenig oder keine Unterstützung in Richtung gegen die organisierte Kriminalität zu erwarten haben werden. Sie sprechen zum Schluß von speziellen Einheiten im Westen.

Meine Frage an Sie lautet: Welche innerstaatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität wollen oder werden Sie in nächster Zukunft beziehungsweise mittelfristig setzen?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Zunächst verweise ich darauf, daß es bereits vor drei Jahren im Innenministerium zur Einrichtung der Sondereinheit zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, der EDOK, gekommen ist, die eine hochspezialisierte und hochprofessionelle Einrichtung genau für diesen Tätigkeitsbereich darstellt und aufs engste mit den örtlichen Sicherheitsbehörden zusammenarbeitet.

Um diese Zusammenarbeit so effizient und so nachhaltig wie möglich zu gestalten, haben wir darüber hinaus begonnen, einerseits entsprechende Gruppen in den Bundespolizeidirektionen und den Landesgendarmeriekommanden zur Bekämpfung und zur Bearbeitung von OK-Delikten – also von Delikten aus dem Kreis der organisierten Kriminalität – einzurichten; derzeit sind wir dabei, eine gemeinschaftlich zu nutzende Datei – EDV-basiert – über OK-Strukturen zu schaffen.

Es ist dazu anzumerken, daß sich die organisierte Kriminalität vor allem insoweit von der traditionellen Kriminalität unterscheidet, als es sich in der Regel nicht um Einzeltäter handelt, sondern um Tätergruppen, die in einem relativ weit verzweigten Netz zusammenarbeiten und vielfach geradezu unternehmensartig zentral gesteuert werden.

Die Hauptschwierigkeit bei dieser Arbeit besteht also darin, in einer langwierigen Strukturanalyse zunächst einmal die Struktur der Täterkreise aufzudecken und dann die dazu gehörigen Beweise zu sammeln, um diese Strukturen auch zerschlagen zu können. Wir sind – wie gesagt – dabei, nicht nur die entsprechenden personellen Ressourcen aufzubauen – sie sind im wesentlichen bereits aufgebaut –, sondern nunmehr auch die gemeinsam zu nutzende EDV-Infrastruktur aufzubauen, die die Grundlage für eine wirksame Bekämpfung der organisierten Kriminalität – soweit sie in Österreich Tätigkeitsfelder hat, sie ist in der Regel über die Grenzen vernetzt – ist.

Präsident Johann Payer: Die Fragestunde ist beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Johann Payer: Eingelangt sind sieben Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden. Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt ist weiters ein Schreiben des Ersten Präsidenten des Kärntner Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat.


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Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Helga Markowitsch:

"Sehr geehrter Herr Präsident! Für das ordentliche Mitglied des Bundesrates, Mag. Harald Repar, SPÖ, mußte ein Ersatzmitglied namhaft gemacht werden.

Der Kärntner Landtag hat in seiner 36. Sitzung am 9. Mai 1996 auf Vorschlag der SPÖ als Ersatzmitglied Mag. Nicole Cernic, Tafernerstraße 22, 9500 Villach, gewählt.

In der Anlage übermittle ich den aktuellen Stand des Verzeichnisses der vom Kärntner Landtag zu wählenden Mitglieder des Bundesrates.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Adam Unterrieder"

Präsident Johann Payer: Dieses Schreiben dient zur Kenntnis.

Eingelangt ist ein Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretung.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Helga Markowitsch:

"Der Herr Bundespräsident hat am 21. Mai 1996 folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Finanzen Mag. Viktor Klima am 24. Mai 1996 den Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Präsident Johann Payer: Auch dieses Schreiben dient zur Kenntnis.

Den eingelangten Außenpolitischen Bericht 1995 habe ich dem Außenpolitischen Ausschuß zur Vorberatung zugewiesen.

Eingelangt sind weiters zwei Beschlüsse des Nationalrates vom 26. April 1996 betreffend ein

Bundesgesetz über die Bewilligung des Budgetvoranschlages für das Jahr 1996 (Bundesfinanzgesetz 1996 – BFG 1996) beziehungsweise ein

Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 1997 (Bundesfinanzgesetz 1997 – BFG 1997).

Diese genannten Beschlüsse unterliegen im Sinne des Artikels 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz nicht dem Einspruchsrecht des Bundesrates.

Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung der vorliegenden Beschlüsse durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt ist auch eine Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Übertragung der sachlichen Leitung bestimmter zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörender Angelegenheiten an eine eigene Bundesministerin.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Helga Markowitsch:

"An den Präsidenten des Bundesrates

Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Herr Bundespräsident am 23. April 1996 die beiliegende Entschließung betreffend die Übertragung der sachlichen Leitung bestimmter, zum Wirkensbereich des Bundeskanzleramtes gehörender Angelegenheiten an eine eigene Bundesministerin gemäß Artikel 77 Abs. 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes gefaßt hat.

Der Bundeskanzler"

Die Entschließung des Bundespräsidenten, mit der die sachliche Leitung bestimmter, zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörender Angelegenheiten einer eigenen Bundesministerin übertragen wird, lautet:

"1. Auf Grund des Artikels 77 Abs. 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes übertrage ich der Bundesministerin im Bundeskanzleramt Dr. Helga Konrad die sachliche Leitung der zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörenden

Koordination in Angelegenheiten der Frauenpolitik,

Angelegenheiten der Gleichbehandlungskommission und der Anwältin für Gleichbehandlungsfragen,


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Angelegenheiten der Bundes-Gleichbehandlungskommission und der Interministeriellen Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen.

2. Abs. 1 gilt nicht für Aufgaben der Personalverwaltung und der Organisation.

3. Abs. 1 gilt ferner nicht für Angelegenheiten, die dem Bundeskanzler durch Bundesverfassungsrecht vorbehalten sind."

Präsident Johann Payer: Auch das dient zur Kenntnis.

Eingelangt sind ferner Berichte (5020 bis 6723-EU) über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e Bundes-Verfassungsgesetz. Auch diese Berichte habe ich dem EU-Ausschuß zugewiesen.

In Anbetracht des Umfanges habe ich gemäß § 18 Abs. 2 Geschäftsordnung des Bundesrates nach Rücksprache mit den Vizepräsidenten angeordnet, daß eine Vervielfältigung und Verteilung zu unterbleiben hat, alle Vorlagen jedoch in der Parlamentsdirektion zur Einsichtnahme aufliegen.

Eingelangt sind jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse sowie den Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit (Sicherheitsbericht 1994) den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Absehen von der 24stündigen Aufliegefrist

Präsident Johann Payer: Im Hinblick darauf sowie mit Rücksicht auf einen mir zugekommenen Vorschlag, hinsichtlich der Punkte 3 und 5 der Tagesordnung von der 24stündigen Aufliegefrist Abstand zu nehmen, habe ich alle diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit der Abstandnahme von der 24stündigen Aufliegefrist hinsichtlich des Ausschußberichtes des Finanzausschusses einerseits und des Ausschußberichtes des Rechtsausschusses (5174 der Beilagen) andererseits einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Es gibt eine Gegenstimme.

Der Vorschlag ist mit Stimmenmehrheit und mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Ankündigung von dringlichen Anfragen

Präsident Johann Payer: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, daß mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Peter Kapral und Kollegen betreffend "Wahlgeschenke" an das Bundesland Wien an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst vorliegt.

Weiters liegt mir ein zweites Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Peter Kapral und Kollegen betreffend "Wahlgeschenke" an das Bundesland Wien an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten vor.

Gemäß § 61 Abs. 6 der Geschäftsordnung ziehe ich die dringliche Behandlung der beiden Anfragen zusammen. Die Zustimmung der unterzeichneten Bundesräte liegt dazu vor. Im Sinne


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des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung der beiden Anfragen an den Schluß der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

1. Punkt

Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 1994) (III-147/BR sowie 5167/BR der Beilagen)

Präsident Johann Payer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Sicherheitsbericht 1994.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Hedda Kainz übernommen. Ich bitte um den Bericht, Frau Bundesrätin.

Berichterstatterin Hedda Kainz: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der gegenständliche Sicherheitsbericht ist in die acht Abschnitte

Einleitung,

Kriminalität im Spiegel der polizeilichen Kriminalstatistik,

Lagebilder und Maßnahmen betreffend ausgewählter Deliktsformen,

Maßnahmen und Tätigkeiten zur Verbesserung der Verbrechensverhütung und Verbrechensaufklärung,

Paß,- Fremdenpolizei- und Flüchtlingswesen,

verkehrspolizeiliche Angelegenheiten,

Festnahmen und Demonstrationen sowie

Maßnahmen auf den Gebieten Katastrophenschutz, Zivilschutz, Strahlenschutz, Flugpolizei und Entminungsdienst

gegliedert.

Dem zweiten Abschnitt, der eine Reihe von Statistiken enthält, ist zu entnehmen, daß die Zahl der Verbrechen im Berichtsjahr gegenüber 1993 von 114 794 auf 107 868 zurückgegangen ist; dies bedeutet eine Abnahme von 6 Prozent. Die Zahl der Vergehen stieg mit 4,7 Prozent von 378 992 auf 396 700. Bei der Gesamtzahl aller strafbaren Handlungen ist mit plus 2,2 Prozent eine Zunahme von 493 786 Fällen auf 504 568 Fälle zu verzeichnen.

Die zahlenmäßig umfangreichsten Veränderungen sind erwartungsgemäß im Bereich der strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen zu finden, die aufgrund ihrer gewichtigen Bedeutung auch auf die Entwicklung der Gesamtsumme aller strafbaren Handlungen sowie der Verbrechen und Vergehen insgesamt rückwirken.

Im einzelnen ergab sich bei den Körperverletzungen eine Zunahme von 3,2 Prozent und beim Suchtgiftmißbrauch eine Zunahme von 29,6 Prozent. Beim Einbruchsdiebstahl war ein Rückgang von 4,1 Prozent, bei den Falschgelddelikten ein Rückgang von 39,7 Prozent zu verzeichnen.

Die Aufklärungsquote aller gerichtlich strafbaren Handlungen betrug bei den Verbrechen 1993 28,4 Prozent und im Berichtsjahr 28,7 Prozent, bei den Vergehen 1993 52,4 Prozent und im Jahr 1994 55,3 Prozent. Bei allen gerichtlich strafbaren Handlungen lag die Aufklärungsquote im Berichtsjahr bei 49,6 Prozent (1993 46,8 Prozent).

In absoluten Zahlen ausgedrückt, konnten 1994 30 947 Verbrechen geklärt werden, was einer Abnahme von 4,9 Prozent gegenüber 1993 entspricht. Bei den Vergehen war eine Steigerung


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der Aufklärungsquote von 10,3 Prozent zu verzeichnen. Bei allen gerichtlich strafbaren Handlungen ergab sich ein Zuwachs von 8,2 Prozent an aufgeklärten Fällen.

Der vierte Abschnitt befaßt sich mit personellen, organisatorischen und technischen Maßnahmen zur Verbesserung der Verbrechensverhütung und Verbrechensaufklärung und berichtet auch über die Ausbildung in diesem Bereich sowie über die internationale Zusammenarbeit.

Der fünfte Abschnitt befaßt sich im einzelnen mit dem Migrations-, Aufenthalts- und Asylwesen, der Asylwerberbetreuung, der Europäischen Integration, der Ausländerkriminalität und der Europäischen Union.

Diesem Abschnitt ist zu entnehmen, daß im Berichtsjahr insgesamt 5 082 Personen in Österreich um Gewährung des Asylrechtes ansuchten. Im Vergleich dazu haben im Jahr 1993 insgesamt 4 744 Personen Anträge auf Asylgewährung gestellt. Dies entspricht einer Steigerung um 6,7 Prozent, wobei diese Asylwerber 1994 aus 65 und 1993 aus 71 Ländern stammten.

Im Jahre 1994 wurden 9 295 Administrationsverfahren nach dem Asylgesetz abgeschlossen. Davon endeten 684 Verfahren mit der Gewährung von Asyl, das sind 7,6 Prozent der in diesem Zeitraum abgeschlossenen Verfahren.

Der Bericht enthält weiters eine Reihe von Tabellen und Graphiken sowie die polizeiliche Kriminalitätsstatistik.

Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Mai 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Präsident Johann Payer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Dieter Langer. Ich erteile ihm dieses.

10.28

Bundesrat Mag. Dieter Langer (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben den Sicherheitsbericht aus dem Jahre 1994 vorliegen und behandeln ihn zu einem Zeitpunkt, zu dem eigentlich schon der Sicherheitsbericht 1995 zur Debatte stehen sollte.

Zuerst möchte ich den Erstellern dieses Sicherheitsberichtes für die umfassende und ausführliche Darstellung ein Lob aussprechen. Es fällt beim Studium dieses Sicherheitsberichtes natürlich einiges auf – Details später. Aber zuerst erhebt sich die Frage, inwieweit den Zahlen, die hier vorliegen, auch das richtige Gewicht zugemessen werden kann.

Es fällt auf, daß Minister Löschnak im Vorjahr von einer Deliktzahl von 495 493 gesprochen hat, während in diesem Bericht insgesamt 504 568 Delikte zugegeben werden. Unter Berücksichtigung dieser Zahl ergibt sich eine Zunahme von 2,2 Prozent, auch wenn man die Delikte aus dem Straßenverkehr unbeachtet läßt. Und auch der Hinweis auf die ungewöhnliche Häufung von Serienbetrugsfällen gerade im Berichtszeitraum kann diese Zahlen nur relativieren, denn auch ohne diese ist eine Zunahme der Zahl der Delikte zu verzeichnen.

Diese ungewöhnliche Häufung der Serienbetrugsfälle wird für das Jahr 1994 jetzt als Entschuldigung vorgebracht, es wird aber sicher im Jahresbericht 1995, wenn es da diese unerklärliche oder zufällige Häufung nicht geben sollte, als Erfolg vermerkt werden.

Überhaupt erscheint diese Art der Zählung in manchen Bereichen fraglich, und ich zitiere den Sicherheitsbericht, Seite 18, betreffend Suchtgifthandel: "Zum Rückgang der Delikte des Suchtgifthandels ist allerdings kritisch anzumerken, daß im Jahr 1993 insbesondere in einem Bundesland die Suchtgiftdelikte anders gezählt wurden, sodaß im Jahr 1993 eine scheinbare Erhöhung der Suchtgiftdelikte feststellbar ist. Im Jahre 1994 wurde jedoch" – und ich betone


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das! – "erlaßmäßig dafür Sorge getragen, daß eine solche Überzählung möglichst vermieden wird." (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn es durch Erlaß möglich ist, andere Zählweisen einzuführen, dann tritt wohl berechtigterweise der Verdacht auf, daß man diesen statistischen Angaben nicht immer so trauen kann, wie sie hier stehen, und daß der Bevölkerung gegebenenfalls ein X für ein U vorgemacht wird.

Zum Thema Sicherheit in der Bevölkerung gibt es einige wesentliche Kriterien, und zwar die Langzeitentwicklung im Bereich der Kriminalität, punktuelle Entwicklungen sowie Steigerungen bei diesen – zum Beispiel bei der organisierten Kriminalität oder dem Drogenhandel. Es geht um das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, das stark mit dem Personalstand und der Präsenz der Polizei sowie mit dem Vertrauen in die politisch Verantwortlichen zusammenhängt.

Zu Punkt 1: Langzeitentwicklung. Ein Berichtsjahr umfaßt eben nur eine kurze Zeitspanne und ist in gewissen Bereichen wohl aussagekräftig, aber es geht eben nur um die Entwicklung innerhalb eines Jahres. Wichtig für das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung ist auch die Langzeitentwicklung. Und dazu ist am Beispiel Wien anzumerken, daß im Jahr 1975 88 754 Delikte gezählt wurden, während es im Jahr 1994 171 682 waren – was einer Steigerung in diesem Zeitraum von 93,4 Prozent entspricht.

Jedenfalls ist es so, daß österreichweit 1 132 Delikte pro Tag, in Wien 470 Delikte – davon 132 Verbrechen – gezählt werden. In Wien ist in den letzten drei Jahren statistisch fast jeder dritte Wiener Opfer der Kriminalität geworden. Zu bedenken ist dabei auch noch eine enorme Dunkelziffer, und zwar hinsichtlich des geänderten Anzeigeverhaltens der von Alltagskriminalität Betroffenen, die oft die notwendigen Formalitäten, die damit verbunden sind, nicht auf sich nehmen wollen.

In diesem Zusammenhang darf auch der Anteil und die Entwicklung desselben im Bereich der fremden Tatverdächtigen, wie sie im Bericht bezeichnet werden, nicht vergessen werden. Im Jahr 1975 waren dies bei der Gesamtkriminalität 9,4 Prozent und bei den Verbrechen 9,7 Prozent. Dieser Anteil ist im Berichtsjahr hinsichtlich der Gesamtkriminalität auf 20,8 Prozent gestiegen und bei den Verbrechen auf 30,3 Prozent.

Es gibt einige beachtenswerte Bemerkungen in diesem Bericht. So steht hier – ich zitiere –: "Die Entwicklung der absoluten Zahl fremder Tatverdächtiger zeigt ab dem Jahr 1975 bis zum Jahr 1987 eine zwar unausgeglichene, jedoch nicht besonders auffällige Entwicklung. Ein eindeutiger Bruch dieser Entwicklung läßt sich jedoch ab dem Jahr 1988 erkennen." – Ab diesem Jahr steigt nämlich der Anteil der fremden Tatverdächtigen an der Gesamtzahl der Delikte sprunghaft an.

Es zeigt sich also der Anstieg des Prozentanteils der fremden Tatverdächtigen seit dem Jahr 1988, wobei in dieser Darstellung im Bereich der Verbrechen bereits ab dem Jahr 1987 ein Anstieg zu bemerken ist. Es handelt sich jedenfalls um einen höheren Anteil an den Delikten, als der Anteil der Fremden an der Bevölkerung beträgt.

Das kann, sehr geehrte Damen und Herren, zwei Ursachen haben: Entweder gibt es in diesem Bereich eine prinzipiell höhere Kriminalitätsrate bei den Fremden, oder es hängt mit der Zahl der illegal anwesenden Fremden zusammen – eine Zahl, die immer geleugnet wird, aber selbst vom Wiener Stadtrat Hatzl zugegeben wurde. (Bundesrat Konečny: Wird es jetzt geleugnet oder zugegeben?)

Mit den neuen Zuzugsgesetzen, die Sie einführen wollen, wird die Situation noch schlimmer werden, solange in diesem Bereich nicht die Arbeitsplatzsituation, die Wohnsituation und die Frage der Illegalität gelöst sind. Und dort beginnt das Vertrauen der Bevölkerung in die Problemlösungsfähigkeit dieser Bundesregierung zu sinken.

Zu Punkt 2, der punktuellen Entwicklung: Die organisierte Kriminalität wird selbst vom EU-Sicherheitsbeauftragten der ÖVP, Hubert Pirker, als bei uns besonders kraß dargestellt, und der


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Polizeipräsident beziffert diese in einem Interview mit zirka 20 Prozent aller Delikte. Weiters gehören zu diesen punktuellen Entwicklungen das Banden- und das Schlepperunwesen, die Kriminalität im Bereich des Rotlichtmilieus, aber auch die Kriminalität im Bereich der Drogenszene.

Wenn man den Beteuerungen gewisser Politiker – unter anderem auch von Bürgermeister Häupl – glauben darf, dann ist ohnehin alles in Ordnung, doch diese Behauptung ist bei näherer Betrachtung nicht haltbar. Auch dazu die Langzeitentwicklung: Im Jahr 1975 gab es fünf Drogentote, im Jahr 1994 147 – die Zahl hat sich fast verdreißigfacht. Wien hält einen Anteil von 59 Prozent.

Heuer, 1996, war bis Ende März gegenüber 1995 ein Anstieg der Drogentoten von 27 auf 38 – also insgesamt elf – festzustellen, und vor allem in Wien hat sich die Drogenszene stark ausgeweitet: Sie ist nicht nur mehr auf den Karlsplatz konzentriert, auch im Stadtpark und vor allem entlang der U-Bahn-Stationen der U 3 macht sich eine Verbreitung bemerkbar. Die U 3 erschließt immerhin 10 Prozent der Wiener Schulen, und in diesem Bereich wird schon in der Früh gedealt. Und gerade zu dieser Uhrzeit – in der Früh, am Vormittag und zu Mittag – sieht man dort keine Polizei, denn die U-Bahn-Streifen in den Bezirken machen unter anderem auch zwecks Vermeidung von Überstunden nur zu ganz bestimmten Zeiten Streifendienst, und das auch nur einige Male im Monat.

Doch statt hier entscheidende Maßnahmen zu ergreifen, geschieht zweierlei: Es gab im Zuge des Kokainskandals ein Bauernopfer: Der Leiter des Drogenreferates, Herr Oberstleutnant Franz Essl, wurde abgesetzt, aber dafür gibt Polizeipräsident Peter Stiedl in der heutigen "Presse" in einem Interview bekannt, daß er in Wien eine offene Drogenszene haben möchte. Er fordert trotz all der negativen Erfahrungen, die mit der offenen Drogenszene in Zürich und in Amsterdam gemacht wurden, ebendieses auch für Wien, offenbar um hier dieselben Zustände einzuführen.

Aus der Drogenszene, meine Damen und Herren, wächst eine ungeheure kriminelle Gefahr, und es ist verantwortungslos, hier tatenlos zuzusehen. Wir Freiheitlichen fordern jedenfalls eine sofortige Zerschlagung der offenen Szene mit geeigneten polizeilichen Maßnahmen. Und wenn hohe und höchste Polizeioffiziere nicht wissen, wie man hier am wirkungsvollsten vorgeht, dann möge man sich ein Beispiel an den skandinavischen Ländern nehmen, wo die Polizei mit harten Maßnahmen gegen die Drogenszene vorgeht.

Bei näherem Hinsehen erweist sich daher das gezeichnete Bild als unwahr und als trostloses.

Zum Punkt 3: Sicherheitsgefühl der Bevölkerung im subjektiven Bereich.

Herr Innenminister! Sie haben in einer Anfragebeantwortung selbst zugegeben, daß es hierüber keine Untersuchungen gibt. Daher können Sie es offenbar auch nicht wissen – Sie trauen sich anscheinend auch nicht, eine derartige Untersuchung zu machen. Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung hängt eng zusammen mit der Präsenz der Polizei auf den Straßen, im Streifendienst, in der Nacht in den U-Bahnen. Und die Möglichkeit dieser Präsenz hängt wieder eng zusammen mit dem Personalstand bei der Exekutive.

Es gibt derzeit in Wien – das ist zugegebenermaßen so – eine Unterbesetzung bei den Stellen. In der Anfragebeantwortung liest sich das anders, Herr Innenminister! Hier steht, die Anzahl der permanent im Einsatz befindlichen Fuß- beziehungsweise Funkstreifen orientiert sich ebenfalls an den jeweiligen sicherheitspolizeilichen Erfordernissen, und auch im Bereich der Sicherheits- und Bundespolizeidirektionen orientiert man sich grundsätzlich an den dortigen sicherheitspolizeilichen Erfordernissen. Von den versprochenen 1 200 Exekutivbeamten für Wien ist letztlich nur ein Teil übriggeblieben, und ich behaupte, daß sich die Präsenz der Polizei offenbar an finanziellen Vorstellungen orientiert.

Wenn ich den Erlaß – oder was es auch sein soll – betreffend den Stellenplan 1996 und 1997 über die sogenannte Absystemisierung von Planstellen – "Absystemisierung", ein gräßliches Wort, bedeutet aber im Klartext Abbau von Exekutivbeamten – ansehe, dann bedeutet das, daß


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im Jahr 1996 insgesamt 264 und 1997 254 Beamte abgebaut werden sollen, wovon allein in Wien 1996 151 und im Jahr 1997 146 Beamte abgebaut werden.

Noch viel bemerkenswerter ist, daß hier steht, es wird folgender Vorschlag für die Aufteilung gemacht: im Verwaltungsdienst drei Planstellen, im Kriminaldienst eine Planstelle und im Sicherheitswachdienst vier Planstellen. Das heißt, bei den Beamten sollen mehr als 50 Prozent in jenem Bereich eingespart werden, der das Sicherheitsgefühl für die Bevölkerung bedeutet, nämlich in der Präsenz in der Öffentlichkeit. – Damit, Herr Minister, können Sie das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung sicher nicht erhöhen.

Die Beamten Ihres Ressorts haben es sich auch nicht verdient, daß sie – abgesehen vom Abbau der Stellen – als Motivation von Ihnen mitbekommen, daß in Ihrem Bereich kaputte Beamte in kaputten Abteilungen existieren. Das haben sie sich wirklich nicht verdient, denn trotz aller widrigen Umstände leisten sie wirklich gute Arbeit.

Zum Sicherheitsgefühl gehört aber auch das Vertrauen der Bevölkerung zu den politisch Verantwortlichen, also in Sie, Herr Innenminister! Bei dieser Beurteilung wird natürlich danach gefragt, ob ein Unterschied besteht zwischen dem, was Sie sagen, und dem, wie Ihre Handlungen sind. Und es ist auch eine Frage der Kompetenz in Ihrem Amt. Es ist auch nicht die Kritik der Freiheitlichen an Ihnen, Herr Minister, die auf Ihre Beamten abfärbt, wie Sie es gemeint haben, nein, es ist Ihre Kritik, Herr Minister, die Sie an Ihren Beamten üben, die diese Beamten in der Öffentlichkeit desavouiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn wir Ihre Amtszeit zu beurteilen haben, dann müssen wir feststellen, daß die Briefbombenanschläge, das Attentat Ebergassing, Oberwart immer noch nicht aufgeklärt sind. Zuerst gingen die Ermittlungen in die falsche Richtung, ebenso falsch ist wohl auch Ihre Spende an das linksradikale "TATblatt", und ebenso falsch war offenbar Ihre Entscheidung in der Frage der PKK. Doch falsche Entscheidungen eines Ministers sind – wie ich Ihren Ausführungen entnehmen konnte –, wenn sie in Unwissenheit erfolgt sind, kein Amtsmißbrauch. Herr Bundesminister, ich frage Sie: Wo bleibt bei dieser Rechtfertigung die Ministerverantwortlichkeit? Denn auch Unwissenheit schützt Sie nicht davor, Verantwortung zu tragen. Sie wollen mit dieser Verantwortung die Flucht aus Ihrer politischen Verantwortung begehen.

Weiters verglichen Sie die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft mit Bassenaaktivitäten. Herr Innenminister, wo bleibt da die Achtung vor dem Rechtsstaat?

Dann, Herr Minister, haben Sie überzogen. Ich zitiere hier – damit es nicht meine Worte sind, die dieses Thema wieder aktualisieren – "Die Presse" vom 8. Mai 1996, und zwar einen Artikel der Frau Anneliese Rohrer: "Am vergangenen Wochenende unternahm er gar den Versuch, die andauernde Kritik an ihm und seiner Amtsführung mit Vorgängen in der NS-Zeit zu vergleichen. Damit wird seine egozentrische Sicht der Dinge vollends unerträglich. Kritik an ihm wird mit Nazigesinnung gleichgesetzt."

Herr Minister! Es wird abzuwarten sein, ob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Sie wegen Amtsmißbrauch erheben wird. Doch nicht nur in den Augen von Teilen der Bevölkerung, offenbar auch bei Teilen Ihres Koalitionspartners werden Sie als "Minister auf Abruf" betrachtet. Und hierzu zitiere ich wieder Frau Rohrer: Man ist nämlich kein NS-Sympathisant, wenn man Sie für den falschen Mann am falschen Platz hält. – Dem ist, Herr Innenminister, von meiner Seite aus nichts hinzuzufügen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.50

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Himmer. Ich bitte, das Wort zu nehmen.

10.50

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte als Wiener Bundesrat den Sicherheitsbericht 1994 dazu nützen, um besonders die Drogenproblematik in der Bundeshauptstadt in den Vordergrund zu rücken. Wie mein Vorredner bereits ausgeführt hat, haben wir einen dramatischen Zuwachs


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der Zahl von Drogentoten in Wien. Waren es 1991 noch 52, so ist die Zahl der Drogentoten 1994 auf 147 gestiegen, und wir wissen, daß sich dieser Trend fortgesetzt hat.

Ich glaube, man muß in diesem Zusammenhang ganz klar sagen, daß das Heroin fast zu 100 Prozent von ausländischen Tätergruppen kommt und daß es sich hier um eine organisierte Kriminalität handelt. Nur ein geringer Teil – etwa 10 Prozent – kommt durch Kuriere auf dem Luftweg, 90 Prozent des für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union vorgesehenen Heroins kommen über Verzweigungen der Balkanroute. Diese Gruppen sind dem Sicherheitsbericht zufolge türkisch dominiert, und ein bedeutender Anteil kommt aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien. Besonders betroffen ist Wien auch durch den Umstand, daß Tätergruppen aus der früheren jugoslawischen Republik Mazedonien in Bratislava ihren Stützpunkt haben, von wo das Heroin in kleinen Mengen nach Österreich gebracht wird. Wie Sie vielleicht wissen, komme ich aus dem 3. Bezirk, und anläßlich des Sicherheitstages des 3. Bezirks hat Stadthauptmann Hofrat Dr. Zapf – übrigens der SPÖ angehörig – gesagt, daß Bratislava die Hauptstadt der Kriminalität ist.

Hohes Haus! Ich denke, die meisten von Ihnen wissen, daß ein Heroinsüchtiger 30 000 S bis 50 000 S im Monat braucht, um sich seine Sucht leisten zu können. Der Teufelskreis beginnt mit Taschendiebstahl, geht über Ladendiebstahl, Einbrüche, Prostitution. 1994 gab es in diesem Bereich sogar zwei Morde.

Daß von der Drogenproblematik ganz besonders die jungen Menschen betroffen sind, ist auch bekannt, und ich glaube, darüber, daß in diesem Punkt dringend Maßnahmen gesetzt werden müssen, sind wir uns hier wohl alle einig. Ich denke hier in erster Linie an Aufklärungsarbeiten in Schulen und an die Schaffung neuer Therapieplätze für Süchtige und natürlich auch an eine effiziente Suchtgiftfahndung. – Ich möchte gar nicht auf die Ereignisse in der jüngsten Vergangenheit eingehen, ich möchte nur betonen, daß Sparen in diesem Bereich Sparen am falschen Platz ist, da die Folgekosten für die Gesellschaft weit höher anzusetzen sind.

Was den internationalen Schmuggel von Heroin betrifft, den ich bereits erwähnt habe, gibt es aber sicherlich auch Ansätze, die uns nicht weiterbringen. Die internationale organisierte Kriminalität zu einer undifferenzierten Hatz gegen ausländische Staatsbürger zu nützen, dient der Problemlösung genausowenig wie eine falsch verstandene Sozialromantik, die vor den evidenten Problemen und den Personengruppen, die dahinterstehen, die Augen verschließt.

Wie kaum bei einer anderen Materie macht aber hier der Ton die Musik in der politischen Auseinandersetzung. Um es positiv zu formulieren: Nicht bei allen, aber doch bei einigen freiheitlichen Politikern anerkenne ich die Intention, einen Beitrag zu mehr Sicherheit in diesem Land leisten zu wollen, der darüber hinausgeht, sich an unerfreulichen Zuständen zu delektieren und politisches Kleingeld zu machen. (Bundesrat Konečny: Würden Sie das namentlich differenzieren!) Ich beantrage keine namentliche Abstimmung über dieses Thema. (Bundesrat Konečny: Nein, ich meinte, ob Sie die Namen nennen können! – Bundesrat Mag. Langer: Das war ein mißverständlicher Zwischenruf von Ihnen, Herr Kollege! Sie haben sich offensichtlich nicht deutlich genug ausgedrückt!) Ich muß ehrlich sagen, ich habe mich getraut, diese Aussage zu tätigen, ohne eine genaue Liste zu haben, aber es sagt mir einfach mein Grundgefühl in den Gesprächen, daß es welche gibt, die es ernster meinen, und solche, die es weniger ernst meinen. Die Namensnennung in diesem Zusammenhang finde ich nicht besonders spannend. (Bundesrat Konečny: Spannend wäre es schon! – Bundesrat Dr. Harring: Aber die Zeit würde nicht ausreichen!)

Ohne hier mein Einverständnis mit vielen Dingen in der Ressortführung des Bundesministers kundzutun, anerkenne ich doch, daß der Herr Bundesminister aus einer anderen politischen Grundeinstellung heraus bemüht ist, sein Bestes bei der politischen Amtsausübung zu geben. Ich glaube aber, daß wir gerade in den Fragen der Sicherheitspolitik ein gemeinsames Handeln brauchen. Ich meine, daß wir speziell im Hinblick auf die Landtagswahlen die Fragen rund um Ausländer, Ausländerkriminalität, Aufenthalt, Asylfragen mit einem kühlen Kopf behandeln sollten und daß wir hiefür pragmatische Lösung brauchen.


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Diesbezüglich erlaube ich mir, einmal vorsichtig zuversichtlich zu sein, weil ich der neuesten Ausgabe des Nachrichtenmagazin "News" entnehme, daß die Freiheitliche Partei und ihr Parteiführer (Bundesrat Mag. Langer: Obmann!) jetzt eine neue Ära beginnen wollen. Es sind hier Zitate enthalten, daß er keine Schlammschlacht möchte, er möchte ... (Bundesrat Mag. Langer: Die Freiheitlichen haben einen Obmann, Führer gibt es nicht in der FPÖ!) Ihr Obmann. (Bundesrat Mag. Langer: Danke!) Ihr Obmann, der die Partei führt!

Also Ihr Obmann, der die Partei führt, hat im "News" erklärt, er möchte keine Schlammschlacht, er möchte ein weniger feindseliges Klima zwischen den politischen Akteuren. Er meint, daß in Zukunft eine hohe Sensibilität bei Fragen der Geschichte notwendig sein wird. Und eine Aussage, die mir persönlich am besten gefallen hat, ist, daß er nicht in der Phase des reinen Kritisierens stehenbleiben möchte.

Da muß ich sagen, angesichts der Tatsache, daß er jetzt schon bald acht oder neun Jahre Obmann der Freiheitlichen ist ... (Bundesrätin Haubner: Zehn!) Zehn Jahre? 1986 bis 1996. Ja, es stimmt: zehn Jahre! Also dafür, daß er zehn Jahre Obmann war, war das eigentlich schon eine relativ lange Phase, aber ich sage einmal: Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung. (Bundesrat Meier: Glauben Sie das? Das glauben Sie ja gar nicht! – Weitere Zwischenrufe.) Ob ich das glaube? – Schauen Sie, ich bin ein Christdemokrat, da hat das Prinzip Hoffnung seinen Stellenwert, und ich entnehme das einmal so diesen Ausführungen im "News".

Ich möchte anläßlich des Sicherheitsberichtes deswegen zu dem Klima zwischen den politischen Parteien Stellung nehmen, weil ich glaube, daß die Art der Auseinandersetzung und die Art, wie Parteien miteinander umgehen, auch ein Klima kreiert, welches ebenfalls einen Beitrag zur Sicherheit bringen kann, beziehungsweise ist es so, daß ein aufgeheiztes politisches Klima auch Auswirkungen auf das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung hat.

Daher möchte ich meine dringende Bitte an die freiheitliche Fraktion richten, von einem weiteren Anti-Ausländer-Volksbegehren abzusehen, da dieses in der Auseinandersetzung sicher kein Beitrag für mehr Sicherheit ist, sondern regelmäßig zu einer undifferenzierten Auseinandersetzung führt. Wenn Ihr Spitzenkandidat in Wien Herr Pawkowicz ist, dann könnte sich dieser Herr Pawkowicz auch einmal überlegen, ob es nicht vielleicht vor ihm ein paar Pawkowicz gegeben hat, die nicht in Wien gewohnt haben. Das rechtfertigt natürlich nicht einen uneingeschränkten Ausländerzuzug, das ist keine Frage, aber es rechtfertigt meiner Meinung nach eine differenziertere Betrachtung dieser Fragen.

Ich meine daher, wir sollten gemeinsam an der Lösung der Probleme im Sicherheitsbereich arbeiten. Wir sollten gemeinsam dafür sorgen, daß es eine professionellere Ausbildung der Gendarmerie- und Polizeibeamten gibt. Es sollte Verstärkungen beim Grenzschutz geben, und ich meine, wir sollten auch das Thema der erweiterten Fahndungsmethoden nicht so schnell ad acta legen.

Mir ist schon klar, daß mit der Thematik der Rasterfahndung auch Probleme verbunden sind, und zwar insofern, als sie in die Freiheiten des einzelnen eingreift. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß es in der gesamten Politik immer eine Güterabwägung gibt und daß der Sicherheitsaspekt und der Schutz der Bevölkerung ein wichtiges Gut sind, das bei dieser Güterabwägung dementsprechend beachtet werden muß.

Ich möchte hier auch eines betonen: Natürlich wird es auch bei der Rasterfahndung, sosehr man bemüht sein muß, jeglichen Mißbrauch zu vermeiden, Fehler geben, wie überall, wo Menschen am Werk sind.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wer von uns glaubt denn, daß Richter nie Fehler machen? Und trotzdem sind sie Bestandteil unseres Rechtsstaates, und trotzdem werden wir nicht die Richter abschaffen, weil einmal einer ein Fehlurteil gefällt hat. Ärzten unterlaufen Operationsfehler, und trotzdem werden wir nach einem Operationsfehler eines Arztes nicht die Ärzteschaft abschaffen.


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Ich glaube also, es tut uns gut, mit einem kühlen Kopf in einer sachlichen politischen Diskussion zum Thema der erweiterten Fahndungsmethoden eine Güterabwägung zu treffen, wie ich überhaupt glaube, daß die Qualität der Diskussion und der Auseinandersetzung zwischen den politischen Parteien ein ganz wesentlicher Beitrag für das Sicherheitsempfinden der österreichischen Bevölkerung ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.02

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zur Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Pfeffer. Ich erteile es ihr.

11.02

Bundesrätin Katharina Pfeffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Sicherheitsbericht zeigt sehr deutlich, wo in Zukunft die Schwerpunkte der Sicherheitspolitik liegen müssen. Wir sollten vom traditionellen Bild der Kriminalität wegkommen und den neuen Entwicklungen Rechnung tragen. Die Öffnung der Ostgrenzen Ende der achtziger Jahre ist als eine historische Großtat zu sehen, weil so viele Menschen endlich Freiheit gefunden haben. Es ist allerdings eine Tatsache, daß dort, wo es Freiheiten gibt, diese auch mißbraucht werden. Auch was den Fall des Eisernen Vorhanges betrifft, war es so, daß sich kriminelle Organisationen die offenen Grenzen zunutze gemacht haben.

Die Sicherheitspolitik und die Exekutive waren somit vor eine neue große Herausforderung gestellt. Die internationale organisierte Kriminalität stellt heute eine wesentliche Gefahr für die innere Sicherheit dar. Dank einer engagierten Polizeiarbeit sind beachtliche Erfolge auf diesem Gebiet zu verzeichnen. Um aber weiterhin für eine erfolgreiche Arbeit Sorge zu tragen, sind allerdings neue Mittel zur Kriminalitätsbekämpfung erforderlich. Die neuen Formen der Kriminalität erfordern natürlich auch neue Formen und Methoden zur Bekämpfung dieser. Wir müssen personell, aber auch technisch für diesen Kampf gerüstet sein, das ist aber nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite müssen natürlich auch Reformmöglichkeiten im Exekutivapparat selbst geprüft werden.

Eines sollte man jedoch beachten: Reformen dürfen aber nicht auf dem Rücken der Exekutivbeamten und -beamtinnen ausgetragen werden. Innenminister Einem ist der Garant dafür, daß dies auch nicht geschehen wird. Reformen müssen dahin gehen, daß bestimmte Tätigkeiten ausgegliedert oder privatisiert werden. Die Exekutive muß von artfremden Aufgaben entlastet werden; dadurch kann sie ihrer ureigenen Aufgabe, der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit, auch weiterhin gerecht werden.

Die Anforderungen sind groß. Auch die Umsetzung der Schengener Kriterien verlangt eine große Anstrengung.

Ich habe im Zusammenhang mit der Ostöffnung von neuen Freiheiten gesprochen. Hier geht es genau um die gleiche Problemstellung: Wie garantiere ich neue Freiheiten, und wie verhindere ich den Mißbrauch dieser Freiheiten? – Das Schengener Abkommen gibt uns die Antwort auf diese Fragen. Mit der Reisefreiheit im Binnenraum der Vertragsstaaten müssen eine gute Sicherung der Außengrenzen und eine verstärkte Kooperation der Polizeibehörden einhergehen. Den sicheren Außengrenzen wird durch das neue Grenzkontrollgesetz Rechnung getragen. Aber auch bei der internationalen Zusammenarbeit der Polizei können große Fortschritte verzeichnet werden. All das sind begleitende Maßnahmen zu mehr Sicherheit, zu mehr Freiheit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sicherheitsbericht zeigt auch die Problematik der Fremdenkriminalität auf. 1994 ist erstmals der Anstieg der Fremdenkriminalität anteilsmäßig zurückgegangen. Das bedeutet, daß wir in diesem Bereich auf dem richtigen Weg sind. Es muß in diesem Zusammenhang aber auch klargestellt werden, daß Fremder nicht gleich Fremder ist. Aus dem Sicherheitsbericht geht nämlich eindeutig hervor, daß Fremdenkriminalität nichts mit unseren Gastarbeitern zu tun hat. Die Kriminalitätsrate bei den Gastarbeitern ist auf dem Niveau der Inländer. In aller Schärfe ist allerdings gegen international organisierte Banden und Schlepperorganisationen vorzugehen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Tremmel: Liebe Frau Pfeffer! Haben Sie einen anderen Sicherheitsbericht als wir?)


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Nein, ich habe den gleichen wie Sie. Wahrscheinlich haben Sie das anders verstanden. (Bundesrat Mag. Langer: Nach Ihren Ausführungen haben wir also schon 30 Prozent Fremde in Österreich!) Lassen Sie mich bitte fortsetzen.

Nicht das Schüren von Fremdenfeindlichkeit führt zu mehr Sicherheit in diesem Land, sondern das gezielte Vorgehen gegen Kriminelle. Die Briefbombenserien und die anderen rechtsextremen Anschläge haben gezeigt, wohin Fremdenfeindlichkeit führen kann. Durch ständige Verunsicherung der Menschen wird der Boden der Gewalt erst aufbereitet. Wir Sozialdemokraten verfolgen daher eine Politik, die den Menschen Sicherheit bietet. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Langer: Ebergassing war also rechts! Da führt die Spur eindeutig nach links!)

Zu dieser Politik gehört auch die breite Unterstützung der Exekutive. Österreich zählt durch deren hervorragende Leistung zu den sichersten Ländern. Die Aufklärungsquote steigt von Jahr zu Jahr und liegt im Jahr 1995 bereits bei 49,8 Prozent. Im internationalen Vergleich ist das ein Spitzenwert. Ich möchte nur ein Beispiel nennen: Die Aufklärungsquote bei unserem deutschen Nachbar liegt um 4 Prozent niedriger. Das ist ein deutlicher Beweis für die gute Arbeit im Bereich der Sicherheit in Österreich. Dabei wird eines klar: Die Exekutive hat in den letzten Jahren hervorragende Arbeit geleistet. Wir lassen es daher nicht zu, daß die Exekutive und der Innenminister mit Schmutz beworfen werden und daß man versucht, einen Keil zwischen Exekutive und Innenminister zu treiben (Beifall bei der SPÖ – Bundesrat Mag. Langer: Das besorgt der Herr Innenminister selbst! – Bundesrat Dr. Bösch: Das macht ihr ja untereinander! Da braucht ihr keine Opposition dazu!), indem man einige Herrschaften in der oberen Etage des Sicherheitsdienstes gegen den Innenminister aufhetzt!

Obwohl Populismus an sich nichts Schlimmes ist, geht es aber darum, mit welchen Methoden gearbeitet wird. Ob das nun haltlose Unterstellungen unter dem Schutzmantel der Immunität sind, ob das nun das Verwenden von Verschlußakten oder systematische Diffamierung ist – diese Methoden der politischen Auseinandersetzung sind verwerflich und demokratiepolitisch gefährlich. Hier wurde der Bogen arg überspannt.

Wir Sozialdemokraten, mit Bundeskanzler Dr. Vranitzky an der Spitze, haben uns für Dr. Einem als Innenminister entschieden. Minister Einem leistet gute Arbeit, und wir lassen nicht zu, daß man gezielt versucht, ihn aus der Regierungsmannschaft zu schießen. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Das wollen wir ja gar nicht!)

Lieber Herr Minister Einem! Ich möchte dir von diesem Platz ein Dankeschön sagen für deine Arbeit und möchte dir persönlich meine Bewunderung aussprechen. Was du in den letzten Tagen und Monaten durchmachen mußtest, war sicher nicht leicht für dich, für deinen Arbeitsbereich und für deine Familie. Aber ich möchte dir beweisen, daß wir alle hinter dir stehen: Alle für Einem. Einem für alle! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Jeder sozialdemokratische Bundesrat stellt eine rotweißrote Tafel mit der Aufschrift "Alle für EINEM für alle" vor sich auf sein Pult.)

11.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Haubner. Ich erteile es ihr.

11.10

Bundesrätin Ursula Haubner (Freiheitliche, Oberösterreich): Hoher Bundesrat! Frau Präsidentin! Meine Herren Minister! Herr Minister Einem! Sie werden verstehen, daß ich mich jetzt dieser allgemeinen Beifallskundgebung als freiheitliche Politikerin nicht anschließen werde. (Bundesrat Mag. Langer: Vor allem als kritische Staatsbürgerin nicht!) Ich kann Ihnen versichern: Wir werden nicht daran arbeiten, daß Sie Ihren Posten als Innenminister verlieren, weil wir dadurch sehr interessanter freiheitlicher Themen verlustig gehen würden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Nun zum Sicherheitsbericht 1994. Daß die Suchtgiftkriminalität für uns ein sehr alarmierendes Thema ist, haben bereits meine beiden Vorredner angeschnitten. Ich möchte mich auch mit diesem Thema etwas ausführlicher beschäftigen.

Wenn man im Sicherheitsbericht über die internationale Lage der Suchtgiftkriminalität liest, so kann man feststellen, daß es 1994 eine weitere Ausweitung der illegalen Suchtgiftkriminalität in Europa gegeben hat. Besonders die Situation in den Staaten Zentral- und Osteuropas ist durch eine wachsende Zahl von Suchtgiftkonsumenten sowie vom Anstieg der Häufigkeit und der Menge an Suchtgiftsicherstellungen gekennzeichnet.

Ich zitiere: Staatsangehörige des früheren Jugoslawien, von Albanien, des Iran, Pakistan und insbesondere türkische kriminelle Gruppierungen mit Beziehungen zu den Anbietern auf der Balkanroute haben kontrollierenden Einfluß auf Heroinschmuggel und -handel in den meisten europäischen Staaten. Immer häufiger sind auch osteuropäische Tätergruppen aktiv. – Zitatende.

Vor dem Hintergrund dieser alarmierenden Tatsachen stellt uns nun ein Innenminister Einem und ein ÖVP-Klubchef Khol ein Integrationspaket vor, das vorsieht, jährlich 18 000 Neuzuwanderer und eine Quote für Familienzusammenführung im Ausmaß von rund 12 000 Personen zuzulassen.

Meine Damen und Herren! Mit der neuerlichen Zuwanderung gerade aus den zitierten Ländern riskieren Sie, daß der türkischen, russischen und chinesischen Drogen-Mafia Tür und Tor geöffnet werden.

Bereits jetzt sind unsere Gefängnisse mit ausländischen Straftätern überfüllt. Ich kann meiner Vorrednerin Kollegin Pfeffer hier wirklich nicht beipflichten. Ich nenne nur das Beispiel aus Oberösterreich: In der Strafanstalt Garsten sitzen über 40 Prozent Ausländer ein. Und davon hat ein Großteil Suchtgiftdelikte mit einem Strafausmaß von zirka eineinhalb Jahren begangen.

Österreich ist kein Einwanderungsland. Bereits jetzt gibt es 300 000 Arbeitslose, von denen rund 36 000 arbeitslose Ausländer sind, und die Gefahr, daß mit einer neuerlichen Zuwanderung kriminelle Personen mit einwandern, ist einfach Realität.

Gerade aus der Drogenszene erwächst eine ungeheure kriminelle Gefahr für unsere Jugend. Manchmal habe ich das Gefühl, daß man nur bagatellisiert und die Szene nicht wirkungsvoll bekämpft. In Wien gibt es Jahr für Jahr mehr Drogentote: 1994 gab es 250 Drogentote in Österreich, davon 145 in Wien. Das sind insgesamt 59 Prozent der Suchtgiftopfer österreichweit. Es zeigt auch, wie massiv das Problem in Wien ist und daß Drogensüchtige im Laufe ihrer Karriere immer jenen Ort aufsuchen, an dem der Sucht am ungestörtesten nachgegangen werden kann.

Es hat sich in Österreich eine Art Drogentourismus von den Bundesländern in die Bundeshauptstadt entwickelt, wobei der Anstieg in den Bundesländern zwischen 3,3 und 61 Prozent nicht verschwiegen werden soll. Ausnahmen bilden die Bundesländer Vorarlberg und Salzburg.

Meine Damen und Herren! Die Zahl der Drogentoten ist in den letzten Jahren enorm angestiegen: Von 1975 bis 1994 hat sich die Zahl verdreißigfacht. Drogentote und Drogenabhängige werden immer jünger – es sind bereits 8 Prozent der Unter-18jährigen, die drogensüchtig sind.

Hier appelliere ich auch an die Verantwortlichen im Unterrichtsbereich, daß die Aufklärung in den Schulen einfach früher beginnen müßte. Es gibt eine gutgemeinte Aktion, die "Aktion gesundheitsfördernde Schule", in deren Rahmen die Drogenaufklärung betrieben werden sollte, aber das ist erst ab der achten Schulstufe, und das ist einfach zu spät.

Verantwortungslos finde ich auch, wenn in diesem Zusammenhang ein Suchtgiftgesetz zur Novellierung vorgelegt wird, das die österreichische Drogenpolitik liberalisieren und entkriminalisieren soll, obwohl ähnliche Versuche, wie mein Vorredner auch schon gesagt hat, in anderen


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europäischen Ländern gescheitert sind. In skandinavischen Ländern haben härtere Maßnahmen der Drogenszene gegenüber aber Erfolg gebracht, und die Lage hat sich deutlich entschärft.

Sogar das EU-Parlament hat im April die liberale Drogenpolitik abgelehnt. Ich zitiere hier aus der APA-Meldung vom 16. April 1996: Abgelehnt wurde von der Straßburger Versammlung unter anderem auch die Forderung des Gesundheitsausschusses, Drogenabhängige nicht als Straftäter einzustufen, sondern als Kranke und die Strafverfolgung auf den im großen Stil betriebenen Drogenhandel zu konzentrieren.

Bei uns will man aber diesen Weg nicht gehen, sondern jenen der Nichtahndung strafbarer Handlungen, die im Zusammenhang mit der Gewöhnung von Suchtgiften begangen werden können.

Das Prinzip "Therapie statt Strafe" ist im geltenden Suchtgiftgesetz bereits vorhanden. Schon bisher konnte ein Strafausmaß von bis zu zwei Jahren unbedingt aufgeschoben werden und nach erfolgreichem Abschluß einer Therapie unter ärztlicher Aufsicht in eine bedingte Strafe umgewandelt werden. In der Novellierung will man nun diese Regelung auf Strafen bis zu drei Jahren ausdehnen und alle Straftaten, die im Zusammenhang mit Drogenmißbrauch begangen wurden, zum Beispiel Raubüberfälle und Diebstähle, miteinbeziehen.

Meine Damen und Herren! Für mich ist das der Weg der Straflosigkeit, der sich für viele Kriminelle hier eröffnet. Da gibt es Politiker, die in diesem Zusammenhang sagen, daß süchtige Kleindealer nicht kriminalisiert werden dürfen und kontrollierte Heroinabgabe an Süchtige durchführbar ist.

In diese Richtung geht auch die vorgesehene Sonderregelung für Cannabis. Cannabis gilt nach wie vor als die Einstiegsdroge Nummer eins, und man will hier die verpflichtende amtsärztliche Begutachtung und die Gesundheitskontrolle abschaffen. Das entspricht eigentlich einer De-facto-Legalisierung der Drogen. (Bundesrat Meier: Aber im Sicherheitsbericht steht das nicht!) Aber es gehört zum Sicherheitsbericht über die Suchtgiftkriminalität, und Sie als Lehrer müßten eigentlich auch so verantwortungsvoll denken, daß Sie dieses... (Bundesrat Meier: Es steht nicht drinnen, wollte ich sagen! – Bundesrat Dr. Tremmel: Das gehört hinein!) Ich zitiere jetzt nicht den Sicherheitsbericht, sondern ich spreche über die Drogen.

Es gibt aber auch Politiker, die von sogenannten weichen Drogen sprechen. "Weich" vermittelt für mich immer den Eindruck von angenehm, schmeichelnd und sanft, und wie unverantwortlich das ist, und wie sie wirken, möchte ich Ihnen mit einem Zitat einer Wiener Gemeinderätin, die aus eigener Erfahrung spricht, deren Sohn drogensüchtig ist und die in einem Elternkreis mitgearbeitet hat, näherbringen: "Wir haben erlebt oder gesehen, wie aus fröhlichen, begabten Kindern gleichgültige Schul- und Lehrabbrecher geworden sind oder werden.

Wir haben erlebt oder erleben, wie sich die positive Lebenseinstellung unter dem Einfluß von Haschisch zu einer negativen Weltsicht gewandelt hat, wie die Kinder den Boden unter den Füßen verlieren, in einer Gedankenwelt leben, die sich immer weiter von der Wirklichkeit entfernt.

Wir haben erlebt oder erleben, wie ihnen jeglicher Zeitbegriff abhanden kommt, sie sich nicht mehr konzentrieren können, die Merkfähigkeit nachläßt und der Haschischkonsum ein sehr bestimmender Faktor in ihrem Leben geworden ist."

Meine Damen und Herren! Für uns Freiheitliche hat die Hilfe für Abhängige sicher einen hohen Stellenwert. Es darf aber nicht so sein, daß die Überlegungen, Abhängigen das Leben zu erleichtern, soviel Platz einnehmen, daß darüber der Schutz derer, die noch keine Drogen konsumieren, vernachlässigt wird.

Hohes Haus! Die Darstellung der Suchtgiftkriminalität im Sicherheitsbericht ist alarmierend und zeigt einfach, daß wir schon lange keine Insel der Seligen mehr sind, sondern in wachsendem Maße in das internationale Drogengeschäft eingebunden sind. Ich fordere daher Sie, Herr Innenminister Einem und Herr Justizminister, als diejenigen Politiker, die für die Sicherheit und


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die Justiz in unserem Land zuständig sind, auf, mehr für den Schutz und die Sicherheit jener Jugendlichen zu tun, die noch keine Drogen konsumieren, und nicht nur nach der Maxime "Therapie statt Strafe" zu handeln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im besonderen fordere ich Sie, Herr Innenminister, auf: Verhindern Sie, daß sich im Windschatten einer neuerlichen Ausländerzuwanderung auch viele Kriminelle aus dem Drogenmilieu bei uns niederlassen und nach einer sogenannten erfolgreichen Tätigkeit nach fünf Jahren mit einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung belohnt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Repar. Ich erteile es ihm.

11.22

Bundesrat Mag. Harald Repar (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Herren Minister! Hohes Haus! Lassen Sie mich die heutige Debatte zum Sicherheitsbericht 1994 zum Anlaß nehmen, um einige grundlegende Feststellungen zu treffen beziehungsweise auch das, was bereits hier im Hause gesagt wurde und in den letzten Tagen in der Öffentlichkeit transportiert wurde, ins richtige Licht zu rücken.

Die österreichische Bundesregierung hat sich bereits im Jahre 1994 dazu bekannt, daß die Vorsorge für die Sicherheit der Menschen in Österreich durch das Innen- und Justizressort eine der wichtigsten Aufgaben darstellt. Diese Zielsetzung ist natürlich voll und ganz zu unterstützen. Die Demokratisierung einiger Nachbarstaaten von uns, aber auch das nähere Zusammenwachsen vieler europäischer Staaten haben neben vielen damit verbundenen positiven Entwicklungen auch Gefahren mit sich gebracht, derer es nun vorzubeugen gilt beziehungsweise bezüglich derer es gilt, die richtigen Entwicklungen einzuleiten.

Ich meine diesbezüglich vor allem die Bekämpfung der internationalen organisierten Kriminalität, da diese eines der Hauptanliegen unserer Sicherheitspolitik zu sein hat. Dies wird uns nur dann erfolgreich gelingen, meine Damen und Herren, wenn die internationale Zusammenarbeit auf der Ebene der Sicherheitsbehörden weiterhin gut funktioniert. Ich meine auch, daß die Einrichtung Europol ehestmöglich verwirklicht und rasch umgesetzt werden soll, damit es eine schlagkräftige internationale Sicherheitseinrichtung gibt.

Grundsätzlich muß man aber sagen, meine Damen und Herren, daß Österreich ein sicheres Land ist, daß sich die Menschen in diesem Land sicher fühlen. Ich möchte das eigentlich in Europa als Ausnahmeerscheinung darstellen. Nimmt man das Beispiel der Großstadt Wien her, wo sich nächtens kein Mensch zu fürchten braucht, auf den Straßen zu sein, so ist es sicherlich eine Vorbildstellung, die es einfach zu erhalten gilt.

Mir ist schon bewußt, meine Damen und Herren, daß jedes Verbrechen, das in diesem Land geschieht, zu viel ist. Es wäre aber auch auf der anderen Seite realitätsfremd, zu glauben, in einem Staat leben zu können, in dem keine Verbrechen stattfinden.

Was aber nicht passieren darf, ist, daß die Sicherheitspolitik zu einem parteitaktischen Spielball gemacht wird, wie dies von Ihrer Bewegung, von der F-Bewegung, in der Vergangenheit immer massiver betrieben wird. Dabei sind skrupellose Anschüttungsversuche gerade gut genug; dabei werden verschiedene Mitbürger gegeneinander aufgehetzt; dabei wird vom Schüren der Gewalt nicht zurückgeschreckt. (Bundesrat Dr. Tremmel: ...Ordnungsruf! Was ist skrupellos? Sagen Sie das! – Bundesrat Mag. Langer: Skrupellos?! – Unerhört!)

Das Ziel, das dahintersteckt, ist offensichtlich. Man will den Menschen dieses Landes vermitteln, daß sie Angst haben müssen, in keinem sicheren Land mehr zu leben, daß Gewalt geschürt wird. Man will den Menschen Glauben machen, daß Österreich nicht mehr sicher ist. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Langer .)

In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, muß ich Ihnen die Frage stellen, ob nicht gerade die F-Politik in der Vergangenheit mit ihrer Panikmache mit ihrer Aufhetzung und Verun


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glimpfung zu Gewalttaten animiert. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Langer: Wie zum Beispiel Ebergassing? Welche Gewalttaten provozieren wir?)

Ein Beispiel: Wie sonst ist es zu erklären, daß der Führer der freiheitlichen Bewegung Ziehvater des rechtsextremen Terrors genannt werden darf? – Erinnern wir uns an sein Interview beziehungsweise an seine Stellungnahme im ersten Ausländervolksbegehren, als er in Ihren Parteigremien – ich weiß nicht, ob Sie da drinnen sitzen – gesagt hat: Es ist mit Gewalt zu rechnen, meine Damen und Herren, es ist mit Gewalt zu rechnen, aber da müssen wir durch! (Bundesrat Mag. Langer: "Österreich zuerst" hat es geheißen, falls Sie es nicht wissen!) Das hat er im ersten Ausländervolksbegehren in Ihren Parteigremien gesagt. Es ist einzigartig, daß ein vermeintlicher Führer einer demokratischen Partei Gewalt auf sich nimmt, um politisches Kapital zu schlagen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Ich war dabei! Ich habe das gehört! Sie lügen!)

Aber wissen Sie was? – Haider und Sie alle haben anscheinend aus der Niederlage damals überhaupt nichts gelernt. Nicht anders ist es zu erklären, daß Sie nun ein zweites Ausländervolksbegehren initiieren wollen. (Bundesrat Mag. Langer: "Österreich zuerst!") Erklärbar ist es nur insofern, als Sie Ihre personelle und inhaltliche Lehre in zukünftigen Wahlkämpfen verschleiern wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Die Menschen dieses Landes erkennen immer mehr, mit welch gespaltener Zunge Politik betrieben wird. Das jüngste Beispiel ist geradezu klassisch. Ich nehme die Präsentation des Integrationspaketes durch den Innenminister als Beispiel her. Ihr Führer hat sich sofort, noch am gleichen Tag, zu Wort gemeldet und hat gesagt, ein Zuwanderungsstopp müsse eingeführt werden, und Gastarbeiterkontingente müßten gesenkt werden. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Das sagen die Gewerkschaften auch!)

Ich habe jetzt gerade die Wortmeldung der Kollegin Haubner vernommen, und ich möchte Ihnen folgendes sagen: Das steht aber im krassen Widerspruch zu Aktivitäten innerhalb Ihrer eigenen Bewegung. Offensichtlich funktioniert die Kommunikation bei Ihnen nicht so, daß sie nicht wissen, was dort passiert. (Bundesrätin Haubner: Das steht auch nicht im Sicherheitsbericht!)

Vor nicht allzu langer Zeit stand in Ihrer Parteizeitung, in der "Neuen Freien Zeitung", daß ein touristischer Notfallplan gefordert wird. Dieser touristische Notfallplan sieht vor, daß über ein Ausländervermittlungsbüro in Laibach, das darin beworben wird, ausländische Arbeitskräfte in den Fremdenverkehr nach Kärnten, nach Österreich geholt werden sollen, um die Lohnkosten zu untergehen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Dann gibt es Aussagen Ihrer Abgeordneten im Land und von Spitzenfunktionären Ihres Landes, die meinen: Betriebe in Kärnten brauchen Ausländer, denn für das, was sie bezahlen, arbeitet kein Inländer. – Logisch, meine Damen und Herren! (Bundesrat Konečny: Ah so! – Bundesrat Mag. Langer: Wissen Sie, was ein Saisonnier ist?)

Dann gibt es einen Bericht über einen Abgeordneten, der sich im Nebenhaus befindet, Abgeordneten Ruthofer, der von der Arbeiterkammer angezeigt wurde, weil er Leute in seinem Gärtnereibetrieb illegal beschäftigt hat. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Anzeigen gibt es wie Sand am Meer!) Dann gibt es einen Antrag der Freiheitlichen Arbeitnehmer von Kollegen Gaugg in Kärnten, der gefordert hat, daß ein Zeitarbeitermodell eingeführt wird, das nicht auf die Ausländerbeschäftigungskontingente angerechnet werden darf. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Den Hintergrund, meine Damen und Herren, kennen wir ganz genau. Hintergrund ist, mit rechtspopulistischen "Rülpsern" das nationale Lager zu befriedigen und auf der anderen Seite mit Lohndumping, mit Sozialdumping die Rechte der inländischen Arbeitnehmer zu bestreiten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Niemand hat die FPÖ ausgegrenzt, meine Damen und Herren! Sie haben sich selbst durch Ihre Politik und durch Ihre Aktivitäten ins Out gestellt. Wie sonst ist das jüngste Beispiel im Europäischen Parlament zu erklären, wonach Sie ins Besenkammerl gesperrt wurden? – Es heißt im Bericht zu Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, daß das Europäische Parlament die Isolierung der Führer Haider und Le Pen im Sinne von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Europa


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bekämpfen will. (Bundesrat Mag. Langer: Zitieren Sie aber richtig! So steht es nämlich nicht drinnen!)

Herr Kollege Langer! Ich wäre nicht stolz, in einer Partei Mitglied zu sein, deren Führer als Rassist bezeichnet werden darf. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Aber die Beispiele sollten deutlich machen, welchen Stellenwert Ihre Politik international und national hat. Wir hingegen nehmen die Sorgen und Entwicklungen ernst, wir versuchen, darauf zu reagieren. (Bundesrätin Haubner: Zum Sicherheitsbericht!) Ich nenne jetzt noch einmal das Beispiel Integrationspaket, das der Herr Minister diese Woche präsentiert hat, wonach das Asylrecht erschwert und die Familienzusammenführung erleichtert werden soll. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Prasch .)

Ich möchte noch einen Punkt, weil er heute auch angesprochen wurde, nicht unerwähnt lassen, und das ist die immer wieder von der Destruktionspartei geforderte Reform der Staatspolizei. Natürlich passieren auch dort Fehler wie in allen anderen Bereich. Natürlich wäre es auch jedem von uns lieber, wenn die Briefbombenattentate bereits aufgeklärt wären. – Realität ist, daß auf der einen Seite eine rasche Aufklärung gefordert wird und man auf der anderen Seite aber dieser Polizei nicht mehr Rechte zugesteht. Aber letztendlich braucht sich niemand vor der Staatspolizei in diesem Land zu fürchten.

Ich werde Ihnen sagen, wovor man sich fürchten muß: Fürchten muß man sich vor einem Spitzelwesen, das in Ihrer Bewegung aufgebaut wurde, das seinesgleichen sucht. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Waldhäusl: Vom Innenminister!) – So wurde vor der Landtagswahl 1994 in Kärnten öffentlich zur gegenseitigen Denunziation aufgerufen, und es wurde sogar von der Parteiführung zugegeben, daß sie Tausende Akte angelegt haben. Da gab es das Schreiben von Jörg Haider – die Kärntner Kollegen werden euch das bestätigen –: Meldet uns, wenn ihr irgend etwas wißt, wenn in eurem Bekanntenkreis jemand zuviel verdient, wenn man jemanden anpatzen kann! – All das wurde in dieser Partei in Akten angelegt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Da werden mit Unwahrheiten laufend Bürger unseres Landes, integre Repräsentanten verunglimpft, vernadert und verleumdet. Das sind die Ansatzpunkte, meine Damen und Herren, über die sie einmal nachdenken sollten! Das hat in einer humanen Gesellschaftsordnung nichts zu suchen. (Bundesrätin Haubner: Zum Sicherheitsbericht bitte! – Bundesrat Waldhäusl: Reden Sie zum Sicherheitsbericht oder zu den Freiheitlichen?) – Ich rede zum Sicherheitsbericht und zu Ihrer Politik. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: ...wie im Simpl!) – Warum sind Sie dann da? (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Der dem Bundesrat vorgelegte Sicherheitsbericht 1994 wäre für Sie, meine Damen und Herren, auch eine Gelegenheit gewesen, sich einmal sachlich damit zu beschäftigen, sich einmal mit der Materie auseinanderzusetzen und nicht immer nur zusammenhanglos Zahlen herauszugreifen. (Anhaltende heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Am Wort ist Herr Mag. Repar.

Bundesrat Mag. Harald Repar (fortsetzend) : Sie verschaffen sich mit billigen und skrupellosen Anschüttungsversuchen gegen den Innenminister Luft, aber all diese Anschüttungsversuche werden sich in Luft auflösen. (Bundesrat Mag. Langer: Die Hälfte Ihrer Fraktion wird das nicht einmal hören, weil sie nicht da ist, was Sie da vorlesen! Wo sind denn alle? – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) – Herr Kollege Langer! Ich weiß, daß Lachen und Schreien in Ihrer Bewegung die Hauptideologie darstellen, aber glauben Sie mir, es ist keine Kategorie der Intelligenz! (Zwischenruf des Bundesrates Waldhäusl .)

Es ist im Sicherheitsbericht 1994 sicherlich positiv zu erwähnen, daß die Zahl der Verbrechen von 1993 auf 1994 um 6 Prozent zurückgegangen ist und daß die Aufklärungsquote an die 50 Prozent beträgt. Auf der anderen Seite muß man sagen, daß selbstverständlich Vorkehrungen für Entwicklungen zu treffen sind und daß man der Fremdenkriminalität, dem Rechtsextremismus, der organisierten Kriminalität, dem Asylwesen und vor allem dem Suchtgiftwesen vorbeugen muß. Ich meine aber, gerade was das Suchtgiftwesen betrifft, daß dies nicht


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nur eine Angelegenheit des Innen- und des Justizressorts ist, sondern daß es sehr wohl und vermehrt auf eine Aufklärung im Schulbereich und im Elternhaus ankommt.

Abschließend darf ich den zuständigen Beamten für die sehr übersichtliche Darstellung des Berichtes und vor allem den Exekutivbeamten für den Einsatz ihrer Gesundheit und ihres Lebens zum Schutze der österreichischen Bevölkerung und zur Sicherheit des österreichischen Staates danken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.33

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Während der Rede des Bundesrates Mag. Repar wurde von Dr. Tremmel in einem Zwischenruf geäußert: "Sie lügen!" Herr Dr. Tremmel! Ich erteile Ihnen dafür einen Ordnungsruf. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Er hat gesagt, wir bereiten Gewalt vor! Das ist arg!)

Sie haben das Wort "lügen" gebraucht, und dafür gibt es einen Ordnungsruf.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Kapral. – Bitte. (Rufe bei den Freiheitlichen: Jetzt reicht es aber! – Wir bereiten Gewalt vor! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege! Wenn Sie sich zur Geschäftsordnung zu Wort melden, dann kommen Sie bitte zum Rednerpult. Sie haben die Regelungen für die Wortmeldung zur Geschäftsordnung einzuhalten.

11.35

Bundesrat Dr. Helmut Prasch (Freiheitliche, Kärnten) (zur Geschäftsordnung ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich darf kurz darauf hinweisen, Frau Präsidentin, daß Sie Ihr Amt als Vizepräsidentin nicht zu parteipolitischen Agitationen gegenüber freiheitlichen Bundesräten mißbrauchen sollten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konečny: Unerhört! Das ist unerhört! Was glauben Sie?! Frechheit, Herr Kollege! Das steht Ihnen nicht zu, das Urteil! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

11.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege Prasch! Das hat nichts mit der Geschäftsordnung zu tun! Ich ersuche Sie, sofort Platz zu nehmen, sonst muß ich Sie aus dem Saal verweisen! Ich mißbrauche meinen Vorsitz nicht! Hiermit habe ich Ihnen das Wort entzogen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Konečny: Unerhört! Wollen Sie vielleicht die Präsidentin attackieren?! – Weitere heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie sind zu Wort gemeldet, ich habe Sie bereits aufgerufen. Sie sind als nächster zu Wort gemeldet. Ich bitte Sie, zum Rednerpult zu kommen. (Bundesrat Dr. Kapral: Meinen Namen haben Sie aber nicht genannt, Frau Präsidentin!) – Doch, den habe ich genannt. (Bundesrat Dr. Kapral: Das ist leider in dem Wirbel untergegangen!)

11.36

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien): Ich beantrage eine Unterbrechung der Sitzung und eine Einberufung der Präsidiale.

11.36

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich stimme dem zu. Ich hoffe, daß der Präsident noch im Hause ist. Von Vizepräsidenten Schambeck weiß ich, daß er im Hause ist. Vom Präsidenten weiß ich, daß er um 12 Uhr einen Termin hat. Ich hoffe, daß sich das noch ausgeht.

Ich unterbreche die Sitzung für eine Präsidiale. Die Vorsitzenden der Fraktionen werden den Fraktionen mitteilen, wann die Sitzung wiederaufgenommen wird.

(Die Sitzung wird um 11.36 Uhr unterbrochen und um 11.59 Uhr wiederaufgenommen .)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.


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Ich darf Ihnen das Ergebnis der Präsidiale mitteilen: Wir werden uns das Protokoll der Rede des Herrn Bundesrates Mag. Repar genau ansehen und danach entscheiden, ob Anlaß für ein weiteres Einschreiten des Präsidenten oder der Präsidentin gegeben ist.

Wir setzen in der Debatte fort.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kapral. – Bitte.

11.59

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedauere die vorhin eingetretenen Zwischenfälle sehr, weil sie sich zumindest seit der Zeit, seit der ich diesem Hohen Haus angehöre, nicht mehr in solch emotionsgeladener Atmosphäre abgespielt haben. Ich hoffe sehr, daß sich durch die Unterbrechung der Sitzung diese Emotionen wieder beruhigt haben.

Aber es muß natürlich auch eines hier gesagt werden: Ich glaube, es geschieht im Bundesrat zum ersten Mal, daß auch hier ein Aktionismus Platz greift, dessen Breitenwirkung zwar naturgemäß äußerst beschränkt ist, der aber doch zeigt, daß zumindest eine Fraktion glaubt, mit anderen Mitteln als mit denen des Wortes agieren zu müssen. Ich bedauere es auch, daß man bei einigen Mitgliedern dieses Hauses glaubt, in der Wortwahl durchaus – und ich sage es jetzt bewußt nur so: – "sehr weit" gehen zu können, sich oft am Rande dessen bewegen zu können, was anderen Mitgliedern dieses Hauses zugemutet wird.

Ich hatte gehofft, daß eine solche Vorgangsweise inzwischen doch einigermaßen der Vergangenheit angehört und daß wir hier in einer sachlich ruhigen Form debattieren können – inhaltlich durchaus pointiert und scharf; so soll die politische Auseinandersetzung sein – und daß man doch – und zwar seitens aller Fraktionen! – vermeidet, auch wenn man den politisch Andersgesinnten anspricht, Worte zu wählen, die diesen verletzen.

Nun zum Sicherheitsbericht 1994, der uns heute vorliegt. Lassen Sie mich damit beginnen, daß ich den Angehörigen der Exekutive, der Sicherheitswache und der Gendarmerie, die, unter oft schwierigen äußeren Bedingungen und bedauerlicherweise nicht immer mit der notwendigen politischen Rückendeckung, pflichtbewußt ihren gefährlichen Dienst tun, meinen Dank sage! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diesen Frauen und Männern wäre es zu wünschen, daß sie nicht nur dann im Blickpunkt der öffentlichen Meinung stehen, wenn es zu bedauerlichen Vorfällen kommt, die dem Ansehen der gesamten Exekutive schaden können. Diese Vorfälle müssen aber zweifellos auch damit im Zusammenhang gesehen werden, daß die Arbeitsbedingungen – und hier meine ich das Wort "Arbeitsbedingungen" im weitesten Sinn, also nicht nur die Bedingungen am Arbeitsplatz selbst, sondern das gesamte Umfeld – gelinde gesagt nicht immer die besten sind.

Die heutige Ausgabe der Tageszeitung die "Presse" – und darauf wurde auch schon von meinen Vorrednern hingewiesen – enthält detaillierte Angaben über die Kriminalstatistik des Jahres 1995. Die Zahl der Delikte war rückläufig. – Möglicherweise sind das noch nicht die endgültigen Angaben, weil der Sicherheitsbericht ja noch nicht vorliegt. – Die Aufklärungsquoten blieben faktisch unverändert. Ich stehe daher nicht an, den Leistungen der Exekutive in diesem Zusammenhang nochmals Anerkennung zu zollen!

Beunruhigend ist aber die Entwicklung auf dem Drogensektor. Darauf haben die beiden Vorredner meiner Fraktion schon hingewiesen. Die jüngsten Vorkommnisse, die leider beim Wiener Sicherheitsbüro festzustellen waren und die sicherlich einen Ansehensverlust für die gesamte Exekutive darstellen, sind in diesem Zusammenhang äußerst bedauerlich. Ich kann heute noch nicht abschätzen, ob die Reaktion und die Maßnahmen, die seitens des Wiener Polizeipräsidenten getroffen wurden, wirklich adäquat sind. Es wird sich sicherlich zu einem späteren Zeitpunkt noch die Gelegenheit ergeben, darüber eine Aussage zu treffen.

Es stellt sich allerdings die Frage, ob der geplante Wechsel in der Strategie, nämlich das Abgehen von einer zentralen Bekämpfung der Drogenkriminalität zugunsten einer dezentralen Vor


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gangsweise, die Effektivität der Drogenbekämpfung wirklich erhöhen wird. Es ist zu befürchten, daß zumindest für einige Zeit die Schlagkraft in diesem letztlich alle Bevölkerungsschichten berührenden Problembereich geschwächt wird.

Ganz entschieden abzulehnen ist aber eine Aussage des Wiener Polizeipräsidenten, in der davon gesprochen wird, eine offene Drogenszene in Wien entstehen zu lassen und zu dulden. Entstanden ist sie bedauerlicherweise zum Teil schon, aber er überlegt, nicht gegen sie einzuschreiten. Ich gebe zu, daß aus der Sicht der Polizei darin eine gewisse Verlockung liegt, weil man dann immerhin wüßte, wo man im Fall des Falles ansetzen kann. Es ist sicherlich für den Sicherheitsapparat wesentlich schwieriger, Erfolge nachzuweisen, wenn man die Szene erst aufspüren muß.

Ich glaube aber, daß die mit einer offenen Drogenszene verbundenen Gefahren für die Bevölkerung immens hoch sind. Ich denke insbesondere an die sehr negative Vorbildwirkung, die Sogwirkung, die auf Jugendliche dadurch entstehen kann, wenn sich in einer Stadt wie Wien an den Knotenpunkten des öffentlichen Verkehrs die Drogenszene etabliert und dort unbehelligt arbeitet oder nur gelegentlich in ihrem Ausmaß eingeschränkt wird. Ich meine, daß die Gefahren, die für die Bevölkerung damit verbunden sind, wesentlich höher einzuschätzen sind als die Möglichkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte, sich sozusagen mit der dunklen Seite der Drogenszene befassen zu müssen.

Der Wiener Polizeipräsident spricht auch davon, daß er zum Beispiel die Münchner Strategie nicht für sinnvoll hält. – Ich bedauere es sehr, daß er in seinem Interview dann aber nicht näher ausführt, welche Gründe er hiefür ins Treffen führen kann. Nur dann wäre nämlich – und das erschiene mir doch wünschenswert – eine fundierte und begründete Auseinandersetzung mit solch einer Theorie wie der Duldung der Drogenszene wirklich möglich. Diese Aussage über die offene Drogenszene in Wien steht meiner Meinung nach im Kontrast zu der sicher positiv zu wertenden Haltung des Wiener Polizeipräsidenten hinsichtlich der Freigabe bestimmter Drogen.

Die Politik der Duldung einer offenen Drogenszene – das kann ich Ihnen hier im Bundesrat schon sagen – wird jedenfalls auf allen Ebenen, sei es hier im Hohen Haus, sei es in den einzelnen Landtagen, aber insbesondere im Wiener Landtag und im Wiener Gemeinderat, auf nachhaltigen und entschiedenen Widerstand stoßen, da wir die Gefahren, die aus einer solchen Vorgangsweise für die Bevölkerung entstünden – ohne jetzt hier im einzelnen darauf eingehen zu wollen –, für viel zu groß halten.

Ich darf noch auf zwei Aspekte des Sicherheitsberichtes eingehen. Ich habe der Diskussion im Nationalrat entnommen, daß der heute diskutierte Sicherheitsbericht über einen Zeitraum berichtet, der nicht in die Ministertätigkeit von Ihnen, Herr Bundesminister Einem, fällt, sondern in die Ihres Vorgängers, von dem einmal ironischerweise gesagt wurde, er sei der beste Mann der Freiheitlichen in der Regierung. Es ist hier nicht der Platz, diese Feststellung näher zu analysieren, aber man soll solche Bemerkungen meiner Meinung nach sparsam verwenden, weil sie in ihrer Ironie nicht immer richtig verstanden werden. Ich möchte aber hier noch einmal betonen, daß, von wem auch immer eine solche Aussage kommt, sie nicht auf die Goldwaage gelegt werden sollte.

Herr Bundesminister! Die Auseinandersetzung mit Ihrer Amtstätigkeit kann sich demnach nicht auf den Sicherheitsbericht 1994, wird sich aber sehr wohl auf den Sicherheitsbericht 1995 und auf andere relevante Äußerungen, Daten, Vorkommnisse et cetera stützen.

Um nicht alle diese Punkte auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, möchte ich – und darf hiefür um das Einverständnis der Frau Präsidentin bitten, um Ihnen ein nochmaliges Erscheinen hier in diesem Hohen Haus zu ersparen; an sich wäre eine mündliche Besprechung einer schriftlichen Anfragebeantwortung durchaus zu begründen und auch zu veranlassen, aber wir sind alle humanitär gesinnt, so daß wir uns nicht gegenseitig wehtun wollen, und ich weiß, daß es unangenehm ist, am Freitag vor Pfingsten noch solchen politischen Verpflichtungen nachkommen zu müssen – einige Fragen beantwortet haben, die Sie bedauerlicherweise in Ihrer Anfragebeantwortung vom 8. Mai 1996 aufgrund einer schriftlichen Anfrage von mir und meinem


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Kollegen Langer offengelassen haben. Sie weichen gefließentlich der Beantwortung der Frage aus, welche Untergrenzen – und darauf beziehen sich drei der insgesamt zwölf Anfragen, nämlich die Frage 3, 4 und 5 – Sie für die Zahl der Polizeibeamten insgesamt in Wien, aber auch vor allem im Außendienst in Wien – und das ist der kritische Moment – festgesetzt haben. Es ist heute auch schon gesagt worden, daß das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stark damit verbunden ist, ob und inwieweit Sie eine Präsenz der Polizei auf der Straße wahrnehmen kann. Ich gebe schon zu, daß die Polizeiarbeit nicht ausschließlich darin bestehen kann, daß man auf der Straße patrouilliert, aber gerade für ältere Menschen ist das ein sehr wesentlicher Eindruck. Diesbezüglich wäre es sicherlich von Nutzen, von Ihnen zu hören, wo Sie hier eine Untergrenze einziehen und welche Möglichkeiten Sie sehen, welche Maßnahmen Sie zu treffen gedenken, um diese Untergrenze auch tatsächlich – und das nachhaltig – einhalten zu können.

Ich darf zum Schluß noch auf einen Punkt des Sicherheitsberichtes zu sprechen kommen, der mir seit längerem am Herzen liegt und der in diesem Sicherheitsbericht 1994 meiner Meinung nach sehr kursorisch abgehandelt wird, und zwar ist das der ganze Bereich der Geldwäsche. Was zu diesem sehr heiklen, ja über die Grenzen unseres Landes hinausreichenden Problemgebiet gesagt wird, dient zweifelsohne nicht unbedingt der Beruhigung jener, die eine große Gefahr – und da glaube ich, sind wir uns alle einig, – in dem immer stärker aufkommenden internationalen Banden -und organisierten Kriminalunwesen sehen.

An sich kann es nicht überraschen, daß diese Passage so kurz geblieben ist, gibt es doch in Österreich bedauerlicherweise nicht wirklich ein wirksames Instrumentarium, mit dem man den Bereich der Geldwäsche in den Griff bekommen kann. Es hat mich eigentlich immer gewundert, daß aus dem Kreditapparat seinerzeit nicht, als die Novellierung des Kreditwesengesetzes, die mit 1.1.1994 in Kraft getreten ist, vorgenommen wurde, ein Aufschrei gekommen ist, weil mit dieser Novelle die Vorgangsweise gewählt wird, dem Kreditapparat die Verantwortung zuzuschieben, in der Aufklärungsarbeit für Geldwäsche tätig zu werden, ohne daß der Kreditapparat das Instrumentarium dafür hat. Es werden den Bankbeamten quasi hellseherische Fähigkeiten zugemutet, mit denen sie erkennen sollen, ob eine bestimmte Geldsumme als Geldwäscheanlage zu werten ist oder aus seriösen Quellen kommt.

Wie das Ganze in der Praxis funktioniert, wurde kürzlich durch eine Testserie in einer Wiener Wochenzeitung nachgewiesen. Es funktioniert bedauerlicherweise gar nicht.

Wenn heute international Druck auf Österreich ausgeübt wird, die Anonymität der Sparbücher aufzuheben, so ist das eine Problematik, die auf den Beitritt Österreichs zur EU zurückzuführen ist. Es gibt genauso OECD-Richtlinien – eine Organisation, die seit Jahrzehnten besteht und der wir seit Jahrzehnten angehören. Es gibt Richtlinienbeschlüsse der UNO in dieser Richtung. Die Haltung, die die Bundesregierung in der Frage der Anonymität, die zu einem wahren Kultobjekt hochstilisiert wird, einnimmt, ist eigentlich wirklich unverständlich. Dies ist aber letztlich eine Angelegenheit dieser Bundesregierung beziehungsweise des Kanzlers.

Die Rechtslage inklusive der internationalen Verpflichtungen, die Österreich zu beachten hat, wenn es international nicht an Renommee verlieren wird, ist auf der anderen Seite klar, und es wäre hoch an der Zeit, daß einmal seriös an die Frage herangegangen wird, wie das Bankgeheimnis, das in Österreich nämlich nicht dem internationalen Standard entspricht, diesem internationalen Standard angeglichen werden kann und nicht hier einem Fetisch, nämlich der Anonymität des Sparbuches, nachgeeifert wird, dessen Bedeutung durch verschiedene Maßnahmen der jüngsten Zeit wesentlich an Gewicht verloren hat. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Hüttmayr. Ich erteile es ihm.

12.19

Bundesrat Anton Hüttmayr (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Als vorhin die Kollegin Pfeffer zum gemeinsamen Aktionismus aufgerufen hat, habe ich mich schon ein wenig


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gewundert, habe mir die Frage gestellt, ist das notwendig, und spontan an den 1. Mai 1995 gedacht. Ich will der sozialdemokratischen Fraktion zurufen: In der Zwischenzeit ist ein Jahr ins Land gezogen! Ich weiß nicht, ob diese Aktion hier sinnvoll ist, aber sei es, wie es sei.

Nach der Sitzungsunterbrechung hat Herr Kollege Kapral mahnende Worte gebraucht, die sehr zutreffend waren. Ich hoffe aber, Herr Kollege Kapral, Sie wissen, wo die Adressaten sind. In der Tat, wir sollten uns gemeinsam unserer Verantwortung bewußt sein (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Alle!) – alle –, die wir als Politikerinnen, als Politiker haben, wie wir mit unseren Worten umzugehen haben.

Ich sage Ihnen ganz offen und ehrlich, ich war gestern im oberösterreichischen Landtag anwesend, und da haben auch die Freiheitlichen, Ihre Fraktionskollegen, eine ähnliche Wortwahl gehabt wie heute Herr Kollege Bösch. (Bundesrat Dr. Bösch: Wer? – Bundesrat Dr. Prasch: Der kommt erst!) Kollege Prasch! Das kann noch kommen, ich bin auf alles gefaßt. Ich sage es nur mit Sorge, und wir sollten uns nicht darüber beklagen, wenn die öffentliche Meinung über die Politiker eine ist, die wir nicht gutheißen. Wir sollten uns selber mahnen. (Bundesrat Dr. Prasch: Was hat Sie besorgt gemacht bei meiner Wortmeldung?) Die Wortwahl, mit der Sie die Frau Präsidentin des Amtsmißbrauches bezichtigen. (Bundesrat Dr. Prasch: Amtsmißbrauch habe ich nicht gesagt!) Das habe ich so gehört, und es kommt immer darauf an, Herr Kollege Prasch ... (Bundesrat Dr. Prasch: Wenn Sie es nicht gehört haben, so haben Sie es nur hören wollen!)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege Prasch! Ich bitte Sie, kommen Sie auf den Boden herunter. Es ist für das Haus hier nur gut.

Bundesrat Anton Hüttmayr (fortsetzend) : Es kommt immer nur darauf an, was beim anderen ankommt, wie es der andere hört, und da muß man eben bei der Wortwahl ein bißchen vorsichtiger sein. Ich habe "Mißbrauch" gehört, ich habe es so vernommen, und dagegen verwehre ich mich. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Nehmen Sie aber zur Kenntnis, daß es nicht so war!) Faktum ist: Ich bitte Sie, gerade die Freiheitlichen, Ihre Worte in Zukunft etwas sorgfältiger auszuwählen.

Gerade beim Sicherheitsbericht erleben wir eine Situation, die anscheinend auch draußen im Alltag vorkommt, wo eine Wortwahl, und ein Wort ergibt das andere, dann eine Situation schafft, bei der dann die einzelnen Damen und Herren vielleicht überfordert sind. Und diese Mahnung, die Herr Kollege Kapral vorgebracht hat, will ich nur unterstreichen.

Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Nach Sicherheit zu streben, ist in der Natur des Menschen gelegen. Der Begriff ist ein sehr allumfassender. Der Bericht ist natürlich ein Nachschlagewerk, ein Hinten-nach-Betrachten, ein Beleg, mit dem man darstellt, wie hat sich das in dem einen oder anderen Bereich entwickelt, welche Prozentsätze haben sich nach oben, nach unten bewegt. Manche meiner Vorredner haben schon darauf verwiesen, daß uns eigentlich die Zahlen der letzten Zeit durchaus zufriedenstellen können. Aber zufrieden können wir bei dieser Materie logischerweise nicht sein, wenn wir wissen, daß in den letzten Jahren, in den letzten zwei Jahrzehnten die Zahlen, was Kriminalität und so weiter anlangt, explodiert sind.

Sehr einleuchtend wurde von jedem meiner Vorredner schon dargestellt, daß das große Problem durchaus bei der Jugend und hier beim Drogenkonsum liegt. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: "Explosion" ist ein militanter Ausdruck! Ich würde vorsichtig sein!)

Ich bedanke mich, Herr Kollege Rockenschaub. Faktum ist, daß Zahlen das eine sind und daß das Sicherheitsgefühl das andere ist. Wir stellen fest, daß zweifelsohne die Kriminalität insgesamt brutaler wird, gefährlicher wird, besser organisiert wird und daß wir uns davor nicht verschließen dürfen.

Die Bevölkerung hat ein Anrecht auf Schutz von Hab und Gut, sie hat ein Anrecht auf Schutz von Leib und Leben. Die Sicherheit wird verkörpert durch unsere Exekutive. Ich will auch feststellen, daß wir diese Leistungen erkennen und daß wir uns bei jenen bedanken, die, ob beamtet oder nicht beamtet, den Dienst für uns tun. Wie groß die Herausforderungen sind, mögen


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wir ermessen, wenn wir feststellen, daß die Exekutivbeamten mit kleinen oder anscheinend kleinen Problemen, also den Sorgen des Alltags, konfrontiert werden, und auf der anderen Seite von ihnen hohe Professionalität verlangt wird. (Vizepräsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Geschätzter Herr Minister! Ich konnte im letzten Jahr in meinem Bezirk Vöcklabruck von 18 Gendarmerieposten 14 besuchen und mich davon überzeugen, daß die Motivation der Beamten eine gute ist und wir wirklich stolz sein können auf unsere Beamten. Trotzdem wird das eine oder andere beklagt. Es wird teilweise der relativ starke Zentralismus, teilweise bei Kleinigkeiten, was das Beschaffungswesen anlangt, beklagt. Hier erwartet man sich Flexibilität. Ganz konkret ist mir bei manchen meiner Besuche die Frage gestellt worden, warum müssen zum Beispiel Gendarmerieautos immer dieselbe Farbe haben? Jeder kennt sie schon von weitem. Wäre nicht bei Kostenneutralität ein Wechsel möglich? Es wird teilweise von den Beamten beklagt, daß anscheinend der Täter mehr Schutz hat als das Opfer. In diesem Spannungsfeld müssen wir das alles sehen. Mein Kollege Grasberger hat schon die Situation bei den Gendarmerieposten, was das Zusperren anlangt, beleuchtet. Es wurde bereits gefordert, daß man dort, wo man die Posten am Abend schließt, Notrufsäulen aufstellt. In diese Richtung wurde argumentiert.

Kurzum, wie gesagt, ich bin wirklich stolz auf unsere Beamten. Ihre Einsatzbereitschaft ist hervorragend! (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Für Sicherheit wird auf der einen Seite von beamteten Organen gesorgt und auf der anderen Seite von freiwilligen Organisationen, die uns helfen, den Alltag zu bewältigen. Ich nenne hier, stellvertretend für andere, die freiwilligen Feuerwehren. Ich nenne das gesamte Rettungswesen. Und hier, denke ich, dürfen wir nicht immer nur sagen, mit den Worten anerkennen, ihr seid gut, ihr seid sehr notwendig, und im übrigen macht ihr die Sache hervorragend, sondern wir dürfen uns auch nicht der Forderung nach der notwendigen Ausrüstung und Ausstattung verschließen. Freiwillige Organisationen sind enorm wichtig, damit die Sicherheit in unserem Lande gewährleistet werden kann.

Geschätzte Damen und Herren! Wenn wir über die Zukunft reden – das sollten wir eigentlich mehr tun, und das sollten wir mit Optimismus tun –, dann kommt des öfteren der Satz auf, wir sollten die Welt mit den Augen unserer Kinder betrachten. Das ist eigentlich unsere Aufgabe. Die beste Sicherheit ist dann gegeben, wenn man vorbeugend unterwegs ist, wenn man nachdenkt, was kann man präventiv tun, damit der eine, die andere, nicht in ein bestimmtes Milieu kommt, damit die eine oder der andere der einen oder anderen Gefahr nicht ausgesetzt wird. Da sind wir bei den Familien, da sind wir bei den Familienforderungen, denen wir oberste Priorität geben müssen. Wir haben beileibe in unserem Land keine Oase des Friedens. Wir dürfen uns dieser Dinge und auch der Tatsache nicht verschließen, daß das Vorleben, das, was unsere Kinder erleben und von uns sehen, sehr beispielgebend ist. Zu Recht ist daher auf die Gefahren, die zum Beispiel durch das Fernsehen tagtäglich ins Wohnzimmer geliefert werden, auf die Angebote in den Video-Shops hinzuweisen. Das müssen wir erkennen, das müssen wir stärker aufzeigen.

Der Mensch neigt zum Egoismus. Das Gemeinsame und die gemeinsame Verantwortung stehen bei manchen dem eigentlich nicht so positiv gegenüber. Wir träumen teilweise von einer humanen Gesellschaft! Es sind Träume. Wir fordern diese humane Gesellschaft, nur, es sind Träume, und wir müssen uns alle persönlich selbst anstrengen, daß wir zur Sicherheit, zur gemeinsamen Verantwortung etwas beitragen.

Der ehemalige amerikanische Präsident Lincoln hat den Satz geprägt: Man hilft den Menschen nicht, wenn man für sie tut, was sie selbst tun können. – Eigenverantwortung ist also gefragt.

Ich habe die Aufgabe, daß ich für den Zivilschutzverband und den Zivilschutz in Oberösterreich Verantwortung trage, und da habe ich oft Gelegenheit, auf diesen Eigenverantwortungsgedanken, auf diese Selbstschutzmaßnahmen hinzuweisen. Ich werde heute kein Plädoyer dafür halten, sondern, sehr geehrter Herr Minister, eher für die Zivilschutzarbeit sprechen und hier mit Nachdruck darauf hinweisen, was eigentlich deren umfassende Aufgabe ist.


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Ich bin überzeugt davon, daß es gelingt, Sicherheit zu geben, Sicherheit zu vermitteln, wenn wir die Menschen befähigen, Gefahren fürs erste abzuwehren, Risiko zu minimieren, Unfälle zu vermeiden oder für den Fall, daß schon etwas passiert ist, rasch das Richtige zu tun. Darauf, daß rasch das Richtige getan wird, liegt die Betonung, die Betonung liegt auf schnell, richtig und vor allem auf tun. Hier, glaube ich, sind wir gefordert, daß wir das fördern.

Zivilschutzarbeit gliedert sich in erster Linie in einige Punkte, die im Sicherheitspolitischen liegen. Wir sehen unsere Hauptaufgabe darin, daß wir auf verschiedene Bereich aufmerksam machen. Wir waren jetzt zum Beispiel in Temelin, wir haben auf die Gefahren aufmerksam gemacht – und das machen wir weiter –, die der Verkehr mit sich bringt, die in den Chemiefabriken schlummern, auf die Alltagsgefahren.

Es ist notwendig, für Abwehr zu sorgen, und zweitens ist es notwendig, den Leuten Information zu geben und ihnen Wissen zu vermitteln. Und da sage ich Ihnen, geschätzte Damen und Herren, ist ein Defizit festzustellen. Da verläßt sich der eine oder andere immer auf jemand Fremden. Da denkt man nicht so sehr an sich selbst, und da denkt man nicht so sehr an die Eigenverantwortung. Ich glaube, es ist notwendig, daß wir in diesem Fall verstärkt Aufmerksamkeit erzielen, aber nicht Angst machen. Das ist die Gratwanderung: nicht Angst machen, sondern Angst nehmen. Und darum habe ich eingangs gesagt: Die Taten sind das eine, und das Gefühl, das, was die Leute spüren, ist das andere.

Wir haben heuer einen Sirenenprobealarm in Oberösterreich durchführen können, und er hat Betroffenheit ausgelöst. Wir sind auch auf einiges draufgekommen. Etwa 5 Prozent der Sirenen sind zum Beispiel gar nicht "weggelaufen". Wir sind draufgekommen, daß wir aufgrund der heute so guten Isolation die Sirenen in unseren Wohnungen teilweise nicht mehr hören. Das heißt also, da ist Handlungsbedarf gegeben. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir diese Dinge abstellen können.

Ich fordere, daß wir uns mit dem Sicherheitsbereich verstärkt beschäftigen, Betroffenheit erzeugen. Eine langjährige Forderung des Zivilschutzverbandes ist, einen Sicherheitstag zu machen, um zum Beispiel die Sirenen bundesweit ausprobieren zu können, also vorbeugend tätig zu werden.

Es gibt auch immer berechtigte Forderungen, wie gesagt, nach Information, nach permanenter Information. Wie wäre es, wenn wir zum Beispiel unsere Telefonbuchverlage animieren könnten, auf den Umschlagseiten die Alarmsignale zu bringen? Wie wäre es, wenn wir öffentliche Stellen und öffentliche Organisationen animieren könnten, in ihren Publikationen verstärkt auf den Selbstschutz zu verweisen? – Das ist für mich Verantwortung.

Geschätzter Herr Minister! Die langjährige Forderung des Bundesverbandes nach einem Zivilschutzgesetz ist Ihnen, glaube ich, nicht neu. Sie wird damit begründet, daß man von der Vorgangsweise her keine einheitliche Sprache hat, sondern daß es eher schwimmende Kompetenzen gibt, was sich darin ausdrückt, daß wir bei den Aufgaben, die gestellt sind, eine Verdünnung der Mittel spüren. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen gespart wird, spart man dort, wo es momentan nicht weh tut. Es ist aber die Gefahr, daß wir am falschen Platz sparen. Wenn wir jetzt nicht Information rausbringen, dann können wir bei einem Unglücksfall nicht wirklich helfen.

Es muß gelingen, daß die zentrale Ausbildung verstärkt wird, daß die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter und Funktionäre, die ja als Multiplikatoren tätig sind, in eine Schiene kommt. Dazu ist es notwendig, daß wir gemeinsam vorgehen.

Ich rufe auf, daß wir Brücken bauen: zwischen den Verantwortungsträgern bei den Behörden, den Einsatzorganisationen, ob, wie gesagt, freiwillig oder beamtet, und daß wir vor allem verstärkt für unsere Bevölkerung tätig sind.

Geschätzte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Ich denke, daß diese Wortmeldung, im Rahmen derer ich mich verstärkt der Frage des Zivilschutzes gewidmet habe, ihren


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Platz in der Debatte über den Sicherheitsbericht findet. Ich bin davon überzeugt, daß wir vorbeugen sollen, und in diesem Rahmen ist der Zivilschutzgedanke ein hervorragender.

Ich darf Ihnen auch den Leistungsbericht des Oberösterreichischen Zivilschutzverbandes überreichen und Sie, Herr Minister, ersuchen, unsere Forderungen im Sinne der Bevölkerung zu unterstützen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Der Redner überreicht Bundesminister Dr. Einem eine Broschüre.)

12.37

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig. Ich erteile es ihm.

12.37

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der Sicherheitsbericht 1994 ist ein Bericht über eine erfolgreiche Sicherheitspolitik. Besonders bemerkenswert ist an diesem Sicherheitsbericht die Aufklärungsquote, die 1994 von 46,8 auf 49,6 Prozent gestiegen ist.

Diese sehr positive Entwicklung, die sich im Sicherheitsbericht 1994 widerspiegelt, setzt sich auch in der Kriminalstatistik 1995 fort, und es ist bemerkenswert, daß gerade in den Bereichen der Schwer- und Schwerstkriminalität die Aufklärungsquote besonders hoch ist und auch die Delikte in ihrer Gesamtzahl zurückgegangen sind. Bei den Delikten Mord gab es ein Minus von 1994 auf 1995 von 9,2 Prozent und eine Aufklärungsquote von 95,2 Prozent. Bei der schweren Körperverletzung gab es ein Minus der Delikte von 3,9 Prozent und eine Aufklärungsquote von 86,5 Prozent. Bei der tödlichen Körperverletzung, ebenfalls ein sehr schwerwiegendes Delikt, gab es einen Rückgang der Zahl der Delikte um 14,3 Prozent und eine Aufklärungsquote von 100 Prozent. Von 100 Prozent! Das heißt, es wurden all diese Delikte aufgeklärt.

Bei der leichten Körperverletzung ist ein leichter Rückgang und eine Aufklärungsquote von 95,4 Prozent festzustellen und beim Drogenhandel ein Minus von 14 Prozent und ebenfalls eine Aufklärungsrate von weit über 90 Prozent, nämlich genau 97,2 Prozent.

Wenn schon in einigen Wortmeldungen auch über den Drogenhandel und die Drogenkriminalität gesprochen wurde, so möchte ich auch hier aus dem Interview des Wiener Polizeipräsidenten Peter Stiedl zitieren. Herr Bundesrat Langer hat ja in seiner Wortmeldung dieses Interview schon bemüht. Ich würde ihn nur ersuchen, das Interview auch weiterzulesen. Es gibt nämlich auch eine Äußerung von Herrn Präsidenten Stiedl zur Drogenkriminalität in Wien. Er wurde von der "Presse" auch dazu befragt, und er antwortet:

Die Wiener Polizei hat in den vergangenen Jahren gute Arbeit in der Bekämpfung der Drogenkriminalität geleistet. Es gab mehr Verhaftungen. Die Politiker – da sind offensichtlich unter anderem auch Sie gemeint, Herr Bundesrat Langer – sehen doch nur die Statistiken. Man verbindet den Anstieg der Amtshandlungen automatisch mit einem Anstieg der Kriminalität.

Es scheint mir ein sehr wichtiger und wesentlicher Hinweis des Polizeipräsidenten zu sein, daß nicht nur die Amtshandlungen in den Statistiken berücksichtigt werden sollten, sondern die tatsächlichen Delikte, die in diesem Bereich vorgefallen sind.

Ein Bereich – das hat der Herr Bundesminister in seiner Wortmeldung ja schon angesprochen – ist allerdings in der Tat bemerkenswert und muß auch mit neuen Methoden bekämpft werden: Das ist der gesamte Bereich der international organisierten Kriminalität, die nur gemeinsam mit anderen europäischen Ländern wirksam und erfolgversprechend bekämpft werden kann. Der Ausbau beziehungsweise die Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit der Justiz und der Sicherheitsbehörden haben gerade in diesem Bereich eine ganz besondere Bedeutung. Was den innerstaatlichen Bereich betrifft, muß man sich sicher in aller Gewissenhaftigkeit rechtliche, aber auch organisatorische Instrumente zur Bekämpfung dieser neuen Formen der organisierten Kriminalität einfallen lassen.


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Daß das bereits geschieht, kann man auch dem Sicherheitsbericht 1994 entnehmen. Seitens des Bundesministeriums für Inneres wurde die Entwicklung einer eigenen Einsatzgruppe forciert, nämlich der Einsatzgruppe der Gruppe D zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, kurz EDOK genannt. Diese Gruppe wurde geschaffen, um einerseits österreichweit die Bekämpfung des organisierten Verbrechens zu koordinieren und andererseits dem Erfordernis der internationalen Zusammenarbeit gerecht werden zu können.

Die EDOK wurde im Jahre 1994 weiter ausgebaut und hat sich in Untereinheiten auf die Bekämpfung europaweit agierender Tätergruppen konzentriert, insbesondere auf Wirtschaftskriminalität und Geldwäsche. Da orte ich eine sehr wesentliche Maßnahme von seiten des Ministeriums, um der Gefahr der organisierten Kriminalität Herr zu werden.

Um die Effizienz der Fahndung nach organisierten Straftätern zu verbessern, kam es zur Gründung gemeinsamer Ermittlungskommissionen mit vergleichbaren Sondereinheiten anderer europäischer Staaten, und auch das scheint mir sehr wesentlich zu sein, weil es dabei um eine organisatorische Vorleistung, auch was die Einbeziehung des Schengener Abkommens betrifft, geht.

Im Bereich der Wirtschaftskriminalität wirkte die EDOK auch als Meldestelle im Sinne des Bankwesengesetzes, um den Fluß internationaler Verbrechensgelder über Österreich zu verhindern. Allein im Jahre 1994 konnten aufgrund der Maßnahmen der EDOK 298 Millionen Schilling auf österreichischen Konten mittels einstweiliger Gerichtsverfügung eingefroren werden. Das ist eine sehr wichtige und maßgebliche Errungenschaft im Kampf gegen das internationale und organisierte Verbrechen.

Dennoch wird es notwendig sein, eine elektronische Datei für ganz Österreich einzuführen, die alle für die Bekämpfung organisierter Kriminalität relevanten Erkenntnisse sammelt, um entsprechenden Verfolgungsdruck auszuüben. Ich höre, eine solche elektronische Datei ist bereits in Arbeit und soll die Tätigkeit im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung auf internationaler Ebene weiter verstärken.

Die Bekämpfung des organisierten Verbrechens kann allerdings nicht von den nationalen Sicherheitsbehörden allein bewältigt werden, sondern muß gerade in diesem Bereich auch in internationalen Organisationen betrieben werden. Eine dieser Möglichkeiten ist die internationale kriminalpolizeiliche Organisation Interpol. Diese Organisation – sie wurde 1923 in Wien gegründet – stellt ein effizientes Kommunikationsnetz in der Bekämpfung der organisierten und länderüberschreitenden Kriminalität zur Verfügung. Jedes Interpol-Mitgliedsland verfügt über ein nationales Zentralbüro, welches im Bundesministerium für Inneres integriert ist und die Koordinationsstelle für die inländischen Sicherheitsbehörden darstellt. Andererseits hat dieses Zentralbüro auch die Aufgabe, im Rahmen der internationalen Abkommen kriminalpolizeiliche Amtshilfe zu leisten. Dieses Zentralbüro, das, wie bereits erwähnt, im Bundesministerium für Inneres koordiniert wird, hat im Jahr 1994 74 040 Informationen an das Ausland abgegeben, 43 290 Informationen langten aus dem Ausland in Österreich in diesem Zentralbüro ein. Auch das ist ein Zeichen dafür, daß sich die Bekämpfung der Kriminalität auch in den Behörden widerspiegelt.

Während in Österreich im Rahmen der Interpol für das Ausland 98 Personen festgenommen werden konnten, hat das Ausland für Österreich 61 Personen festsetzen können.

Aber nicht nur die Verbrechensbekämpfung ist wichtig, man muß sich auch der Kriminalvorbeugung widmen. Mein Vorredner, Kollege Hüttmayr, hat ja auch darauf hingewiesen, daß es verschiedene Möglichkeiten der Prävention gibt. Für uns Sozialdemokraten ist ja nicht nur die Bekämpfung der Kriminalität wichtig, sondern auch die Schaffung eines gesellschaftlichen Umfeldes, in dem soziale und wirtschaftliche Gegebenheiten so sind, daß es zu einer geringeren Kriminalität kommt. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Präventionsgedanke hat sich von der kriminalpolizeilichen Vorbeugung nach dem englischen Vorbild der Community Crime Prevention zum Community Policing weiterentwickelt, ein sehr positives Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Exekutive und Bevölkerung. Diese sehr intensive Zusammenarbeit zwischen Bürgern und Polizei führt vor allem auch zu den


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Sicherheitsforen, die eine Möglichkeit bieten, daß sich in einem bestimmten Stadtteil, in einem bestimmten Grätzel die Exekutivorgane und die Bevölkerung hinsichtlich Sicherheitsfragen verständigen und auch gemeinsam die Verantwortung im Bereich der Sicherheit tragen und übernehmen. Mir scheint es auch ein sehr gutes Modell zu sein, den Bürger stärker in die Sicherheitspolitik des Bundes und der Länder mit einzubeziehen.

Eine gute Möglichkeit des Dialoges zwischen Polizei und Bevölkerung stellt der Kriminalpolizeiliche Beratungsdienst dar: Er wurde im Mai 1994 20 Jahre alt. Im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Beratungsdienstes stehen heute der Bevölkerung zirka 250 Beamte zur Verfügung, die in insgesamt 143 Beratungsstellen im Rahmen der Prävention Aufklärungsarbeit leisten und die Bevölkerung informieren, wie sie mit persönlichen Aktivitäten Verbrechen verhindern oder Maßnahmen setzen kann, damit es gar nicht erst zu Verbrechen kommt.

Im Jahr 1994 hat es im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Beratungsdienstes mehrere Schwerpunktaktionen gegeben. Ich möchte einige herausheben, weil sie zeigen, welche Möglichkeiten der Beratungsdienst bietet, die Bevölkerung auch zu informieren. So hat es zum Beispiel die Aktion "Mit mir nicht – Sicherheitstips für Frauen" gegeben, "Eine Saison macht Diebe – Sicherheitstips für den Urlaub", damit die Bevölkerung, wenn sie auf Urlaub fährt, ihre Wohnungen und Häuser entsprechend sichert und nicht zum Diebstahl animiert und einlädt. Dritte Aktion: "So sah Marios Alltag aus – Sicherheitstips gegen Gewalt in der Familie" – ein Bereich, von dem wir wissen, daß er leider ebenfalls im Anwachsen begriffen ist, und wo die Polizei nur sehr marginal eingreifen kann, wo es aber andere Instrumente der Gestaltung geben muß. Eine vierte Aktion vielleicht noch: "Gezinkte Karten – Sicherheitstips gegen Kreditkartendiebstahl und -mißbrauch".

All diese Aktionen tragen sicher wesentlich dazu bei, daß sich die österreichische Bevölkerung auch sicher fühlt. Es gibt einen Unterschied im subjektiven Sicherheitsgefühl und in den objektiven Daten – Kollege Hüttmayr hat aus der Sicht des Zivilschutzes darauf hingewiesen –, aber es gibt natürlich auch andere Bereiche, wo das zum Ausdruck kommt. Es ist aber doch auch interessant, Studien heranzuziehen, um zu zeigen, wie auch das subjektive Sicherheitsgefühl der österreichischen Bevölkerung im Anwachsen begriffen ist.

Ich möchte hier aus einer Studie der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft zitieren, nach deren Erhebungen sich 83 Prozent der Bevölkerung in Österreich sicher fühlen. 64 Prozent der Befragten sehen für die Aufrechterhaltung der staatlichen Sicherheit die Demokratie verantwortlich, in zweiter Linie die Wirtschaftslage, dann die Polizei und zuletzt das Militär. 70 Prozent antworteten auf die Frage, wer ihnen Sicherheit gibt: die Polizei – und das ist ein Zeichen dafür, daß unsere Polizei auch sehr gut arbeitet, daß die Polizei nicht nur in der Verbrechensbekämpfung effizient tätig ist, sondern daß es ihr auch gelingt, eine entsprechend positives Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung zu verankern.

Als Wiener Bundesrat möchte ich vor allem auf die gute Zusammenarbeit des Bundesministeriums, der Exekutive und des Landes Wien hinweisen, die dazu geführt hat, daß Wien weiterhin zu den sichersten Millionenstädten der Welt gehört.

Daß sich gerade in einer Großstadt die Schwierigkeiten besonders deutlich zeigen, ist augenscheinlich. Trotzdem ist es gelungen, daß in den letzten drei Jahren die Zahl der Verbrechen um knapp 20 Prozent und die Zahl aller strafbaren Handlungen um 6,5 Prozent zurückgegangen sind.

Mindestens ebenso erfreulich ist, daß in Wien die Aufklärungsquote von Jahr zu Jahr steigt.

Voraussetzung für diese erfolgreiche Sicherheitsentwicklung sind entsprechende Arbeitsbedingungen für die Beamten der Exekutive. Ich möchte hier nur eine Maßnahme erwähnen, die gemeinsam erfolgt ist, nämlich gemeinsam zwischen den Bundesdienststellen und dem Land Wien: Auf Initiative des Landeshauptmannes und Bürgermeisters Dr. Michael Häupl wurden letztes Jahr mehrere Maßnahmen zu einem Sicherheitspaket zusammengefaßt. Mit diesem Sicherheitspaket wurden 10 Millionen Schilling in die Ausstattung der Wachstuben und in die Ausrüstung der Exekutivbeamten investiert. Das ist sicher ein wesentlicher Beitrag dazu, daß


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die Polizeibeamten noch effizienter als bisher arbeiten können, noch mehr Freude an ihrem Beruf finden und weiterhin so leistungsbereit für das Land und für Österreich tätig sind.

Weiters konnten in Wien im vergangenen Jahr für das letzte Jahr und für die nächsten beiden Jahre 500 Wohnungen für Absolventen der Polizeischule zur Verfügung gestellt werden.

Das Bundesland Wien sieht die große Verantwortung, entsprechende Arbeits- und Lebensverhältnisse für Exekutivbeamte zu schaffen.

Abschließend noch mein Dank als Wiener Bundesrat an Sie, Herr Bundesminister, insbesondere was die Durchführung mehrerer neuer Aktionen betrifft, die ein sehr viel stärkeres Sicherheitsgefühl auch in unserer Stadt und in unserem Land bewirkt haben. Ich möchte hier nur die Aktionen "Planquadrat", "Blaulicht" und "Flächenstreifen" erwähnen, die vor allem in den Problemgebieten, die es in einer Großstadt natürlich auch gibt, bei der Bevölkerung ein größeres Sicherheitsgefühl bewirkt haben.

Es sei noch eine Aktion besonders hervorgehoben, weil sie neu ist und weil man an ihr sehr gut ablesen kann, wie gut die Kooperation zwischen Ministerium, Exekutive und Land Wien funktioniert: die Aktion "Polizei mobil". Bei dieser Aktion geht es darum, daß die Bevölkerung Wiens noch unmittelbareren, schnelleren und besseren Kontakt zu den Polizeistellen findet. So versuchen Polizeibeamte in speziell ausgerüsteten Kleinbussen als rollende Wachzimmer in Wiens Bezirken unmittelbar und vor Ort tätig zu sein, um auf diese Weise das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu erhöhen.

Herr Bundesminister! In diesem Sinne herzlichen Dank für Ihre Kooperationsbereitschaft auch dem Land Wien gegenüber. Ich weiß, das ist nicht immer leicht, vor allem in Zeiten, in denen sehr starke Spargesinnung herrscht. Ich bin sehr zuversichtlich, daß es uns gemeinsam gelingen wird, daß es bei der Zahl jener Polizeibeamten, die auf der Straße ihren Dienst tun, keine Einsparungen gibt, damit das Sicherheitsgefühl in der Wiener Bevölkerung weiter so positiv bestehen bleibt, wie es jetzt ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.54

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Casper Einem. Ich erteile es ihm.

12.54

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Erlauben Sie mir, daß ich nunmehr, bei Halbzeit der Debatte über den Sicherheitsbericht über das Jahr 1994, auch einige Anmerkungen dazu mache und mit einer grundsätzlichen Einleitung beginnen möchte.

Zunächst möchte auch ich hier in diesem Haus, nachdem ich dies schon im Nationalrat getan habe, vor allem meinen Dank aussprechen, meinen Dank an die Tausenden Polizeibeamten, Gendarmen, Kriminalbeamten und Angehörige der Sicherheitsverwaltung (allgemeiner Beifall), die sowohl im Jahr 1994 als auch danach zum Teil unter durchaus schwierigen Verhältnissen ihre Leistung erbracht und einen wesentliche Beitrag dazu geleistet haben, daß Österreich einer der sichersten Staaten der Welt ist. Dafür ist zu danken.

Die Präsentation des Sicherheitsberichtes für das Jahr 1994 ist zugleich auch Anlaß, auch meinem Amtsvorgänger noch einmal Dank abzustatten, der diesen Sicherheitsbericht ja inhaltlich zu verantworten hat. Es handelt sich um einen Bericht über das Jahr 1994, für das ich bekanntlich noch nicht verantwortlich war. Ich danke daher auch Herrn Bundesminister Löschnak dafür, daß auch im Jahr 1994 sehr gut gearbeitet wurde. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Die Daten des Sicherheitsberichtes 1994 und die seither eingetretene Entwicklung – es ist mit Recht beklagt worden, daß der Sicherheitsbericht für das Jahr 1995 noch nicht vorliegt; aber es liegen immerhin schon die Daten der Kriminalitätsentwicklung für das Jahr 1995 vor – rechtfertigen das Vertrauen in die Arbeit der Exekutive.


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Erlauben Sie mir, daß ich wenigstens kurz auf einige Entwicklungen hinweise, ohne Sie mit einer Unzahl von Einzeldaten hier konfrontieren zu wollen.

Tatsache ist, daß die Gesamtsumme aller gerichtlich strafbaren Handlungen von 1993 auf 1995 um 3,6 Prozent gesunken ist. Es ist daher die Frage, ob es im Jahr 1994 einen nicht erklärbaren oder doch erklärbaren Zacken nach oben gegeben hat, für 1995 nicht maßgeblich. Die Zahl ist von 1993 auf 1995 um 3,6 Prozent gesunken.

Gleichzeitig ist die Aufklärungsrate Jahr für Jahr kontinuierlich gestiegen – und das ist der eigentliche Gradmesser des Erfolges der polizeilichen Arbeit. Betrug die Aufklärungsrate bei der Gesamtsumme aller gerichtlich strafbaren Handlungen im Jahr 1993 noch 46,8 Prozent, so betrug sie 1994 bereits 49,6 Prozent und 1995 49,8 Prozent; sie ist also knapp an die 50-Prozent-Grenze herangekommen.

Ich denke, daß diese Daten für sich sprechen und zeigen, daß kontinuierlich an der Verbesserung der Arbeitsmethodik gearbeitet wird, daß kontinuierlich an einer besseren Ausstattung der Exekutive gearbeitet wird, daß kontinuierlich auch daran gearbeitet wird, die jeweils zweckmäßigsten Maßnahmen zu ergreifen, sei es nun in der Prävention oder in der Aufklärungsarbeit nach bereits erfolgten Delikten.

Natürlich ist es so, daß jedes einzelne Delikt, das festzustellen ist, zuviel ist. Tatsache ist aber auch, daß wir im internationalen Vergleich gut liegen und daß sich die Situation gebessert hat – und das sollten wir anerkennen.

Es ist daher auch keine Überraschung, daß laut der Untersuchung, die die Sozialwissenschaftliche Studiengesellschaft jährlich macht, auch heuer wieder das Vertrauen in die Exekutive sehr gut ist. Bereits voriges Jahr lag die Exekutive, die Polizei im Vertrauen der Bevölkerung an erster Stelle. Sie genoß großes Vertrauen, nämlich 68 Prozent an Zustimmung. Dieser Wert hat sich von 1995 auf 1996 noch einmal erhöht: Die Polizei liegt wieder an erster Stelle, diesmal mit 73 Prozent an Vertrauen. Ich denke, das ist ein sehr deutliches Zeichen, das den Beamten, die vielfach unter schwierigen Bedingungen arbeiten, zum Trost oder zumindest dazu gereichen sollte, daß sie sehen, daß ihre Leistung anerkannt wird.

Hoher Bundesrat! Das Vertrauen der Bevölkerung, von dem ich hier gesprochen habe, ist zugleich auch die Basis des Erfolges polizeilicher Arbeit. Wir werden daher alles daransetzen, dieses Vertrauen nicht nur zu erhalten, sondern auch zu mehren. Im Gegensatz zu allen anderen Behauptungen, die die Schwerpunkte gelegentlich ein bißchen überraschend – jedenfalls bezogen auf die Alltagspraxis polizeilicher Arbeit – setzen, sind der Kontakt zwischen der Polizei, der Gendarmerie, der Exekutive insgesamt, und der Bevölkerung sowie das Ausmaß des Vertrauens in diesem Verhältnis die grundlegende Größe für den Erfolg etwa auch bei der Aufklärung von geschehenen Straftaten.

Ich darf bei dieser Gelegenheit das Wort "Aufklärung" auch noch in einer anderen Richtung nützen. Es sind von meinen Vorrednern hier doch zum Teil Äußerungen erfolgt, die der Aufklärung und Richtigstellung bedürfen.

Herr Bundesrat Langer hat einen Erlaß zur Absystemisierung zitiert, der zutreffend zitiert gewesen ist, Herr Bundesrat, aber eine Kleinigkeit hat gefehlt, nämlich die "Kleinigkeit", daß dieser Erlaß zwei Tage später wieder zurückgezogen worden ist. Ich denke, das ist eine nicht ganz unbedeutende "Kleinigkeit", wenn man sozusagen hineinbohren und sagen möchte: Dieser Innenminister reduziert die Sicherheit! (Bundesrat Dr. Kapral: Warum ist er dann gemacht worden?)

Da Sie die Frage aufwerfen, Herr Bundesrat, bin ich gerne bereit, das zu beantworten – das ist auch kein besonders großes Problem.

Es wird Ihnen so vertraut sein wie mir, daß der Umgang mit dem Budget im öffentlichen Dienst, im Bundeswesen, wenn ich so sagen darf, nach einem bestimmten System erfolgt, und zwar grundsätzlich, wenn man es so nennen will, nach einem System zentraler Bewirtschaftung. Die


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Personalbewirtschaftung erfolgt im wesentlichen zentral im Bundeskanzleramt und die Finanzbewirtschaftung im wesentlichen zentral im Finanzministerium. Das hat ein bestimmtes System und auch bestimmte, für den Bereich der Sicherheit mitunter allerdings nicht akzeptable Konsequenzen.

Es hat die Konsequenz, daß nach einem Schlüssel festgestellt wird, wie viele Leute in welcher Berufsgruppe sind, das wird dann "heruntergebrochen", und wenn dort ein bestimmter Prozentsatz eingespart werden soll, dann wird das in Köpfe umgerechnet und jeder Behörde entsprechend ihrer Kopfzahl oder nach den Berufsgruppen, die dort tätig sind, vorgegeben, wieviel einzusparen ist. Und das ist genau der Weg, den ich nicht beschreiten will, und der Grund dafür, daß dieser Erlaß wieder zurückzuziehen war. Es hatte sich offensichtlich bis zu der diesen Erlaß produzierenden Stelle nicht herumgesprochen, daß wir einen anderen Weg vorhaben.

Der Weg, den wir gehen, ist ganz klar vorgezeichnet, nämlich daß wir überall dort sparen, wo wir allenfalls überschießenden bürokratischen Aufwand treiben, der den kleinen Beamten zum Teil auch auf die Nerven geht oder sie in ihrer Arbeit behindert. Der Weg ist, daß wir Aufgaben, die nicht unbedingt Polizei- und Gendarmeriebeamte wahrnehmen müssen, abgeben und uns auf Funktionen konzentrieren – wo dies der Sache nach möglich ist –, um sicherzustellen, daß exekutive Funktionen jedenfalls von Sparmaßnahmen nicht betroffen sind, sodaß die Verwaltung des Bereiches "innere Sicherheit" insgesamt schlanker und effizienter wird. – Das ist der Grund, und er ist jederzeit argumentierbar. Also der erste Punkt ist klargestellt. (Präsident Payer übernimmt den Vorsitz.)

Zweiter Punkt: Herr Bundesrat Langer! Sie haben weiters gesagt, daß Sie mir zur Last legen – dies sei zwar nicht primär und ausschließlich eine Sache des Jahres 1994 –, daß die Anschläge von Oberwart, die Briefbomben und Ebergassing nicht aufgeklärt seien. Diese Aussage ist natürlich auch falsch, Sie wissen es.

Ebergassing ist aufgeklärt. Es ist nicht nur Ebergassing aufgeklärt, sondern es ist darüber hinaus auch gelungen, sechs weitere, vorher unaufgeklärt gewesene Straftaten, nämlich Brandanschläge im wesentlichen auf Bahn- und Brückenanlagen, aufzuklären. Und weil Sie mir immer vorwerfen, daß ich auf dem linken Auge blind bin: Der Zufall hat es so gefügt, daß das lauter Anschläge aus der anarchistischen Szene waren, die jedenfalls in meiner Amtszeit aufgeklärt wurden!

Zu den Ausführungen der Bundesrätin Haubner auch geringfügige Klarstellungen – sie ist, wie ich sehe, nicht hier, aber vielleicht können Sie sie ihr übermitteln –: Die von ihr im Zusammenhang mit der angeblich von uns gewünschten Neuzuwanderung genannten Zahlen sind falsch. Es ist nicht so, daß wir eine Zuwanderungsquote von 18 000 plus Familienzusammenführung vorgesehen haben. Es ist vielmehr so, daß wir heuer eine Zuwanderungsquote von knapp 19 000 haben, und zwar inklusive Familienzusammenführung, und davon ausgehen müssen, daß wir in den nächsten Jahren auch eine vergleichbare Quote haben und brauchen werden. Es wird dann aber durch die gesetzlichen Maßnahmen, die ich vorgeschlagen habe, die Zuwanderung insgesamt von etwa 19 000 im laufenden Jahr auf 6 000 sinken, was im übrigen, was die Arbeitskräfte in Österreich betrifft, einer Zuwanderung von 2 Promille entspricht – das nur, damit nicht Panik ausbricht.

Die andere Zahl, die genannt wurde, war, daß wir derzeit 300 000 Arbeitslose hätten, darunter 36 000 Ausländer. Auch diese Zahlen sind falsch. Richtig ist, daß wir derzeit eine viel zu hohe Arbeitslosigkeit haben, nämlich eine in Höhe von 230 000, und daß die Zahl der Ausländer davon nur mehr 25 000 beträgt – auch das ist zu hoch, die Arbeitslosenquote der Ausländer ist zu hoch. – Beide Daten, die genannt wurden, waren also, wie der Zufall halt so spielt, weit überhöht.

Es wurde weiters gesagt, daß der Skandal im Sicherheitsbüro nur ein Bauernopfer erbracht habe und daß dieses Bauernopfer Herr Oberstleutnant Essl sei. Ich halte diese Art der Betrachtung für nicht wirklich zielführend und im übrigen auch für falsch.


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Hoher Bundesrat! Ich denke, wir sollten uns sehr klar darüber sein, daß es bei Vorfällen der Art, wie wir sie jetzt im Sicherheitsbüro aufzuklären haben, jedenfalls auch darauf ankommt, daß eine angemessene Dienstaufsicht durch die jeweiligen Vorgesetzten stattfindet. Wenn wir dieser Meinung sind, dann kann es nicht so sein, daß nur die vier Bediensteten, denen auch strafrechtliche Delikte zur Last gelegt werden müssen, zur Verantwortung zu ziehen sind, sondern dann müssen die Vorgesetzten dieser vier ebenfalls zur Rechenschaft gezogen werden, und zwar deshalb, weil sie ihrer Führungsaufgabe nicht in einer Weise gerecht geworden sind, die solche Vorfälle auszuschließen geholfen hätte.

Herrn Oberstleutnant Essl ist in kriminalpolizeilicher Hinsicht überhaupt nichts vorzuwerfen – er ist ein erstklassiger Kriminalbeamter und genießt diesen Ruf auch weiterhin –, aber er ist der Chef dieser Gruppe gewesen. Wir gehen davon aus, daß es neben der politischen auch eine Führungsverantwortlichkeit gibt, die da eingelöst werden muß.

Da die vorgestrigen Äußerungen des Herrn Polizeipräsidenten zur Frage, wie hier vorgegangen wird, noch keine abschließenden waren, würde ich sagen, wir sollten nicht von Bauernopfer reden, während noch Maßnahmen der Aufklärung und Strukturbereinigung und auch notwendige Maßnahmen zur Sicherstellung einer angemessenen Führungsqualität gesetzt werden.

Sie haben mich heute im Rahmen der ersten Stunden auch auf die Aussage "kaputte" Beamte in "kaputten" Abteilungen angesprochen. Sie haben hier ein sehr gutes Beispiel für genau das, was darunter auch verstanden werden kann. Das ist kein Vorwurf betreffend die Qualität an die Beamten, sondern eine Feststellung, daß diese Beamten offenbar "kaputt" gewesen sind und in einer "kaputten" Gruppe gearbeitet haben, sonst wären diese Vorkommnisse nicht möglich gewesen.

Zu den Aussagen betreffend die PKK: Ich denke, daß man politisch durchaus der Auffassung sein kann – Sie haben diese Auffassung vertreten –, die Entscheidung, die ich getroffen habe, wäre falsch. Diese Entscheidung steht Ihnen frei, ich teile sie nur nicht. Was allerdings die Vermischung von Amtsmißbrauch und politischer Verantwortung betrifft, denke ich, sollten Sie in der Lage sein, das zu unterscheiden. Das eine ist ein strafrechtlicher Vorwurf, das andere ist die politische Verantwortung, die bekanntlich im Parlament stattfindet und nicht beim Bezirksgericht. – Das ist auch die Anmerkung zur Frage des Bassenaniveaus; das Wort war ja so nicht gefallen, wie Sie es zitierten.

Im gegebenen Zusammenhang auch eine grundsätzliche Anmerkung, da eben auch durch diesen Vorfall im Sicherheitsbüro die Frage der Führung einen besonderen Akzent bekommen hat.

Mir ist daran gelegen, deutlich zu machen, daß die Ausbildung von Führungskräften und daß die Wahrnehmung von Führungsaufgaben ganz besondere Bedeutung in meinem Ressort haben. Ich habe daher schon voriges Jahr angekündigt, daß wir im Rahmen der einzurichtenden Sicherheitsakademie einen Schwerpunkt vor allem auf die Aus- und Fortbildung von Führungskräften und von Lehrern für die Exekutive legen werden, und ich kann Ihnen heute und hier ankündigen, daß wir im Herbst dieses Jahres mit den ersten Kursen dieser Art beginnen werden, um zusätzliche Akzente in diesem Bereich zu setzen.

Wir sehen Führung als eine Aufgabe, aber nicht nur als eine Aufgabe – um auf heutige Zeitungskommentare einzugehen –, bei der es darum geht, zusätzliche Kontrolle auszuüben. Kontrolle ist keineswegs ausschließlich ein bürokratischer Knebel, sondern Kontrolle ist auch, sich auf die Beamten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einem sozusagen zur Erfüllung bestimmter Aufgaben beigegeben sind, so einzulassen, daß man weiß, wie es ihnen geht, und als Führungskraft darauf reagiert, wenn man spürt, daß es ihnen schlechtgeht, daß man aber gleichzeitig dort, wo sie erfolgreich arbeiten, mit Lob nicht spart.

Ich habe den Eindruck, daß der öffentliche Dienst insgesamt bisher nicht besonders weit entwickelte Führungsfähigkeiten hervorgebracht hat, weil erstens viel zu selten gelobt wird – das ist ein Phänomen, das sich gelegentlich auch durch private Unternehmungen zieht – und zweitens die Führungsaufgabe nicht durchwegs so wahrgenommen wird, daß man Menschen


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hilft, die in Schwierigkeiten kommen, sondern sie allenfalls diszipliniert, wenn sie in solchen sind. Und das ist zu spät und zu wenig.

Herr Bundesrat Kapral hat mich noch einmal nach der Untergrenze der Polizeipräsenz im Außendienst gefragt. In einem Punkt, Herr Bundesrat, denke ich mir, werden wir relativ leicht Übereinstimmung erzielen können: Es kann dabei nicht um eine absolute Kopfzahl gehen, denn das ist nicht der Punkt, sondern das, worauf es allenfalls ankommt, wenn man es mit einem Begriff fassen will, ist die Frequenz: Wie oft sieht jemand einen Polizisten und bekommt dadurch zusätzlich das Gefühl vermittelt, da ist jemand, wenn ich jemanden brauche?

Das ist in der Tat die Frage, um die es geht, die allerdings nicht mit einem ziffernmäßigen Wert beantwortet werden kann. Was geleistet werden muß, ist, daß wir mit dem vorhandenen Personal der Exekutive, das ich grundsätzlich – auch in Wien – für ausreichend halte, die notwendige und wünschenswerte – es ist beides: wünschenswert und notwendig – Präsenz sicherzustellen. Dies ist dadurch möglich, daß wir Maßnahmen setzen, die mehr Beamte für den Außendienst freistellen, und das sind innerorganisatorische Maßnahmen, die zum Teil gar nicht so leicht zu realisieren sind. Wir werden sie dennoch realisieren.

Ich darf ein Beispiel nennen, das durchaus bemerkenswert ist – auch in seiner Größenordnung. Mir war das natürlich nicht in allen Details bewußt, als ich Minister wurde, aber mir ist es jetzt bewußt. Allein in Wien setzen wir – wenn die Zahlen noch stimmen – etwa 98 ausgebildete Polizeibeamte tagsüber als Telefonisten ein. Jetzt kann man sagen, das ist natürlich günstig, daß jemand, wenn er bei der Polizei, im Kommissariat anruft, gleich an einen Polizisten kommt. Das ist richtig. Richtig ist aber auch, daß es noch günstiger wäre, wenn diese Polizeibeamten nicht in irgendeinem Kammerl die Telefonleitung bedienen würden, sondern wenn sie im Kommissariatswachzimmer wären und dort den Personalstand des Kommissariatswachzimmers verstärken und dadurch allenfalls zusätzliches Personal für den Außendienst freizustellen helfen würden. Das heißt nicht, daß das ein Freistellen von 1 : 1 bedeutet, aber es heißt, daß in einem gewissen Umfang Kapazität gewonnen werden könnte, die dann dem von Ihnen angesprochenen Zweck dient.

Es gibt allerdings – auch das sei gesagt – Gründe, wo Interessen derselben Bevölkerung an solchen zusätzlichen deutlichen Zeichen, die Basis für ein verstärktes Sicherheitsgefühl sind, miteinander konfligieren. Ich nenne ein Beispiel, das nicht nur in Wien, sondern auch in anderen Bundesländern ständig eine gewisse Rolle spielt:

Es stellt sich nämlich einerseits die Frage: Wie viele feste Örtlichkeiten wollen wir in den Wiener Wachzimmern beziehungsweise in den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen der Bundespolizeidirektionen, also wieviel Wachzimmer wollen wir haben?, und andererseits stellt sich die Frage: Wie viele Beamte wollen wir auf der Straße sehen? – Es liegt auf der Hand, daß mit der Zunahme der Zahl der Wachzimmer auch mehr Leute dort arbeiten, weil die Eigenverwaltung des Wachzimmers einen gewissen Mindestbedarf voraussetzt. Wenn man nun ein Wachzimmer auflassen will, um die Leute verstärkt im Außendienst einzusetzen, stößt man auf zwei Widerstände: Ein Widerstand ist durch die um dieses Wachzimmer herum lebende Bevölkerung gegeben, die sagt: Da war immer ein Wachzimmer, das muß ein Wachzimmer bleiben!, selbst wenn 100 Meter oder 200 Meter weiter ein neues, größeres errichtet wurde und die Streifung in dem Bereich durchaus durch die Beamten aus dem neuen Wachzimmer bewirkt werden kann. Natürlich vermitteln auch die Wachzimmer bis zu einem gewissen Grad ein Gefühl der Sicherheit.

Tatsächlich allerdings kommt es auf die Verfügbarkeit von Beamten – und zwar auch die Erreichbarkeit im Wachzimmer, das kann allerdings in der Regel heute schon telefonisch sichergestellt werden – und auf die Präsenz vor Ort an. Daß letztendlich natürlich auch die Betroffenen selbst, die bei Auflassung eines Wachzimmers und Zusammenführung in ein gemeinsames größeres nicht immer nur begeistert sind, ist bekannt, weil es unter anderem auch um bewertete Planstellen geht und es dort sozusagen mehr "Häuptlinge" gäbe, wenn es mehr Wachzimmer gibt.


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Auch das ist ein legitimes Interesse. Aber es sind eben konfligierende Interessen, bei denen mir daran gelegen ist, sicherzustellen, daß durch effizientes Arbeiten ein Maximum an Sicherheit, an objektiver Sicherheit, und ein Maximum an Sicherheitsgefühl durch eine hinreichende Präsenz, die auch das Gefühl vermittelt, daß jemand da ist, wenn man jemanden braucht, erreicht wird.

Es ist – ich könnte jetzt nicht mehr sagen von welchem meiner Vorredner – auch auf die Frage der Geldwäsche hingewiesen worden. Ich glaube, es waren auch Sie, Herr Bundesrat Kapral. Vielleicht darf ich Ihnen doch noch ergänzende Informationen zur Frage der Geldwäsche und unserer Aktivitäten in diesem Zusammenhang geben. Im Jahr 1994 sind insgesamt 346 Verdachtsmeldungen bei der Meldestelle eingelangt. Diese 346 Verdachtsmeldungen haben zumindest den Hinweis auf Geldströme in der Höhe von 2,6 Milliarden Schilling ergeben. Diese Verdachtsmeldungen haben 50 Kontoeröffnungen zur Folge gehabt – was ja auch nicht unbedingt wenig ist –, weiters 16 Haftbefehle, 12 Hausdurchsuchungen und eine große Anzahl von Anzeigen, und es ist gelungen, insgesamt knapp 300 Millionen Schilling aus diesen Geldströmen einzufrieren. Ich denke, das ist nicht gerade wenig.

Ich habe den Eindruck, daß die Entwicklung, die seither ins Land zieht, zeigen wird, daß wir erstens unser Instrumentarium erweitert haben, daß es zweitens gelungen ist, in gemeinsamer Diskussion und Arbeit zwischen den Beamten der EDOK, die in diesem Fall eine außergewöhnliche Fachkenntnis und Professionalität entwickelt haben, und den betroffenen Bankinstituten ein Verständnis der Problematik zu entwickeln, welches eine hohe Treffsicherheit bei den Meldungen, die jetzt eingehen, bewirkt hat; im übrigen hat sich auch ein sich ständig erweiterndes Bewußtsein dafür entwickelt, auf welche Weisen Geldwäsche überhaupt möglich ist.

Tatsächlich ist es so, daß auch Fachleute nicht auf den ersten Blick genügend Phantasie aufbringen können, um zu sagen, wie es zu Geldwäsche kommen kann, und daß im Laufe der Arbeiten, die von der EDOK außerordentlich engagiert und erfolgreich geleistet werden, zusätzliche Erkenntnisse gewonnen werden.

Zu Bundesrat Hüttmayr vielleicht noch eine Anmerkung: Ich stimme mit Ihnen, Herr Bundesrat, völlig darin überein, daß es nicht nur gilt, den Wert des Zivilschutzes, den Wert freiwilliger Leistungen – seien sie nun im Bereich der Feuerwehr, seien sie im Bereich des Rettungswesens, seien sie in angrenzenden und verwandten Bereichen – anzuerkennen und zu unterstützen. Sie wissen, daß mein Ressort quasi als Zivilschutzministerium ohne gesonderte Bundeskompetenz auch bemüht ist, Aktivitäten dieser Art, wo immer es geht, zu unterstützen – und zwar sowohl durch materielle Zuwendungen als auch durch das Zurverfügungstellen von Unterlagen, von Informationsmaterial, das dezentral verteilt werden kann und von deren Kosten die dezentralen Einrichtungen befreit sind.

Eines – insofern möchte ich Ihnen im vollem Umfang zustimmen – gilt es wirklich, zu unterstreichen. Es geht darum, daß wir in einem Staatswesen, in einer Demokratie zunehmend auch bewußt halten, daß die Angelegenheiten, um die es hier geht, unsere gemeinsamen Angelegenheiten und nicht ausschließlich die Angelegenheiten einer fernen Landes- oder Bundesregierung sind; es geht um die Besorgung der Verhältnisse, in denen wir alltäglich leben.

In dem Umfang, in dem es uns gelingt, Freiwillige zu gewinnen, ist es nicht nur wichtig, diese Bereitschaft anzuerkennen, sondern auch zu verdeutlichen, daß sie ein Beitrag zum demokratischen Leben in diesem Staate ist und daß Sicherheit eine Angelegenheit ist, die nur partnerschaftlich zwischen den betroffenen Bürgern und jenen, die dazu beruflich bestellt sind, möglich ist. Je höher das Engagement des einzelnen, je höher das Engagement der Bürgerinnen und Bürger ist, desto besser ist es um unsere Sicherheit bestellt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich komme daher zum Schluß. Ich möchte noch eine Anmerkung und ein Datum aus dem Bereich des neueingerichteten und im Aufbau befindlichen Grenzdienstes nennen. Es ist über diesen Grenzdienst im Rahmen der Bundesgendarmerie sehr viel diskutiert worden. Ich glaube, man sollte auch sehen, welche Wirkungen er hat. Wir haben einen Vergleich in einem Bezirk


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erhoben, in dem die Bundesgendarmerie den Grenzdienst übernommen hat, und zwar einen Vergleich bezogen auf die in diesem Bezirk festgestellte Kriminalität. Das Ergebnis ist, daß wir im Vergleich zwischen den Jahren 1994 und 1995 – dort haben wir bereits 1995 den Grenzdienst übernommen – in diesem Bezirk eine Reduktion der Kriminalität von 35 Prozent festzustellen war. Es wurde eine Reduktion in der Verbrechenskriminalität von über 40 Prozent und in der Vergehenskriminalität von knapp 31 Prozent erreicht. In Summe ist das also eine Reduktion der Straftaten von 35 Prozent.

Was ist der wesentliche Grund? – Es gibt zwei Gründe, die dafür sprechen. Einerseits zeigt sich, daß die Anwesenheit von Gendarmen des Grenzdienstes natürlich ebenfalls eine präventive Wirkung hat, denn das verstärkte Vorhandensein von Gendarmeriebeamten schreckt auch ab.

Andererseits wird durch die deutlich verbesserte Kontrolle an der Außengrenze natürlich auch grenzüberschreitende Kriminalität vermindert oder verhindert. Beides führt dazu, daß Österreich im Inneren sicherer wird, daß Menschen, die hierher kommen und Übles wollen, weniger leicht die Chance dazu haben und daher auch nicht nur das Sicherheitsgefühl, sondern vor allem auch die objektive Sicherheit steigt. Ich rechne daher damit, daß mit dem weiteren Ausbau bis zum nächsten Jahr, zum Inkrafttreten des Schengener Systems, auch für Österreich insgesamt eine deutliche Reduktion der grenznahen Kriminalität festzustellen sein wird. Das ist einer der Effekte, für die es sich lohnt, Personal und Geld aufzuwenden, und für den es sich im übrigen lohnt, jenen Beamten, die die Pionierleistung vollbracht haben, Dank und Anerkennung zu zollen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.21

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Bösch. – Bitte.

13.21

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Meine Damen und Herren! Ich kann das Loblied der Regierungssprecher natürlich nicht weitersingen und auf deren Empfindlichkeit in bezug auf die Wortwahl der Opposition auch nur im passenden Rahmen Rücksicht nehmen. Ich hoffe, Sie werden Verständnis dafür haben.

Trotz der beschwichtigenden Worte des Herrn Innenministers weist der Sicherheitsbericht der Bundesregierung über das Jahr 1994, den wir heute debattieren, in mehreren Bereichen besorgniserregende Entwicklungen auf. Diese dokumentierten Entwicklungen des Jahres 1994 – da haben Sie recht – sind in der politischen Wertung immer in Zusammenhang mit den Maßnahmen der Bundesregierung im Jahre 1996 zu setzen, denn dafür sind Sie, meine Herren Minister, verantwortlich. Und hier hat die Opposition die Aufgabe, Lücken in der politischen Arbeit auch wirklich und effizient aufzudecken.

Ein wichtiger Bereich, meine Damen und Herren, ist die organisierte Kriminalität, die – wie es im Bericht heißt – in den meisten Bereichen in Österreich bereits Realität geworden ist. In Österreich wird ihr Anteil an der Gesamtkriminalität auf 20 bis 25 Prozent geschätzt, eine Tendenz, die sich nach wie vor erheblich verstärken dürfte. Der Herr Innenminister ist in der Fragestunde schon darauf eingegangen.

Bei organisierten Straftätergruppen mußte während der letzten Jahre eine deutliche Qualitätssteigerung festgestellt werden – dies ist im Bericht zu lesen. In diesem Zusammenhang ist es unverständlich, daß die Forderung der Sicherheitsbehörden, nachzulesen auf Seite 154 des genannten Berichtes, nach besseren technischen Hilfsmitteln und nach Einsatz technischer und elektronischer Überwachungsmittel über Gerichtsauftrag noch nicht möglich gemacht worden ist. Die Verzögerung der Einführung von Lauschangriff und Rasterfahndung, meine Herren Minister, ist unverantwortlich.

Der zweite beunruhigende Bereich ist die Kriminalität von Fremden, welche sich, obgleich im Jahre 1994 die vorbildlichen Maßnahmen Ihres Vorgängers – Herr Innenminister, Sie haben ihn auch schon erwähnt – gegen die illegale Zuwanderung schon umgesetzt waren, nach wie vor auf einem erschreckend hohen Stand befindet. Um die Entwicklung in diesem Bereich wirklich zu erkennen, muß man sich vor Augen halten, daß der Anteil Fremder an der Gesamt


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kriminalität 1975 noch 9,4 Prozent betrug und 1994 auf 20,8 Prozent und bei den Verbrechen auf 30 Prozent zu liegen kommt.

Beim Anteil an allen strafbaren Delikten ist im Bereich erpresserische Entführung immerhin ein Satz von 62,5 Prozent Fremder ausgewiesen. Bei bewaffnetem, gewerbsmäßigem und Bandendiebstahl sind es 57,1 Prozent, bei räuberischem Diebstahl 45,2, bei Diebstahl von Kraftwagen 52,5 und beim Diebstahl von Gegenständen aus Kfz immerhin 42 Prozent.

In Vorarlberg zum Beispiel liegt der Anteil fremder ermittelter Tatverdächtiger an allen Tatverdächtigen mit 29 Prozent bundesweit am höchsten. Wir haben diese Entwicklung vor dem Hintergrund der kontinentalen Umwälzungen der letzten Jahre zu sehen und müssen feststellen, daß die Bundesregierung darauf nur zögerlich bis gar nicht oder falsch reagiert. Sonst, Herr Minister, könnte es ja nicht sein, daß Sie nunmehr eine Fremdengesetzgebung planen, innerhalb derer die Möglichkeit unter anderem zur Abschiebung straffälliger Ausländer stark gemindert werden soll. Eine Fremdengesetzgebung, die die Familienzusammenführung und nicht die Vollbeschäftigung im Inland zum Ziel hat und damit soziale und wirtschaftliche Probleme heraufbeschwört, auf denen die Kriminalstatistiken der Zukunft aufgebaut sein werden, kann doch nicht im Interesse unseres Landes sein.

In den Zusammenhang mit erschreckenden Steigerungen ist auch die Suchtgiftkriminalität zu stellen – Kollegin Haubner hat das schon dargestellt. Die Zahl der 1994 in Österreich wegen Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des Suchtgiftgesetzes angezeigten Personen ist gegenüber dem Vorjahr um 15,6 Prozent gestiegen. Der Anteil von Fremden im Bereich der schweren Suchtgiftkriminalität liegt bei zirka 32 Prozent. Der organisierte Suchtgiftschmuggel durch überwiegend ausländische kriminelle Gruppierungen nimmt ständig zu. Bei den Drogenopfern muß eine Steigerung von 11 Prozent verzeichnet werden. 250 Personen verstarben an den Folgen von Drogenmißbrauch.

Im Lichte dieser Entwicklung muß man sich wundern, daß die Bundesregierung eine Novelle zum Suchtgiftgesetz plant, die einen weiteren Schritt hin zur einer Liberalisierung des Drogenbereiches bedeutet. Zum Beispiel die staatliche Abgabe von Heroin, die unzweckmäßige Ausbreitung des Prinzips "Therapie statt Strafe" und die Verharmlosung von Cannabisprodukten müssen dabei befürchtet werden.

Meine Herren Bundesminister! Wir erkennen an, daß für das Jahr 1994 da und dort eine günstigere Entwicklung als im Jahre davor festzustellen ist. Zurückzuführen ist das auch auf den massiven Druck von uns Freiheitlichen auf Ihren Vorgänger im Innenressort in den Jahren davor, was ihn dazu bewogen hat, im Sicherheitsbereich wirkungsvolle Maßnahmen zu setzen. Sie aber scheinen die Absicht zu haben, von bewährten Wegen wieder abweichen zu wollen.

Herr Minister! Setzen Sie Maßnahmen, welche die unkontrollierte Zuwanderung, die beim Anstieg der Kriminalität einen wesentlichen Faktor darstellt, eindämmen!

Setzen Sie Maßnahmen, die den Sicherheitskräften im Kampf gegen die organisierte Kriminalität die notwendigen technischen Mittel in die Hand geben! Und setzen Sie Maßnahmen, welche die Suchtgiftkriminalität endlich wirkungsvoll bekämpfen, und kapitulieren Sie nicht vor dieser Geisel unserer Zeit!

Meine Herren Minister! Es geht uns Freiheitlichen, der Opposition, heute nicht allein um den Bericht des Jahr 1994, sondern darum, daß diese Bundesregierung daraus nach wie vor nicht die richtigen Schlüsse zieht und effiziente Maßnahmen setzt. Wir werden deshalb diesen Bericht nicht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.28

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Franz Richau. Ich erteile dieses.

13.28

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte an den Beginn meines Beitrages über den Si


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cherheitsbericht den Dank an alle Beamten der Exekutive stellen – dies deshalb, weil ich in der Vergangenheit das Gefühl hatte, daß seitens der Politik der Exekutive in sehr vielen Bereichen zu wenig Verständnis entgegengebracht wird, und dies heute bei den Debattenbeiträgen nur bestätigt bekommen habe; außer Herrn Minister Dr. Einem und Kollegen Dr. Kapral hat keiner der Herren am Anfang seiner Rede den Beamten der Exekutive Dank ausgesprochen.

Im Sicherheitsbericht 1994 sind in den einzelnen Themenkreisen zu den verschiedenen Vergehens- und Vebrechensarten statistische Zahlen festgeschrieben, in welchen die Entwicklung der Kriminalität in Altersgruppen, Nationen, Deliktsunterscheidungen aus dem Jahre 1994 und den Jahren davor festgehalten wird. Es mag zwar sein, daß aus den verschiedenen Zahlen und Tätigkeiten Erkenntnisse für Teilbereiche eine Hilfe sind, in der Summe jedoch – das kann ich anhand eines Beispieles aufzeigen – ist die Statistik ein richtiges Schreiben von nicht immer richtigen Zahlen.

Man möge das Beispiel der Fahrzeugbeschädigung hernehmen, das einerseits als Sachbeschädigung ein Vergehen ist, je nach Anzeigenform jedoch ein Verbrechen werden kann, wenn man daraus einen Einbruchsdiebstahl oder einen versuchten Einbruchsdiebstahl machen würde.

Ich persönlich bin der festen Überzeugung, daß wir uns viel mehr mit der Zukunft und damit auch mit zukünftigen Möglichkeiten einer wirksamen, vor allem aber erfolgreichen Kriminalitätsbekämpfung durch und mit unserer Exekutive beschäftigen müssen. Diese Überzeugung verstärkt sich in mir, wenn ich mir die vorläufigen Daten der Kriminalstatistik 1995 betrachte, welche vom Herrn Innenminister im Februar im Zuge einer Pressekonferenz bekanntgegeben wurden.

Diese vorläufige Statistik führt an, daß die Zahl der gerichtlich strafbaren Handlungen zwar zurückgegangen ist und die Gesamtaufklärungsrate von 46,8 Prozent im Jahre 1993 auf über 50 Prozent im Jahre 1995 gestiegen ist, auf der anderen Seite jedoch die Entwicklung im Bereich der Drogenkriminalität und in Konsequenz damit die gestiegene Zahl der Drogentoten sowie die organisierte Kriminalität Anlaß zur Sorge bereiten.

Zum ersten Bereich, der für mein Gefühl hier zu wenig beachtet wurde, dem Strukturkonzept 1991 über die Schließung der Gendarmerieposten: Mit Stichtag 1. Jänner 1995 wurden im gesamten Bundesgebiet 169 Gendarmerieposten geschlossen und damit laut Sicherheitsbericht die Dienststellenstruktur bei der Gendarmerie vollzogen. Ich meine – das ist auch beweisbar –, daß ein großer Beitrag zur Aufklärungsquote von den Beamten vor Ort geleistet wird. Durch den Kontakt des Beamten zur Bevölkerung vor Ort ist es besser möglich, Konflikten aus dem Weg zu gehen, vor allem aber Informationen zu bekommen.

Ich nehme zur Kenntnis, daß die Schließung von Dienststellen mit geringer Besetzung – unter fünf Beamten – im Sinne der Sparsamkeit und der notwendigen Effizienz in einigen Bereichen möglich sein muß und auch erforderlich ist. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, daß unser Nachbar – wir richten im Bereich der Sicherheit immer wieder ein Auge auf Deutschland – vor einigen Jahren die Schließung kleinerer Dienststellen durchgeführt hat und seit zwei Jahren wieder kleine Dienststellen öffnet – aufgrund der Tatsache, daß die Aufklärungsquote gesunken ist, und aufgrund der Erkenntnis, wie wichtig es ist, Beamte vor Ort zu haben.

Ich meine auch, daß wir als Ländervertreter danach trachten müssen, die Schließung von weiteren Dienststellen nach Möglichkeit zu verhindern. Wir verursachen durch Gerüchte über geplante Schließungen Unruhe in der Bevölkerung.

Zum zweiten Bereich, der mich persönlich immer mehr entsetzt, einige Feststellungen: Im Bereich der Suchtgiftkriminalität ist eine erschreckende Steigerung von bis zu 60 Prozent in den einzelnen Bundesländern feststellbar. Diese Steigerung muß uns zu denken geben. Einerseits hat die Öffnung der Ostgrenzen und die damit verbundene Möglichkeit des Suchtgiftschmuggels international einen Preisverfall herbeigeführt, zum anderen ist die Hemmschwelle zur Einnahme von Drogen gesunken. Ich möchte auch dazu ein Beispiel bringen: Im Jahre 1990 kostete in


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Wien ein Gramm hochwertiges Heroin in H 4-Qualität 3 000 S bis 3 500 S. Seit der Ostöffnung hat sich dieser Preis auf zirka 800 S bis 1 200 S pro Gramm reduziert.

Ich möchte im Zusammenhang mit dem Suchtgiftmißbrauch den Konnex mit der Gesamtkriminalität herstellen, weil es meines Erachtens nachweisbar ist, daß die Kriminalität im Bereich der Prostitution, im Bereich des Raubes und im Bereich des Diebstahls und vieles andere mehr mit vermehrtem Suchtgiftmißbrauch steigt – die sogenannte Geldbeschaffungskriminalität zum Ankauf von Drogen.

Ich möchte auch auf ein weiteres Beispiel hinweisen: Die Wiedereingliederung eines Heroinabhängigen in die Gesellschaft kostet den österreichischen Staat über 500 000 S. Wenn wir von Drogentoten reden und wenn wir wissen, wie viele Heroinabhängige in dieser Gesellschaft leben, dann sollten wir uns auch über die Kosten in diesem Bereich Gedanken machen.

Nicht trennbar vom Suchtgiftmißbrauch und vom internationalen Suchtgifthandel ist die sogenannte OK, die organisierte Kriminalität. Dazu stelle ich fest, daß Österreich leider sehr viele Schritte nachhinkt. Es sind dem Sicherheitsbericht zwar die verschiedenen Verbrechensbereiche und die Tätergruppen zu entnehmen, leider jedoch nicht die geringe Anzahl der hierfür ausgebildeten und abgestellten Beamten sowie der technische Standard. Wenn ich sehe, daß es in Kärnten vier Beamte gibt, in Oberösterreich vier Beamte, im gesamten Bundesgebiet im Bereich der Gendarmerie 30 Beamte, im Bereich der Polizei über 50 Beamte, so erscheint mir das mit Blick auf die Zukunft zu wenig.

Ich bitte Sie daher, Herr Minister, gerade in diesem Bereich wie auch im Bereich der Drogenbekämpfung für bessere Prävention und für bessere Aufklärung technische Hilfsmittel nach dem neuesten Stand bereitzustellen und mehr Personal einzusetzen. Ich glaube, daß dies im Hinblick auf die von Ihnen angekündigte Überprüfung der artfremden Tätigkeit in der Exekutive durch eine Umschichtung und nicht durch Mehraufwand an Personal möglich sein dürfte.

Als letzten Beitrag sei mir aber auch eine Bemerkung zur politischen Diskussion über diesen Bericht erlaubt. Als ein Beamter der Exekutive, der seit 16 Jahren Dienst versieht, habe ich heute mit einigem Schaudern zur Kenntnis genommen, daß wir über einen Sicherheitsbericht diskutieren und sich diese Diskussion zu mehr als 50 Prozent auf politische Agitation erstreckt. Ich glaube, daß wir Politiker uns der Verantwortung bewußt sein sollten, daß gerade ein sicheres Österreich ein sicheres Sozialverhalten garantiert. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

An Sie, Herr Minister, abschließend noch eine Bitte. Sie haben heute in Ihrem Beitrag – wie schon erwähnt – Dank an die Exekutive zum Ausdruck gebracht. Ich hätte mir gewünscht, daß dies auch in den Medien öfter in dieser Form getan worden wäre. Ich glaube, daß 40 000 Exekutivbeamte nach oben schauen können, wenn von oben das Gefühl vermittelt wird, es steht jemand an erster Stelle, der hinter den Beamten steht. Ich kann mit ruhigem Gewissen an Sie die Aufforderung weitergeben, sich vermehrt um die Probleme der Beamten zu kümmern.

Abschließend stelle ich fest: Durch die ausgezeichnete Arbeit der Beamten, durch den extrem hohen persönlichen Einsatz jedes Beamten und mit einer Aufklärungsquote von über 50 Prozent liegt Österreich im internationalen Spitzenfeld und kann durchaus als eines der sichersten Länder bezeichnet werden. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.37

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile dieses.

13.37

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister Einem! Herr Bundesminister Michalek! Ich möchte mich mit einem eher kleinen Kapitel im Sicherheitsbericht auseinandersetzen, das aber für mich persönlich und für viele Österreicherinnen und Österreicher ein besonders wichtiges ist, und zwar mit dem Kapitel Bekämpfung des Rechtsextre


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mismus, der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus – auch deswegen, weil wir Österreicher im Ausland sehr stark daran gemessen werden, wie wir solche Wiederbetätigungsmaßnahmen und Maßnahmen gegen den Antisemitismus bekämpfen.

Im Rahmen des Berichtes können wir feststellen, daß das Bekämpfungskonzept der Behörden über weite Strecken erfolgreich gewesen ist. Es wurde eine Vielzahl von Anzeigen erstattet, es konnten viele Delikte zur Anzeige gebracht werden. Wir dürfen aber nicht übersehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß es im Vergleich zu den Vorjahren doch zu einem Anstieg gekommen ist, vor allem zu einem Ansteigen der Anzeigen nach dem Verbotsgesetz. Leider ist es auch zu einer Zunahme der rechtsextremistischen Schmier- und Klebeaktionen gekommen.

Als erfreulich ist zu bewerten, daß es im Rahmen der Strafverfolgung gelungen ist, die führenden Köpfe der Neonazi-Szene anzuzeigen und zu inhaftieren. So waren im Dezember des Jahres 1994 insgesamt 25 Rechtsextremisten in Strafhaft oder in U-Haft. Trotz dieser guten Meldung müssen wir diesen unübersehbaren und unüberhörbaren Entwicklungen in Österreich noch konzentrierter Rechnung tragen und vielleicht mit mehr Druck als bisher vorgehen. Es kam auch zu 61 Verfahren; diese endeten alle mit einer Verurteilung.

Ich bin froh, daß es der Zufall will, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß heute auch Bundesminister Michalek gleichzeitig mit dem Herrn Innenminister im Bundesrat anwesend ist. Ich darf aus aktuellem Anlaß auf eine ungeheuerliche Prozeßführung des Richters Dr. Hans-Peter Januschke bei einem Wiederbetätigungsprozeß gegen einen Wiener Berufschullehrer eingehen.

Die Prozeßführung soll laut Medienberichten und Personen, die dem Prozeß beiwohnen, ein Skandal ersten Ranges sein. Ich darf die aktuellen Überschriften zitieren: "Dramatische Wendung im NS-Prozeß: Der Staatsanwalt lehnt Richter ab!", "Kurier" vom 23. Mai: "Richter: Teilweise Leugnung des Holocaust zählt nicht", "Presse": "Ein Lehrer, sein Richter und die Ostmark", "Standard": "Lehrer, Richter, Rechter". – So geht das weiter. – "Standard", 24. Mai: "Richter genehmigt die ,halbe’ Auschwitz-Lüge. Der Richter: Ich bin Nationaler.", "Presse", 24. Mai: "NS Prozeß: Zeuge durfte Lehrer helfen". – Es gibt noch viele weitere Beiträge in allen österreichischen Zeitungen und auch in Rundfunk und Fernsehen.

Soll Richter Januschke, meine sehr geehrten Damen und Herren, trotz der Sympathie für die Wiederbetätigung, der Sympathie für den Angeklagten, aus der er kein Hehl macht, unerklärlicherweise weiter in Österreich sein Amt ausüben dürfen? – Ich persönlich bin froh darüber, daß die Vereinigung der österreichischen Richter sofort reagiert hat. Sie hat nämlich gestern die Einleitung eines Ausschlußverfahrens beschlossen.

Herr Bundesminister Michalek! Sollte der Prozeß – so wie Zeugen berichten – tatsächlich so abgelaufen sein, wie es seit Tagen im Rundfunk und in den Zeitungen dargestellt wird, protestiert meine Partei – nicht nur meine Partei, ich glaube, auch viele Österreicherinnen und Österreicher – ganz entschieden gegen eine derartige Verzerrung und Voreingenommenheit eines österreichischen Richters. Aufgrund des bisherigen Prozeßverlaufs habe ich Sorge um die demokratische und rechtsstaatliche Richterschaft in Österreich. Ich glaube, daß deren Grundlage durch solche Richter gefährdet ist. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß dieser Prozeß ein trauriges Schauspiel für Österreich wird und sicherlich kein gutes Beispiel für unsere Jugend sein kann.

Wir sind froh darüber, daß die Jugend in Österreich in ihrer absoluten Mehrheit solchen Strömungen wie Antisemitismus, Rechtsextremismus, Radikalität entgegentritt. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden – obwohl der Prozeß gestern auf September vertagt worden ist; man könnte das aber aufgrund der bisherigen Interpretation des Richters erwarten –, daß die Entscheidung des Gerichtes schon vorgezeichnet erscheint.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist höchste Zeit, sich auch bei Gericht rechtzeitig vor solchen Entwicklungen zu distanzieren. Sollte dies nicht sehr bald und deutlich geschehen, ist nicht auszuschließen, daß die folgenden Sicherheitsberichte, die wir in diesem Haus zu diskutieren haben werden, im Hinblick auf das von mir im besonderen angesprochene


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Kapitel Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus in der Zukunft negativer ausfallen werden.

Ich darf daher an dieser Stelle die Bitte an den Herrn Innenminister, aber auch an den Herrn Justizminister richten, rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen zu setzen beziehungsweise zu veranlassen – im Interesse unserer Innenpolitik, aber auch im Interesse unseres Ansehens in der ganzen Welt und im besonderen in Europa. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.48

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Michalek. Ich erteile dieses.

13.48

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da nunmehr in einigen Wortmeldungen doch auch justizbezogene Themen angesprochen wurden, darf ich mich hiezu zu Wort melden.

Die Schwerpunkte der Justizpolitik in Sachen innere Sicherheit im engeren Sinne sind einerseits der entschiedene Kampf gegen schwere und vor allem organisierte Kriminalität auf der einen Seite, auf der anderen Seite sinnvolle täter- und opferorientierte Reaktionen im Bereich der massenhaft auftretenden Alltagskriminalität und schließlich ein von rationalen Überlegungen geprägter Strafvollzug, der seinen Zwecken, sowohl der sicheren Verwahrung des Straftäters als auch dessen optimaler Vorbereitung auf die Entlassung und die beabsichtigte Wiedereingliederung in die Gesellschaft, gerecht wird.

Was den Kampf gegen das schwere Verbrechen, gegen die organisierte Kriminalität anlangt, so muß man einmal mehr darauf hinweisen, daß die Bekämpfung der organisierten Kriminalitätsformen eine Gesamtstrategie mit Elementen technischer, organisatorischer, sozialer, rechtlicher Prävention, aber auch einen Ausbau des den Sicherheits- und Justizbehörden zur Verfügung stehenden Instrumentariums erfordert. Das bedeutet mit anderen Worten, daß neue Erscheinungsformen der Schwerkriminalität nicht bloß durch punktuelle Maßnahmen auf dem Gebiete des materiellen und formellen Strafrechts bekämpft werden können, sondern daß zur Steuerung gesellschaftlicher Entwicklungen die gesamte Rechtsordnung einschließlich des unter Umständen effizienteren Verwaltungs- und Zivilrechts im Sinne einer deliktspezifischen Strukturprävention gefordert ist und der Kampf gegen das Verbrechen nicht nur durch die Strafe, sondern auch – und das gar nicht nur im untergeordneten Ausmaß – durch Einwirkung auf die gesellschaftlichen Verhältnisse, also auf sozialpolitischem Gebiet, durch Maßnahmen der technischen oder organisatorischen Prävention und so weiter zu führen ist.

Natürlich muß man auch das Strafrecht und Strafprozeßrecht laufend dahin gehend prüfen, ob es noch tauglich ist, mit den neuen Formen der Kriminalität, insbesondere den zunehmend grenzüberschreitenden, organisiert auftretenden Verbrechensformen, fertigzuwerden, oder ob Adaptierungen erforderlich sind. Es ist sicher für die weithin auf den klar definierten sozusagen klassischen Rechtsbruch abgestellte Strafrechtsordnung nicht einfach, sich auf dieses geänderte Verbrechensszenario einzustellen und die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen. Sicher bedarf es hiefür auch einer Unterstützung durch legislative Maßnahmen.

Wir können darauf hinweisen, daß einige Schritte des Gesetzgebers auf diesem wichtigen Weg bereits gegangen worden sind, andere in Vorbereitung stehen. Schon seit 1993 sind die Geldwäscherei und die kriminelle Organisation eigenständige Straftatbestände und schließt das prozessuale Zeugenschutzprogramm die Möglichkeiten des Anonymbleibens eines Zeugen ein.

Im Hohen Haus liegt die Regierungsvorlage eines Strafrechtsänderungsgesetzes, in deren Mittelpunkt die Abschöpfung krimineller Gewinne steht, die auf die schwere und organisierte Kriminalität abzielt, um deren Finanzierungsbasis anzugreifen.

Gleichfalls zur parlamentarischen Beratung und zur rechtspolitischen Entscheidung steht die vom Justizministerium gemeinsam mit dem Innenministerium ausgearbeitete Regierungsvorlage über besondere Ermittlungsmaßnahmen zur Bekämpfung organisierter Kriminalität, insbeson


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dere zur akustischen und optischen Überwachung nichtöffentlichen Verhaltens von Menschen. Wir haben uns dabei um eine Balance zwischen einer Verbesserung der kriminalpolizeilichen Ermittlungsinstrumentarien auf der einen Seite und einer gleichzeitigen Eingrenzung der damit verbundenen tiefgreifenden Eingriffe in die Privatsphäre des einzelnen und in dessen Persönlichkeitsrechte bemüht. Wir haben uns dabei aber auch an der Rechtsentwicklung unserer Nachbarstaaten, insbesondere der Europäischen Union, orientiert – dies in der Überlegung, daß alles getan werden muß, um zu verhindern, daß Österreich in unzuträglichem Ausmaß ein Ruheraum, ein Ort der Planung illegaler Aktivitäten oder ein Finanzplatz des organisierten Verbrechens wird. Wir haben aber zugleich auch darauf geachtet, daß die Eingriffe in die grundrechtlich geschützten Bereiche auf das unbedingt Notwendige beschränkt und die Grundsätze unseres Strafverfahrens gewahrt bleiben.

Was die Instrumentarien zur Bearbeitung der Alltagskriminalität anlangt, sollen diese in einer zeitgemäßen Weise verbessert und erweitert werden. Dazu gehört der weitere Ausbau des schon seit einem Jahrzehnt erfolgreich durchgeführten außergerichtlichen Tatausgleiches ebenso wie ein kurz vor Fertigstellung befindliches Konzept der Diversion, also einer vereinfachten und zugleich besser auf den Einzelfall abgestellten Erledigung minderschwerer Verstöße weniger gefährlicher Täter. Dabei soll der Schadenswiedergutmachung und den anderen Interessen der Opfer ein besonderes Augenmerk geschenkt werden.

In dem heute schon mehrfach angesprochenen Drogenbereich liegen dem Nationalrat nicht nur die zu ratifizierenden einschlägigen Konventionen der UNO und des Europarates vor, sondern auch ein vom Bundesministerium für Justiz mitbetreutes neues Suchtmittelgesetz. Durch dieses wird durch Einbeziehung auch der psychotropen Stoffe und der sogenannten Vorläuferstoffe auf der einen Seite das Kriminalitätspotential zwar ausgeweitet, auf der anderen Seite ist die Regierungsvorlage aber bestrebt, den bewährten flexiblen Umgang mit suchtmittelabhängigen Straftätern in systemimmanenter Weise maßvoll weiterzuentwickeln. Es wird also nicht, wie hier gesagt wurde, zu einer Entkriminalisierung kommen, sondern es werden die Betroffenen weiterhin als Straftäter eingestuft. Es werden auch nicht alle Beschaffungstaten in die vorläufige Zurücklegung einbezogen werden, sondern es werden die Voraussetzungen hiefür, nämlich keine schwere Schuld und adäquate spezialpräventive Wirkung, ausdrücklich geregelt sein.

Auch der Vorwurf oder die Behauptung, daß es zu einer kontrollierten Heroinabgabe käme, entbehrt jeglicher Grundlage. Der Entwurf präzisiert bloß die auch heute nach dem geltenden Suchtgiftgesetz, nach den Grundsätzen auch der medizinischen Wissenschaft fundierte zulässige Abgabe von Substitutionsmitteln für schwer Suchtmittelabhängige, insbesondere für schwer Heroinabhängige. Dieses Modell der oralen Substitutionsbehandlung mittels Methadon und Heptadon wird seit zehn Jahren in Österreich mit Erfolg angewendet und ermöglicht es Heroinabhängigen, einer gezielten Arbeit nachzugehen und nicht Beschaffungskriminalität für weiteren Heroingenuß begehen zu müssen.

Ich möchte wirklich eindringlich an alle, auch an Sie, meine Damen und Herren vom Bundesrat, appellieren, das einzig sinnvolle und bewährte Modell "Therapie statt Strafe" nicht grundsätzlich in Frage zu stellen oder an der Finanzierungsfrage scheitern zu lassen.

Noch ein Wort zur Ausländerkriminalität und zu den Verhältnissen in den österreichischen Haftanstalten.

Zunächst muß man sagen, daß die statistischen Unterlagen unter dem Mangel leiden, daß sie keine Differenzierung zwischen den ständig in Österreich sich aufhaltenden Ausländern und den nur vorübergehend sich hier aufhaltenden Ausländern machen, und das erscheint mir in einem Tourismusland, in dem es jährlich etwa 200 Millionen Grenzübertritte und etwa 100 Millionen Ausländerübernachtungen gibt, doch zumindest immer wieder bedenkenswert. Auch die Erfahrungen zeigen, daß der hohe Ausländeranteil unter den Straftätern keineswegs auf die hier ständig wohnhaften Ausländer zurückzuführen ist, sondern auf jene, die sich bloß vorübergehend hier aufhalten.


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Der Ausländeranteil an allen Tatverdächtigen ist mit 20,8 Prozent in etwa gleich hoch wie der Ausländeranteil an allen rechtskräftig Verurteilten mit 22 Prozent oder den in den Justizanstalten inhaftierten Häftlingen von etwa 21 Prozent. Im übrigen sind zwar viele Ausländer hier in Haft, aber der Ausländeranteil in den Justizanstalten ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken, so etwa vom Jahre 1993 bis 1995, also innerhalb dieser zwei Jahre, um 10,3 Prozent.

Richtig ist, daß der Ausländeranteil unter den Untersuchungshäftlingen mit 42 Prozent außerordentlich hoch ist. Das ist aber meines Erachtens nur verständlich und hat auch nicht wirklich etwas mit der Struktur der ihnen zur Last gelegten Kriminaltaten zu tun, sondern das ergibt sich einfach aus den Voraussetzungen für die Untersuchungshaft oder die Möglichkeiten, ohne Untersuchungshaft auszukommen. Bei einem, der keinen Wohnsitz in Österreich nachweisen kann, kommt es eben wegen Fluchtgefahr öfter zur Verhängung der Untersuchungshaft.

Noch ein Wort zu dem vom letzten Vorredner angesprochenen, zu Recht mit ernsten Worten kommentierten derzeit anhängigen Prozeß wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung und das Verhalten des Vorsitzenden in diesem Prozeß.

Meine Damen und Herren! Bei aller mir als Bundesminister für Justiz auferlegten Zurückhaltung, was Äußerungen über laufende Gerichtsverfahren anlangt, möchte ich in diesem Fall doch das klare Wort sagen, daß mich das – noch dazu trotz sofortigen Einschreitens der Dienstaufsicht und massiver öffentlicher Kritik – fortgesetzte Verhalten des Vorsitzenden erschüttert und empört hat.

Damit das Vertrauen der Bevölkerung in die Objektivität der Rechtsprechung keinen Schaden leidet, hat die Reaktion auch der Justizverwaltung entschlossen und konsequent zu sein. Der Staatsanwalt beantragt, wie Sie gehört haben, die Ablehnung des Richters, bei deren Stattgebung durch den Gerichtshofpräsidenten das Verfahren neu abzuwickeln ist. – Soviel zu einer möglichen bereits gegebenen Beeinträchtigung der Geschworenen. Darüber hinaus wird der Oberlandesgerichtspräsident als Dienstaufsichtsbehörde nach Einlangen der Verhandlungsprotokolle und des Berichtes des Staatsanwaltes die Verhandlungsführung des Vorsitzenden zu beurteilen und danach zu entscheiden haben, welche Maßnahmen er gegen den betroffenen Richter als erforderlich erachtet, insbesondere auch in disziplinärer Hinsicht. Nach den mir bisher vorliegenden Informationen zweifle ich aber nicht daran, daß dieser Fall dem Disziplinargericht zur Entscheidung vorgelegt werden wird. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte mit der Versicherung schließen, daß die Justiz wie bisher auch in Zukunft ihren Beitrag zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit leisten wird: durch eine rationale Strafrechts- und Strafvollzugspolitik im Dienste wirksamer Bekämpfung der Kriminalität, eines verbesserten Opferschutzes und einer nachhaltigen Resozialisierung der Straftäter. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.06

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile dieses.

14.06

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Meine Herren Bundesminister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es passiert nicht alle Tage, daß ein Mitglied dieses Hauses mit einem Ordnungsruf bedacht wird. Ich bin auch nicht empfindlich und möchte hier klarstellen, daß ich mich an die Usancen dieses Hauses halten möchte und immer gerne gehalten habe.

Aber eines nimmt mich wunder: Die Gleichbehandlung habe ich etwas vermißt. Um das Gewicht nicht bei der Frau Präsidentin zu belassen, die diesen Ordnungsruf erteilt hat – den ich zur Kenntnis nehme –, biete ich Kollegen Repar an, daß wir beide auf die Immunität verzichten und vor Gericht die Vorgänge klären, die hier passiert sind. Ich lasse grundsätzlich nicht unterstellen, daß eine Gemeinschaft "skrupellos" ist – ich habe solche Worte nie in den Mund genommen –, daß wir zu Verbrechen aufhetzen. Wir werden das dem Protokoll entnehmen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Ich bitte, das Herrn Kollegen Repar auszurichten. Weiter möchte ich zu diesem Vorfall nicht Stellung nehmen. Ich stelle mich natürlich der Beurteilung der Persönlichkeiten, die seit Jahrzehnten hier in diesem Haus für die Vorsitzführung verantwortlich sind. Ich unterstelle mich deren Urteil ebenso. (Ruf bei der SPÖ: Aber auch der Herr Prasch!) Mein Name ist nicht Prasch, sondern Tremmel, bitte.

Meine Damen und Herren! Zum Sicherheitsbericht. Es heißt in der Einbegleitung: "Die Erhaltung der inneren Sicherheit ist in der jüngeren Vergangenheit zu einer immer komplexeren Aufgabe geworden, die immer weniger auf innerstaatliche Maßnahmen beschränkt werden kann. International organisierte Kriminalität können wir nur gemeinsam mit den anderen europäischen Ländern wirksam und erfolgversprechend bekämpfen." – So heißt es weiter. Ebenso heißt es: "Das Vertrauen der Bürger in die Justiz, die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und der Schutz vor Verbrechen sind wichtige Grundlagen des demokratischen Rechtsstaates. Dieses Vertrauen zu bewahren und auszubauen, muß einer der Schwerpunkte der Justizpolitik sein."

Meine Damen und Herren! Ich stehe auch nicht an – um damit zu einem weiteren Satz in der Schlußfolgerung zu kommen –, hier Dank und Anerkennung an die in diesem Bereich tätigen Beamten auszusprechen, weil etwa auch in dieser Einbegleitung zu lesen ist – was an und für sich völlig selbstverständlich sein müßte –, daß erstmals mit Hilfe von PCs, also mit Personalcomputern, gearbeitet wurde und dieser Bericht auch deswegen übersichtlicher erstellt werden konnte.

Diese Bemerkung hat deswegen Gewicht, meine Damen und Herren, weil im Bereich des Innenministeriums sehr lange einzelne Beamte – Sie können es im Buch von Erwin Kemper "Verrat an Österreich" nachlesen – ihre persönlichen PCs verwenden mußten, weil solche noch nicht vorhanden waren. Ich bin froh, daß diese Grundvoraussetzung jetzt gegeben ist.

Kollege Hüttmayr hat mir voll aus der Seele gesprochen, als er die noch vorhandene Rechtssicherheit in diesem Staat besonders hervorgehoben hat. Er meinte, daß das auf die ideellen Bereiche – Rettung, Zivilschutz, Bergrettung, Feuerwehr et cetera – zurückzuführen sei. Wir haben – und das ist, glaube ich, auch einer der Gründe – diesbezüglich in Österreich einen ganz hervorragenden und sehr hohen Standard: Nirgendwo auf der Welt gibt es derart massive Bereiche, die von ideellen Vereinen verwaltet werden, und deswegen ist neben den Beamten auch diesen Bereichen wirklich besonderer Dank auszusprechen.

Die Sicherheit in einem bestimmten Bereich ist besonders gefährdet, heißt es in einer Presseaussendung des Bundeskanzleramtes vom 20. Februar dieses Jahres, in der das Bundesgesetz zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität erläutert wird. Es wird davon gesprochen, daß sich das Auftreten neuer Formen geplanter, organisierter und geschäftsmäßiger Kriminalität auch in Österreich häuft, sehr oft mit grenzüberschreitendem Charakter.

Es wird in diesem Zusammenhang auch auf die Reformbedürftigkeit der Sicherheitsexekutive hingewiesen. Der Herr Innenminister meinte heute beschwichtigend, daß diese Reformen bereits laufen. Ich muß in diesem Zusammenhang wieder aus dem vorhin genannten Buch "Verrat an Österreich" von Kemper zitieren:

Durch die jahrzehntelange Erfahrung haben viele altgediente Stapo-Beamte enormes fachspezifisches Wissen angesammelt. Nur ist die Struktur des Stapo-Dienstes so verknöchert, daß viele Entscheidungen eigentlich auf der Strecke bleiben beziehungsweise hat sie sich der Innenminister vorbehalten. Nur 1 Prozent der vom Staatsschutz erarbeiteten Informationspapiere erreichen das Kabinett des Ministers.

Meine Damen und Herren! Daraus können Sie durchaus schließen, wie stark die Beurteilungskraft der Zentrale gegenüber den einzelnen Beamten ist, und es wäre gut, wenn dieses Schild "Alle für EINEM für alle" – ich weiß nicht: ist das jetzt als Ersatz für die nicht vorhandenen Anwesenden aufgestellt? – auch für die Beamten gelten würde, die sich diskriminiert fühlen. (Ruf bei der SPÖ: Es gilt auch für Sie! Für alle!)


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Ebenso heißt es: "Mit Lippenbekenntnissen muß endlich Schluß sein: Eine rasche und umfassende Reform der Staatspolizei ist unerläßlich!" – Das können Sie auch auf Ihre Schilderl schreiben.

Oder, weiter heißt es: "Nach längeren Querelen wurde den Beamten erst im November 1995" – man höre und staune: das in einem demokratischen Staat! – "das aktive und passive Wahlrecht zugestanden." – Ganz erstaunlich, daß das in einem Ministerium, das von einem sozialdemokratischen Minister geführt wird, wo Sie sich von der Sozialdemokratie doch die Rechte der Gleichbehandlung auf Ihre Fahnen geschrieben haben, damals noch nicht Platz gegriffen hat.

Meine Damen und Herren! Weil hier im Zusammenhang mit der Sicherheit – ich glaube, leider Gottes manchmal zu Unrecht – immer wieder das Wort "rechts" und manchmal auch das Wort "links" in den Mund genommen wurde, darf ich hier Anschläge aufzählen, die bis dato nicht geklärt wurden und die eigentlich völlig in Vergessenheit geraten, weil sie medial nicht entsprechend wirksam sind oder weil sie eben nicht gebraucht werden können:

1985: Anschlag gegen den ehemaligen libyschen Botschafter Ghadamsi; 1985: Bombenanschlag auf die "Ungarische Zentral-, Wechsel- und Creditbank; 1985: Sprengstoffanschlag auf ein Wohnhaus in Wien 2, das von jüdischen Bewohnern bewohnt wird; Anschlag am Flughafen Wien-Schwechat durch drei palästinensische Terroristen (Abu-Nidal-Gruppe), vier Tote; Brandanschlag auf die Generaldirektion von BBC-Brown Boveri in Wien 10. – Hier ist zwar ein geringer Schaden entstanden, aber es ist erstmals – das ist zwar noch nicht aufgeklärt – ein Bekennerschreiben aufgetaucht, nämlich im linksextremen Blatt "PERMANENTE ESKALATION".

Oder, weiter: Sachbeschädigungen zum Nachteil der CA in der Pilgramgasse; Sachschaden 500 000 S, Bekennung veröffentlicht in "PERMANENTE ESKALATION"; Anschlag auf das Büro der Saudi-Arabian-Airlines in Wien; Hinterlegung einer Handgranate vor der Tür der Kuwaiti Airlines; Sachbeschädigung zum Nachteil der Firma Siemens Österreich AG, Wien 1, Bekennung veröffentlicht in "PERMANENTE ESKALATION". – Bitte, hier hat man – um hier nur ein Segment zu zitieren – niemals etwas von einer Aufklärung, von einer wirklichen Aufklärung gehört.

Man braucht sich nur das Inhaltsverzeichnis dieses Buches durchzusehen: "Staatsschützer oder Spitzel?", "Operationsgebiet Österreich", "Das Falschspiel des Ostblocks", "In den Händen der Securitate", "Kindergrüße aus der Heimat", "Hofrat im Sonderangebot", ",Costea’"- der Bock als Gärtner", "Eine Sache der Ehre" oder der ,Fall Hochenbichler’ aus sehr persönlicher Sicht", "Wirtschaftsspionage", "Kalte Krieger", "Recht und Unrecht" – die Geschichte des DDR-Spions ,Karl Weber’" – das spielt schon sehr aktuell in die Gegenwart –, ",Mister Seven’ und andere Nummern", "Spontane Freundschaft", "Extremismus von links und rechts", "Anschläge in Österreich", "Der moderne Sklavenhandel".

Das, meine Damen und Herren, ist eine Beurteilung, die nicht von uns getroffen wurde, und wenn man sich das vor Augen führt, dann kommt man drauf, daß es mit dem Sicherheitsgefühl oder dem Sicherheitsempfinden der Menschen schon ein bißchen anders ausschaut, und dann kann man auch verstehen, daß hier gesagt wird, wir fühlen uns nicht mehr so sicher – trotz der einschlägigen Versicherungen.

Kürzlich ist mir eine Zeitschrift, eine deutsche Zeitschrift, in die Hand gekommen, nämlich der "FOCUS" vom 6. Mai 1996. Auf dem Titelblatt steht: "Berlin – Hauptstadt des Verbrechens". In diesem Artikel werden dann die einzelnen Daten zitiert: Im Jahr 1995 hat es in Berlin 580 829 Kriminaltaten gegeben. Man stellt das dann Österreich gegenüber: In Österreich hat es 515 046 Kriminaltaten gegeben. Weiters stellt man das Ganze Wien und auch anderen Städten gegenüber: In Wien hat es rund 172 000 Delikte gegeben, bei 1,2 Millionen Einwohnern. Das heißt, pro 1 000 Einwohner sind 143 Delikte begangen worden. In Berlin waren es bei 3,5 Millionen Einwohnern 581 000 Straftaten, also pro 1 000 Einwohner 166 Delikte. In London – es wurde ja vorhin zitiert, daß Wien eine der sichersten Millionenstädte ist – mit rund 7 Millionen Einwohnern gab es 829 000 Straftaten; also pro 1 000 Einwohner 118 Delikte. Paris mit rund


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10 Millionen Einwohnern hatte 1 028 000 Straftaten im Jahr 1995 zu verzeichnen, also pro 1 000 Einwohner 103.

Sie haben also jetzt den Zahlenvergleich gehört. Also hier werden wir – so bezeichnet diese Zeitschrift Berlin – in die Nähe der Verbrecherhauptstadt Europas gerückt. Die nackten Zahlen, meine Damen und Herren, geben dem recht.

Noch etwas sehr Interessantes ist in dieser Zeitschrift enthalten: Auf Seite 55 rechts unten steht – ich zitiere wörtlich –: "Am 22. April 1995 landeten drei ehrenwerte Herren aus Wien kommend, auf dem Flughafen Tegel. Im Hotel ,Holiday Inn’ nahe dem Ku’damm wurden Viktor A., Sergej M. und Arnold T. von Berliner ,Geschäftsfreunden’ empfangen. Verdeckte Ermittler fotografierten Küßchen und Umarmungen. Dann verschwanden die Bösewichter in zwei Luxussuiten. Die Fahnder sind sicher: ein Gipfeltreffen russischer Mafia-Paten." – Von Wien aus gesteuert, meine Damen und Herren!

Herr Innenminister! Ich möchte hier nicht Schrecken verbreiten, aber es wäre auch dafür zu sorgen, daß wir durch diesen Grauschleier endlich einmal durchsehen. Es werden hier seitenlang Statistiken zitiert, die belegen sollen, daß das oder das zurückgegangen ist, aber die organisierte Kriminalität, meine Damen und Herren, ist leider Gottes nicht zurückgegangen.

Sehr "geschätzter" Herr Justizminister! Sie haben hier den Fremdenanteil bei den Brennpunktdelikten, bei den Delikten gegen das fremde Eigentum, dargelegt. Hier ist der Fremdenanteil außerordentlich hoch. Und jetzt werde ich auch ein bißchen die Statistik zitieren: Besonders erhöhte Anteile fremder Tatverdächtiger: bewaffneter, gewerbsmäßiger und Bandendiebstahl: 57,1 Prozent; Diebstahl von Kraftwagen – es ist schon richtig, daß die Leute oft die Grenze überschreiten, aber man muß das halt entsprechend nachverfolgen –: 52,5 Prozent; Diebstahl von Gegenständen aus KFZs: 42,0 Prozent; Diebstahl und Entwendung in öffentlichen Verkehrsmitteln: 45,3 Prozent; räuberischer Diebstahl: 45,2 Prozent.

Meine Damen und Herren! Ich habe hier nur einen bestimmten Bereich des Sicherheitsberichtes beleuchtet, einen Bereich, der den Menschen weh tut und der auch ins Auge sticht. Und ich bitte Sie, Herr Innenminister und auch Herr Justizminister, und ich ersuche die Bundesregierung – wir als Opposition richten eigentlich immer solche Ersuchen an Sie, und zwar in relativ höflicher Form –: Bitte sorgen Sie dafür, daß das, was Sie in Ihrer Präambel, in Ihrer Einbegleitung hier gesagt haben – Sie haben gesagt, Sie machen sich wirklich Sorgen um die Sicherheit der Bevölkerung –, endlich Wirklichkeit und nicht eine unendliche Geschichte wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.23

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Pischl. Ich erteile dieses.

14.23

Bundesrat Karl Pischl (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns heute mit dem Sicherheitsbericht 1994 beschäftigen, dann diskutieren wir eigentlich ein Stück Sicherheitsvergangenheit, aber ein Stück Sicherheitsvergangenheit als Fundament, auf welches man sicherheitspolitisch sicher bauen und auf dem Sicherheitspolitik weiter entwickelt werden kann.

Ich möchte in meinem Beitrag jetzt nicht mehr auf irgendwelche Details eingehen. Das haben meine Vorrednerinnen und Vorredner ausführlichst gemacht. Ich möchte bei dieser Debatte in der Länderkammer zwei Punkte anschneiden, welche beim Hearing Innere Sicherheit im Land Tirol aufgezeigt wurden. Der erste Schwerpunkt dabei war Personal und Ausrüstung.

In den letzten Jahren hat es auch in Tirol einen Planstellenzuwachs für den Exekutivbereich gegeben. Auch in die technische Ausrüstung wie Funkgeräte, Mobiltelefon, Faxgeräte oder Bildschirmschreibmaschinen wurde investiert. Das Problem, das bei diesem Hearing sehr deutlich zum Ausdruck gekommen ist, war, daß trotz dieser positiven Entscheidungen im


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Personal- und Ausrüstungsbereich dieser den Entwicklungen des Landes nachhinkt, und das nicht erst seit wenigen Jahren, sondern schon über Jahrzehnte.

Es sind nicht berücksichtigt der Bevölkerungszuwachs, der Bereich des Tourismus mit zirka 42 bis 45 Millionen Nächtigungen oder das ständig wachsende Verkehrsaufkommen, das gerade in Tirol, einem Transitland, ein äußerst sensibles Thema darstellt. Wir haben also – ich kann das nur hoffen – wiederum einen Sommer vor uns, in dem die Exekutive gefordert sein wird.

Im wahrsten Sinne des Wortes steckengeblieben ist die dringend notwendige EDV-Ausstattung. Der derzeitige Etappenplan im EDV-Bereich – das wurde bei diesem Hearing sehr plastisch dargestellt – kann nicht zielführend sein, denn es überholt und überrollt uns die technische Entwicklung auf diesem Gebiet.

Herr Bundesminister! Ich bin überzeugt, daß gerade für den Sicherheitsbereich mit seinen zukünftigen Aufgaben eine Art En-bloc-Ausstattung erreicht werden soll. Sie haben heute in der Fragestunde darauf hingewiesen, daß ein Schwerpunkt bei der EDV-Ausstattung gesetzt werden soll. Auch im Ausschuß hat Ihr Mitarbeiter diese Feststellung getroffen. Ich hoffe, daß ich Sie nicht falsch verstanden habe und daß dieser Schwerpunkt in absehbarer Zeit gesetzt wird. Ich möchte aber die Frage anschließen: Wann wird damit begonnen, und welche Größenordnung wird diese Investition haben?

Hohes Haus! Eine ähnliche Situation ist auch bei der Funkausstattung gegeben. Das dringend notwendige neue digitale Funknetz für die gesamte Bundesgendarmerie würde – nach Aussagen bei diesen Diskussionen – 2 Milliarden Schilling kosten. Jährlich stehen dafür zirka 50 Millionen Schilling zur Verfügung. Ich habe diese Zahlen nicht überprüft und nicht hinterfragt, möchte Sie aber doch hier vorbringen. Sollten sie nicht stimmen, werden Sie, Herr Minister, sicherlich darauf hinweisen.

Hohes Haus! Ich weiß, daß in Zeiten des Sparens eigentlich über solche großen Investitionsprogramme nicht gesprochen werden soll, aber trotzdem muß das Bewußtsein dafür geschaffen werden, um den sicherheitspolitischen Herausforderungen der Zukunft mit seinen neuen Formen der nationalen und internationalen Kriminalität gerecht zu werden.

Ein weiterer Schwerpunkt dieses Hearings war die Sicherung der Grenze zu Italien. Das ist bestimmt ein sehr spezifisches Problem für Tirol, aber ich glaube, daß das auch hier in der Länderkammer gesagt beziehungsweise angesprochen gehört. Das Schengener Abkommen sieht die völlige Abschaffung der Grenzkontrollen innerhalb der Mitgliedsstaaten und dafür die stärkere Kontrolle der Außengrenzen vor. Österreich möchte mit Inkrafttreten des Abkommens, für das derzeit, glaube ich, Herr Bundesminister, noch kein Termin endgültig fixiert ist, Vollmitglied sein.

Ob Italien, das auch dem Schengener Abkommen beitreten möchte, die technischen und sicherheitspolitischen Auflagen aufgrund seiner schwierigen geographischen Situation erfüllen wird, kann von mir nicht und, ich glaube, von uns allen hier überhaupt nur schwer beurteilt werden. In Tirol gibt es aber große Bedenken, was geschieht, wenn Italien dem Schengener Abkommen nicht beitreten kann. Dann wird der Grenzabschnitt zwischen den beiden EU-Staaten Österreich und Italien auf der österreichischen Grenzseite zur Schengener Außengrenze. Welche Vorkehrungen sind getroffen für einen solchen Fall?

Seit unserem EU-Beitritt wurde die Zollwache an der Grenze zu Italien personell stark reduziert, und es wurden keinerlei Investitionen getätigt, wie zum Beispiel im Hinblick auf die Anschaffung moderner Dokumentenüberprüfungsgeräte analog der bayrischen Grenzpolizei.

Durch diesen reduzierten Personaleinsatz ist der Grenzübertritt nicht mehr ausreichend kontrollierbar. Jetzt kommt aber ein Assoziationsabkommen zwischen Österreich und Italien, welches vorsieht, daß Personen, die illegal über die Grenze vom Süden her nach Tirol kommen und mehr als 10 Kilometer von der Grenze weg im Inneren des Landes aufgegriffen wurden, von den italienischen Grenzbeamten nicht mehr zurückübernommen werden.


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Meine Damen und Herren! Wenn den Pressemeldungen Glauben geschenkt werden darf, in denen es heißt, daß es in Italien eine geschätzte Gesamtzahl von weit über 2 Millionen illegaler Einwanderer geben soll, dann muß einfach damit gerechnet werden, daß auch auf unser Land Ausweich- und Absetzbewegungen von erheblichem Umfang zukommen werden.

Es wird ein verstärktes Auftreten von illegalen Grenzüberschreitungen, verbunden mit einem internationalen Schlepperwesen, erwartet werden. Auch dem gilt es, entgegenzuwirken.

Herr Bundesminister! Das sind auch die Gründe, warum es in unserem Lande zum Thema Sicherheit sehr viel Unruhe gibt. Deshalb verlangt diese Situation, wie sie sich momentan am Brenner zeigt, ein Überdenken der eingeleiteten Maßnahmen in personeller und ausrüstungsmäßiger Hinsicht, was die Kontrolle an der Grenze zu Italien anlangt.

Hohes Haus! Noch nie war in der Bevölkerung das Bedürfnis nach Sicherheit und die diesbezügliche Sensibilität so groß wie in unserer Zeit. Noch nie hat sich die sicherheitspolitische Situation so gravierend und umfassend verändert wie in den letzten Jahren. Professionelle Formen des Verbrechens, insbesondere die organisierte Kriminalität, sind weiter auf dem Vormarsch. Das haben wir ja leider auch vom Herrn Innenminister in der heutigen Fragestunde hören müssen.

Terrorismus, organisiertes Verbrechen, Drogenhandel und Menschenschmuggel machen vor unseren Staatsgrenzen nicht halt. Meine Damen und Herren! Ein Europa ohne Grenzen muß dem freien Personen- und Warenverkehr dienen, aber nicht der internationalen organisierten Kriminalität.

Abschließend möchte auch ich mich bei allen Beamten der Exekutive für ihren nicht immer leichten Einsatz und ihre nicht immer leichte Arbeit bedanken. In diesem Sinne nehmen wir den Sicherheitsbericht 1994 zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.34

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Peter Rieser. Ich erteile dieses.

14.34

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren Bundesminister! Hohes Haus! Die Vorredner haben über die Problematik des Sicherheitsberichtes bereits ausführlich diskutiert. Daher möchte ich nur auf zwei wesentliche Punkte eingehen, erstens eine grundsätzliche Bemerkung aus steirischer Sicht machen und zweitens auf die EDV-Situation, die Kollege Pischl bereits angesprochen hat, eingehen.

Unsere Aufgabe hier im Hohen Haus ist es, diesen Sicherheitsbericht kritisch zu prüfen und daraus Schlußfolgerungen zu ziehen. Herr Kollege Richau hat ja die Aufklärungsquote mit 49,6 Prozent erwähnt, welche im internationalen Spitzenfeld liegt. Aber jedes Prozent Plus ist und muß für uns auch ein Erfolg sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Aufklärungsquote ist die Voraussetzung für ein funktionierendes Sicherheitssystem. Wir hier in diesem Hohen Haus haben die dementsprechenden Voraussetzungen dafür zu schaffen. Die Exekutive muß bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität Chancengleichheit erhalten: bessere Ausrüstungen, Aufklärung der Bevölkerung, beginnend meiner Meinung nach schon in der Schule. Das Sicherheitsbedürfnis der Bürger ist groß.

Im Interesse der Sicherheit darf es zu keiner Schließung von Gendarmerieposten mehr kommen. Feststellbar ist, daß eine besondere Zunahme bei Vermögensdelikten durch Jugendliche gegeben ist. Arbeitslosigkeit und soziale Komponenten sind meiner Meinung nach dafür die Hauptursache.

Die zunehmende Gewaltbereitschaft, welche mich nachdenklich stimmt, ist die Folge des Schwundes ethischer Bindungen in der Gesellschaft. Dies und die international operierende


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Kriminalität bedrohen die Sicherheit der Bürger. Sie untergraben das Rechtsbewußtsein des einzelnen und die Fähigkeit des Staates zum wirksamen Schutz.

Die innere Sicherheit ist nicht nur die Voraussetzung für die Freiheit, sie hat auch einen sozialen Stellenwert. Wachsende Kriminalität droht die Gesellschaft zu spalten in einen kleinen Teil, der sich die Sicherheit kaufen kann, und in einen überwiegenden Teil der Gesellschaft, welcher mangels staatlicher Autorität um sein Eigentum und Vermögen fürchten muß.

Kollege Hüttmayr hat die Opfer angesprochen. Meine sehr verehrten Herren Bundesminister! Aus der Statistik ist nicht ersichtlich, wie in diesem Zusammenhang mit den Opfern umgegangen wird.

Unsere Gesellschaft hat das Recht, zu wissen, welche volkswirtschaftlichen Kosten daraus erwachsen sind und ob und inwieweit die Täter zur erfolgreichen Schadensgutmachung herangezogen wurden.

Kollege Pischl hat über die EDV-Ausstattung gesprochen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade im Bereich des Einbürgerungsverfahrens durch die Bundesländer ist hier dringender Nachholbedarf gegeben.

Im Zuge des Einbürgerungsverfahrens holen die zuständigen Abteilungen der Landesregierung Stellungnahmen von Gendarmerie- und Polizeidienststellen, der Sicherheitsdirektion und der Gemeinden ein, um neben den allgemeinen Einbürgerungsvoraussetzungen auch die Frage abzuklären, ob sich eine fremde Person mit der österreichischen Rechtsordnung im Einklang befindet. Hiebei kommt es immer wieder vor, daß durch gewisse Informationen Zweifel darüber auftauchen, ob eine Person auch tatsächlich bereit ist, sich der österreichischen Rechtsordnung anzupassen und so keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt.

Daher wäre es noch kurz vor der Einbürgerung sinnvoll, wenn die zuständigen Abteilungen der Landesregierungen die Möglichkeit bekämen, eine Gesamtinformation sicherheitspolizeilicher Art über Personen abzufragen. Sehr geehrter Herr Bundesminister! Diese Zielsetzung könnte man dadurch erreichen, daß die jeweilige Landesregierung die Möglichkeit erhält, in besonders kritischen und auffälligen Verfahren im Wege der EDV in die beim Innenministerium befindliche Datenbank Einschau zu nehmen, wobei ein Zugriff auf möglichst viele gespeicherte Informationen notwendig ist. Die EKIS-Datenbank ist eine wichtige Einrichtung im Innenministerium, diese Daten müssen jedoch aufgrund der Zuständigkeit im übertragenen Wirkungsbereich – Staatsbürgerschaftswesen – den Ländern im direkten Weg zugänglich gemacht werden.

Ich bin der Auffassung, daß nur solche Personen die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten sollen, bei denen aufgrund ihres Vorlebens auch erkannt werden kann, daß sie sich in Hinkunft an die österreichische Rechtsordnung halten werden. Um dies zu gewährleisten, wäre ein solcher Zugriff notwendig.

Abschließend möchte ich festhalten: Polizei, Gendarmerie und Justiz müssen alle notwendigen Instrumente zur wirksamen Verbrechensbekämpfung erhalten. Vergehen und Verbrechen dürfen sich nicht lohnen. Bürgerrecht und Bürgerfreiheit werden heute nicht wie in der Vergangenheit durch Obrigkeitsstaat und Diktatur, sondern durch den verantwortungslosen und verbrecherischen Mißbrauch von Freiheit und Rechtsordnung bedroht.

Unsere Aufgabe als Mandatare in diesem Hohen Haus ist es, der Bevölkerung die Sicherheit zu geben, die ein demokratischer Rechtsstaat auch fordert. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.41

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Jürgen Weiss. Ich erteile dieses.

14.41

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Der Sicherheitsbericht ist der einzige, dessen Rechtsgrundlage – nicht alle Berichte beruhen ja


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auf einer Rechtspflicht – im Sicherheitspolizeigesetz ausdrücklich auch den Bundesrat als Berichtsempfänger einschließt. Ich möchte das zum Anlaß nehmen, um anzuregen, gegenüber dem Nationalrat darauf zu drängen, daß das auch in anderen Fällen so gehandhabt wird, weil sich die Tendenz breit macht, daß bei der gesetzlichen Verankerung von Berichtspflichten der Nationalrat lediglich an sich selbst denkt und die Zuleitung an den Bundesrat und die Behandlung hier dann mehr oder weniger vom Einvernehmen mit dem betreffenden Bundesminister und auch von Überlegungen abhängt, die hier angestellt werden, damit entschieden wird, welche Berichte denn überhaupt aus diesem reichhaltigen Bukett hier behandelt werden sollen.

Man geht sehr stark nach dem Grundsatz vor, wie man das in der Vergangenheit gehandhabt habe. Es kommen aber immer mehr Berichte an den Nationalrat, die auch hier diskussionswürdig wären, weil es zahlreiche Berührungspunkte mit den Ländern gibt. Ich erwähne jetzt nur den dem Nationalrat in jüngster Zeit zugegangenen Kunstbericht oder den Berufsbildungsbericht. – Beides Fälle, die auch Landeszuständigkeiten betreffen.

Der Sicherheitspolizeibericht selbst zieht in einem Abschnitt auch Bilanz über die Erfahrungen mit dem Sicherheitspolizeigesetz und hält durchaus zu Recht fest, daß die Vollziehung dieses von vornherein nicht ganz unbestrittenen Gesetzes keine Probleme bereite.

Dem ist durchaus zuzustimmen. Das ist auch die Lebenserfahrung, die man draußen hat, und auch die Erfahrung der Behörden, die damit arbeiten müssen. Es ist aber nichts so gut, daß es nicht auch verbesserungs- und ergänzungsfähig wäre. Ich möchte hier ein Anliegen zur Sprache bringen, das vor allem von den Städten immer wieder vorgebracht wird, nämlich eine gleichwertige Stellung der Gemeindesicherheitswachen mit den sonstigen Exekutivkörpern zu erreichen.

Das Sicherheitspolizeigesetz nennt sie zwar ausdrücklich als Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die Bundesverfassung allerdings hält in Artikel 78a Abs. 3 ausdrücklich fest, daß die Bundesgesetze bestimmen, inwieweit Organe der Gemeinden als Sicherheitsbehörden einzuschreiten haben und in welchem Ausmaß ihnen die für die Erfüllung ihrer Aufgaben nicht unerheblichen behördlichen Befehls- und Zwangsbefugnisse des Sicherheitspolizeigesetzes zukommen. Die Bundesverfassung selbst sieht diese Möglichkeiten für die Handhabung des Verwaltungsstrafgesetzes durch die Gemeindesicherheitswachen vor. In einer Novelle der Straßenverkehrsordnung im Jahr 1994 wurde Vorsorge getroffen, daß die Gemeindesicherheitswachen auch bei der Vollziehung der Straßenverkehrsordnung diese Befehls- und Zwangsbefugnisse der anderen Exekutivbeamten haben. Es gibt aber noch eine Reihe von Bundesgesetzen, die das nicht vorsehen und die den Gemeindesicherheitswachen nicht diese Möglichkeiten eröffnen, die andere Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben.

Das Problem stellt sich naturgemäß nicht in allen Ländern in gleicher Weise dar. Das hängt etwa auch davon ab, ob es Bundespolizeidirektionen und Bundespolizeiorgane gibt. Für Vorarlberg ist aber jedenfalls festzuhalten, daß neben 800 Gendarmeriebeamten immerhin rund 100 Beamte der Gemeindesicherheitswachen tätig sind und eine nicht wegzudenkende Ergänzung des Sicherheitsapparates darstellen.

Daher geht das Bestreben der Städte und der größeren Gemeinden, die solche Sicherheitswachorgane unterhalten, dahin, daß ihnen in einer Ergänzung der Bundesverfassung beziehungsweise des Sicherheitspolizeigesetzes eine gleichwertige Stellung hinsichtlich der Befugnisse, wie den sonstigen Organen der Sicherheitspolizei, eingeräumt wird. Das brauchen sie auch, weil sie wirklich umfassend darauf hinwirken sollen, daß rechtmäßige Zustände hergestellt beziehungsweise aufrechterhalten werden, ohne daß der für alle Beteiligte unverständliche Zustand eintritt, daß ein Organ der Gemeindesicherheitswache sagen müßte, in einem bestimmten Fall muß ich die Gendarmerie zur Hilfe bitten, damit ich wirklich ordnungsgemäß und so, wie es die Bürger erwarten, tätig werden kann.

Eine solche Ergänzung würde auch das schon zur Sprache gebrachte Problem der Abfrageberechtigung beim elektronischen kriminalpolizeilichen Informationssystem lösen, das den


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Gemeindesicherheitswachen derzeit ja auch noch nicht als Abfrageberechtigte zur Verfügung steht und was deren tägliche Arbeit nicht gerade erleichtert. Diese zwei Anliegen möchte ich für die sicherlich in nächster Zeit zu erwartende Novellierung des Sicherheitspolizeigesetzes anläßlich unserer Mitwirkung im Schengener Übereinkommen zur Diskussion stellen und um deren Berücksichtigung bitten.

In diesem Zusammenhang abschließend noch eine weitere Bitte an den Herrn Innenminister, der dieses Problem zwar nicht verursacht, aber geerbt hat: das leidige Problem der Führung des Landesgendarmeriekommandos Vorarlberg. Wir haben bei der Besoldungsreform und bei der Reform der Versetzungsmöglichkeiten die Hoffnung gehabt, daß die Einrichtung dieser Berufungskommission beim Bundeskanzleramt anstelle des ohnedies überlasteten Verwaltungsgerichtshofes Versetzungen etwas erleichtere und Einsprüche beschleunigt behandle. Die Erfahrung zeigt allerdings, daß diese Hoffnung offenbar doch nicht ganz berechtigt war, weil sich dieses Verfahren vor der Berufungskommission nun doch schon wieder längere Zeit hinzieht. Ich will diese Führungsprobleme beim Landesgendarmeriekommando hier nicht im Detail aufwärmen. Sie gehören hoffentlich bald der Vergangenheit an. Ich wäre sehr daran interessiert, auch im Interesse der dort tätigen Beamten, daß dieses Problem mit Ihrer Mitwirkung endlich einer Lösung zugeführt werden kann. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.49

Präsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit .

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen .

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 7. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Rechtsverhältnisse der Makler und über Änderungen des Konsumentenschutzgesetzes (Maklergesetz – MaklerG) (2 und 87/NR sowie 5168/BR der Beilagen)

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nun zum 2. Tagesordnungspunkt.

Vorher ersuche ich Sie, die Taferl, die ja mit diesem 2. Tagesordnungspunkt nichts mehr zu tun haben, wegzuräumen. – Danke für das Verständnis.

Wir kommen zum 2. Punkt der Tagesordnung: Maklergesetz.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Hedda Kainz übernommen. Frau Bundesrätin! Sie leisten heute Schwerarbeit.

Berichterstatterin Hedda Kainz: Hohes Haus! Der vorliegende Beschluß des Nationalrates normiert die Rechte und Pflichten aus dem Maklervertrag in einem allgemeinen Teil. Den wichtigsten Maklertypen wird anschließend in Sonderbestimmungen für Immobilienmakler, für Handelsmakler einschließlich der Versicherungsmakler und für Personalkreditvermittler Rechnung getragen. Vor allem für Verträge mit Immobilienmaklern werden im Konsumentenschutzgesetz – KSchG – einige besondere Schutzbestimmungen zugunsten der Verbraucher normiert. Unter bestimmten Umständen soll auch ein Rücktritt von Immobiliengeschäften möglich sein.


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Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Mai 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Johann Payer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann. Ich erteile dieses.

14.51

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf betreffend ein Maklergesetz geht ein langjähriges Vorhaben des Justizministeriums in die Zielgerade, das Maklerrecht zu kodifizieren und damit für eine Vielzahl wichtiger wirtschaftlicher Tätigkeiten einheitliche und klare Regeln festzulegen.

Seitens der Wirtschaft, seitens der Kammer, seitens der Immobilienmakler wird dieser Schritt begrüßt, führt er doch zu mehr Rechtssicherheit und zu einem ausgewogenen Kompromiß zwischen Formalismus und Konsumentenschutz auf der einen Seite sowie zur entsprechenden Absicherung der Wirtschaft auf der anderen Seite.

Da der Maklervertrag im österreichischen Recht als solcher rechtlich nicht geregelt war, konnte nunmehr mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine Regelungslücke geschlossen und sogleich allgemein für alle Maklertypen gültige rechtliche Normen geschaffen werden. Ebenso wurden Sonderbestimmungen für Immobilienmakler, für Handelsmakler einschließlich der Versicherungsmakler sowie für Personalkreditvermittler verankert.

Ein zentrales Anliegen der Makler ist die Erlangung der Provision bei erfolgreicher Vermittlung. Diese privatrechtliche Regelung eines Rechtsverhältnisses hat dementsprechend dafür zu sorgen, daß die Adäquanz von Leistung und Gegenleistung gewährleistet ist.

In Artikel I des Gesetzes werden die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem Maklervertrag festgelegt. Ich möchte sie nur beispielhaft aufzeigen, das sind: die Nachrichtspflicht im Rahmen der gegenseitigen Sorgfaltspflicht, insbesondere bei mehrfach Beauftragung, die Frage des Zustandekommens des Provisionsanspruches – es ist zu bemerken, daß grundsätzlich auch beim Nichtzustandekommen eines Vertrages unter bestimmten Voraussetzungen, die im § 15 des Maklergesetzes aufgezählt sind, Provisionen zu zahlen sind, die aber dem richterlichen Mäßigungsrecht unterliegen –, die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen sowie die Frage der Doppeltätigkeit bei einer ausdrücklichen Einwilligung durch den Auftraggeber.

Im § 16 wird die Aufklärungspflicht für Immobilienmakler sowie auch die Höchstdauer für Alleinvermittlungsaufträge festgelegt. Wie schon von der Berichterstatterin angeführt, war einer der wichtigsten Punkte neben dieser Kodifizierung die Frage der Ausweitung des Konsumentenschutzes, vor allem die Frage der Rücktrittsmöglichkeiten. Es wurde daher im § 30a des Konsumentenschutzgesetzes ein erweitertes Rücktrittsrecht von einer Woche ab Vertragserklärung und bei Erstbesichtigung durch den Konsumenten festgelegt. Darüber hat es dann eine sehr lange Diskussion gegeben, weil ursprünglich an eine Gesamtkaufhöchstgrenze von 3 Millionen Schilling gedacht war, das wurde zugunsten des Einbaus von Immobiliengeschäften in die Rücktrittsmöglichkeiten fallengelassen. Das ist sicherlich ein brauchbarer Kompromiß ohne zusätzliche Bürokratie. Ich persönlich bin aber nicht völlig davon überzeugt, ob man damit dem Konsumentenschutz dient. Ich glaube nämlich, daß dies zu einem überzogenen Konsumentenschutz führt, weil damit die Spekulationsmöglichkeiten von den Hausbesitzern und Maklern auf Mieter und Konsumenten übergegangen sind, weil – das ist das Problem – das Vermieten und Verkaufen von Immobilien nunmehr erschwert und verlängert wird. Das heißt, der Vermieter muß Kettenverträge abschließen, er muß Offerte sammeln, und wenn er innerhalb einer Woche einen zurücklegt, dann muß er den nächsten annehmen. Das dauert wieder eine Woche, denn so lange ist die Einspruchsfrist für die Interessenten.


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Das heißt, meines Erachtens wird der Immobilienmarkt damit erschwert, und man muß berücksichtigen, daß eigentlich hinter jedem Interessenten ein weiterer Interessent oder ein weiterer Konsument steht. Daher ist abzuwarten, ob dieser § 30a tatsächlich in der Form angewendet werden kann.

Ein weiterer Punkt im Maklergesetz war bei den Versicherungsmaklern die Definition der Provisionen, und zwar ob die Provisionen der Folgeprämien als Abschlußprämie oder als Betreuungsprämie aufgefaßt werden sollen. Diese Frage wurde, nachdem es keine Einigung zwischen der Versicherungswirtschaft und den Maklern gegeben hat, ausgeklammert und soll nun in Form von Rahmenprovisionsverträgen geregelt werden.

Insgesamt gesehen wurde versucht – dafür muß man dem Justizministerium und dem gesamten Arbeitsausschuß, der diese Gesetze jahrelang behandelt hat, danken –, mit diesem Maklergesetz das bestehende Mißtrauen auf dem Markt abzubauen, mehr Transparenz zu schaffen, um mitzuhelfen, daß ein funktionierender Markt aufgebaut wird.

Man hat schon bei der Diskussion im Nationalrat gesehen, daß sie sich in Richtung Maklerverordnung verlagert hat. Da geht es vor allem um die Provisionshöchstsätze. Es wurde vor wenigen Tagen ein entsprechender Bericht von der Arbeiterkammer in einer Zeitung gebracht. Ich glaube, man sollte doch die Kirche im Dorf lassen. Es ist nämlich interessant, daß diese Provisionssätze, die von der Arbeiterkammer, auch vom Liberalen Forum, meines Erachtens nach etwas unsachlich dargestellt werden, selbst von den Immobilien- und Vermögenstreuhändern erhoben worden sind.

Das Problem liegt darin, daß es sich hiebei um internationale Durchschnittssätze handelt, während wir in Österreich Höchstsätze verordnet haben. Das wäre genauso, als ob man den Spitzensteuersatz mit dem Durchschnittssteuersatz vergleicht. Daher sollte man aufpassen, wenn man derartige Vergleiche anstellt.

Eines sollte man klar festhalten: Die Provisionssätze müssen jedenfalls auch dort betriebswirtschaftlich ausreichen, wo man keine Traumpreise für Vermittlungen erzielt, nämlich im ländlichen Bereich. Man soll anerkennen, daß in Österreich beim Vermitteln das sogenannte absolute Erfolgsprinzip gilt, das bedeutet, daß der Makler nur dann Geld für seine Tätigkeit bekommt, wenn der Erfolg eingetreten ist. – Europaweit gibt es nur noch in Deutschland Höchstsätze für Vermittlung, und zwar bei Mietwohnungen, sonst ist die Vermittlung frei. Auch das Erfolgsprinzip, wie wir es haben, gibt es europaweit nicht.

Im Zusammenhang mit den gewünschten Provisionsreduktionen möchte ich darauf hinweisen, daß es schon jetzt zu Reduktionen gekommen ist. So ist zum Beispiel die Umsatzsteuer aus der Bemessungsgrundlage für die Provision herausgefallen. Für "makelnde Hausverwalter" hat es eine Begrenzung auf zwei Monatsmieten für Provisionsansprüche gegeben. Bei befristeten Verträgen wurden bei Verträgen bis zwei Jahre nur eine Monatsmiete, bei zwei- bis dreijährigen Verträgen zwei Monatsmieten und erst bei mehr als dreijährigen Verträgen drei Monatsmieten verrechnet.

Ich sage das bewußt, weil Kollege Fuhrmann im Nationalrat in Richtung Wirtschaftsminister einige kritische Bemerkungen gemacht hat. Ich habe festgestellt, daß die Verordnung, die von Fuhrmann erwähnt wurde, derzeit im Ministerium für Konsumentenschutz, also bei Frau Ministerin Krammer, liegt und – soweit ich gehört habe – bereits ein Einvernehmen in dieser Frage zwischen Wirtschaftsministerium und Konsumentenschutzministerium besteht. Es wäre daher für Kollegen Fuhrmann leicht gewesen, sich bei seiner Kollegin diesbezügliche Informationen zu holen.

Meine Damen und Herren! Abschließend zum Maklergesetz möchte ich nochmals bemerken: Es schafft eine klare Rechtslage, es definiert klar und eindeutig die Rechte und Pflichten der Makler und ihrer Auftraggeber. Es ist ein Schutz für unüberlegte Vertragsabschlüsse vorgesehen, verbunden mit Belehrungspflichten und Informationspflichten für Immobilienmakler und ihre Angestellten. Und es wurde schließlich ein Rücktrittsrecht unter bestimmten Voraussetzungen geschaffen.


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Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß dieses Gesetz durchaus den heutigen Ansprüchen entspricht. Ich glaube, daß es besser ist, daß wir dem Ziel dieses Gesetzes folgen, nämlich durch Qualität und Dienstleistung für die betroffenen Wirtschaftszweige entsprechende Verhältnisse zu schaffen, und nicht durch Preisnachlässe oder durch die Diskussion über die Maklerverordnung das Vertrauensverhältnis zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern neu belasten. In diesem Sinne wird meine Fraktion dem Maklergesetz ihre Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.02

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile dieses.

15.03

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß zu Beginn den Anmerkungen des Kollegen Kaufmann von Natur aus widersprechen, weil er meinte, daß das neue Maklergesetz so geartet ist, daß in der Folge der Konsumentenschutz überzogen ist. Ich glaube, Sie wurden bisher noch nie mit den Betroffenen konfrontiert und sind nicht über das viele Leid informiert, das im Zusammenhang mit Wohnungsverkauf und Wohnungsvermittlung in Österreich schon geschehen ist.

Aber trotzdem ist das heute vorliegende Maklergesetz ein wichtiges, weil es die Rechtsverhältnisse der Makler zu ihren Kunden regelt und in der Folge – wie schon erwähnt – auch wichtige Änderungen im Konsumentenschutzgesetz miteinbezieht, die insgesamt schon eine jahrzehntelange Forderung der Konsumenten gewesen sind.

Ich möchte aber nicht anstehen, Herrn Bundesminister Michalek und seinen Beamten zu danken, daß sie diese schwierigen und langwierigen Verhandlungen im Interesse der Konsumenten und vor allem jener Menschen, die dringend eine Wohnung suchen und meist übervorteilt wurden, positiv abschließen konnten. Ein Dankeschön richte ich auch an das Justizministerium, weil es doch sehr viele Anmerkungen der Interessenvertretung der Arbeitnehmer im vorliegenden Gesetz berücksichtigt hat.

Im neuen Maklergesetz werden nun zum ersten Mal verschiedene Maklergruppen, Immobilienmakler, Handelsmakler, Personalkreditvermittler und Versicherungsmakler, zusammengefaßt und die notwendigen spezifischen Regelungen getroffen. Vor allem das neue Rücktrittsrecht in § 30a des Konsumentenschutzes betrifft nicht nur Verträge, die mit Immobilienmaklern abgeschlossen werden, sondern alle Verträge, die auf den Erwerb einer Mietwohnung, aber auch eines sonstigen Gebrauchs- und Nutzungsrechtes oder des Eigentums an einer Wohnung oder eines Einfamilienhauses gerichtet sind.

In der Vergangenheit war es leider oft Praxis, daß private Wohnungseigentümer, die ihre Wohnung ohne Einschaltung eines Maklers vermieten oder verkaufen wollten und zu diesem Zweck ein Inserat schalteten, anschließend von den bekannten "schwarzen Schafen", die es auch in dieser Branche gibt – Kollege Langer wird sicherlich einige kennen –, belästigt und auch übervorteilt wurden.

Nachdem die Makler die Adressen der zum Verkauf stehenden Wohnungen ausfindig gemacht hatten, gaben sie auch gegen den ausdrücklichen Willen des Verkäufers nach Vermittlungsdiensten die Adressen an Wohnungssuchende weiter oder schalteten selbst Inserate in Zeitungen. Auch bei Zustandekommen eines solchen Geschäftes ist es öfters vorgekommen, daß die Makler von Verkäufern beziehungsweise von Vermietern oder Käufern und Mietern eine Vermittlungsprovision verlangt haben, obwohl die Makler eigentlich keine nennenswerte Leistung erbracht haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Außerdem werden im Konsumentenschutzgesetz für Verträge mit Immobilienmaklern spezielle Bestimmungen zur Sicherheit der Verbraucher festgeschrieben, was unseres Erachtens besonders wichtig ist. Erstmals wird ein Rücktrittsrecht von den Verträgen innerhalb von sieben Tagen eingeführt und somit möglich sein. Maßgeblich für die Wahrung dieser Frist beim Rücktrittsrecht ist aber das Aufgabedatum. Es ist daher aus Be


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weisgründen ratsam, eine Rücktrittserklärung nur schriftlich und auch eingeschrieben abzugeben.

Besonders positiv im neuen Gesetz ist auch zu bewerten, daß es nun keine Schillingobergrenze gibt, bei der ein Rücktrittsrecht ausgeschlossen ist. Denn es wäre sicherlich nicht erklärbar, daß bestimmte Konsumentenschutzrechte bei einem gleichartigen Produkt, nur weil sie teurer sind, hier also das Rücktrittsrecht, nicht gelten sollen. Erwähnt sei im übrigen auch, daß auch in allen anderen EU-Ländern keine derartige, auf den Kaufpreis bezogene Ausnahmeregelung beim Rücktrittsrecht vorhanden ist.

Kollege Kaufmann hat die Provisionen angesprochen. Er hat darauf verwiesen, daß es bereits eine Verordnung des Herrn Wirtschaftsministers gibt, die nun zur Begutachtung bei Frau Bundesministerin Krammer liegt. Er meinte, wir sollten in Österreich die Kirche im Dorf lassen. – Ich darf ihm entgegnen, wir sollten die Kirche in Europa lassen und sollten auch in Österreich die in Europa üblichen Provisionen anwenden. Da gibt es bis jetzt noch immer eklatante Unterschiede. Die drei Monatsmieten brutto sind bis jetzt üblich, vielleicht nicht zu 100 Prozent, aber zum größten Teil. Ich rede auch im voraus den Tag herbei, an dem auch in Österreich in Europa übliche Vermittlungsprovisionen eingeführt werden.

Zum Beispiel war es in Wien bisher ohneweiters möglich, wenn eine Bruttomiete 9 000 S betragen hat, daß bei Ausschöpfung des Rahmens die Provision 27 000 S ausgemacht hat. Im Vergleich dazu ist der Rahmen in anderen Landeshauptstädten, in Helsinki 8 000 S, in Berlin 13 000 S oder etwa in Zürich 6 000 S, weiter unten. (Vizepräsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Wenn Sie, lieber Kollege Kaufmann, den "Konsument" vom Mai 1995 anschauen, der aktuell ist, dann werden Sie auf bisher nicht sehr konsumentenfreundliche Praktiken draufkommen. Das wird Ihnen sicherlich auch Kollege Langer bestätigen können, der in dieser Branche seit Jahren erfahren tätig ist und auch mit der einen oder anderen Frage in seiner täglichen Praxis konfrontiert wurde. Ich möchte gar nicht die Konflikte aufzählen, die er mit der Mietervereinigung Österreichs in den verschiedensten Bezirken Wiens gehabt hat, die sicherlich nicht mit Ablösen zu tun haben. Aber bei Zinsabrechnungen und Gebührenabrechnungen kann auch das eine oder das andere – unbewußt – Angestellten passieren. Aber ich kann Sie alle beruhigen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Durch das neue Maklergesetz, durch die Verbesserung des Konsumentenschutzes und durch die von Kollegen Dr. Kaufmann angekündigte Verordnung des Herrn Bundesministers Ditz wird es all das, was wir bisher an Negativem erleben mußten, in der Zukunft nicht mehr geben.

Daher können wir Sozialdemokraten dem vorliegenden Maklergesetz mit ruhigem Gewissen die Zustimmung geben, weil es das Rechtsverhältnis zwischen Kunden, Konsumenten und den Maklern klärt und somit zweifelsohne mehr Rechtsicherheit für die Konsumenten besteht. Das Gesetz legt die Rechte und Pflichten fest, bringt mehr Transparenz und einen besseren Konsumentenschutz. Es ist somit eine wesentliche Verbesserung der gegenwärtigen Situation zu erwarten. (Beifall bei der SPÖ.)

15.13

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Dieter Langer. Ich erteile es ihm.

15.13

Bundesrat Mag. Dieter Langer (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Über Inhalt und Beweggründe, Intentionen des Maklergesetzes ist hier schon ausführlich gesprochen worden. Ich kann mich darauf beschränken, zuerst dem Justizministerium meinen Dank auszusprechen, daß diese Materie so lange und ausführlich beraten worden ist. Ich glaube auch – darin bin ich wohl ausnahmsweise mit meinen Vorrednern einer Meinung –, daß es aus Gründen des Konsumentenschutzes, der Rechtsübersichtlichkeit und der Rechtssicherheit notwendig war, dieses Maklergesetz in die Tat umzusetzen.


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Ich werde im Verlaufe meiner Ausführungen noch auf das zurückkommen, was Kollege Drochter erwähnt hat, und beginne bei dem Abschnitt, der die Immobilienmakler betrifft.

Es gab langandauernde Verhandlungen, die zwischen den Sozialpartnern, der SPÖ und der ÖVP geführt worden sind, ohne auch die Opposition einzubinden, auch nicht in der Berufsvertretung. Der Entwurf zum Maklergesetz wurde bereits in der letzten Legislaturperiode eingebracht. Damals – ich rufe es in Erinnerung – wurde beschlossen, einen Unterausschuß einzusetzen. In einem Unterausschuß wäre die Materie noch einmal beraten worden – mit Experten, auch mit der Opposition. Ich glaube, daß es wichtig gewesen wäre, statt, so wie es jetzt gehandhabt worden ist, zuerst das Maklergesetz zu verabschieden und dann erst in die Behandlung der Maklerverordnung einzutreten, daß beide Materien zugleich auf den Tisch gelegt worden wären.

Ich weiß schon, daß die Maklerverordnung ein anderes Ministerium betrifft und daß das Wirtschaftsministerium dafür zuständig ist. Ich glaube aber, es hätte sowohl für den Makler als auch für den Konsumenten mehr Sicherheit bestanden, wenn beide Materien in einem abgehandelt worden wären. Ich weiß auch, daß für das Erlassen der Maklerverordnung keine Beschlußfassung vorgesehen ist. Trotz alledem denke ich, daß eine derartige Materie letztlich auch das umfaßt oder umfassen sollte, was die Leute interessiert, nämlich was der Konsument zu bezahlen hat, wieviel Provision im Falle eines erfolgreichen – ich betone: erfolgreichen – Vermittlungsfalles zu zahlen ist.

Aber auch der Berufsstand interessiert sich natürlich dafür, weil es für den Berufsstand letztlich eine Überlebensfrage ist, wie hoch seine Arbeit, die er hier erbringt, entlohnt wird. Das ist eine Überlebensfrage für die vielen anständigen Makler, die es in diesem Berufsstand großteils gibt, denn die schwarzen Schafe kümmern sich um derartige Regelungen, selbst wenn sie in diesem Maklergesetz aufscheinen, zum Großteil nicht.

Da möchte ich Kollegen Drochter schon sagen, daß überzogene Konsumentenschutzbestimmungen dem Konsumenten weniger nützen, denn sie erschweren das Arbeiten der vielen, auf legalem Boden korrekt agierenden Makler, und sie nützen nur den schwarzen Schafen, denn diese unterlaufen diese Bestimmungen und kommen schneller zu einem Abschluß, wollen schneller zu einem Abschluß kommen und sind dann eher in der Lage, dem Konsumenten ihre Dienstleistung rascher anzubieten. Aus diesem Grund werden dann die Konsumenten, eben weil es einen rascheren Abschluß gibt, in die Arme der schwarzen Schafe getrieben.

Ich weiß schon, daß die Beispiele, die Kollege Drochter angeführt hat, durchaus auch stimmen, weil es eben schwarze Schafe gibt. Zum Teil sind darunter natürlich auch Adressenbüros, die letztlich nicht unter die Bestimmungen des Maklergesetzes fallen. Letztlich ist es auch eine Frage der Verdienstlichkeit, die durch Gerichte geprüft wird, wenn angenommen ein Vermittlungsgeschäft zustande kommt, das vielleicht gegen den Willen eines Auftraggebers erfolgt.

Letzten Endes fehlt das, was wir schon lange fordern und schon lange haben wollen, nämlich ein eigenes Disziplinarrecht für unsere Branche, denn nur mit einem derartigen Disziplinarrecht wird es uns auch selbst gelingen, im Selbstreinigungsprozeß diejenigen zu entfernen, die uns letztlich schaden.

Die Diskussion über die Höhe der Provision hätten wir auch deshalb gerne gemeinsam geführt, weil sie auch jetzt von der Arbeiterkammer nicht unter den richtigen Vorzeichen geführt wird. Kollege Dr. Kaufmann hat das schon erwähnt. Der europaweite Vergleich der Provisionshöhen basiert auf einer Auflistung aus dem Jahre 1989, die von falschen Voraussetzungen ausgeht, weil die Verhältnisse nicht gleich sind. Kollege Dr. Kaufmann hat schon gesagt, daß die Rahmenbedingungen eben nicht stimmen.

Es ist auch so, daß in den meisten europäischen Ländern hauptsächlich befristete Mietverträge abgeschlossen werden und das österreichische Mietenrecht darauf aufgebaut ist, eine vermietete Wohnung mehr oder weniger unbefristet zur Verfügung zu stellen. Selbstverständlich sind die Provisionen in diesen Ländern darauf abgestimmt, daß es dort eben eine kürzere Laufzeit von Mietverträgen gibt, sie sind daher nicht so hoch. Außerdem ist es so – das wurde heute


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schon erwähnt –, daß die Provisionen in den anderen europäischen Ländern Durchschnittswerte darstellen, während es bei uns Höchstsätze sind.

Leider ist es wirklich so, daß dieser Europavergleich von der Bundesinnung der Immobilientreuhänder im Jahr 1989 herausgegeben wurde, und leider ist es auch so, daß dieser Vergleich bislang noch nicht korrigiert wurde.

Auch das österreichische Kapitel der internationalen Maklervereinigung FIABCI hat trotz Vorliegen dieser Vergleichszahlen in Paris noch keine entsprechenden Korrekturen vorgenommen. Es blieb dem freiheitlichen Wiener Innungsmeister-Stellvertreter Dr. Dirnberger vorbehalten, die richtigen Werte in die richtige Relation zu bringen. Es liegt mir eine derartige Liste hier vor. Ich lese Sie nicht vor, aber, Kollege Drochter, ich stelle sie Ihnen gerne zur Verfügung. (Bundesrat Drochter: Danke!) Denn wenn man diese Vergleichszahlen auf eine vergleichbare Dauer der Verträge bringt, dann zeigt sich, daß Österreich bei den Provisionen auf Mietverträge europaweit im unteren Drittel liegt und daß die Provisionen bei der Vermittlung von Eigentum in Österreich in der unteren Hälfte des europäischen Durchschnitts liegen.

Auch einige andere Bestimmungen in diesem Gesetz, die den Berufsstand belastet haben, sind zum Teil für den Konsumenten nicht förderlich, zum Teil belastend und unerheblich.

Im Rahmen der hier versprochenen Verbesserung des Rücktrittsrechtes wurde auch die Halbierung der Provision bei Selbstvermittlung durch den Auftraggeber trotz aufrechten Alleinvermittlungsauftrages eliminiert. Das konnte durch einen Antrag aller Fraktionen bewerkstelligt werden.

Leider sind auch nicht die Wirtschaftsvertreter der ÖVP weiteren Anträgen der Freiheitlichen im Nationalrat gefolgt, die eine Verbesserung des Maklergesetzes, und zwar hinsichtlich der Formulierung des allgemeinen Rücktrittsrechtes und des in der vorliegenden Form praxisfremden Schriftlichkeitsgebotes, vorgesehen haben. Auch einer Änderung bei der Bekanntgabe wirtschaftlicher Verflechtungen sind sie nicht gefolgt, weil offenbar trotz der Versicherung, die Berufsinteressen der Makler zu vertreten, die großkoalitionäre Bindung stärker als das Wollen war.

Jedenfalls – das muß ich betonen – ist es wirtschaftswissenschaftlich gesichert, daß nur ein lebensfähiger und damit unabhängiger Berufsstand der Makler für den Konsumenten Marktübersicht bedeutet und beste Beratung garantiert. Auch bei den letzten Testreihen im "Konsument" wurde den getesteten Maklern eine überwiegend positive Beurteilung zuteil. Das Überleben der Makler ist auch im Bereich der Versicherungswirtschaft wichtig, und zwar auch für den Konsumenten, denn – auch das hat Kollege Kaufmann schon betont – hier ging es darum, die Unabhängigkeit der Versicherungsmakler gegenüber den Großkonzernen und der Versicherungswirtschaft zu wahren.

Ich komme hier auf § 30 Abs. 4 zu sprechen, der in der Regierungsvorlage der XIX. Legislaturperiode, also der vergangenen, enthalten war. Er beinhaltete die Folgeprovisionsregelung, die für die Unabhängigkeit der Makler letztlich wichtig ist. Die Folgeprovisionsregelung besagt, daß auch nach Abschluß oder nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Versicherungsmakler, und zwar dem unabhängigen Versicherungsmakler, und dem Versicherungsunternehmen für eine Weiterbezahlung der Folgeprovision gesorgt ist, denn in den meisten Fällen ist es so, daß Versicherungsmakler durch Knebelungsverträge dazu gebracht werden, auf Folgeprovisionserträge zu verzichten, wenn im Rahmen der Tätigkeit die gemeinsame Geschäftsbeziehung beendet wird.

Unverständlicherweise ist dieser Absatz in der nunmehrigen Regierungsvorlage nicht mehr enthalten. Wie ich im Ausschuß erfahren habe, soll diese Bestimmung aufgrund von Vereinbarungen der betroffenen Gruppierungen zustande gekommen sein. Die betroffenen Gruppierungen in diesem Vertragsverhältnis sind letztlich die Versicherungswirtschaft und die Konzerne auf der einen Seite und die betroffenen unabhängigen Makler auf der anderen Seite. Nach meinem Wissen waren jedenfalls die Makler im Rahmen ihrer Standesvertretung weder auf Landes- noch auf Bundeskammerebene in solche Verhandlungen eingebunden. Umso selt


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samer mutet es daher an, daß diese Bestimmung, die den unabhängigen Maklern das Überleben sicherte, dann plötzlich aus der neuen Regierungsvorlage herausgefallen ist.

Ich habe im Ausschuß auch gehört, daß diese Änderung im Justizministerium selbst Überraschung ausgelöst hat, weil der gute Zweck dieser Bestimmung auch von den Beamten des Justizministeriums und vom Herrn Justizminister erkannt worden war. Ich frage den Herrn Justizminister, ob es ihm möglich ist, mir genauer zu beantworten, auf welche Veranlassung hin dieser angeblich gemeinsame Wunsch auf Streichung dieses Absatzes herangetragen worden ist. Dies nützt jedenfalls nur den Versicherungsgesellschaften und Konzernen, denn es ermöglicht der übermächtigen Versicherungswirtschaft, unabhängigen Maklern die zuständige Folgeprovision in Frage zu stellen. Für den Konsumenten bedeutet das, daß er nicht mehr die Auswahl des kostengünstigsten Produktes erhält, weil der Versicherungsmakler praktisch abhängig davon ist, ein bestimmtes Produkt, weil er bei einer bestimmten Versicherungsgesellschaft unter Vertrag ist, bevorzugt zu behandeln, anstatt dem Konsumenten die Marktsituation übersichtlich darzulegen, ihn zu beraten und zu sagen, was für den Konsumenten am besten ist. Stattdessen bekommt der Konsument aller Voraussicht nach eine Beratung, die für den Makler und die Versicherungsgesellschaft besser ist.

Das halte ich in einer Situation, in der durch die Öffnung in Richtung Europa ein verstärktes Angebot von ausländischen, sprich nichtösterreichischen Versicherungen auf den Markt kommt und letztlich auch in Zukunft zum Teil einjährige, maximal dreijährige Versicherungsverträge abgeschlossen werden können, als für den Konsumenten nicht günstig. Nur ein unabhängiger Berufsstand der Versicherungsmakler sichert die Marktübersicht und die beste Beratung für den Konsumenten.

Leider sind wir auch in dieser Frage bei unserem entsprechenden Abänderungsantrag im Plenum des Nationalrates wie zuvor auch schon im Ausschuß alleingeblieben. Es ist den Freiheitlichen niemand gefolgt. Dennoch werden wir Freiheitlichen dieser insgesamt notwendigen Regelung der Gesetzesmaterie des Maklergesetzes zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.31

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Michalek. Ich erteile es ihm.

15.31

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf gibt mir Gelegenheit, ein Bekenntnis zu den unabhängigen Maklern abzulegen. Diesen kommt in einem immer größeren Markt immer größer werdende Bedeutung zu. Sie stellen dem Anbieter und dem Nachfragenden ihre speziellen Kenntnisse über die Marktverhältnisse zur Verfügung. Erst diese Transparenz hinsichtlich der Angebots- und Nachfragesituation ermöglicht das Funktionieren des freien Marktes und des für den einzelnen Marktteilnehmer, aber auch für die ganze Volkswirtschaft insgesamt notwendigen Spiels der Kräfte.

Mit dieser Gesetzesvorlage habe ich ein im Zusammenhang mit dem seinerzeit beschlossenen Handelsvertretergesetz abgegebenes Versprechen eingelöst. Ziel war, das bisher in unserer Rechtsordnung nur teilweise, nur sehr zersplittert und damit unübersichtlich geregelte Maklerrecht klar in einem Gesetz zusammenzufassen. Dabei wurde auch die Rechtslage für den Konsumenten maßvoll, aber immerhin deutlich – meines Erachtens nicht überzogen – verbessert, etwa durch das verstärkte Schriftformgebot, konkrete Aufklärungspflichten im Verbrauchergeschäft, die konkreten Rechtsfolgen für die Verletzung wesentlicher Interessenwahrnehmungspflichten des Maklers, vor allem aber auch durch das neue Rücktrittsrecht von Immobiliengeschäften, von dem heute die Rede war, das den Konsumenten vor unbedachten rechtsgeschäftlichen Erklärungen schützt.

Ich glaube nicht, daß es in diesem Fall zu den vielfach beklagten Schwierigkeiten kommen wird, Stichwort Kettenverträge oder Wartefrist, ist es doch ausschließlich auf den eingeschränkten Fall abgestellt, daß es sich um Erklärungen am selben Tag, an dem eine erstmalige Besich


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tigung stattfindet, handelt. Selbst wenn wie bisher Massenbesichtigungen stattfinden, bei denen eine Flut von Anboten eingeholt wird, so läuft die Rücktrittsfrist für jedes dieser Angebote vom selben Zeitpunkt an, nämlich der Aushändigung der Belehrung, sodaß nach Ablauf der Woche ein Überblick besteht, wer zurückgetreten ist und wer nicht, und dann besteht die Möglichkeit, mit einem der nicht Zurückgetretenen den Vertrag einzugehen.

Wer nicht auf den Ablauf der einwöchigen Rücktrittsfrist warten will – und das ist in vielen Verhältnissen der Fall –, bittet den Interessenten am Folgetag, ein Anbot zu unterschreiben, und das ist dann sofort zur Gänze wirksam. Was den Versicherungsmakler anlangt, so glaube ich, daß die Regelung der Rechte und Pflichten des Versicherungsmaklers ein rechtspolitisch außerordentlich wichtiger Schritt war. Der Wunsch der Versicherungskunden nach Beratung durch einen unabhängigen Makler steigt angesichts der kaum mehr zu überblickenden Vielfalt der angebotenen Versicherungsprodukte. Dabei sind wir, wie Sie wissen, erst am Beginn einer EU-weiten Öffnung der Versicherungsmärkte. Letztlich wird es zu einem sicher noch weit größeren differenzierten Angebot kommen.

Die konkrete Normierung der Interessenwahrungspflichten des Versicherungsmaklers wird sicher dazu beitragen, daß er dem Anspruch seiner Kunden auf fachgerechte Beratung und Vermittlung des bestmöglichen Versicherungsschutzes gerecht werden kann.

Die Äußerungen zur fixen Bindung, die wir heute in der Regel haben, des sogenannten Versicherungsmaklers verstehe ich nicht ganz, weil es sich ja in solch einem Fall gar nicht um einen Versicherungsmakler im Sinne unseres Gesetzes handelt. Was § 30 Abs. 4 anlangt, so glaube ich darauf hinweisen zu können, daß man dabei von vornherein nicht eine Schutzregelung im Auge gehabt hat, sondern eine bloße Zweifelsregelung. In der Regel werden ja die Vertragsverhältnisse zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsmakler ohnehin vertraglich geregelt sein und auf diesen Bereich Rücksicht nehmen.

Zusammenfassend möchte ich aus meiner Sicht festhalten, daß der vorliegende Gesetzentwurf eine zwar mühsam errungene, aber letztlich, glaube ich, doch gelungene Harmonisierung zwischen den Interessen der Makler und ihrer Auftraggeber und den Anliegen des Konsumentenschutzes ist. Es wird durch eine klare Regelung zu einer präventiven Wirkung in Richtung Zurückdrängung gelegentlicher Unzulänglichkeiten im Maklerbereich kommen, es wird durch mehr Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu einem Abbau bisheriger Verunsicherungen und einer Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten und damit im Sinne des schon zum vorgangegangen Tagesordnungspunkt Gesagten zu einem Beitrag zu mehr Sicherheit im weitesten Sinne kommen. – Danke. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP, SPÖ und den Freiheitlichen.)

15.38

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.

15.38

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Ich bin den Abgeordneten Schöll und Dr. Graf sehr dankbar dafür, daß sie am 27. Februar dieses Jahres mit einem Entschließungsantrag das Justizministerium, die Regierung bewegt haben, endlich ein Maklergesetz zu erlassen.

Meine Damen und Herren! Es steht, glaube ich, außer Zweifel, daß die Notwendigkeit für dieses Gesetz gegeben ist. Ich gehe davon aus, daß jeder von uns viele Beispiele kennt, die hoffentlich der Vergangenheit angehören, mit denen unter dem Decknamen "Makler", unter dem Begriff "Vermittler" unseriösen Methoden Tür und Tor geöffnet waren und bei denen leider der Bürger immer wieder auf der Strecke blieb.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß dieses Gesetz einen Vorteil für alle Beteiligten bringt. Es normiert die Rechte, und es normiert die Pflichten. Das heißt, dieses Gesetz ist ein Versuch, klare Verhältnisse zwischen Auftraggebern, Maklern als Vermittlern und vor allem als Auftragnehmern zu schaffen. Das soll sicherlich eines der Ziele dieses Gesetzes sein.


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Dieses Gesetz spricht aber auch die Obergrenze von Kaufpreisen an. Hier unterscheidet es sich vom geltenden Konsumentenschutzgesetz. Ich meine, es ist auch notwendig, daß diese Obergrenze – man spricht im Konsumentenschutzgesetz von einer Obergrenze von 3 Millionen Schilling – im Maklergesetz aufgehoben wird, da es für die Wertfeststellungen von Objekten, von Liegenschaften für Maklertätigkeiten unterschiedliche Voraussetzungen gibt. Es gibt unterschiedliche Preisermittlungsverfahren, es spielen Standorte eine Rolle, und es spielen – das sollte man auch nicht unbeachtet lassen – bei der Wertermittlung immer auch Sammler- oder Liebhaberwerte eine Rolle. Und vor allem: Alle diese Werte unterscheiden sich in der Praxis meistens von den sogenannten Verkehrs- oder Bauwerten.

Daher empfinde ich es als sehr positiv, daß diese Obergrenze aufgehoben ist. Damit kann dieses Gesetz – das soll es auch zum Ziel haben – flexibler, aber vor allem realistischer und gerechter angewandt werden. Es wird zwar in diesem Bereich dadurch mehr Wettbewerb geben, aber unter seriösen Maklern, unter seriösen Vermittlern wird Wettbewerb sicher nicht negativ gesehen werden.

Das Gesetz nimmt auch Bezug auf den Provisionsbereich. Das heißt, hier ist nur der Versuch gemacht worden, mit einem sehr weitläufigen Begriff die Provisionen oder die Provisionszahlungen zu regeln. Denn nur über den Begriff, daß ortsübliche Taxen anzuwenden sind, wird die Provision sehr schwer zu regeln sein.

Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz stellt aber eines klar: daß sogenannte Akquisitionskosten, wenn diese nicht vom Auftraggeber erteilt worden sind, nicht zu Lasten des Bürgers gehen dürfen. Das ist sehr wesentlich in diesem Gesetz, denn in diesem Bereich wurde in der Vergangenheit sehr viel Unfug getrieben und wurde sehr oft unseriös vorgegangen; nur von einigen in dieser Branche – Gott sei Dank war das Gros der Makler, der Vermittler durchaus seriös.

Ein Punkt erscheint mir in diesem Gesetz sehr wichtig: daß insgesamt das Rücktrittsrecht erleichtert worden ist. Das heißt, mit dem Rücktrittsrecht ist das Gesetz eher konsumentenfreundlich.

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich wird es, um eine dynamische Entwicklung zu erreichen, notwendig sein, daß dieses Gesetz immer wieder auf die zeitgemäßen Erfordernisse ausgerichtet wird. Wenn es einen korrekten Umgang mit diesem Gesetz geben wird, wird es nicht notwendig sein, daß es in Kürze oder in absehbarer Zeit wieder novelliert werden muß, aber man wird in der Zukunft darüber nachdenken müssen, ob es nicht sinnvoll erscheint, daß der Auftraggeber der Abgabebehörde mitteilt, an wen er Provisionen zahlt.

Es wird auch ein Erfordernis für eine Novelle dieses Gesetzes sein, daß man künftighin innerhalb der Bindungsfristen über Provisionen nachdenkt, nämlich ob es sinnvoll ist, daß Provisionen nur ausbezahlt werden können, solange eine gesetzliche Bindungsfrist für den Vertrag vorhanden ist, oder ob darüber hinaus eben auch noch Provisionen bezahlt werden sollen.

Es wird auch zu regeln sein, ob es statthaft ist, daß dem Vermittler oder Makler – egal, ob zu Lasten des Bürgers, dagegen würde ich mich wehren, oder zu Lasten des Auftraggebers – überhaupt Akquisitionskosten verrechnet werden. In einem freien Markt, in einem freien Wettbewerb wird man über diese Dinge nachdenken müssen.

Meine Damen und Herren! Mein Kollege Mag. Langer hat schon angekündigt, daß wir gegen dieses Gesetz in der vorliegenden Fassung keinen Einspruch erheben, da wir davon ausgehen, daß dieses Gesetz mehr Klarheit schaffen wird und vor allem Rechtsklarheit zum Ziele hat, daß die Konsumentenrechte damit ausgebaut werden und daß es darüber hinaus für alle Beteiligten – für Auftraggeber, für Vermittler und Makler, aber vor allem für den Konsumenten, den Bürger – klare Normierungen gibt. Vor allem im Bereich der Makler wird sich aufgrund dieses Gesetzes hoffentlich die Spreu vom Weizen trennen, sodaß jene, die in dieser Berufsgruppe seriös arbeiten, diesem Gesetz durchaus positiv gegenüberstehen werden.


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Erlauben Sie mir abschließend noch, die Eingangsfeststellung zu untermalen: Ich bin sehr froh darüber, daß alle Vertreter aller politischen Parteien im Parlament erkannt haben, daß diese Initiative von freiheitlichen Abgeordneten eine durchaus positive ist, und ihr zugestimmt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.46

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht gegeben.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten (102 und 154/NR sowie 5174/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Herbert Platzer übernommen. Ich ersuche ihn höflich um die Berichterstattung.

Berichterstatter Herbert Platzer: Ich bringe den Bericht des Rechtsausschusses zum angesprochenen Beschluß des Nationalrates.

Der gegenständliche Gesetzesbeschluß des Nationalrates trägt dem Umstand Rechnung, daß der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als Maßnahme bei Bedrohung oder Bruch des Friedens nach Kapitel VII der Satzung der Vereinten Nationen mit seinen Resolutionen 827 (1993) und 955 (1994) Internationale Gerichte für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda geschaffen hat. Diese Maßnahmen sind für alle Staaten verbindlich und verpflichten sie, mit den Internationalen Gerichten zusammenzuarbeiten. Um den allgemeinen und besonderen Zusammenarbeitsverpflichtungen in vollem Umfang nachkommen zu können, ist eine gesetzliche Grundlage erforderlich.

Zur Erfüllung der Verpflichtungen der Republik Österreich aus den oben angeführten Resolutionen soll die Einführung eines Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten erfolgen. Der Allgemeine Teil enthält Regelungen über das grundsätzliche Verhältnis zwischen den österreichischen Gerichten und Behörden einerseits und den Internationalen Gerichten andererseits sowie Bestimmungen über die Grundzüge des anzuwendenden Verfahrensrechtes.

Im besonderen Teil werden Rechtshilfe, Fahndung, Überstellung an das Internationale Gericht und Übernahme der Strafvollstreckung geregelt. Ergänzend dazu werden zivilrechtliche Bestimmungen sowie Vorschriften über selbständige Ermittlungstätigkeiten des Internationalen Gerichtes in Österreich vorgeschlagen.


Bundesrat
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613. Sitzung / Seite 85

Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Mai 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing. Ich erteile es ihm.

15.48

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade eben – das wird mit steigendem Alter immer seltener – erlebe ich wieder eines dieser berühmten ersten Male, nämlich meine erste Rede als gewähltes Mitglied des Bundesrates. Ich möchte daher die Gelegenheit nützen, mich für die freundliche Aufnahme mit meiner Angelobung am 25. April recht herzlich zu bedanken.

Ich möchte gleichzeitig – gerade auch im Hinblick auf die Diskussion, die wir heute zu Mittag erlebt haben – zusichern, daß ich – so wie ich es auch bisher bei mir in der Gemeinde und in allen anderen politischen Funktionen gehalten habe – immer hart in der politischen Sache, aber niemals persönlich beleidigend oder abwertend mich engagieren und tätig sein werde.

Ich glaube, jeder hat die Ursache für sein politisches Handeln darin, daß er als Politiker ein klein wenig dazu beitragen möchte, daß diese Welt eine Spur gerechter wird. Ich freue mich daher, daß ich gerade in meiner ersten Rede heute zu einem Thema sprechen kann, das dafür sorgen wird, daß im internationalen Gleichklang diese Welt eine Spur gerechter wird, weil Kriegsverbrechen endlich von allen Staaten gleich geahndet werden sollen.

Ich komme aus der berühmten Weinstadt Poysdorf, die im Oktober vergangenen Jahres leider traurige Berühmtheit durch die Briefbombe an unsere berühmteste Gemeindebürgerin Maria Loley erfahren hat; eine Briefbombe, die die von der ARD als Frau des Jahres im vergangenen Jahr ausgezeichnete Maria Loley dafür erhalten hat, daß Sie sich bemühte, an die 1 000 bosnische Flüchtlinge in Österreich zu integrieren und ihnen in den vergangenen Jahren zu helfen.

Ich war mit ihr Mitbegründer und bin Mitarbeiter im Verein "Bewegung Mitmensch" und weiß daher aus vielen persönlichen Gesprächen mit Menschen, die aus dem bosnischen Teil kommen und die die Massaker, teilweise auch die Konzentrationslager in und um Srebrenica miterlebt haben, was dort alles geschehen ist. Es fällt einem damit im Zusammenhang unmittelbar der Ausspruch von Ingeborg Bachmann ein: Die Geschichte lehrt ununterbrochen, nur findet sie keine Schüler!

Für mich wäre es bis vor fünf, sechs Jahren unvorstellbar gewesen, daß nach den Greueln des Zweiten Weltkrieges, den Bestialitäten der Konzentrationslager bei uns in Europa wieder ähnliches aus rassistischen und religiösen Gründen passieren kann.

Ich freue mich, daß es dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im internationalen Gleichklang gelungen ist, eine Resolution zu beschließen, die nach Kapitel VII der Satzung der Vereinten Nationen die Schaffung eines Internationalen Gerichtes zur Verfolgung von Personen vorsieht, das für schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht verantwortlich ist – 1993 für Verstöße in Jugoslawien, 1994 für Verstöße in Ruanda.

Ich glaube, daß es aus drei Gründen notwendig ist, dieses Internationale Gericht einzusetzen und als Österreicher dieses Internationale Gericht anzuerkennen und zu unterstützen.

Erstens: weil eben nicht alle Staaten Rechtsstaaten in unserem Sinne sind. Denken wir nur daran, daß am vergangenen Wochenende der international ausgeschriebene General Ratko Mladic an einem Begräbnis in Belgrad teilnehmen konnte und sich, wenn man den Zeitungen glauben darf, auch heute noch immer völlig frei und ungehindert in Belgrad oder irgendwo in Serbien bewegt.


Bundesrat
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613. Sitzung / Seite 86

Zweitens: weil wir gerade auch aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges, wo es eher nach dem Motto "Wehe dem Besiegten!" Gerechtigkeit gab, auch dafür sorgen müssen, daß alle Verbrechen, die gegen Menschenrechte verstoßen – ich erinnere hier nur an die Flächenbombardierungen gegen deutsche Städte, die sicher genauso gegen die Menschenrechte verstoßen haben, wie viele andere Verbrechen, die im Zweiten Weltkrieg passiert sind –, geahndet werden.

Drittens auch aus präventiver Wirkung, damit in keinem Land der Erde Todesschergen in oder ohne Uniform glauben können, sich in Zukunft in ihrem Staat in einem sicheren Hafen beim Überwintern sicher fühlen zu können, weil eben international geahndet wird.

Wenn wir erwarten, daß alle Staaten der Völkergemeinschaft mit diesem Internationalen Gericht kooperieren und dessen Regeln einhalten, dann müssen auch wir dem zustimmen, obwohl es einem Rechtsgrundsatz, der bis jetzt bei uns in Österreich gegolten hat, eindeutig widerspricht: nämlich dem Universalprinzip, daß wir in Österreich Strafanspruch für alle Verbrechen haben, die in Österreich geahndet werden können. Die neue Regelung bedeutet, daß auch österreichische Staatsbürger, die in Österreich verhaftet werden, nicht in Österreich abgeurteilt werden, sondern an das Internationale Gericht zu übergeben sind.

Es ist daher natürlich abzuwägen, ob wir einem kleinen Verlust an Souveränität zustimmen sollen oder diesen internationalen Verpflichtungen zum Durchbruch verhelfen. Ich glaube, daß wir diesen Rechtsgrundsatz, der bis jetzt bei uns gegolten hat, verlassen sollten, um in eine bessere Zukunft zu gehen, weil wir aus den Erfahrungen der Vergangenheit wissen, daß Macht ohne Recht Tyrannei ist, daß Macht ohne Recht genau diese Konzentrationslager in Jugoslawien ermöglicht hat, daß aber auch Recht ohne Macht chancenlos ist, dagegen vorzugehen, wie wir leider auch viele Jahre hindurch am Beispiel Jugoslawien beobachten mußten. Die UNO hat sich erst sehr spät entschieden, die richtigen Maßnahmen zu setzen.

Ich ersuche Sie daher, diesem Verfassungsgesetz die Zustimmung zu geben – im Interesse des Rechts und im Interesse der Menschenrechte. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

15.55

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Konečny.

15.55

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Ich hätte mich nicht zu Wort gemeldet, aber es gehört sich nicht gegenüber einem Kollegen, der mit Recht darauf hinweist, daß er hier seine erste Rede hält, das, was man ausdrücken will, in einem Zwischenruf zu sagen. Daher habe ich mich zu Wort melden müssen.

Daß es ein rechtspolitischer Fortschritt ist, Österreich in den Bereich jener Staaten einzugliedern, die international zu verfolgende Verbrechen verfolgen, da sind wir einer Meinung. Aber ich gebe sehr offen zu, daß es mich zutiefst gestört hat, daß Sie im Zusammenhang mit den Nürnberger Prozessen von einer Justiz gesprochen haben, die sich gegen die Besiegten gerichtet hat.

Ich bitte Sie ohne große Polemik, diesen vielleicht in der Kontrastsetzung zum Sieger, nämlich zum serbischen Militär in Bosnien, naheliegenden oder verlockenden Vergleich selbst zu überdenken.

Glauben Sie mir eines: Es ist dies eine Beleidigung all jener, in deren Namen hier Recht gesprochen wurde, wenn Sie die Nürnberger Prozesse so abqualifizieren. (Beifall bei der SPÖ.)

15.56

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.


Bundesrat
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613. Sitzung / Seite 87

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht gegeben.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Hoher Bundesrat! Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung.

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, Mag. Dieter Langer, Dr. Paul Tremmel und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend "Wahlgeschenke" an das Bundesland Wien (1182/J-BR/96)

sowie

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, Mag. Dieter Langer, Dr. Paul Tremmel und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend "Wahlgeschenke" an das Bundesland Wien (1183/J-BR/96)

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringlichen Anfragen der Bundesräte Dr. Kapral und Kollegen betreffend "Wahlgeschenke" an das Bundesland Wien an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst sowie an Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen sind, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Die dringliche Anfrage 1182/J-BR/96 hat folgenden Wortlaut:

Nach einem fast "kabaretthaft" zu nennenden Zwischenspiel, in dessen Verlauf von seiten der Rathaus-Grünen, aber auch seitens des Koalitionspartners ÖVP polemische Äußerungen wie "Treppenwitz der Weltgeschichte", "die große 30-Milliarden-Seifenblase" oder "Paketerl" gemacht wurden, soll am kommenden Dienstag das sogenannte 30-Milliarden-Schilling-Paket, eine Vereinbarung zwischen Bund und dem Bundesland Wien über die Finanzierung verschiedener Investitionsvorhaben, im Ministerrat abgesegnet werden. Bereits im Vorjahr wurde zwischen Bundeskanzler Vranitzky und dem Wiener Landeshauptmann und Bürgermeister eine Art Vorvertrag abgeschlossen. Erst im Mai 1996, also im Vorfeld der Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl, kam es zu einer Art Schlußvereinbarung, und zwar im Wege der heute üblichen Vorgangsweise, nämlich eines "Gipfelgespräches" zwischen dem Bundesminister für Finanzen und den Spitzen der sozialdemokratischen Wiener Stadtverwaltung in trauter altkoalitionärer Einigkeit mit den Vertretern der Wiener ÖVP.

Derzeit wird der Inhalt des sogenannten Pakets von den Wiener Sozialdemokraten der Bevölkerung als großer Erfolg ihrer Politik gegenüber dem Bund zu verkaufen versucht, anscheinend um darüber hinwegzutäuschen, daß in all den Jahren sozialdemokratischer Stadtverwaltung und eines sozialdemokratischen Finanzministers – immerhin seit mehr als 25 Jahren – Wien vom Bund stets stärker zur Kasse gebeten wurde, als der Bund nach Wien zahlte. Wien ist im Rahmen des geltenden bundesweit vereinbarten Finanzausgleichs nach wie vor Nettozahler. Trotz der anzuerkennenden Leistung des Bundes zum Beispiel für das Wiener Kulturleben durch die Finanzierung der Bundestheater sind die Leistungen des Bundes zum Beispiel für den Ausbau der Infrastruktur in Wien bisher unzureichend geblieben. Auch das sogenannte 30-Milliarden-Schilling-Paket bringt hier keine Änderung. Vielmehr stellt es, wie auch in zahlreichen kritischen Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht wurde, lediglich eine Fortschreibung der schon bisher unzureichenden Unterstützung von Investitionen in die Infrastruktur in Wien durch den Bund dar und enthält Vorhaben, die als reine Bundessache zu qualifizieren sind. Laut Presseberichten hat dies auch der Wiener Stadtrat für Finanzen Edlinger zugegeben und unter


Bundesrat
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613. Sitzung / Seite 88

anderem erklärt: "Auf genaue Nachfrage, welche Paket-Projekte Wien ohnehin bekommen hätte, gibt Edlinger zu: Zwei der drei im Paket enthaltenen Schulneubauten sind schon im Bundes-Bauprogramm. Auch der Technologie-Park – Gelände altes Gaswerk Leopoldau – war bereits ziemlich fix. Die Albertina, ein reines Bundes-Vorhaben – etwa 300 Millionen –, habe mit Wien nichts zu tun. Dringliche Straßenbau-Vorhaben wie die B 301 oder die Sanierung der Praterbrücke sollen ins Bundesstraßen-Budget für Wien einfließen, eine Trennung sei daher schwer."

Völlig fehlen in diesem Paket die unter anderem für Wien im Hinblick auf die drohende Güter- und Personenverkehrslawine aus dem Osten unbedingt erforderlichen Investitionsvorhaben in die Umfahrung Wiens und die bessere Anbindung Wiens an das international übergeordnete Verkehrsnetz, der rasche Ausbau der Telekommunikationseinrichtungen und vor allem die Vorhaben, die die Ansiedlung von internationalen Großforschungsvorhaben zum Gegenstand haben. So bemüht sich Wien seit längerer Zeit, die Bundesregierung dazu zu veranlassen, die Bewerbung Wiens um das sogenannte EUROCRYST-Projekt aufzugreifen und gegenüber der EU zu vertreten. Auch diesbezüglich enthält das 30-Milliarden-Schilling-Projekt keine Aussage beziehungsweise keine finanzielle Vorsorge, wie überhaupt nochmals festgestellt werden muß, daß dieses Paket lediglich schon bekannte Vorhaben oder reine Bundesprojekte enthält und keine Zukunftsperspektiven für den weiteren Ausbau vor allem der Infrastruktur in der Bundeshauptstadt eröffnet.

Die in dieser Paketvereinbarung angezogene Finanzierung des weiteren U-Bahn-Ausbaues in Wien beziehungsweise der Verlängerung einzelner Strecken – wie der U1 nach Norden und nach Süden oder der U6 nach Stammersdorf – muß als reine Absichtserklärung gewertet werden, da einerseits der vorgesehene Betrag von 10 Milliarden Schilling nur in Etappen zur Verfügung gestellt – entsprechend den bisherigen Vereinbarungen über die U-Bahn-Mitfinanzierung durch den Bund – wird, andererseits die Vorarbeiten über die Grobplanung hinaus noch offen sind. An diesem Beispiel ist ersichtlich, daß auch eine allfällige Arbeitsplatzwirksamkeit einer solchen Vereinbarung, die im Hinblick auf die über dem Bundesschnitt liegende hohe Arbeitslosenrate in Wien von großer Bedeutung wäre, nicht gegeben ist, sondern mögliche Arbeitsplatzwirkungen erst bei einem allfälligen Baubeginn etwa um das Jahr 2000 zu erwarten sind. Erst nach diesem Zeitpunkt ist damit zu rechnen, daß im Rahmen des Wiener U-BahnAusbauprogramms neue und größere Vorhaben in Angriff genommen werden.

Das für den Ost-West-Transit-Verkehr zur Entlastung der Wiener Südosttangente bedeutende Projekt der B 301, das mit einem Betrag von 6 Milliarden Schilling ein weiterer wichtiger Teil des sogenannten 30-Milliarden-Schilling-Pakets darstellt, ist ebenfalls hinsichtlich der notwendigen Vorbereitungsschritte nicht so weit gediehen, daß in absehbarer Zeit mit dem Beginn der Bauarbeiten gerechnet werden kann. Vor allem die erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung dürfte sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, da schon jetzt bekannt wurde, daß vor allem von der Wiener Umweltanwaltschaft erhebliche Einwände gegen das Projekt zu erwarten sind.

Offen bleiben auch die von den Wiener Sozialdemokraten immer wieder ins Treffen geführte EU-Finanzierung – Wien zählt nach der EU-Förderkulisse nicht zu den Fördergebieten – und die immer wieder erwähnte Finanzierung von Infrastrukturvorhaben durch Private.

Alles in allem zeigt diese 30-Milliarden-Schilling-Vereinbarung alle Anzeichen eines Etikettenschwindels.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst nachstehende

dringliche Anfrage

1. Aufgrund welcher Kriterien wurden die Projekte aus der großen Zahl anstehender Nahverkehrsbauvorhaben für das sogenannte 30-Milliarden-Paket ausgewählt?


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2. Welcher Zeitrahmen ist für die Realisierung der einzelnen Projekte genau vorgesehen?

3. Wie soll die Priorität der Realisierung der einzelnen Maßnahmen – soweit der Zeitrahmen nicht bereits feststeht – genau festgelegt werden, zumal es hier auch bei ÖBB- und HL-AG-Investitionen stets Probleme wegen des fehlenden Bundesverkehrswegeplans gab?

4. Wie hoch wird der Finanzierungsanteil des Bundes, wie hoch der des Landes Wien, wie hoch der allfälliger Dritter bei den einzelnen Projekten im Detail sein?

5. Aus jeweils welchen Budgetansätzen beziehungsweise welchen außerbudgetären Töpfen sollen die Investitionen seitens des Bundes finanziert werden, zumal das Budget für 1996 und 1997 bereits vor dem Paketabschluß beschlossen war?

6. Halten Sie es für korrekt, daß der Bund seinen Anteil am Wiener U-Bahn-Bau seit Jahren konstant bei 1,5 Milliarden hält, obwohl tatsächlich mehr verbaut wird, was dazu führte, daß Kredite zur Zwischenfinanzierung aufgenommen werden mußten und ein steigender Teil nun für Zinsen dieser versteckten Schulden aufgewendet werden muß?

7. Wie hoch ist der aktuelle Schuldenstand aus diesem Titel?

8. Beabsichtigen Sie, diese Vorgangsweise auch in Hinkunft – also bei den U-Bahn-Bauten des 30-Milliarden-Schilling-Paketes – beizubehalten, zumal hier 3 Milliarden Schilling investiert werden sollen?

9. Wie sollen die ebenfalls dringlich anstehenden Nahverkehrsprojekte anderer Städte finanziert werden?

10. Wann werden Sie das lange versprochene Nahverkehrsfinanzierungsgesetz vorlegen, und in welcher Form wird dieses gegebenenfalls auch Investitionen in Fahrzeuge oder Infrastruktur berücksichtigen?

11. Wie soll der Betrieb der fraglichen S-Bahn-Strecken finanziert werden, zumal die ÖBB in der Vergangenheit erklärten – und dies teilweise auch durchführten –, den Betrieb der bestehenden Strecken ohne zusätzliche Zahlungen der öffentlichen Hand einschränken zu wollen?

12. Bestehen hier bereits verpflichtende Vereinbarungen über entsprechende Beiträge Wiens oder des Bundes; wenn ja, in welcher genauen Form; wenn nein, halten Sie es für sinnvoll, Infrastruktur auszubauen, ohne daß ein Betrieb darauf gesichert ist?

13. In welchem exakten Zeit- und Kostenrahmen soll die Verlagerung der Wirtschaftsuniversität auf die WED-Platte stattfinden; wie hoch wird der Bundesanteil daran sein, und aus welchem Budget soll dies finanziert werden?

14. Nach welcher Priorität sollen aus Ihrer – verkehrspolitischen – Sicht die Ausbaumaßnahmen bei den Bundesstraßen – genannt wurden A 23, A 4, A 22, B 13, B 3, B 301, B 229, B 224 und B 225 – in jeweils welchem Zeitrahmen und Umfang erfolgen?

15. Inwieweit haben Sie hierüber mit dem Wirtschaftsminister sowie der Landesregierung von Wien bereits eine Einigung erzielt?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne der Bestimmungen des § 61 GO-BR dringlich vor Eingang in die Tagesordnung zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben. Es wird weiters vorgeschlagen, die Behandlung dieser dringlichen Anfrage mit der dringlichen Anfrage derselben Fragesteller an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten im Sinne von § 61 Abs. 6 unter einem durchzuführen.

*****

Die dringliche Anfrage 1183/J-BR/96 hat folgenden Wortlaut:


Bundesrat
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613. Sitzung / Seite 90

Nach einem fast "kabaretthaft" zu nennenden Zwischenspiel, in dessen Verlauf von seiten der Rathaus-Grünen, aber auch seitens des Koalitionspartners ÖVP polemische Äußerungen wie "Treppenwitz der Weltgeschichte", "die große 30-Milliarden-Seifenblase" oder "Paketerl" gemacht wurden, soll am kommenden Dienstag das sogenannte 30-Milliarden-Schilling-Paket, eine Vereinbarung zwischen Bund und dem Bundesland Wien über die Finanzierung verschiedener Investitionsvorhaben, im Ministerrat abgesegnet werden. Bereits im Vorjahr wurde zwischen Bundeskanzler Vranitzky und dem Wiener Landeshauptmann und Bürgermeister eine Art Vorvertrag abgeschlossen. Erst im Mai 1996, also im Vorfeld der Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl, kam es zu einer Art Schlußvereinbarung, und zwar im Wege der heute üblichen Vorgangsweise, nämlich eines "Gipfelgespräches" zwischen dem Bundesminister für Finanzen und den Spitzen der sozialdemokratischen Wiener Stadtverwaltung in trauter altkoalitionärer Einigkeit mit den Vertretern der Wiener ÖVP.

Derzeit wird der Inhalt des sogenannten Pakets von den Wiener Sozialdemokraten der Bevölkerung als großer Erfolg ihrer Politik gegenüber dem Bund zu verkaufen versucht, anscheinend um darüber hinwegzutäuschen, daß in all den Jahren sozialdemokratischer Stadtverwaltung und eines sozialdemokratischen Finanzministers – immerhin seit mehr als 25 Jahren – Wien vom Bund stets stärker zur Kasse gebeten wurde, als der Bund nach Wien zahlte. Wien ist im Rahmen des geltenden bundesweit vereinbarten Finanzausgleichs nach wie vor Nettozahler. Trotz der anzuerkennenden Leistung des Bundes zum Beispiel für das Wiener Kulturleben durch die Finanzierung der Bundestheater sind die Leistungen des Bundes zum Beispiel für den Ausbau der Infrastruktur in Wien bisher unzureichend geblieben. Auch das sogenannte 30-Milliarden-Schilling-Paket bringt hier keine Änderung. Vielmehr stellt es, wie auch in zahlreichen kritischen Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht wurde, lediglich eine Fortschreibung der schon bisher unzureichenden Unterstützung von Investitionen in die Infrastruktur in Wien durch den Bund dar und enthält Vorhaben, die als reine Bundessache zu qualifizieren sind. Laut Presseberichten hat dies auch der Wiener Stadtrat für Finanzen Edlinger zugegeben und unter anderem erklärt: "Auf genaue Nachfrage, welche Paket-Projekte Wien ohnehin bekommen hätte, gibt Edlinger zu: Zwei der drei im Paket enthaltenen Schulneubauten sind schon im Bundes-Bauprogramm. Auch der Technologie-Park – Gelände altes Gaswerk Leopoldau – war bereits ziemlich fix. Die Albertina, ein reines Bundes-Vorhaben – etwa 300 Millionen –, habe mit Wien nichts zu tun. Dringliche Straßenbau-Vorhaben wie die B 301 oder die Sanierung der Praterbrücke sollen ins Bundesstraßen-Budget für Wien einfließen, eine Trennung sei daher schwer."

Völlig fehlen in diesem Paket die unter anderem für Wien im Hinblick auf die drohende Güter- und Personenverkehrslawine aus dem Osten unbedingt erforderlichen Investitionsvorhaben in die Umfahrung Wiens und die bessere Anbindung Wiens an das international übergeordnete Verkehrsnetz, der rasche Ausbau der Telekommunikationseinrichtungen und vor allem die Vorhaben, die die Ansiedlung von internationalen Großforschungsvorhaben zum Gegenstand haben. So bemüht sich Wien seit längerer Zeit, die Bundesregierung dazu zu veranlassen, die Bewerbung Wiens um das sogenannte EUROCRYST-Projekt aufzugreifen und gegenüber der EU zu vertreten. Auch diesbezüglich enthält das 30-Milliarden-Schilling-Projekt keine Aussage beziehungsweise keine finanzielle Vorsorge, wie überhaupt nochmals festgestellt werden muß, daß dieses Paket lediglich schon bekannte Vorhaben oder reine Bundesprojekte enthält und keine Zukunftsperspektiven für den weiteren Ausbau vor allem der Infrastruktur in der Bundeshauptstadt eröffnet.

Die in dieser Paketvereinbarung angezogene Finanzierung des weiteren U-Bahn-Ausbaues in Wien beziehungsweise der Verlängerung einzelner Strecken – wie der U1 nach Norden und nach Süden oder der U6 nach Stammersdorf – muß als reine Absichtserklärung gewertet werden, da einerseits der vorgesehene Betrag von 10 Milliarden Schilling nur in Etappen zur Verfügung gestellt – entsprechend den bisherigen Vereinbarungen über die U-Bahn-Mitfinanzierung durch den Bund – wird, andererseits die Vorarbeiten über die Grobplanung hinaus noch offen sind. An diesem Beispiel ist ersichtlich, daß auch eine allfällige Arbeitsplatzwirksamkeit einer solchen Vereinbarung, die im Hinblick auf die über dem Bundesschnitt liegende hohe Arbeitslosenrate in Wien von großer Bedeutung wäre, nicht gegeben ist, sondern mögliche Arbeitsplatzwirkungen erst bei einem allfälligen Baubeginn etwa um das Jahr 2000 zu erwarten


Bundesrat
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613. Sitzung / Seite 91

sind. Erst nach diesem Zeitpunkt ist damit zu rechnen, daß im Rahmen des Wiener U-Bahnausbauprogramms neue und größere Vorhaben in Angriff genommen werden.

Das für den Ost-West-Transit-Verkehr zur Entlastung der Wiener Südosttangente bedeutende Projekt der B 301, das mit einem Betrag von 6 Milliarden Schilling einen weiteren wichtigen Teil des sogenannten 30-Milliarden-Schilling-Pakets darstellt, ist ebenfalls hinsichtlich der notwendigen Vorbereitungsschritte nicht so weit gediehen, daß in absehbarer Zeit mit dem Beginn der Bauarbeiten gerechnet werden kann. Vor allem die erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung dürfte sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, da schon jetzt bekannt wurde, daß vor allem von der Wiener Umweltanwaltschaft erhebliche Einwände gegen das Projekt zu erwarten sind.

Offen bleiben auch die von den Wiener Sozialdemokraten immer wieder ins Treffen geführte EU-Finanzierung – Wien zählt nach der EU-Förderkulisse nicht zu den Fördergebieten – und die immer wieder erwähnte Finanzierung von Infrastrukturvorhaben durch Private.

Alles in allem zeigt diese 30-Milliarden-Schilling-Vereinbarung alle Anzeichen eines Etikettenschwindels.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten nachstehende

dringliche Anfrage

1. Aufgrund welcher Kriterien wurden die Projekte – genannt wurden Maßnahmen bei der A 23, A 4, A 22, B 13, B 3, B 301, B 229, B 224 und B 225 – aus der großen Zahl anstehender Straßenbauvorhaben für das sogenannte 30-Milliarden-Schilling-Paket ausgewählt?

2. Welcher Zeitrahmen ist für die Realisierung der einzelnen Projekte genau vorgesehen?

3. Wie soll die Priorität der Realisierung der einzelnen Maßnahmen – soweit der Zeitrahmen nicht bereits feststeht – genau festgelegt werden, zumal es hier auch bei anderen Straßenbauinvestitionen stets Probleme wegen des fehlenden Bundesverkehrswegeplans gab?

4. Inwieweit haben Sie hierüber mit dem Verkehrsminister sowie der Landesregierung von Wien bereits eine Einigung erzielt, beziehungsweise wann ist diese zu erwarten?

5. Wie sollen die ebenfalls dringlich anstehenden Straßenbauprojekte anderer Länder finanziert werden?

6. Sind Sie – im Lichte der jüngst bekanntgewordenen, begrüßenswerten Ausnahme des Autobahnabschnittes bei Kufstein – bereit, auch auf den Stadtautobahnen auf die Einhebung der Pickerlmaut zu verzichten; wenn nein, warum nicht?

7. In welchem exakten Zeit- und Kostenrahmen soll die Errichtung der Wirtschaftsuniversität auf die WED-Platte stattfinden; wie hoch wird der Bundesanteil daran sein, und aus welchem Budget soll dies finanziert werden?

8. In welchem exakten Zeit- und Kostenrahmen sollen die Baumaßnahmen im Bereich der Albertina stattfinden?

9. Welche der geplanten Maßnahmen in den Schulen und anderen Bundesgebäuden waren laut Budget noch nicht vorgesehen, und wie werden diese Investitionen finanziert?

10. Können Sie ausschließen, daß diese Investitionen in Wiener Bundesgebäude auf Kosten anderer dringlicher Projekte erfolgen?


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613. Sitzung / Seite 92

11. Aus jeweils welchen Budgetansätzen beziehungsweise welchen außerbudgetären Töpfen sollen die Investitionen seitens des Bundes finanziert werden, zumal das Budget für 1996 und 1997 bereits vor dem Paketabschluß beschlossen war?

12. Bedeutet die Aufnahme des EUROCRYST-Projekts in das 30-Milliarden-Paket, daß Sie beziehungsweise die Bundesregierung die Bewerbung Wiens um dieses Vorhaben formell unterstützen und die erforderlichen österreichischen Mittel zur Verfügung stellen werden; wenn ja, in welchem Umfang?

13. Wie hoch wird der Finanzierungsanteil des Bundes, wie hoch der des Landes Wien, wie hoch der allfälliger Dritter bei den einzelnen Projekten im Detail sein?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne der Bestimmungen des § 61 GO-BR dringlich vor Eingang in die Tagesordnung zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben. Es wird weiters vorgeschlagen, die Behandlung dieser dringlichen Anfrage mit der dringlichen Anfrage derselben Fragesteller an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst im Sinne von § 61 Abs. 6 unter einem durchzuführen.

*****

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Ich erteile zunächst Herrn Bundesrat Dr. Peter Kapral als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfragen das Wort.

15.58

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit den beiden jetzt zur Behandlung kommenden dringlichen Anfragen sollen die Hintergründe, die zur Vereinbarung des sogenannten 30-Milliarden-Schilling-Pakets, das schon seit einiger Zeit, seit rund einem Jahr, die Öffentlichkeit, vor allem die Wiener Öffentlichkeit, beschäftigt, durchleuchtet werden. Es soll vor allem aufgezeigt werden, welche Bewandtnis es mit diesem Paket wirklich hat.

Dieses Paket soll am kommenden Dienstag im Ministerrat seine Absegnung erfahren. Es stellt eine politische Vereinbarung dar, in die sich in der letzten Phase auch noch die ÖVP hineingedrängt hat. Sie hat damit auch Verantwortung für Inhalt und Art der Vereinbarung mit übernommen. Sie hat damit auch mit zu verantworten, daß sie einer Sache die Mauer macht, die inhaltsleer und ohne jede Zukunftsperspektive ist und die – das sei besonders hervorgehoben – nicht geeignet ist, die jahrelange Benachteiligung Wiens seitens des Bundes zu beseitigen.

Wien ist im Rahmen des geltenden Finanzausgleiches nach wie vor Nettozahler, und es ist der sozialdemokratischen Stadtverwaltung bisher – und das trotz 25 Jahre sozialdemokratischer beziehungsweise sozialistischer Finanzminister – nicht gelungen, diese Benachteiligung Wiens zumindest dadurch auszugleichen, daß Wien von seiten des Bundes – außer für den U-Bahn-Bau – Zuschüsse bekommt.

Anzuerkennen ist – das möchte ich durchaus betonen –, daß der Bund in Wien zahlreiche Kultureinrichtungen unterhält beziehungsweise betreibt, zum Beispiel die Bundestheater und die Museen. Wenn es aber darum geht, die Zukunft Wiens zu gestalten und durch entsprechende Investitionen attraktiver zu gestalten, dann muß man leider feststellen, daß der Bund für Wien kaum etwas übrig hat. Wien will sich und muß sich als Wirtschaftsstandort anbieten. Hiezu bedarf es einer modernen Infrastruktur, insbesondere in Form einer Anbindung an das übergeordnete Verkehrsnetz, aber auch den modernsten Telekommunikationseinrichtungen. All diese Dinge werden in diesem sogenannten 30-Milliarden-Schilling-Paket nicht behandelt, genausowenig wie Beiträge, Stützungen und Zuschüsse des Bundes für Verkehrsvorhaben wie Park-and-ride-Anlagen oder den Ausbau beziehungsweise die Schaffung von Verkehrsleitsystemen vorgesehen sind.


Bundesrat
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613. Sitzung / Seite 93

Seit längerem bemüht sich Wien auch um die Unterstützung seitens des Bundes für eine Bewerbung um ein europäisches Großforschungsvorhaben, im speziellen Fall geht es hier um das sogenannte EUROCRYST-Projekt, nämlich die Entwicklung und die Erzeugung von Feinkristallen – eine zukunftsträchtige Sache, die für die Industrie zweifelsohne interessant und von Bedeutung ist, wovon außer Strahlungen auch Impulse für technologieintensive Unternehmern ausgehen könnten.

Aber auch EUROCRYST hat in dem 30-Milliarden-Schilling-Projekt keine Aufnahme gefunden. Hier beschränkt man sich auf die Anführung von Projekten, von denen auch Stadtrat Edlinger, wie aus einer Presseaussendung hervorgeht, sagt, daß sie durchaus schon bekannt beziehungsweise überhaupt schon im Laufen sind. Entweder handelt es sich bei den im 30-Milliarden-Schilling-Paket genannten Projekte um schon bekannte Vorhaben oder eben um reine Bundesprojekte, die keine Zukunftsperspektiven eröffnen.

Der U-Bahn-Ausbau beziehungsweise die Verlängerung von vorhandenen U-Bahn-Strecken entpuppt sich letztlich als reine Absichtserklärung. Diese Projekte sind auch nicht geeignet, das Problem, dem sich Wien beim U-Bahn-Bau gegenübersieht, nämlich die Erschließung der neugebauten Wohngebiete zu verbessern, wirklich zu erleichtern. Diese Projekte befinden sich im Stadium der Grobplanung, sie werden frühestens im Jahre 2000 baureif werden. Gleiches gilt auch für die dort genannten S-Bahn-Ausbauvorhaben, wobei Finanzminister Mag. Klima kürzlich in einer Anfragebeantwortung ausdrücklich zugegeben hat, daß im Budget 1996 genausowenig wie im Budget 1997 für diese Projekte Mittel vorhanden sind.

Wenn Großvorhaben im Bereich der Bundesbahnen durch außerbudgetäre Finanzierungen ermöglicht und Dinge projektiert und durchgeführt werden sollen wie der Semmering-Basistunnel, dessen volkswirtschaftlicher Nutzen nach wie vor umstritten ist, dessen Auswirkungen auf ökologische Bereiche im betroffenen Gebiet nicht wirklich geklärt sind, so zeigt sich hier einmal mehr der Mangel an einer echten Prioritätensetzung im Verkehrsbereich, im Ausbaubereich des Verkehrs; es fehlt bedauerlicherweise eine diesbezügliche Diskussion.

Das Projekt der Bundesstraße B 301, die eine wichtige Entlastung für den innerstädtischen Durchzugsverkehr sein wird, krankt daran, daß heute schon bekannt ist, daß im Rahmen der notwendigen Umweltverträglichkeitsprüfung eine Vielzahl von Einsprüchen geltend gemacht werden wird, daß die Wiener Umweltanwaltschaft schon gesagt hat, daß sie dieses Projekt beeinspruchen wird – was leider den Schluß nahelegt, daß auch in diesem Fall ein Baubeginn in absehbarer Zeit nicht möglich sein wird.

Damit werden diese Projekte auch in ihrer zweiten Bedeutung, nämlich den äußerst angespannten Arbeitsmarkt in Wien zu entlasten – die Arbeitslosenrate in Wien liegt über dem Bundesdurchschnitt –, nicht tatsächlich wirksam werden, denn Projekte, die im Jahr 2000 auch nur im Bau neue Arbeitsplätze schaffen, lösen die Probleme der heutigen Zeit nicht.

Offen bleibt auch die immer wieder von den sozialdemokratischen Stadtpolitikern in Aussicht gestellte EU-Finanzierung, die Beteiligung Privater an dem Ausbau solcher Investitionsvorhaben. Auch hier zeigt sich, daß über verbale Erklärungen hinaus keine konkreten Tatsachen geliefert werden.

Noch einmal eine Zusammenfassung: Das Projekt eines Kindermuseums im umstrittenen Museumsquartier klingt zwar gut, geht aber an den zentralen Anliegen und Notwendigkeiten der Stadt vorbei. Die hochstilisierte Vermarktung dieses 30-Milliarden-Schilling-Paketes soll wohl über den mageren Inhalt hinwegtäuschen und dem Wähler etwas vormachen, was nicht zu halten ist. Die Bezeichnung Etikettenschwindel ist daher wohl durchaus berechtigt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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613. Sitzung / Seite 94

16.08

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zur Beantwortung der dringlichen Anfrage hat sich zunächst Herr Staatssekretär Mag. Karl Schlögl, der den Herrn Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten vertritt, zu Wort gemeldet. Ich erteile dem Herrn Staatssekretär das Wort.

16.08

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Kollege von der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Herzlichen Dank kann ich nicht unbedingt dafür sagen, daß ich am Freitag nachmittag die Gelegenheit habe, Minister Scholten zu vertreten.

Ich möchte im Namen des Herrn Ministers Scholten zu dieser dringlichen Anfragebeantwortung der Freiheitlichen Partei Stellung nehmen. Ich möchte vorerst den Herrn Minister nochmals entschuldigen, der derzeit in Tirol weilt, eine Reihe von Terminen hat und unter anderem auch an der Innsbrucker Universität ein Gespräch zu führen hat.

Dadurch, daß ich nicht der zuständige Minister bin, bemühe ich mich natürlich, sehr sachlich auf diese dringliche Anfrage der Freiheitlichen Partei einzugehen. Ich werde mir die Polemik, die zum Teil aus der Anfrage der Freiheitlichen Partei herauszuhören ist, bei meiner Antwort ersparen und versuchen, sehr sachlich darauf einzugehen.

Ich möchte aber eingangs klar sagen, daß ich den Vorwurf der Freiheitlichen Partei, daß dieses Paket ein Etikettenschwindel oder gar ein Wahlzuckerl sei, zurückweise. Beides schließe ich aus, und ich weise diesen Vorwurf deutlich zurück.

Der Motiventeil dieser Anfrage beinhaltet im wesentlichen, daß die Leistungen des Bundes für den Ausbau der Infrastruktur in Wien bisher unzureichend geblieben sind. Das trifft meiner Ansicht nach in keinster Weise zu. Bisher wurde zwischen dem Bund und dem Land Wien eine Reihe von Verträgen über den Ausbau des öffentlichen Verkehrs in Wien geschlossen, die in Summe einen zweistelligen Milliardenbetrag an Investitionen umfaßt.

Ich möchte nur an den Schienenverbund-Vertrag 1979 erinnern, an den Wien-Vertrag 1986 sowie an eine Reihe von Übereinkommen aus den Jahren 1990, 1992 und 1995. Darüber hinaus, meine sehr geehrten Damen und Herren, finanziert der Bund die Investitionen für die im 100prozentigen Eigentum der Wiener Verkehrsbetriebe stehende AG der Wiener Lokalbahnen, der Badener Bahn, zu 50 Prozent und übernimmt 70 Prozent des Verlustes dieser Gesellschaft.

Die U-Bahn-Finanzierung des Bundes betrug zwischen 1979 und 1995 fast 20 Milliarden Schilling. Die im zitierten Paket enthaltene Mitfinanzierung des Bundes am weiteren U-Bahn-Ausbau ist zwar in der Tat eine langfristige. Keineswegs aber liegt eine bloße Absichtserklärung vor, weil der vorgesehene Betrag in der Höhe von 10 Milliarden Schilling nur in Etappen zur Verfügung gestellt wird. Auch im Rahmen des bisher vom Bund mitfinanzierten U-Bahn-Baues wurden die Beiträge des Bundes naturgemäß nicht in einem, sondern – dem Baufortschritt folgend – in jährlichen Raten geleistet.

Die Ansiedlung von internationalen Großforschungsvorhaben ist im Bund-Wien-Übereinkommen ausdrücklich in Punkt 5.2 im Bemühen um die Forschungseinrichtung EUROCRYST dokumentiert, wobei allerdings anzumerken ist, daß die Ansiedlung derart großer internationaler Forschungsvorhaben bekanntlich keineswegs von einer Entscheidung Wiens oder Österreichs, sondern vielmehr vorab von einer internationalen oder europäischen Entscheidung abhängig ist.

Hinsichtlich der internationalen Großforschungseinrichtung EUROCRYST ist im Übereinkommen ausdrücklich festgehalten, daß der Bund im Falle einer Ansiedlung der Forschungseinrichtung – das heißt also nach einer internationalen oder einer europäischen Entscheidung – angesichts möglicher Synergieeffekte diese in die Standortüberlegung für einen Standort in Wien miteinbeziehen wird.

Andererseits schlägt Wien für den Fall einer derartigen internationalen Entscheidung als Voraussetzung einen Standort vor, der in einer kurzfristigen Realisierung dieses Projektes möglich sein wird.

Eine darüber hinausgehende Vereinbarung zwischen Bund und Wien hinsichtlich der Ansiedlung eines internationalen Großforschungsvorhabens ist jedenfalls bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht oder nicht möglich.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nochmals betonen, daß – wie bereits in der Anfragebeantwortung festgehalten – dieses Übereinkommen zwischen dem Bund und dem Land Wien bereits nächste Woche, jedoch nicht Dienstag, wie in Ihrer Anfrage, sondern am Mittwoch im Ministerrat beschlossen wird. In diesem Paket, das dem Ministerrat vorliegt, ist eine Fülle von Maßnahmen enthalten, die dazu dienen, die enormen Zuwächse im Individualverkehr besonders zwischen Wien und den umliegenden Gemeinden und dem Land Niederösterreich einer dauerhaften Lösung zuzuführen. Darüber hinaus werden am Stadtrand und in der unmittelbaren Nähe von S-Bahn-Stationen mehr als 1 400 zusätzliche PKW-Stellplätze errichtet werden.

Weiters ist in diesem Maßnahmenpaket eine Reihe von Ausbaumaßnahmen für Projekte im Bundesstraßenbau und in der Sanierung und Errichtung von Bundesschulen beinhaltet. Über die universitären Einrichtungen beziehungsweise über den Universitätskomplex WED sollen innerhalb von zehn Jahren die entsprechenden Baufortschritte und Maßnahmen getroffen werden.

Schließlich steht auch im Übereinkommen zwischen dem Bund und dem Land Wien die Errichtung eines Kindermuseums im Gelände des Museumsquartiers und die Sanierung der Albertina. Der Gesamtaufwand für alle angeführten Projekte, die nach Maßgabe der budgetären Möglichkeiten in einem längerfristigen Zeitrahmen verwirklicht werden sollen, wird auf der derzeitigen Basis rund 30 Milliarden Schilling betragen, von denen der Bund 18 Milliarden und das Land Wien zirka 12 Milliarden Schilling aufbringen werden.

Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf ich zur Beantwortung der konkreten Fragen kommen:

Ich erlaube mir, die Fragen 1 bis 3 in einem zu beantworten:

Die Auswahl der Nahverkehrsprojekte erfolgte aufgrund intensiver Beratungen, Verhandlungen und Abstimmungen zwischen dem Bundeskanzleramt, dem Land Wien, den ÖBB und dem Verkehrsressort, wobei die Stadtentwicklungsvorstellungen des Landes Wien im Vordergrund standen.

Es ist folgender Zeitrahmen vorgesehen: Für den Ausbau der Schnellbahnlinie S 80 soll es zu einem 30-Minuten-Takt auf der Strecke Wien Süd – Erzherzog-Karl-Straße sowie zu einem 20-Minuten-Takt in der Hauptverkehrszeit kommen. Die Zielvorstellung ist, daß dieser Takt bereits ab dem Winterfahrplan 1997/98 gilt. Ein 15-Minuten-Takt soll für Wien Süd – Altes Flugfeld entstehen, wobei für die Baudauer zirka für sechs Jahre vorgesehen sind.

Für die Intervallverdichtung der Schnellbahn nach Süßenbrunn sowie die Ermöglichung eines 15-Minuten-Taktes und die Realisierung der Flughafen-Schnellbahn und der S 45-Verlängerung von der Nordbahnbrücke bis zur Ostbahnbrücke/S 80 sind im Vertrag selbst keine Zeitangaben enthalten. Es besteht jedoch übereinstimmend die Auffassung, umgehend mit den Realisierungsschritten zu beginnen. Soweit im Vertrag keine Bauvollendungsfristen angeführt sind, ergibt sich die Priorität der Maßnahmen aus dem Vertragstext selbst. In Abstimmung mit den Entwicklungsarbeiten zum Bundesverkehrswegeplan wird von der Vertragstreue der beiden Vertragspartner ausgegangen.

Zur Frage 4 darf ich Ihnen mitteilen, daß der Schnellbahnausbau zu 80 Prozent vom Bund und zu 20 Prozent vom Land Wien getragen wird, der U-Bahn-Ausbau zu 50 Prozent vom Bund und zu 50 Prozent von Wien, die Park-and-ride-Anlagen ebenfalls vom Bund und von Wien im Verhältnis 50 : 50.

Bezüglich des Straßenbaus und des Straßenausbaues besteht die Zuständigkeit des Herrn Wirtschaftsministers, und ich bin überzeugt davon, daß er in seiner Anfragebeantwortung darauf eingehen wird.

Zu den Fragen 5 bis 9 ist festzustellen, daß die Antworten zu einem wesentlichen Teil in die Kompetenz des Bundesministers für Finanzen fallen. Ich werde jedoch trotzdem versuchen, soweit es mir möglich ist, darauf einzugehen.


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613. Sitzung / Seite 96

Zur Frage 5: Der Bundesanteil der S-Bahn-Infrastrukturinvestitionen wird auf Basis des Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetzes und der Bundesanteil der U-Bahn-Investitionen wird aus den im Bundesvoranschlag vorgesehenen Mittel finanziert werden.

Zur Frage 6: Es ist in keiner Weise unkorrekt, sondern vielmehr national als auch international in vergleichbaren Fällen durchaus üblich, daß Bauvorhaben größeren Ausmaßes längerfristig finanziert werden, wie es auch hinsichtlich des Finanzierungsanteiles des Bundes am Wiener U-Bahn-Bau der Fall ist. Da der Baufortschritt beim U-Bahn-Bau nicht im vorhinein festzustellen ist und die Mittelbereitstellung des Bundes für seinen Finanzierungsanteil jedoch eine mehrjährige Kontinuität erfordert, ist es zwangsläufig so, daß die Abdeckung allfälliger, die jährliche Bundesquote von 1,5 Milliarden Schilling überschreitender Beträge im Kreditwege erfolgen müssen. Natürlich ist es so, daß wir uns dabei bemühen werden, diese Kredite bei besten Kreditkonditionen aufzunehmen. Von versteckten Schulden kann deshalb in diesem Zusammenhang keine Rede sein. Die Vorgangsweise ist korrekt, weil sie den vertraglichen Vereinbarungen entspricht.

Zur Frage 7: Der Schuldenstand aus diesem Titel beträgt derzeit zirka 2,6 Milliarden Schilling.

Zur Frage 8: Diese Vorgangsweise entspricht den vertraglichen Vereinbarungen.

Zur Frage 9: Zur Finanzierung der Nahverkehrsprojekte anderer Städte ist, soweit sie städtische Verkehrsbetriebe betreffen, auf den Finanzausgleich hinzuweisen, soweit sie Nahverkehrsprojekte der ÖBB betreffen, gelten das Bundesbahngesetz und das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz. Künftigen Verhandlungen über Kostenaufteilungen kann und soll hier nicht vorgegriffen werden.

Ferner werden den österreichischen Privatbahnen jeweils fünfjährige Investitionsprogramme und Bundesmittel für den Ausbau ihrer Strecken und Anlagen zur Verfügung gestellt, die fast ausschließlich Nahverkehrsvorhaben zugute kommen. Derzeit betragen diese Bundesmittel zirka 150 Millionen Schilling jährlich. Zusätzliche Förderungsprogramme für Investitionen bestehen für die AG der Wiener Lokalbahn und der Graz-Köflacher-Eisenbahn, die beide ausschließlich dem Nahverkehr dienen.

Zur Frage 10: Wie bereits im Budgetausschuß dargelegt, soll dem Nationalrat in der laufenden Legislaturperiode ein Nahverkehrsfinanzierungsgesetz vorgelegt werden. Die Beratungen hiefür finden derzeit auf Beamtenebene sowie im Bereich der Sozialpartner statt.

Die Finanzierung der Infrastruktur ist bereits gesetzlich geregelt, und zwar im Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz und im Bundesbahngesetz, wobei für die Kostenaufteilung die jeweiligen Interessenlagen zu berücksichtigen sind.

Die Finanzierung der Fahrzeuge kann seitens der interessierten Gebietskörperschaften entweder direkt oder über einen Betriebsführungsvertrag mit den Eisenbahnunternehmen finanziert werden, wobei den Ländern dafür bekanntlich schon seit zwei Jahren für den Nahverkehr zweckgebundene Mineralölsteuermittel zur Verfügung stehen. Allerdings ist festzuhalten, daß Fahrbetriebsmittel dem Absatzbereich und damit der Verantwortung der Verkehrsunternehmungen selbst zuzurechnen sind.

Zu den Fragen 11 und 12: Im Vertrag ist geregelt, daß die beiden Vertragspartner dafür Sorge tragen werden, daß nach Bauabschluß eine entsprechende Verkehrsbedienung erreicht wird. Die Regelung von Verträgen über Verkehrsdienste ist gemäß EU-Verordnung vorzunehmen.

Zur Frage 13: Das Bund-Wien-Übereinkommen sieht in Punkt IV "Forschung und Wissenschaft" den "Bau universitärer Einrichtungen auf dem Gelände der Donau-City" vor. Zwischen Bund und Wien gilt daher folgendes als vereinbart: einerseits die Bereitschaft des Bundes, auf dem Gelände der Donau-City universitäre Einrichtungen beziehungsweise einen Universitätskomplex innerhalb von zehn Jahren zu errichten beziehungsweise bei einem Investor zu bestellen, andererseits die Verpflichtung des Landes Wien für diesen Fall, die für diese Zwecke notwendige Liegenschaft sowie das aufgrund der speziellen Topographie des Standortes notwendige Basisbauwerk baukostenbeitragsfrei, exklusive der gesetzlichen Abgaben, mit einem


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613. Sitzung / Seite 97

zivilrechtlichen Eigentumstitel dem Bund oder einer von diesem benannten Rechtsperson kostenlos bereitzustellen.

Ein exakter Zeit- und Kostenrahmen für diese Bauvorhaben können derzeit allein schon deshalb nicht abgegeben werden, weil nicht festgelegt ist, welche Universitätseinrichtungen mit welchem Raumprogramm und Raumumfang in der Donau-City angesiedelt werden. Die Entscheidung darüber ist aufgrund der objektiv tatsächlich vorhandenen Bedarfssituation der Universitäten und Hochschulen in Wien zu entscheiden.

Zu den Fragen 14 und 15: Das Ergebnis der Vereinbarung findet sich im Vertrag wieder, wobei die Vorhaben A 4, A 22, A 23, B 13, B 3 und B 301 vordringliche Priorität haben und die Vorhaben B 229, B 224 und B 225 in Abhängigkeit von den Planungsergebnissen realisiert werden sollen. Ich weise auf die diesbezügliche Zuständigkeit auch des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten hin.

Soweit, meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Anfragebeantwortung in Vertretung des Herrn Bundesministers. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.24

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Ich erteile nunmehr Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johannes Ditz zur weiteren Beantwortung der dringlichen Anfrage das Wort. – Bitte, Herr Bundesminister.

16.24

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johannes Ditz: Verehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Erlauben Sie mir, im Anschluß an die Ausführungen des Herrn Kollegen Schlögl generell festzuhalten, daß dieser Vertrag zwischen dem Bundeskanzleramt, dem Bundeskanzler und der Gemeinde Wien, das heißt, dem Bürgermeister, geschlossen wurde. Für das Wirtschaftsministerium war entscheidend, zu überprüfen und festzustellen, ob die darin enthaltenen Maßnahmen auch in unseren Bauprogrammen enthalten sind, ob die Finanzierungen plausibel sind und in unseren Programmen auch finanziert werden können.

In diesem Zusammenhang darf ich zur Beantwortung der einzelnen Fragen kommen.

Zur Frage 1: Die Auswahl der im 30-Milliarden-Übereinkommen enthaltenen Maßnahmen hat sich nach den Vorschlägen der Stadt Wien gerichtet. Eine Einflußnahme des Wirtschaftsressorts erfolgte dabei nicht.

Zur Frage 2: Die Projekte A 23 Praterbrücke, B 3 Donaufelderstraße; Grundfreimachung, A 22 definitive Decke und B 13 Hochstraße – Willergasse sind bereits im Bauprogramm 1996 enthalten. Die beiden Deckenherstellungen auf der A 4 werden voraussichtlich in den nächsten zwei Jahren in Angriff genommen.

Das UVP-Verfahren für die B 301 Südrandstraße wurde erst vor kurzem eingeleitet, sodaß noch keine Aussagen zum Zeitrahmen der Realisierung möglich sind. Je schneller es erledigt werden kann, desto schneller kann begonnen werden. Die Finanzierung ist im Zuge von Mauteinnahmen sichergestellt.

Die weiteren Bauvorhaben werden – wie im Übereinkommen festgelegt wurde – nach Vorliegen der Planungsgrundlagen, der notwendigen Genehmigungen und der Finanzierungskonzepte zu realisieren sein.

Zur Frage 3: Die Prioritätenreihung von Projekten wird im Bereich der Bundesstraßenverwaltung grundsätzlich von seiten der Länder vorgenommen und bei den jährlichen Bauprogrammbesprechungen dem Wirtschaftsministerium vorgestellt. Eine Einflußnahme des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten erfolgt dabei im allgemeinen nicht.

Zur Frage 4: Für den Bundesstraßenbereich liegt die Kompetenz allein beim Wirtschaftsminister, sodaß eine Einigung mit dem Verkehrsminister für diese Belange nicht erforderlich ist. Das 30-Milliarden-Übereinkommen wurde inhaltlich mit der Stadt Wien akkordiert.


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Zur Frage 5: Wie im Fall der Straßenbauprojekte der Stadt Wien werden auch die Projekte der anderen Länder ebenfalls aus den Mitteln des ordentlichen Budgets finanziert beziehungsweise sollen – was die Maßnahmen zum Lückenschluß im hochrangigen Netz anlangt, das habe ich schon erwähnt – aus den zu erwartenden Mauteinnahmen finanziert werden.

Zur Frage 6: Die Vignettenpflicht besteht auf dem gesamten Autobahnen- und Schnellstraßennetz mit Ausnahme der bestehenden Mautstrecken. Im grenznahen Bereich muß gemäß dem Bundesstraßenfinanzierungsgesetz für nach Österreich einreisende Ausländer auf die Vignettenpflicht ausreichend hingewiesen werden. Bei der Handhabung des Bundestraßenfinanzierungsgesetzes, insbesondere bei der Vignettenkontrolle, ist daher sinnvollerweise davon auszugehen, daß bei allen Autobahnen und Schnellstraßen im grenznahen Bereich – so auch in Kufstein – erst nach Kundmachung und entsprechenden Abfahrtsmöglichkeiten ins sekundäre Straßennetz eine Vignette am Kraftfahrzeug angebracht sein muß.

Ich weise im übrigen darauf hin, daß der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten an das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz – also das Mautgesetz – gebunden und gar nicht ermächtigt ist, streckenbezogene Ausnahmen von der Vignettenpflicht vorzusehen.

Zur Frage 7: Die Bestellung einer universitären Einrichtung auf der WED-Platte erfolgt vom Wissenschaftsministerium. Die weitere Antwort ergibt sich aus der Anfragebeantwortung, welche der Wissenschaftsminister unter seinem Punkt 13 darlegt.

Zur Frage 8: Für die Errichtung des dreigeschoßigen Erweiterungsbauwerkes sind Kosten in der Höhe von 160 Millionen Schilling veranschlagt. Das betrifft den Tageslichtspeicher. Der Bau soll 1997 begonnen und Ende 1999 fertiggestellt werden. Für die Sanierung des Altgebäudes stehen zurzeit 70 Millionen Schilling zur Verfügung, die bis 1999 umgesetzt werden sollen.

Zur Frage 9: Für die Bauinvestitionen der Schulen ist eine budgetäre Vorsorge in meinem Ressort nicht erforderlich, weil sie – mit zwei Ausnahmen, bei denen die Finanzierung über das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten erfolgen soll – über die Bundesimmobiliengesellschaft abgewickelt wird. Die Refinanzierung erfolgt nach Fertigstellung über Mietzahlungen der Unterrichtsverwaltung.

Zur Frage 10: Es kann grundsätzlich ausgeschlossen werden, daß die Investitionen in Wiener Bundesgebäuden auf Kosten anderer Projekte erfolgen werden, weil bereits alle Projekte in der Finanzplanung enthalten sind.

Zur Frage 11: Die im 30-Milliarden-Paket enthaltenen Bundes-Straßenprojekte werden aus den Mitteln des ordentlichen Budgets finanziert beziehungsweise sollen, was die Maßnahmen zum Lückenschluß im hochrangigen Netz anlangt, aus den zu erwartenden Mauteinnahmen finanziert werden.

Die Finanzierung der Schulbauvorhaben in Wien erfolgt durch die BIG mit folgenden zwei Ausnahmen: Die AHS 23, Draschestraße, wird im Rahmen der Schulbauansätze des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, und zwar über eine Genossenschaft und mit Mietvertrag errichtet. Für die AHS 22 Aspern-Süd kann über die Finanzierung konkret erst entschieden werden, bis ein Grundstück gefunden worden ist. Voraussichtlich erfolgt die Finanzierung in Form eines Mietmodelles.

Der vorgesehene Neubau der Albertina wird im Rahmen der in der ersten und zweiten Museumsmilliarde dotierten Mittel bedeckt. Die Sanierung der Albertina erfolgt über mehrere Jahre aus dem laufenden Budget.

Zur Frage 12: Wie dem Wortlaut des Übereinkommens klar zu entnehmen ist, wird der Bund im Falle einer europäischen Entscheidung für eine Ansiedlung der Forschungseinrichtung EUROCRYST in Österreich mögliche Synergieeffekte in Wien in die Standortüberlegungen für die Forschungseinrichtung miteinbeziehen. Über den Umfang finanzieller Beiträge des Bundes zu einer Forschungseinrichtung EUROCRYST oder einen Finanzierungsschlüssel zwischen Bund, Land Wien und Dritten werden im 30-Milliarden-Paket keine Festlegungen getroffen.


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613. Sitzung / Seite 99

Zur Frage 13: Es wird auf die Beantwortung der Frage 12 verwiesen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.31

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung des Bundesrates die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Dieter Langer. Ich erteile es ihm.

16.31

Bundesrat Mag. Dieter Langer (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Ihre Beantwortung dieser dringlichen Anfragen hat unter Beweis gestellt, daß es notwendig war, auch im Bundesrat zu einer Klarstellung dieser Materie im Wege von dringlichen Anfragen zu kommen. Im Vorlauf und im Verlauf der Verhandlungen und letztlich auch bei den Debatten im Wiener Gemeinderat und Landtag sind widersprechende Berichte aufgetaucht, wobei das Volumen des gesamten Paketes und die Frage, in welchem Bereich die Finanzierung vom Bund erfolgt, immer im Verborgenen gelegen ist.

Bei genauer Betrachtung dieses stolzen 30-Milliarden-Paketes des Bundes für Wien erweist sich dieses – wir haben es in der Einleitung gesagt – durchaus als das, als das wir es bezeichnet haben, nämlich als Schmähpackerl und – ich behaupte das zusätzlich – als Start- und Wahlhilfe für Bürgermeister Dr. Michael Häupl. Die schlußendliche Einbindung des ÖVP-Obmanns von Wien, Dr. Görg, ist wohl nur aus großkoalitionärer Rücksichtnahme erfolgt und auf Intervention von Dr. Schüssel zurückzuführen und setzte der bereits eineinhalb Jahre dauernden Schaumschlägerei um dieses Paket die Krone auf. (Bundesrätin Haselbach: Selbst empfindlich sein bei Zwischenrufen und da von Schaumschlägerei sprechen! – Bundesrätin Schicker: Dieser Ausdruck ist auch unfaßbar, Herr Kollege!)

Wenn ich von Ihrer Seite Vorwürfe höre, daß ich hier ein politisches Geplänkel abführte, dann darf ich Sie bitten, sich einmal zu Gemüte zu führen, was Ihr Kollege, der Vorsitzende des Umwelt- und Verkehrsausschusses des Wiener Gemeinderates, Franz-Karl Effenberg am 21. Mai über den Pressedienst der APA ausgesendet hat – in Beantwortung einer Kritik, die ihm der ÖVP-Gemeinderat Hotter vor die Füße gelegt hat, der sich nämlich auch mit diesem 30-Milliarden-Paketerl beschäftigt. Darin heißt es:

"Hotter sei offensichtlich enttäuscht, daß es Wien unter Federführung von Bürgermeister Häupl und Finanzstadtrat Edlinger und nicht Vertretern seiner Partei gelungen sei, diese auch hinsichtlich der Arbeitsplätze so wichtige Initiative zu fixieren, stellte Effenberg ... fest.

Wenn Hotter meine, Versäumnisse hinsichtlich der Schwerpunktsetzung zu orten, dann solle er diese mit seinem Parteivorsitzenden Görg erörtern, der bekanntlich in der Endphase bei den Gesprächen dabei gewesen und ganz stolz darauf wäre, daß der Bund sich bereit erklärt habe, ein ohnehin in seinem Besitz befindliches Objekt zu renovieren. Görg selbst habe seinen Schwerpunkt auf die Albertina und nicht auf die nun von Hotter geforderten Maßnahmen gelegt, setzte Effenberg fort. Daraus nun einen Vorwurf gegenüber den Sozialdemokraten zu konstruieren, sei eine Chuzpe" – das steht hier wörtlich! –, "so der SP-Gemeinderat." (Bundesrätin Schicker: Mein Gott!)

Ich weiß schon, daß in der politischen Auseinandersetzung nicht immer alles auf die Waagschale gelegt wird, und daher sollte man, wenn ich von einer Schaumschlägerei rede, nicht so empfindlich sein, weil offenbar doch etwas Wahres daran sein dürfte, wenn man betrachtet, was bei der Abhandlung dieses Pakets in der Vergangenheit geschehen ist. (Bundesrätin Haselbach: Wir sind ja nicht empfindlich, empfindlich sind ja Sie!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist besser, wir halten uns an die Tatsachen. Tatsache ist, daß vom Bund lediglich eine Absichtserklärung – sie wurde heute bekräftigt, das gebe ich zu –, ein privatrechtlicher Vertrag für ein Investitionsprogramm in der Höhe von 18 Milliarden Schilling von seiten des Bundes im Verlauf von zehn Jahren vorliegt. (Bundesrat Drochter: Zusätzlich!)


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613. Sitzung / Seite 100

Ich werde noch darauf zurückkommen, Herr Kollege, ob es sich hiebei um zusätzliche Leistungen handelt. Das ist nämlich nicht der Fall, und deswegen ist es eigentlich nur ein Paketerl und kein gesamtes Paket, das Bürgermeister Dr. Häupl durch seine offenbar guten Kontakte zum Herrn Bundeskanzler eingefahren hat. (Zwischenruf des Bundesrates Drochter .) – Ich kann Sie nicht daran hindern, das zu glauben, Herr Kollege!

Tatsache ist jedenfalls weiters, daß die Freigabe der Finanzmittel erst durch entsprechende Budgetgesetze – für 1996 und 1997 liegen solche nicht vor, weil das Budget schon abgesegnet und beschlossen worden ist – oder über die Finanzierung durch Sonderfinanzierungsgesellschaften oder bestehende Finanzierungsgesellschaften erfolgt.

Tatsache ist auch, daß vereinbart ist, daß der U-Bahn-Anteil an sich wie bisher weiterläuft und auch für die nächsten Jahre budgetiert ist – nur ist das nicht die neue Vereinbarung, sondern die alte Vereinbarung. (Bundesrat Drochter: Das wollen ja die Wiener!)

Die 1,5 Milliarden Schilling jährlich würden ab 2001 – einfach schon aufgrund der Notwendigkeit des Ausbaues der Infrastruktur – einfach weiterlaufen. Damit sind für die nächsten Jahre – es handelt sich um die Jahre von 2001 bis 2007 – schon 9 Milliarden Schilling von den 18 Milliarden, die praktisch als zusätzliches Geschenkspaket vom "Glücksengerl Häupl" den Wienern überreicht werden, weg.

Tatsache ist aber auch weiters, daß beim Schnellbahnausbau nunmehr im Verhältnis 80 : 20 geteilt wird anstatt wie ursprünglich vorgesehen 90 : 10 und damit die Wiener mehr belastet sind. – Gut. In den Verhandlungen kann sich das so ergeben, aber man hat es vorher anders gelesen, als es letztlich herausgekommen ist.

Tatsache ist weiters, daß mit den Vorbereitungs- und Planungsaufgaben in weiten Bereichen dieses ausgehandelten Pakets noch nicht einmal begonnen wurde und daß sich die Realisierung dieser Projekte letztlich, wenn man von der B 301 oder auch von den Park-and-ride-Anlagen ausgeht, aufgrund der Umweltverträglichkeitsprüfung und der Einsprüche noch weiter hinziehen wird.

Tatsache ist auch, daß ein Teil dieser Maßnahmen, zum Beispiel die zwei erwähnten Bundesschulen, keine zusätzliche Investition bedeutet, sondern bereits im Bundesbauprogramm vorgesehen war und dort enthalten ist. Und es ist weiters Tatsache, daß die weiteren Schulbauten und -sanierungen laut Paketerl ehestens in Angriff genommen werden sollen. Aber ich schätze, dieses Ehestens-in-Angriff-Nehmen bedeutet letztlich, daß sie sowieso in absehbarer Zukunft hätten saniert und gebaut werden müssen, also sowieso drangekommen wären, also auch keine zusätzliche Leistung für Wien darstellen.

Tatsache ist, daß Wien bei der Standortüberlegung für die Forschungseinrichtung EUROCRYST – das haben wir heute noch einmal gehört – lediglich die Synergieeffekte in die Überlegungen einbezieht. Es gibt also bestenfalls eine vage Verwendungszusage. Die Frage ist offen, ob Wien als Standort gewählt wird. Es sind aber in dieser Richtung meines Wissens nach auch noch keine Aktivitäten gesetzt worden.

Tatsache ist auch, daß viele dieser Projekte ziffernmäßig noch nicht richtig erfaßt sind, sondern letztlich nur geschätzt vorliegen, sozusagen über den Daumen gepeilt. (Präsident Payer übernimmt den Vorsitz.)

Tatsache ist, daß im Bundesstraßenbau bereits laufende und geplante akkordierte Maßnahmen offenbar als zusätzliche Investitionen ausgegeben werden. Das hat auch Stadtrat Edlinger zugegeben, als er sagte, daß eben diese Dinge ins Bundesstraßenbaubudget einfließen sollen, weil darin zum Beispiel auch die Praterbrücke enthalten ist, für die aber letztlich schon die Vorbereitungsarbeiten der Planung laufen, und daher muß auch schon die Finanzierung sichergestellt sein, ohne daß es dieses zusätzlichen Paketerls bedarf. – Soweit einmal zu dem Geschick, zusätzliche Leistungen des Bundes herauszuholen.

Tatsache ist auch, daß zum Beispiel der Technologiepark bereits ziemlich fix abgesprochen war.


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613. Sitzung / Seite 101

Es gibt noch eine weitere Tatsache, und diese stört mich ein bißchen. In Beantwortung einer dringlichen Anfrage der Freiheitlichen in der Sitzung des Landtages vom 3. November 1995 hat Bürgermeister Häupl nämlich gesagt: "Insgesamt kann Wien, als geographische Einheit gesehen" – was immer er damit meint –, "für den Zeitraum bis etwa 1999 mit etwa 1,7 Milliarden Schilling aus dem EU-Strukturfonds rechnen, was einschließlich der vom Bund aufzubringenden nationalen Kofinanzierungsanteile von knapp 2 Milliarden Schilling einen Betrag von rund 3,7 Milliarden Schilling ergibt." – Offenbar ist das die Grundlage für die Behauptung, daß 10 Prozent dieses 30-Milliarden-Pakets von der EU oder privaten Finanzierern aufgebracht werden.

Eines kann ich jedenfalls sagen: Es hat Minister Klima – der Bundesminister für Finanzen müßte es eigentlich wissen, so denke ich mir, deshalb ist er ja Bundesfinanzminister – in einer Anfragebeantwortung am 18. April 1996 folgendes festgestellt: "Im Rahmen der EU-Gemeinschaftsinitiative Urban" – wenn Ihnen das ein Begriff ist – "ist für die gesamte Programmperiode ein Bundesbeitrag von insgesamt rund 83 Millionen Schilling vorgesehen." Das heißt, es läuft von 1996 bis 1999 mit rund 21 Millionen Schilling jährlich ab, was sozusagen als Unterstützungsbeitrag kommt. "Im Rahmen der EU-Gemeinschaftsinitiative INTERREG II, Österreich – Tschechien, Österreich – Slowakei und Österreich – Ungarn, an der neben den direkt an die Nachbarstaaten angrenzenden Bundesländern auch Wien teilnimmt, beträgt der Bundesbeitrag für den Wien-Teil des Programms insgesamt für die Programmperiode" – also in diesem Fall auch 1996 bis 1999 – "30 Millionen Schilling."

Also von den 2 Milliarden Schilling Kofinanzierung des Bundes – diesen Betrag hat Herr Bürgermeister Häupl großspurig am 3. November 1995 bekanntgegeben – bleiben 113 Millionen Schilling über. So verhält sich das mit den Aussagen, die im Zusammenhang mit diesem Paketerl getroffen werden, und daher sehen Sie, wie notwendig es ist, hier Klarheit zu schaffen. (Bundesrat Meier: Aber nicht im Bundesrat!)

Tatsache ist auch, daß von Privatinvestoren bislang überhaupt noch nichts zu sehen ist.

Schlußendlich stellt sich also heraus, daß von den 30 Milliarden – der Betrag wurde vom Herrn Bürgermeister Dr. Häupl ursprünglich hinausposaunt, als wäre das die gesamte Leistung, die der Bund für Wien erbringt; ich habe das bislang geglaubt, bis ich bei der letzten Landtagssitzung gehört habe, daß das nicht der Fall ist – 18 Milliarden übrigbleiben, die vom Bund kommen. Darin sind, wie wir aus den Ausführungen gehört haben, außerdem noch Projekte enthalten, die sowieso finanziert worden wären, und zwar doch in einem erheblichen Umfang und Ausmaß, sodaß letztlich als zusätzliche Leistung des Bundes vielleicht 2 oder 3 Milliarden Schilling übrigbleiben. Dafür aber bleiben wichtige Infrastrukturmaßnahmen für die Stadt Wien, wie wir heute schon gehört haben, einfach offen, vor allem die Anbindung an die internationalen Verkehrsnetze und die Telekommunikation.

Viel heiße Luft und nicht viel dahinter. Es bleibt aus der großen Seifenblase des großen Pakets letztlich nur ein Paketerl übrig. Letztlich bleibt der schale Geschmack übrig, daß sich die Bundesregierung – in dem Fall der Bundeskanzler – für ein Wahlkampfspektakel des Bürgermeisters Dr. Häupl, in welchem dann auf einer Nebenschiene auch noch die ÖVP mitgenommen wurde, hergibt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Allein das ist eigentlich einer Bundesregierung unwürdig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.46

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer. Ich erteile dieses.

16.46

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich darf vielleicht, was dieses 30-Milliarden-Paket anlangt, ganz kurz die Genesis aufrollen, die an sich eine Chronologie von Ankündigungen des Wiener Bürgermeisters ist. Die erste Ankündigung erfolgte am 27. Juni 1995, als in Zeitungen zu lesen war, daß das 30-Milliarden-Paket für Wien abgeschlossen sei. Und dieser Abschluß ist per Hand


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613. Sitzung / Seite 102

schlag erfolgt. (Bundesrat Konečny: War da nicht auch nachher noch irgend etwas?) In der Folge ist dann von Häupl selbst dieser Handschlag für den Fall bezweifelt worden, daß Vranitzky nicht mehr Bundeskanzler wird. Dann gab es immer wieder Ankündigungen, daß dieses Paket steht, und zwar bis zum 20. Jänner. Da hat Häupl in einer Tageszeitung erklärt, daß kein Zweifel daran bestehe, daß die Teilbeträge des Paketes bereits im Budget enthalten sind, und der Wirtschaftsminister hat das heute an sich bestätigt. Das heißt, medial wurde das sicher gut verkauft, aber im Klartext bedeutet das, daß keine weiteren Konzessionen bei diesem Paket gemacht worden sind. Dann kamen weitere Ankündigungen des Wiener Bürgermeisters, erste Zweifel am EUROCRYST-Projekt und an den universitären Einrichtungen auf der WED-Platte.

Nachdem der Bürgermeister dann im April fast stündlich angekündigt hat, daß die Unterschrift des Bundeskanzlers komme, ist man Anfang Mai draufgekommen, daß es, wenn der Bund mitfinanziert, auch noch einen Regierungspartner gibt, der zu diesem Zeitpunkt in die Verhandlungen eingestiegen ist. – Damit nehme ich Bezug auf Kollegen Kapral, daß es, wenn die ÖVP in der Bundesregierung – im Gegensatz zur Stadtregierung – vertreten ist, nicht gänzlich absurd ist, auch die Vertreter der Wiener ÖVP in diese Gespräche einzubinden.

Daß die Wiener ÖVP die Sanierung der Albertina und das Kindermuseum hineinreklamiert haben, hängt nicht damit zusammen, daß für uns die Erhaltung des Kulturgutes höher zu bewerten ist als infrastrukturelle Maßnahmen, sondern das geschah, weil es uns wichtig war, ein zusätzliches Investitionsprojekt für Wien hineinzuverhandeln, welches über die ohnehin bereits vereinbarten Projekte hinausgeht, die in ein Geschenkpapier gewickelt werden und auf die man Häupl schreibt.

Abgesehen von diesen zugegebenermaßen geschickten, aber entbehrlichen Sonderleistungen der Öffentlichkeitsabteilung des Bürgermeisters sind die Projekte im einzelnen durchwegs als positiv zu beurteilen. Eine Eindämmung des ausufernden Individualverkehrs in einer Großstadt kann sicher nur durch eine attraktivere Gestaltung des öffentlichen Nahverkehrs realisiert werden. Im Zusammenhang mit der Verlängerung der U 1 und der U 6 ist auch die Schaffung von 3 800 Park-and-ride-Plätzen zu begrüßen. Genauso zu begrüßen sind die Straßenbauprojekte, insbesondere die B 301, und die universitären Einrichtungen auf der WED-Platte.

Ich möchte noch eines sagen: Gerade unter dem Blickwinkel, daß Wien als Wirtschaftsstandort und als Arbeitsplatz im internationalen Wettbewerb nur dann bestehen kann, wenn wir das geistige Potential der Menschen in dieser Stadt nützen, muß man schon eine positive Betrachtung des Bemühens haben, daß das EUROCRYST-Projekt und auch ein Technologiepark in diesem Paket enthalten sind.

Zusammenfassend kann also festgestellt werden, daß es sich um Projekte handelt, die zu einem Großteil ohnehin vereinbart waren, denen man aber vernünftigerweise zustimmen muß, weil sie in sich Sinn machen und weil die einzelnen Projekte isoliert betrachtet richtige und wichtige Investitionsentscheidungen für Wien sind, und zwar durchaus mit Zukunftsperspektive. Ich vertrete aber nicht die Auffassung, daß dieses Paket Zusätzliches für Wien gebracht hat, was einer Sonderleistung des Bürgermeisters entsprungen ist, sondern daß das isoliert vernünftige Projekte sind, die ohnehin auf dem Weg waren und denen wir aus diesem Grund als Wiener ÖVP zugestimmt haben, und wir treten auch dafür ein, daß sie unverzüglich im vereinbarten Rahmen durchgeführt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

16.51

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach. Ich erteile dieses.

16.51

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ohne Paket gäbe es keinen S-Bahn-Ausbau, die Beteiligung des Bundes am U-Bahn-Bau wäre im Jahr 2000 ausgelaufen, die Errichtung einer universitären Einrichtung auf der Platte über der Donauuferbahn bei der UNO-City ist gesichert, und doch sieht die Freiheitliche Partei wider besseres Wissen einen, wie sie es in der Begründung der Anfrage schreibt, Etikettenschwindel.


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Meine Damen und Herren! Diese Aussage richtet sich selbst. Schon der Titel des Betreffs beider Anfragen sagt doch ganz deutlich, was die Fragesteller wollen. Es geht ihnen nicht um die Auseinandersetzung mit der Frage: Was ist für die Entwicklung einer Region wichtig? Was ist für die Menschen, die dort leben und arbeiten, wichtig?, sondern es geht ihnen einzig und allein darum: Was ist für den Wahlkampf der Wiener Freiheitlichen wichtig? (Bundesrat Meier: So ist es!)

Sie fragen nach "Wahlgeschenken", ich frage mich, was das soll. Das Investitionsprogramm – als solches ist das 30-Milliarden-Schilling-Paket zu sehen – war doch schon in großen Zügen abgesprochen, als die von Wien sicherlich nicht gewünschte Wahl alle weiteren Abmachungen verhinderte.

Meine Damen und Herren! Es bedarf keiner Wahl, daß die Wiener Stadtregierung weiß, was für die wirtschaftliche, soziale und lebenswerte Entwicklung von Wien notwendig ist, und es bedarf keiner Wahl, daß die Bundesregierung weiß, wie wichtig eine nachhaltige Entwicklung in Bereichen der Infrastruktur und der Beschäftigungsmöglichkeiten in der Ostregion ist.

Es ist doch klar, daß alles, was die Entwicklung Wiens betrifft, positive Auswirkungen auf die Lebensqualität in der gesamten Region hat. Das ausgehandelte Paket trägt den Bedürfnissen Wiens und seinem Umland in hohem Maße Rechnung. Nur ein Beispiel: Die Schienenverbundprojekte dienen der Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes, beziehungsweise es wird die Errichtung neuer Arbeitsplätze dadurch attraktiver.

Meine Damen und Herren! Wir wissen, daß die Hauptsorge der Menschen derzeit die Erhaltung beziehungsweise Schaffung von Arbeitsplätzen darstellt. Daher kann Wien nicht nur Dienstleistungszentrum sein, sondern muß auch als Industriestandort gesichert sein und gestärkt werden. (Beifall bei der SPÖ.) Entsprechende Straßen- und Schienenprojekte fördern dieses Bestreben in ganz hohem Maße. So ist der Ausbau der S 80 zu sehen, Stadtentwicklung im Bereich des Asperner Flugfelds wird in Angriff genommen, sobald eben die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen geschaffen sind. (Bundesrat Mag. Langer: Das wird am Sankt-Nimmerleins-Tag sein!) Sie werden es sicher noch erleben, denn gerade die F-Mandatare versuchen, sich immer jung und fit zu halten. (Bundesrat Waldhäusl: Im Gegensatz zu den anderen sind wir es!) Also auch Sie werden das noch erleben. Der Sankt-Nimmerleins-Tag ist da sicher weiter weg als der Tag, an dem das zum Tragen kommt.

Meine Damen und Herren! Ein anderes Beispiel: Infrastruktur für eine Intervallverdichtung der Schnellbahn nach Süßenbrunn. Was ist daran ein Wahlgeschenk für die Wiener, wenn das Leben der Einpendler aus dem niederösterreichischen Umland erleichtert wird? – Eine Intervallverdichtung bedeutet doch eine Verringerung der Zeit für die Fahrt zum Arbeitsplatz und wieder nach Hause. Das ist eben eine Lebensqualitätsverbesserung für Menschen, die übrigens nicht in Wien wahlberechtigt sind.

Teil 3 der Vereinbarung betrifft den Bundesstraßenbau. Meine Damen und Herren! Seit dem Umbruch im Osten und unserem Beitritt zur Europäischen Union haben wir es im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung mit neuen Anforderungen an die Verkehrswege zu tun. Der Flaschenhals Wien ist für den Transit unerträglich. Das hat nichts mit Wahlen zu tun, das hat ausschließlich mit Wirtschaft, Wettbewerb und Lebensqualität zu tun.

Aber, meine Damen und Herren, gerade beim Punkt 4 des Abkommens ist das Herstellen eines Konnexes zur Wiener Wahl ein untrügliches Zeichen dafür, daß die Freiheitlichen nicht an Zukunftsfragen interessiert sind, sondern wieder einmal der Lust an Kritik allen anderen Überlegungen zugunsten der Menschen den Vorrang geben und das, was die Menschen brauchen, für sie leider wieder einmal im Hintergrund steht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage Sie: Der Bau von universitären Einrichtungen soll ein Wahlgeschenk für Wien sein? Studieren denn nur Wiener in Wien? – Oder eine zweite Frage, die ich hier stellen muß: Das in Wien erworbene Wissen kommt nur Wien und den Wienern zugute? – Ich gebe allerdings zu, daß mir das internationale Renommee der Universitätsstadt Wien sehr wohl am Herzen liegt. Aber am wichtigsten ist doch, daß die Arbeitsmarktchancen der Abgänger von Universitäten vor


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allem durch gute Universitäten, die über ausreichenden Raum für Forschung und Lehre verfügen, gegeben ist.

Meine Damen und Herren! Im Bereich Wissenschaft und Forschung geht es um ein Mehr an internationaler Kompetenz. Es tut mir leid, daß durch den hier hereingetragenen Vorwahlkampf der Freiheitlichen in Wien der Blick auf die möglichen Folgeprojekte verstellt wird. Die im Abkommen festgeschriebene Unterstützung des EUROCRYST-Projekts zeigt, wie sehr es um zukünftige Entwicklung und nicht um ein Wahlgeschenk geht. Als Wienerin hoffe ich, daß sich Wien als Standort für dieses Projekt herauskristallisieren wird, ist doch der Rektor der Technischen Universität Wien mit der Sondierung für die Internationalisierungsmöglichkeiten beauftragt.

In Zukunft wird die Arbeitswelt davon abhängig sein, daß wissenschaftliche Höchstleistungen von der Gesellschaft ermöglicht und von der Gesellschaft gefördert werden. Gerade daher ist der Entwicklung der besten Infrastruktur für unsere Universitäten und Hochschulen Priorität zu geben. Das, meine Damen und Herren, hat nichts mit Wahlgeschenken an Wien zu tun, sondern ist ein Dienst und eine Verpflichtung an und für alle Österreicher. (Beifall bei der SPÖ.)

17.01

Präsident Johann Payer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer. Ich erteile dieses.

17.01

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Als Tiroler erfährt man eines abends aus dem Rundfunk, aus dem Fernsehen, in den nächsten Tagen aus den Zeitungen, daß der Bund mit der Gemeinde Wien oder mit dem Land Wien ein großartiges Investitions- und Finanzierungspaket abschließt, in dem sehr viele Dinge, wie ich heute hier gehört habe, enthalten sind. Es werden Infrastrukturprojekte, Bahnprojekte, Straßenprojekte, Universitätsanlagen, Forschungszentren finanziert, auch das Projekt EUROCRYST ist darin enthalten. Und egal, wie man das jetzt sieht, ob das jetzt ein Zusatzprojekt ist, oder ob es nur ein Paketerl ist, wie es Kollege Langer bezeichnet hat, da diese Dinge schon vorher zwischen Bund und dem Land Wien akkordiert worden sind, muß man sich als Tiroler beziehungsweise als Bewohner eines Bundeslandes fragen, warum gerade jetzt der Bund mit der Gemeinde Wien ein derartiges Paktum medienwirksam abschließt. Ich glaube doch, daß hier die Landtagswahlen und die Europawahlen am 13. Oktober eine gewisse Rolle spielen werden.

Als Bewohner eines Bundeslandes, als Provinzler, wie man hier in Wien sagt, darf ich mir schon die Frage stellen: Gibt es auch die Absicht, so ein Paktum, so ein Paket, ein Investitionspaket, auch mit anderen Bundesländern abzuschließen, beziehungsweise wann werden Sie mit diesen Bundesländern solche Investitionspakete abschließen? Wird das dann vor den jeweiligen Landtagswahlen sein? (Ruf bei der SPÖ: Fragen Sie doch Ihren Landeshauptmann! – Bundesrat Dr. Tremmel: Nur wenn es rot ist!) Ich werde auch unseren Landeshauptmann fragen, Herr Kollege!

Ich komme jetzt zu einem speziellen Punkt dieses Paketes, und zwar zum Projekt EUROCRYST, um das sich ja Österreich bewirbt und für das es seit einiger Zeit zwei prädestinierte Standorte gibt, der eine wäre Wien und der andere Standort wäre Tirol. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Unser Landeshauptmann Weingartner fährt landauf, landab und propagiert dieses Rieseninvestitionsprojekt EUROCRYST nach Tirol holen zu wollen. Er propagiert, daß dieses Projekt höchstwahrscheinlich nach Tirol kommen wird, und jetzt erfahre ich hier aus den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Schlögl, daß in Punkt 5.2. dieses Paktums enthalten ist, daß sich der Bund um eine Ansiedlung des EUROCRYST-Projektes in Wien bemühen wird beziehungsweise entnehme ich aus den Ausführungen des Herrn Ministers Ditz, daß da drinnen steht: Falls eine Entscheidung für Österreich fällt, dann wird der Bund entsprechende Investitionsmittel zur Verfügung halten. Deshalb stellt sich für mich die Frage: Handelt es sich dabei um eine Präjudizierung dieses Projektes für Wien, oder gibt es eventuell solche Zusagen auch für Tirol?


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Ich stelle mir überhaupt die Frage hinsichtlich des EUROCRYST-Projektes, wie das bei der Bewerbung ablaufen soll. Wir als Österreicher müssen uns darum bewerben, und zwei Standorte stehen zur Auswahl. Ich kann mir vorstellen, daß andere Länder mit einer ganz konkreten Plazierung dieses Projektes – die Standortfrage ist nicht unwesentlich – nach Brüssel gehen und dort ein konkretes Projekt präsentieren werden. Wir werden hingehen und sagen: Die Standortfrage ist noch offen, ob in Tirol oder in Wien. An den Tiroler Standort glaube ich jetzt allerdings nicht mehr so recht, weil ich meine, daß der Standort Wien präjudiziert ist.

Auf alle Fälle sind wir als Bundesländervertreter – und das darf man hier im Bundesrat noch sagen – einigermaßen überrascht, daß gerade jetzt – da muß ich Frau Kollegin Haselbach doch widersprechen – vor den Wiener Landtagswahlen und vor den Europawahlen am 13. Oktober ein derartiges Paktum geschlossen und dann noch österreichweit bekanntgemacht wird, wobei man sich darauf beruft, für die Zukunft Wiens Vorsorge zu tragen.

Ich darf Ihnen eines sagen: Auch die Bundesländer, auch die Provinz hat Zukunft. Auch dort gibt es Investitionsvorhaben, auch dort gibt es Investitionsprojekte, die förderungswürdig sind, und ich werde mir anschauen, und die Vertreter aus allen Bundesländern werden sich das anschauen, wie der Bund in Hinkunft mit ihren Interessen umgeht. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.06

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Ludwig. Ich erteile es ihm.

17.06

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Herr Bundesrat Königshofer! Ich kann Ihnen gleich eine Antwort darauf geben, warum es gerade jetzt zu diesem Paket für Wien kommt. Ich zitiere einen Redner, der erst vor wenigen Minuten hier bei diesem Pult gesprochen hat, nämlich Ihren Fraktionsvorsitzenden, Herrn Dr. Kapral, der in seiner Argumentation und in der Begründung, warum wir diese dringliche Anfrage überhaupt behandeln, gemeint hat: weil eben Wien in den letzten Jahren von seiten des Bundes benachteiligt wurde. Sie brauchen nur Ihren Fraktionsvorsitzenden zu fragen, warum das gerade jetzt so notwendig ist für das Bundesland Wien.

Es ist aus meiner Sicht hervorragend, daß es gelungen ist, in sehr kurzer Zeit in Verhandlungen zwischen dem Land Wien und dem Bund ein Paket zu schnüren, das allerdings auch in anderen Bundesländern bereits bestanden hat. Es gibt ja ähnliche Wirtschaftsvereinbarungen zwischen Bund und Bundesländern, zum Beispiel bei der Arbeitsplatzsicherung in der Mur- und Mürzfurche und in vielen anderen Teilen unseres Landes ebenfalls. Aber die Begründung dieser dringlichen Anfrage erscheint mir auch von seiten des Herrn Dr. Kapral nicht ganz nachvollziehbar.

Auf der einen Seite kritisieren Sie, Herr Doktor, daß es sich um Projekte handelt, die bereits vom Bund vorgesehen waren, andererseits bemängeln Sie, daß die im Paket vorgesehenen Projekte erst im Planungsstadium seien und noch nicht gebaut würden. Hier scheint mir auch ein großer Widerspruch in Ihrer Argumentation zu sein, und das scheint mir ein weiteres Indiz dafür zu sein, daß eine Partei bereits den Wahlkampf eröffnet hat, nämlich die Freiheitliche Partei, die versucht, auch hier in diesem Gremium einen Wiener Wahlkampf zu führen.

Wenn Sie, ich glaube, es war Bundesrat Langer, gemeint haben, daß sich mit diesen 30-Milliarden-Schilling-Paket Herr Bürgermeister Dr. Michael Häupl eine Bürgermeisterstarthilfe, wie Sie es genannt haben, holt, kann ich Sie beruhigen. Die Meinungsumfragen für den Landeshauptmann von Wien, Bürgermeister Dr. Michael Häupl, sind so hervorragend, daß er es gar nicht notwendig hat, eine solche Starthilfe von seiten des Bundes zu bekommen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Langer: Herr Kollege! Die Umfragen haben es in der letzten Zeit auch nicht immer gebracht! Warten Sie erst den 13. Oktober ab!)

Während Sie, Herr Dr. Kapral, hier wahlkämpfen, arbeitet der Bürgermeister und Landeshauptmann für das Bundesland und für die Stadt Wien, setzt sich für die Interessen der Wiener


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Bevölkerung ein und bringt Investitionen und Arbeitsplätze auch in die Stadt Wien. (Bundesrat Mag. Langer: Warten Sie erst den 13. Oktober ab!)

Bei der letzten Nationalratswahl hat sich ja deutlich gezeigt, wie sich die Bevölkerung entscheidet. Bei der letzten Nationalratswahl haben Sie ja auch einen entsprechenden Denkzettel bekommen, meine Herren von der Freiheitlichen Partei. (Beifall bei der SPÖ.)

Mit diesem Paket wird auch der U-Bahn-Bau über das Jahr 2000 hinaus gesichert. Ziel dieses 30-Milliarden-Pakets war es, insgesamt eine Verbesserung der Infrastruktur zu erreichen, die auch der weiteren Modernisierung Wiens dient, hohe arbeitsmarktpolitische Effekte bringt und auch, da die Kofinanzierung von seiten des Bundes geklärt ist, der klareren Darlegung des mittelfristigen Investitionsplanes der Stadt und des Landes Wien dient.

Es wurde von Ihnen im Rahmen und im Text der dringlichen Anfrage formuliert, es gäbe Unsicherheiten im Ablauf der einzelnen Projekte, was den Zeithorizont, aber auch was die Aufteilung der Finanzierung zwischen Land und Bund betreffen. Ich möchte hier nur ein Beispiel herausgreifen, nämlich den Schwerpunkt im Bereich des U-Bahn-Baues.

Der Verlängerung der U 1 an die Stadtränder – nach Norden in den Bereich Rennbahnweg, nach Süden in den Bereich Rothneusiedel – und die Verlängerung der U 6 an den nördlichen Stadtrand über den jetzigen Endpunkt Floridsdorf hinaus nach Stammersdorf sind zweifellos eine der markantesten Punkte im Rahmen dieses 30-Milliarden-Paketes. Bei der U-Bahn wären die jetzigen Verträge im Jahr 2000 mit der Fertigstellung der jetzt in Bau befindlichen Abschnitte ausgelaufen. Daher war es notwendig, hier eine neue Regelung zu treffen. (Bundesrat Mag. Langer: Um das wärt ihr sowieso nicht herumgekommen!) Durch diese Vereinbarung wird die Verlängerung der U 1 nach Norden und Süden sowie die Verlängerung der U 6 nach Stammersdorf in zwei Etappen – zuerst in die Siedlungsgebiete im Bereich Großjedlersdorf – Brünner Straße und in einem zweiten Abschnitt nach Stammersdorf – ermöglicht. Die Kosten dafür werden 50 zu 50 Prozent zwischen Bund und dem Land aufgeteilt, und ab 2000 beziehungsweise 2001 werden je 1,5 Milliarden pro Jahr für die Fertigstellung dieser Stationen weiter zur Verfügung gestellt. Die Fertigstellung der drei Verlängerungen soll etwa 2007, 2008 abgeschlossen sein.

Herr Dr. Kapral! Ich weiß nicht, wo Sie in Wien wohnen – ich wohne in Floridsdorf, einem betroffenen Bezirk. (Bundesrat Dr. Kapral: Ich wohne im 8. Bezirk!) Wir haben vor zwei Wochen die U 6 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung, nicht nur aus diesem Bezirk, sondern auch aus dem angrenzenden Bezirk Donaustadt, nach Floridsdorf bekommen. Ich bin überzeugt davon, daß die Verlängerung nach Stammersdorf mit dem Erschließen der neuen Stadterweiterungsgebiete weitere Vorteile auch für die Infrastruktur unserer Stadt und unseres Landes hat.

In Ihrem Text der dringlichen Anfrage scheint mir ein Satz überhaupt völlig unverständlich zu sein – neben vielen anderen Unklarheiten, aber dieser besonders –, Sie schreiben nämlich, daß dieses Maßnahmenpaket keine Zukunftsperspektiven für den weiteren Ausbau vor allem der Infrastruktur in der Bundeshauptstadt eröffne. Das scheint mir ja besonders unsinnig zu sein, denn gerade im Bereich der Infrastruktur für die Stadt Wien wird im Rahmen dieses 30-Milliarden-Paketes sehr viel geleistet. Die U-Bahn-Verlängerungen U 1, U 6 habe ich schon angesprochen. Auch die Taktverdichtung auf der S-Bahn-Strecke sowie der Ausbau der S 80 sind wesentliche infrastrukturelle Meilensteine im Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes in Wien. Aber auch der Ausbau der S 7 zum Flughafen und die Schließung des S-Bahn-Ringes durch den Anschluß der S 45 an die S 80 sind wesentliche infrastrukturelle Maßnahmen in diesem Bereich.

Dieses Paket sichert auch für die Wirtschaft Milliardenaufträge und schafft Tausende von Arbeitsplätzen – nicht nur im Hoch- und Tiefbau, sondern auch im Bereich des Dienstleistungssektors, in der Industrie, aber auch im hochqualifizierten Bereich im Gewerbe. Investitionen sichern Arbeitsplätze. Zu dieser Politik bekennen wir uns als Sozialdemokraten in Wien, aber auch beim Bund.


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Wir Sozialdemokraten kämpfen auch um jeden Arbeitsplatz. Deshalb haben wir bisher als einziges Bundesland auch ein spezielles Förderungsinstrument, nämlich den Wiener Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenförderungsfonds, geschaffen, der sich ganz besonders zum Ziel gesetzt hat, neue Arbeitsplätze in unserem Bundesland auch mit Unterstützung des Bundes zu schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses 30-Milliarden-Paket dient natürlich der Infrastruktur des Landes Wien, allerdings weit darüber hinaus den angrenzenden Bundesländern, auch der gesamten Region. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß sehr viele Bewohnerinnen und Bewohner der Bundesländer Niederösterreich, Burgenland, aber auch der Steiermark ihre Arbeitsplätze in der Stadt Wien haben und daß diese infrastrukturellen Maßnahmen des 30-Milliarden-Paketes auch dieser Bevölkerung zugute kommen.

Auf die Finanzierung der Projekte wurde vom Herrn Bundesminister und vom Herrn Staatssekretär ja bereits hingewiesen. Ich möchte nur noch einmal die Aufteilung ganz besonders herausstreichen und erwähnen, weil sie ein Indiz dafür ist, daß es bereits bei der Durchführung und bei der Planung dieses 30-Milliarden-Projektes Absprachen zwischen Land und Bund gegeben hat, die diese infrastrukturellen Maßnahmen ermöglicht haben. – So zum Beispiel die Weiterführung des Aufteilungsschlüssels 50 Prozent zu 50 Prozent beim U-Bahn-Bau oder dieselbe Aufteilung bei der Schaffung von Park-and-ride-Plätzen in der Bundeshauptstadt.

Zum Schluß kommend möchte ich noch darauf hinweisen – das ist meine tiefste Überzeugung und zeigt sich auch in all unseren Untersuchungen –, daß ohne dieses Paket ein S-Bahn-Ausbau in Wien nicht möglich wäre, daß die Beteiligung des Bundes am U-Bahn-Bau weit über das Jahr 2000 hinaus gesichert ist – dieses Programm wäre ja mit dem Jahr 2000 ausgelaufen – und daß die Universität im Bereich der Donau-City gesichert ist und dadurch vielen Menschen, auch aus anderen Bundesländern, die Möglichkeit bietet, eine entsprechend qualifizierte Ausbildung zu bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. Ich erteile es ihm.

17.17

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Debatte hat bisher, glaube ich, gezeigt, daß die sozialdemokratische Fraktion bis jetzt noch nicht erkannt hat, worum es in dieser dringlichen Anfrage geht. (Heiterkeit. – Bundesrat Konečny: Das ist zugegebenermaßen schwer!)

Meine Damen und Herren! Ich verstehe den Standpunkt der Sozialdemokratischen Partei, denn ich glaube, Sie sind selbst verunsichert und Sie glauben selbst Ihrer Bundesregierung, Ihren Regierungsmitgliedern nicht mehr, weil in der letzten Zeit so viel Ankündigungen gemacht worden sind, die aber nicht realisiert worden sind.

Ich bringe Ihnen ein Beispiel dazu: Vor etwa einem Jahr, im Jahr 1995, gab es in der Steiermark die Diskussion um die Rückkehr der Formel 1, um den Ausbau des Österreich-Ringes. Die Sozialdemokraten verkündeten in der Steiermark, daß es im Einvernehmen mit der Bundesregierung gelungen ist, eine Mitfinanzierung von seiten des Bundes sicherzustellen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Nächster Schritt in dieser Diskussion war dann: Als sich das Land Steiermark auch zum Ausbau dieses Österreich-Ringes bekannt und eine finanzielle Beteiligung beschlossen hatte und vor allem als die betroffenen Gemeinden auch bereit waren – mit einhelligen Gemeinderatsbeschlüssen –, sich an diesem Projekt zu beteiligen, war von seiten der Bundes-SPÖ nichts mehr davon zu erkennen, daß man jemals eine Zusage getätigt hat. (Bundesrätin Schicker: Sagen Sie auch, warum!) Da war nichts mehr davon zu erkennen, Frau Kollegin Schicker, daß die Bundesregierung ihr Wort hält.


Bundesrat
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Meine Damen und Herren! Daraus kann man schon ableiten, daß es einmal notwendig ist, hier in diesem Haus die Karten auf den Tisch zu legen, weil letztlich die Bürger – in diesem Fall die Wienerinnen und Wiener – ein Recht auf die Wahrheit haben, inwieweit Ihre Versprechungen und Ankündigungen auf Wahrheitsgehalt beruhen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konečny: Warum paschen Sie? – Bundesrat Dr. Tremmel: Ihr Herr Schachner-Blazizek hat verkündet, daß die Mittel zur Verfügung gestellt werden!)

Meine Damen und Herren! Bei den Ankündigungen von der Sozialdemokratischen Partei ist es nicht geblieben, daß sie ursprünglich ein Bekenntnis zum Österreich-Ring abgelegt haben und dann wieder zurückgezogen haben, sondern – schreiben Sie es auch dem Zufall zu – im November des Vorjahres hat Ihr Bundesvorsitzender wiederum in der Steiermark verkündet und angekündigt, daß 120 Millionen Schilling in die Region Obersteiermark für Betriebsansiedelungen bereitgestellt werden.

Bis dato ist außer dieser Ankündigung nichts geschehen, ist in diese Region kein Schilling geflossen. Eines ist aber passiert: Der 17. Dezember ist an uns vorbeigegangen. Man hat als Obersteirer das Gefühl, man kann sich an die Ankündigung Ihres Vorsitzenden nicht mehr erinnern. Meine Damen und Herren! Und das hat auch, so glaube ich, den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Steiermark, Peter Schachner-Blazizek, und den Vorsitzenden Ihrer Bewegung in Kärnten, Herrn Dr. Ausserwinkler, veranlaßt, sich vor kurzer Zeit, am vorigen Wochenende auf der Pack zu treffen. Und es war gestern in der "Wiener Zeitung" nachzulesen – ich zitiere wörtlich –: Die beiden SPÖ-Landesorganisationen Kärnten und Steiermark haben sich zu einer Achse zusammengeschlossen, um stärker gegen den Zentralraum Wien, Niederösterreich aufzutreten – Sie, meine Damen und Herren von der sozialistischen Partei, hören Sie mir jetzt genau zu – und sich innerhalb der SPÖ mehr Gehör zu verschaffen. Vor allem im Bereich der Infrastrukturmaßnahmen würde der Süden Österreichs gegenüber dem Osten stark benachteiligt, erklärten die SPÖ-Landesparteiobmänner Peter Schachner-Blazizek, Steiermark, und Michael Ausserwinkler, Kärnten, am Mittwoch in einer gemeinsamen Pressekonferenz. (Beifall den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Diese Tatsache allein rechtfertigt, daß wir die Regierung dazu befragen. Diese Tatsache allein rechtfertigt, daß wir als Ländervertreter in der Frage der angekündigten Finanzierung Klarheit haben wollen. Daher ist es für mich unverständlich, daß sich die sozialdemokratische Fraktion hier in diesem Haus in einer demagogischen Art und Weise davon zu distanzieren versucht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.22

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konečny. Ich erteile es ihm.

17.22

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren von der SPÖ, von der ÖVP, von der F 1 und der F 2. Wir erleben hier das interessante Beispiel einer Vierparteiendiskussion. Ich habe nichts dagegen, variatio delectat. Ich habe nichts gegen Vielfalt, auch innerparteilicher, aber ich frage mich – nein, ich kann mir eigentlich die Antwort darauf selbst geben –, warum es heute dringliche Anfragen gibt.

Sie haben zwei dringliche Anfragen in der Debatte behandelt. Die eine haben Sie offenbar beim Photokopieren vergessen. Es gibt eine dringliche Anfrage, und dazu haben Herr Dr. Kapral und Herr Langer gesprochen, die sozusagen für das Wiener Publikum, für den Wiener Parteipressedienst Ihrer Partei erklärt haben: Es gibt ein Paketerl, das ist kabaretthaft, es ist eine Seifenblase und ein Etikettenschwindel. Das wesentliche an einer Seifenblase ist – wenn ich Sie an Ihre Kindheit erinnern darf –, daß nichts drinnen ist. Jetzt kommen die Steller der zweiten dringlichen Anfrage, die Kollegen Königshofer und Weilharter heraus und erklären, daß sie sich bitterlich beschweren, daß Wien das bekommt, was in dieser Seifenblase drinnen ist. (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren von der FPÖ! Herr Bundesrat Mag. Repar hat heute einen Satz gesprochen – ich zitiere natürlich nur, ohne mich damit zu identifizieren, aus dem Protokoll –, der Sie fürchterlich erregt hat. Er sagte: Dabei werden verschiedene Mitbürger gegeneinander aufgehetzt. Es steht mir kein Urteil zu, aber was heißt das denn, wenn ich den Wienern sage, ihr bekommt nichts, und den Nichtwienern sage, die Wiener bekommen soviel, ihr müßt euch rühren. (Bundesrat Dr. Kapral: Das ist die Art der Sozialdemokratischen Partei!) Sie, meine Damen und Herren von der FPÖ, beweisen einmal aufs Neue, daß Sie jederzeit bereit sind, Ihre politischen Gwandln umzuziehen, wenn Sie sich davon irgend etwas politisch versprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Österreicher haben diesem Spiel eine Zeitlang ein gewisses Amüsement abgewinnen können. Spätestens seit dem 17. Dezember ist irgendwie klar, daß das Amüsement abnehmend ist. Frau Kollegin Riess, die gerade wieder so muntere Zwischenrufe macht, hat mir ausweislich des Protokolls der 605. Sitzung angekündigt, daß wir Sozialdemokraten die Antwort der Wähler am 17. Dezember bekommen werden. Wir haben sie bekommen. (Bundesrat Mag. Langer: Das zweitschlechteste Ergebnis!)

Herr Kollege Langer! Wenn Sie sich die Wiener Umfragedaten anschauen, dann sollten Sie respektvoller Weise nur mehr mit einer Popobacke auf dem Sessel Platz nehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Langer: Weil wir eine Million Wähler vertreten?)

Meine Damen und Herren! So viele dringliche Anfragen hat dieses Haus schon erlebt, die im Wellenschlag der Geschichte spurlos verrauscht sind. Heute sind es zwei weitere, denen dieses Schicksal beschieden sein wird. Aber diese Bundesregierung, diese Verwaltung des Landes Wien und die Verwaltungen acht anderer Bundesländer, die bereit sind, in Partnerschaft mit dieser Regierung die Infrastruktur ihres Gebietes zu entwickeln, werden Fakten schaffen, von denen dieses Land und seine Menschen etwas haben. (Beifall bei der SPÖ.)

17.27

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Verehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich werde jetzt keinen Ordnungsruf erteilen, möchte aber darauf hinweisen, daß auch der Vorwurf der Demagogie eigentlich einen Ordnungsruf zur Folge hätte. Herr Kollege Weilharter! Ich bitte Sie, die Worte, die Sie verwenden, auch vorher zu überdenken! (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter. ) Wenn Sie das haben und wenn Sie auf dieser Demagogie, die Sie vorgeworfen haben, bestehen, dann müßte ich doch hier eine andere Entscheidung treffen, als ich sie jetzt vorgeschlagen habe, nämlich Sie zu bitten, Ihre Worte zu überdenken. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Der Vorwurf der Aufhetzung verlangt keinen Ordnungsruf? – Bundesrat Mag. Tusek: Das kommt davon, daß Sie die Geschäftsordnung parteilich handhaben!)

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Erhard Meier. Ich erteile es ihm.

17.27

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte auf zwei Dinge hinweisen, von denen ich glaube, daß Sie der Diskussion im Bundesrat nicht gut tun.

Erstens sollten Landtagswahlen der einzelnen Bundesländer hier zu keiner Diskussion führen, da sie nur mit jenem Land und der Bundesregierung zu tun haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens glaube ich, daß es nicht gut ist, wenn wir beginnen, die Bundesländer untereinander in ihren Vorhaben, Wünschen, berechtigten Forderungen auszuspielen.

Wenn man Ihren Antrag liest, dann bemerkt man, daß wortwörtlich der Begriff Nettozahler drinnensteht. Wir kennen das von der Europäischen Union. Nettozahler ist jener Teil eines Gebietes – das gibt es auch innerhalb einer Gemeinde, innerhalb eines Bundeslandes, aber auch innerhalb des Staates –, der aufgrund wirtschaftlich besserer Bedingungen in Form eines Ausgleiches – österreichweit Finanzausgleich – mehr in die Gesamtheit einbringt, als er herausbekommt. Herr Mag. Langer hat auch gesagt: Wir Wiener zahlen mehr in den Topf hinein. Die Forderung wird erhoben, daß man auch all das wieder herausbekommt, was man hineingezahlt


Bundesrat
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hat. Dann bräuchten wir keinen Finanzausgleich innerhalb Österreichs, wenn jeder das wieder herausbekommt, was er einbezahlt hat. Mit anderen Worten ausgedrückt heißt das, Wien müßte eigentlich mehr bekommen.

Nun haben Herr Dr. Königshofer und Herr Kollege Weilharter die Probleme ihres Landes vorgetragen. Die dortige FPÖ – im Herbst vergangenen Jahres war es Landesrat Schmid – hat gesagt, in Wien bekommen sie zuviel. Wir brauchen mehr für die Steiermark. Und bezüglich dieses einen angeschnittenen Projektes haben wir das auch gehört. Eines von beiden kann aber nicht stimmen. Entweder es bekommt Wien zuviel, oder, wie Herr Mag. Langer gesagt hat, es bekommen die anderen Bundesländer zuviel von dem, was Wien einträgt. Beides kann nicht stimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, weil ich will, daß wir diese Situation überdenken. Ich weiß schon, Gerechtigkeit auch innerhalb der Regionen und der Bundesländer, was finanzielle Dinge betrifft, ist nicht immer leicht zu erreichen. Aber Gott sei Dank gibt es auch 15a-Verträge und andere Vereinbarungen mit anderen Bundesländern. Ich will nun nicht auf den Österreich-Ring eingehen, denn das ist wieder eine sehr spezifische Sache. Nur soviel: Die SPÖ war nicht für den Österreich-Ring, sondern die FPÖ. Am nächsten Tag war der Bagger beim Österreich-Ring und hat mit den Arbeiten begonnen. Und als es beim jetzigen Budget darum ging, den Bau weiterzufinanzieren, hat die FPÖ nicht mehr mitgestimmt. – Ja hätten wir das Geld hinausschmeißen und den Ö-Ring halbfertig stehen lassen sollen!? So war die Situation rund um den Ö-Ring in der Steiermark. (Bundesrat Dr. Tremmel: Jetzt wird ja gebaut!) Ja, es ist schon voriges Jahr damit begonnen worden, vor der Landtagswahl, Herr Kollege Tremmel!

Ich möchte schließen mit dem Appell, daß wir den Bundesrat nicht dazu benützen sollten, um die einzelnen Bundesländer und deren Wünsche in dieser Form gegeneinander auszuspielen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.32

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Tremmel. – Bitte.

17.32

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Frau Präsidentin! Ich kann mich erinnern, es war vor ungefähr einem Monat, als wir hier über das Strukturanpassungsgesetz – "Sparpaket" im Volksmund genannt – diskutiert haben, und ein erheblicher und sehr wichtiger Diskussionspunkt war der Finanzausgleich. Ich habe mich selbst hier alteriert, weil ich das ganze Paket in der Nacht noch durchlesen mußte, weil nur eineinhalb Tage Zeit war für ein Paket von 1 400 Seiten. Und es ist ganz genau der Verhandlungsablauf drinnen gestanden, wie es beim Finanzausgleich gelaufen ist.

Monatelang wurde in der Landeshauptleutekonferenz, in Konferenzen der Landesfinanzreferenten die Aufteilung der Finanzmittel besprochen. Keine Rede, meine Damen und Herren, war von diesem Sonderfinanzierungspaket, das heute hier in Diskussion steht und das heute von uns in dieser Form, wie es dargestellt wird, moniert wird. Warum wird es hier von uns moniert? – Weil man erwarten kann, wenn finanzielle Dinge zwischen Bund und Gebietskörperschaften abgehandelt werden, daß die dort abgehandelt werden, wo es die Gesetze vorsehen. – Punkt eins. Und das widerspricht durchaus nicht dem, was Kollege Kapral gesagt hat, nämlich daß man das dort machen sollte, wo der Gesetzgeber hiefür Raum bietet. Das ist in diesem Fall nicht geschehen.

Punkt zwei: Herr Kollege Meier! Wir spielen niemanden aus, aber hier werden Wunsch und Wirklichkeit und bereits begonnene Projekte miteinander vermischt. Und das Ganze wird hier dargestellt als eine Sondervereinbarung mit Wien – das muß ja die anderen herausfordern! Herr Kollege Konečny! Sie können mit noch solchen Engelszungen reden und sagen, wir würden den Wienern das nicht gönnen. Das stimmt ja alles nicht. Wir hätten nur gerne hier die Ordnung, wie sie die Gesetze vorsehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Bundesrat
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Diese Ordnung, meine Damen und Herren, ist bei diesem Sonderpaket, bei dieser Luftblase leider Gottes nicht gegeben.

Zu den steirischen Belangen, weil Sie hier einige Zwischenrufe getätigt haben: Jetzt muß ich aber wirklich sagen, meine Damen und Herren: Ich habe tagelang den Verhandlungen im Landtag gefolgt. Es ist verhandelt worden mit den einzelnen Gemeinden, dann hat Herr Landesfinanzreferent Ressel gesprochen. Dieser hat wieder Herrn Hofrat Wurm kontaktiert, der in Wien verhandelt hat. Letztlich wurde im Landtag gesagt – ich muß doch einem Politiker, den ich sehr lange kenne, Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter DDr. Schachner-Blazizek, wenn er das verkündet, glauben –, jawohl, hier haben Gespräche stattgefunden, und man konnte entnehmen, daß hier durchaus Zustimmung seitens des Bundes vorhanden ist. Es sind auch zwei Briefe bezüglich des Zeltweg-Ringes im Gespräch gewesen, und es wurde eine schnellstmögliche Prüfung zugesagt. Es wurde hier im Hause auch eine Anfrage dazu von mir gestellt, deren Beantwortung Ihnen auch zugegangen ist, in der dringestanden ist, daß keine Finanzierungszusage endgültig gegeben wurde, denn das müsse erst beschlossen werden, aber daß es, wie es hier so schön heißt, eine starke Verwendungszusage gibt.

Meine Damen und Herren! Wenn wir heute hier über diese Dinge reden, wenn wir uns gegenseitig ins Gesicht schauen wollen und wenn wir uns trauen wollen, dann müssen wir an Versprechungen, die gegeben wurden, glauben – und ich möchte nach wie vor daran glauben.

Das ist der dritte Kritikpunkt, den wir an diesem Bereich haben: daß man das Gefühl hatte, daß man das hinten herum und schnell erledigt hat. – Möglicherweise war wirklich der 13. Oktober 1996 im Gerede, weil man den Wienern ein besonderes Geschenk machen wollte. (Bundesrat Konečny: Was ist es jetzt? Ein Geschenk oder eine Seifenblase?)

Meine Damen und Herren! Das ist keine gute Politik, das ist keine Vorgangsweise, die vertrauensheischend ist. Überlegen wir uns das in Zukunft!

Herr Kollege Konečny! Es wurde beim Strukturreformgesetz gesagt, das ist eine Scheindebatte, denn Sie sind ohnehin verhalten, soundso abzustimmen. Aber dann hätten wir darüber überhaupt nicht zu reden brauchen. Wenn solche Sondervereinbarungen getroffen werden, dann soll man sie als Sondervereinbarung deklarieren, nicht groß in der Presse darstellen, weil zufälligerweise am 13. Oktober Landtagswahlen in Wien und EU-Wahlen in Österreich sind. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konečny: Zufälligerweise nicht! Demokratischerweise!)

17.38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr DDr. Königshofer. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß für eine tatsächliche Berichtigung fünf Minuten vorgesehen sind.

17.38

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich möchte die Aussagen des Herrn Kollegen Meier tatsächlich berichtigen, und zwar daß ich gesagt und dauernd behauptet hätte, Wien bekäme im Gegensatz zu den anderen Bundesländern zuviel.

Ich habe nicht gesagt, Wien bekommt zuviel, sondern ich bin verwundert, wieviel Wien in den letzten Jahren bekommen hat beziehungsweise in Zukunft noch bekommen wird. (Bundesrat Meier: Wo ist denn da der Unterschied?) Wir haben ja gehört, daß allein für den Wiener U-Bahn-Bau 20 Milliarden Schilling an Bundesmitteln geflossen sind und daß in Zukunft 15 Milliarden Schilling für den Wiener Straßenbau fließen werden.

Sie behaupten auch dauernd, daß wir als Opposition nur polemisieren würden – dazu darf ich Ihnen eines sagen: Der Opposition steht es zu, an gewissen Zuständen und Umständen Kritik zu üben. (Zwischenrufe.)


Bundesrat
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Ein englischer Politiker hat einmal gesagt: Die Opposition darf meckern. Milch geben muß die Regierung. Aber die Milch, die Sie geben, ist sehr dünn. Wir haben eine wahre Magermilchregierung. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.39

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Dr. Rockenschaub.

17.39

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich mache es ganz kurz. Herr Kollege Konečny! Wir haben Sie bei einem Trick ertappt. Die Seifenblase ist natürlich leer, da ist nichts drinnen. Aber Sie wollen den Wienern ein großes Geschenkpaket verkaufen. Genau darum geht es. Dabei sind Sie ertappt worden, und die Sache ist Ihnen zuwider.

Im übrigen finde ich es von der politischen Kultur her nicht günstig. Aber bitte, wir können in Zukunft so vorgehen, daß Landtagswahltermine großartige Invest-Pakete für die Bundesländer bestimmen werden.

Ich finde das nicht gut. Aber so, wie es verkauft und inszeniert wurde, ist es der Fall. Als Opposition werden wir damit leben können.

Im übrigen führt es dazu, daß Rot und Schwarz in den Ländern und Großkommunen heftig untereinander zu streiten beginnen – eine Konstellation, die für uns Freiheitliche nicht so unangenehm ist. Der Linzer Bürgermeister hat ja den schwarzen Finanzlandesrat in Oberösterreich schon als Totalversager und ähnliches bezeichnet, weil er zuschaut, wie die Milliarden nach Wien die Donau hinunterschwimmen. Also wir brauchen uns da vor nichts zu fürchten.

Als kurzen Schlußsatz: Ich möchte den beiden Vertretern auf der Regierungsbank hiemit bekanntgeben: In Oberösterreich sind nächstes Jahr Landtagswahlen. (Beifall und Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

17.41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir nehmen die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf.

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 7. Mai 1996 betreffend ein Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16. September 1988, samt Protokollen und Erklärungen sowie Erklärung der Republik Österreich (34 und 88/NR sowie 5169/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung: ein Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16. September 1988, samt Protokollen und Erklärungen sowie Erklärung der Republik Österreich.

Die Berichterstattung zu diesem Tagesordnungspunkt hat Frau Bundesrätin Hedda Kainz übernommen. Ich bitte sie um den Bericht.


Bundesrat
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Berichterstatterin Hedda Kainz:
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Beschluß des Nationalrates trägt dem Umstand Rechnung, daß durch die Ratifikation des Lugano-Übereinkommens Österreich in den europäischen Rechtsraum, dem alle EU- und EFTA-Staaten angehören, eingebunden wird. Das Übereinkommen wird einen wesentlichen Fortschritt dadurch bringen, daß einerseits die inländische Gerichtsbarkeit in vermögensrechtlichen zivilen Handelssachen in allen EU- und EFTA-Staaten umfassend und einheitlich geregelt und andererseits die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung der in den Vertragsstaaten ergangenen gerichtlichen Entscheidungen erheblich erleichtert und beschleunigt wird. Die Rechtszersplitterung, wie sie derzeit aufgrund der verschiedenen bilateralen Vollstreckungsverträge besteht, wird durch einheitliches Recht abgelöst. Die Rechtsanwendung wird damit wesentlich erleichtert und die Rechtssicherheit erhöht.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Weiters hat der Nationalrat gemäß Artikel 49 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz beschlossen, daß dieses Übereinkommen in dänischer, englischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, isländischer, italienischer, niederländischer, norwegischer, portugiesischer, schwedischer und spanischer Sprache zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für Justiz aufliegt.

Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Mai 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird (BHG-Novelle 1996) (188/A und 144/NR sowie 5173/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung: ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Pfeifer übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Josef Pfeifer: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Der Nationalrat hat am 23. Mai 1996 ein Bundesgesetz beschlossen, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird: Bundeshaushaltsgesetz-Novelle 1996.


Bundesrat
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Erfahrungen in der Praxis und insbesondere der derzeit geringe Zinssatz für Eskontierungen der Oesterreichischen Nationalbank machen Anpassungen von Wertgrenzen und Verrechnungsvorschriften zur Realisierung eines kostenbewußten Schuldenmanagements erforderlich.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Mai 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben. – Ich ersuche um Annahme.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. Peter Harring. Ich darf ihn bitten, das Wort zu nehmen.

17.46

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bundesrat Konečny hat vor wenigen Minuten eine Rede mit Unterhaltungswert gehalten und in Replik auf die Aussage von Dr. Susanne Riess gemeint, die Wähler hätten den Freiheitlichen am 17. Dezember die Antwort auf ihre Politik gegeben. Dazu möchte ich Herrn Konečny drei Sätze aus einem Artikel in der "Zukunft" vorlesen, Ausgabe Nr. 3/1996, vorlesen. Der Artikel stammt von Heinz Kienzel, der hier folgendes schreibt:

Sämtliche demoskopische Umfragen haben gezeigt, daß es der F-Bewegung gelungen ist, in die traditionelle SPÖ-Wählerschicht der Facharbeiter massiv einzubrechen. Etwa ein Drittel der Wähler der Freiheitlichen sind Arbeiter – in der SPÖ sind es 24 Prozent. 58 Prozent der F-Wähler haben Fachschulausbildung – bei den SPÖ-Wählern sind es 47 Prozent. Aber auch was das politische Bekenntnis anlangt, hat die SPÖ unter den Facharbeitern stark verloren. Während sich zu Kreiskys Zeiten rund 55 Prozent der Facharbeiter als SPÖ-Anhänger deklarierten, sind es nunmehr knapp 40 Prozent.

So viel zur Antwort der Wähler. Damit können wir sehr gut leben, Herr Konečny! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konečny: Wenn Sie glauben!)

Wir haben heute in der Früh im Finanzausschuß einstimmig beschlossen, einer Änderung des Bundeshaushaltsgesetzes zuzustimmen, und zwar deshalb, weil wir alle davon überzeugt sein müssen – und natürlich auch sind –, daß es keine rechtlichen Hindernisse geben soll, beim Schuldenmanagement kostenbewußt vorzugehen, und daß man sich bei der Begebung von Bundesanleihen, nach denen offensichtlich momentan eine starke Nachfrage besteht, nicht selbst durch betragsmäßige Grenzen Fesseln anlegen soll.

Der niedrigste Zinssatz für Eskontierungen bei der Oesterreichischen Nationalbank seit 1945 – der Eskontsatz liegt ja bekanntlich derzeit bei 2,5 Prozent und dürfte in den nächsten Wochen auch nicht steigen – hat Anpassungen von Wertgrenzen und Verrechnungsvorschriften dringend erforderlich gemacht. Das ist erst die Voraussetzung dafür, eine flexiblere und wirtschaftlichere Gesetzgebung bei Schuldaufnahmen zu gewährleisten. Wenn das nicht passiert, hinkt die Gesetzgebung, meine Damen und Herren, in bewegten Zeiten wie diesen der wirtschaftlichen Entwicklung noch mehr nach, als es ohnedies der Fall ist.

Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, prüft der Rechnungshof zunächst immer die Gesetzmäßigkeit, dann aber auch die Wirtschaftlichkeit, was mindestens ebenso wichtig ist. Und es ist für uns hier wichtig, dafür zu sorgen, die österreichische Bundesfinanzierungsagentur in die Lage zu versetzen, das Schuldenmanagement optimieren zu können.

Aufgrund des heutigen Beschlusses wird es nicht mehr passieren, daß durch die Nichtmöglichkeit der Begebung einer D-Mark-Anleihe in entsprechender Höhe, wie es bei der letzten Anleihe der Fall war, ein Verlust von 21 Millionen Schilling für den Steuerzahler nur deshalb entsteht, weil die Höchstgrenzen nicht überschritten werden durften.


Bundesrat
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Darüber hinaus sind wir von der Freiheitlichen Partei aber davon überzeugt, daß man beim Schuldenmanagement noch einiges – und wir glauben, vieles – besser machen könnte, besser machen für den Steuerzahler, weil hier ordentliche Millionenbeträge eingespart werden könnten.

Auch wenn wir uns heute von der Kompetenz der Damen und Herren der Bundesfinanzierungsagentur positiv überzeugen konnten, so muß man doch sagen, es gibt nichts im Leben, das man nicht noch besser machen könnte. Und ich verweise hier ganz kurz auf folgende Punkte:

Der Anteil der Bundesschulden in fremder Währung beträgt zurzeit 21,7 Prozent. Das ist laut Auskunft des Chefs der Agentur, des Herrn Eder, eine Zahl, die seit 1994 etwa gleichgeblieben ist – in Wirklichkeit ist sie laufend gestiegen. Wir waren vor zwei Jahren noch bei 14 bis 15 Prozent. Ob die Spekulation, in den Schweizer Franken und in den Yen zu gehen, aufgehen wird, wird sich zeigen.

Wir sind überzeugt davon, daß in Zeiten eines derart niedrigen Zinsniveaus in Österreich der Anteil der Auslandsschulden zu hoch ist. Der Geldmarktsatz liegt heute zwischen 3 und 3,25 Prozent. Für Zwölfmonatsgeld werden 3,05 bis 3,30 Prozent bezahlt. Die VIBOR-Sätze sind ganz ähnlich: zwischen 3,25 und 3,30. Die Sekundärmarktrendite ist auf 5,34 Prozent gefallen, befindet sich also auf einem historischen Tiefststand. Der Anteil der Verbindlichkeiten der Bundesschuld in ausländischen Währungen ist mit nahezu einem Viertel deutlich zu hoch.

Wir gehen weiters davon aus, daß gerade jetzt Umschuldungen oder Herabsetzungen der Konditionen durch harte Verhandlungen und der Übergang zu verbindlichen fixen Konditionen einfach wichtig wären, weil anzunehmen ist, daß es spätestens ab Herbst wieder zu einer leichten Erholung der Zinsen kommen und eine langfristige Vereinbarung von Fixkonditionen gerade jetzt zu einer bedeutenden Verringerung der Durchschnittsbelastung der Finanzschuld führen könnte.

Was heute jeder Gewerbetreibende, jeder Handelsbetrieb, jeder Handwerker versucht, nämlich sich bei entsprechender Bonität beste Zinsen zu verschaffen, muß wohl auch für die Republik Österreich eine Selbstverständlichkeit sein, und sie muß diese günstige Situation ausnützen.

Die Banken vergessen aus Wettbewerbsgründen sehr oft auf Ertragsüberlegungen. Finanzminister Klima hat in den letzten Tagen zu Recht darauf hingewiesen, daß dies kein optimaler Zustand für ein Land wie Österreich ist.

Betrachtet man die derzeitige Zinsenlandschaft, so stellt man fest, daß der durchschnittlich gewichtete Zinssatz der Finanzschuld Österreichs – die Finanzschuld Österreichs beträgt derzeit 1 342 Milliarden Schilling –, also aller dieser Ausleihungen, sage und schreibe 6,3 Prozent beträgt. Und diese 6,3 Prozent sind im Verhältnis zur Marktsituation eindeutig zu hoch, aus welchen Gründen auch immer, viel zu hoch im Vergleich zu den auf den Finanzmärkten möglichen Konditionen.

Eine Absenkung des durchschnittlichen Zinssatzes von 6,3 auf 6,2 Prozent, also um nur einen Zehntelprozentpunkt, würde bei der Höhe der österreichischen Finanzschuld 1,3 Milliarden Schilling Ersparnis für die Steuerzahler bedeuten. Dieser Zinssatz von 6,3 Prozent im Durchschnitt entspricht nämlich einer Rendite auf dem Kapitalmarkt von acht bis neun Jahren. (Präsident Payer übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt, meine Damen und Herren, gerade auf diesem Gebiet, bei dem es um so viel Geld geht, nichts, was man nicht noch besser machen könnte. Daher bin ich einigermaßen verwundert, daß sich nur ein Kollege von der Österreichischen Volkspartei hier zu Wort gemeldet hat und daß es den Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei nicht einmal wert ist, zu diesem wichtigen Punkt hier wenigstens einige Worte zu sagen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Bundesrat
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613. Sitzung / Seite 116

17.53

Präsident Johann Payer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann. Ich erteile ihm dieses.

17.53

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Kollege Harring! Ich habe schon geglaubt, Sie sind gegen diese Novelle, weil Sie sich als erster zu Wort gemeldet haben. (Bundesrat Dr. Kapral: Das ist ein Fehler der Parlamentsdirektion!) Aber ich bin froh darüber, daß Sie dieser Sache zustimmen.

Die heutige Novellierung des Bundeshaushaltsgesetzes stellt, glaube ich, eine Sternstunde im Bundesrat dar, weil wir hier über Bundesbudgetangelegenheiten diskutieren können, obwohl wir an und für sich keine Kompetenz haben, was das Bundesbudget betrifft, beziehungsweise auch kein Zustimmungsrecht zum Finanzausgleich.

Zur Novelle selbst. Sie ist notwendig geworden, weil der Diskontsatz der Oesterreichischen Nationalbank am 18. 4. 1996 auf 2,5 Prozent gesenkt wurde und damit einen historischen Tiefststand darstellt. Mit dem bisherigen Multiplikator des zweieinhalbfachen Diskontsatzes wäre es nur möglich gewesen, Staatsobligationen zu einem Zinssatz von maximal 6,25 Prozent zu begeben. Diese Begrenzungsregel, die auf den kurzfristigen Diskontsatz abstellt, ist angesichts der steilen Zinskurse für langfristige Finanzierungen nicht mehr ganz marktkonform.

Die zehnjährige Rendite, wie Kollege Harring bereits gesagt hat, liegt auf dem Kapitalmarkt derzeit bei 6,5 Prozent. Um ein entsprechendes Debtmanagement zu gewährleisten, wird daher in der Novelle vorgeschlagen, den Multiplikator auf vier bei einem Diskontsatz bis 2 Prozent beziehungsweise auf 3,5 bei einem Diskontsatz von 2 bis 3 Prozent zu erhöhen.

§ 65 des Bundeshaushaltsgesetzes schafft im übrigen die formale Basis für die Finanzschuldengestion der österreichischen Bundesfinanzierungsagentur. Es soll damit dem Legalitätsprinzip, welches auch für die Finanzschuldengebarung im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung Geltung hat, Rechnung getragen werden.

Selbstverständlich werden die Finanzschulden des Bundes und das jährliche Budgetvolumen durch den Nationalrat als Bundesfinanzgesetzgeber jährlich begrenzt. Die übrigen haushaltsrechtlichen Bestimmungen werden durch diese Novelle nicht berührt.

Es ist, glaube ich, auch wichtig, daß bei den Einzeltransaktionen bei der Kreditaufnahme des Bundes eine entsprechende Liquidität möglich ist, und zwar indem das Einzellimit für Kreditoperationen erhöht wird. Bisher war das Einzellimit 15 Milliarden Schilling. Nunmehr wird hier eine flexible Größe, nämlich 18 Prozent, bezogen auf die jährliche Bruttoneuverschuldung im Gesetz vorgesehen.

Das bedeutet, daß wir im Jahr 1996 ein Limit von 36 Milliarden Schilling und 1997 von 30 Milliarden Schilling für Einzelobligationen haben, was sicherlich für den Finanzmarkt eine Verbesserung darstellt, weil der Bund bei den größeren Volumen eine bessere Rendite bekommt.

Meine Fraktion wird daher der Novelle zum Bundeshaushaltsgesetz gerne die Zustimmung erteilen, also keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.57

Präsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort. – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .


Bundesrat
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Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

6. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 7. Mai 1996 betreffend ein Übereinkommen zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Absätze 1 und 4 des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen samt Protokoll (85 und 108/NR sowie 5170/BR der Beilagen)

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung: ein Übereinkommen zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Absätze 1 und 4 des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen samt Protokoll.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Gottfried Jaud übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Gottfried Jaud: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich berichte über den von Ihnen verlesenen Tagesordnungspunkt.

Österreich ist als Mitglied des Atomsperrvertrages gemäß Artikel III Z 1 als Nicht-Atomwaffenstaat verpflichtet, die Kontrolle der Internationalen Atomenergie-Organisation über sein Kernmaterial und relevante nukleare Aktivitäten anzunehmen. Gemäß dieser Verpflichtung hat Österreich im Jahr 1972 mit der IAEO ein entsprechendes Sicherheitskontrollabkommen abgeschlossen, das als BGBl. Nr. 239/1972 am 31. Juli 1972 in Kraft getreten ist.

In Durchführung dieser Verpflichtung hat Österreich mit dem Sicherheitskontrollgesetz 1972 in der Fassung BGBl. Nr. 415/1992 innerstaatlich ein Sicherheitskontrollsystem eingerichtet, das vom Bundeskanzler als Sicherheitskontrollbehörde wahrgenommen wird.

Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ist ein Teil der Sicherheitskontrollaufgaben von Österreich auf die EURATOM-Sicherheitskontrollbehörde in Luxemburg übergegangen und wird von dieser gemäß Verordnung (EURATOM) Nr. 3227/76 wahrgenommen. Darüber hinaus hat Österreich gemäß Artikel 5 Abs. 2 der Beitrittsakte sich verpflichtet, nach Maßgabe dieser Akte dem gegenständlichen Übereinkommen anstelle des oben erwähnten bisherigen Sicherheitskontrollabkommens mit der IAEO beizutreten.

Sobald der Gesetzesbeschluß des Nationalrates vorliegt, wird die Bundesregierung gleichzeitig mit der Notifizierung an die EU auch die Suspendierung des bestehenden Sicherheitskontrollabkommens Österreichs mit der IAEO mittels Notenwechsels durchführen.

Mit dem neuen Übereinkommen bleibt der Umfang der Rechte und Pflichten und insbesondere der Kontrolltätigkeit der IAEO in bezug auf Österreich unverändert, womit auch keinerlei zusätzliche Kosten anfallen.

Gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG ist der gegenständliche Staatsvertrag in allen authentischen Sprachfassungen dadurch kundzumachen, daß dieser zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
613. Sitzung / Seite 118

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Mai 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Johann Payer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 7. Mai 1996 betreffend ein Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tunesischen Republik andererseits samt Anhängen, Protokollen und Erklärungen (77/NR sowie 5171/BR der Beilagen)

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung: ein Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tunesischen Republik andererseits samt Anhängen, Protokollen und Erklärungen.

Die Berichterstattung hat ebenfalls Herr Bundesrat Gottfried Jaud übernommen. Ich bitte um den Bericht, Herr Bundesrat.

Berichterstatter Gottfried Jaud : Sehr geehrter Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den von Ihnen verlesenen Tagesordnungspunkt.

Entsprechend den Leitlinien, die bereits vom Europäischen Rat in Lissabon (Juni 1992), Korfu (Juni 1994) und Essen (Dezember 1994) festgelegt worden sind, ist die Europäische Union entschlossen, ein dauerhaftes Schema für die Beziehungen zu den mediterranen Drittstaaten im Zeichen der Partnerschaft festzulegen. Diese Kooperationspolitik im Süden ist das Gegenstück zur Politik der Öffnung nach Osten.

Ziel der Mittelmeerpolitik der Europäischen Union ist es, die Mittelmeerländer in ihren Bemühungen um eine schrittweise Entwicklung der Region zu einer Zone des Friedens, der Stabilität, des Wohlstandes und der Zusammenarbeit zu unterstützen und zu diesem Zweck eine euro-mediterrane Partnerschaft zu schaffen. Diese umfaßt folgende Bereiche:

politische und Sicherheitsaspekte,

wirtschaftliche und finanzielle Aspekte,

soziale und menschliche Aspekte.

Ziel des gegenständlichen Abkommens ist es, einen Rahmen für den politischen Dialog zu schaffen, die Ausweitung von Handel und Investition zu fördern, die Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem, sozialem, kulturellem und finanziellem Gebiet zu vertiefen und die regionale Inte


Bundesrat
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gration zu stärken. Die Achtung der demokratischen Prinzipien und der Menschenrechte stellt ein grundlegendes Element des Abkommens dar.

Die Gemeinschaften und Tunesien zielen mit diesem Abkommen im Bereich des Handels mit landwirtschaftlichen und Fischereiprodukten auf eine größere Liberalisierung ab. Im Falle von Zahlungsbilanzschwierigkeiten kann die sich in Schwierigkeiten befindliche Vertragspartei zeitlich begrenzte restriktive Maßnahmen setzen.

Gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG ist der gegenständliche Staatsvertrag in allen authentischen Sprachfassungen dadurch kundzumachen, daß dieser zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Mai 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Johann Payer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 7. Mai 1996 betreffend eine Erklärung über den Rücktritt der Republik Österreich vom Internationalen Zuckerübereinkommen 1992 (55/NR sowie 5172/BR der Beilagen)

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung: eine Erklärung über den Rücktritt der Republik Österreich vom Internationalen Zuckerübereinkommen 1992.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Engelbert Weilharter übernommen. Ich bitte um den Bericht, Herr Bundesrat.

Berichterstatter Engelbert Weilharter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Infolge des Beitritts der Republik Österreich zur Europäischen Union ergibt sich die Notwendigkeit, vom Internationalen Zuckerübereinkommen 1992 zurückzutreten, da der Inhalt des Abkommens eine Materie betrifft, die in die Zuständigkeit der Kommission der Europäischen Union fällt. Der österreichische Beitrittsakt zur Europäischen Union enthält die Verpflichtung zum Rücktritt vom gegenständlichen Abkommen, dennoch ist das innerstaatlich vorgesehene Verfahren einzuhalten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
613. Sitzung / Seite 120

Da es sich beim Internationalen Zuckerübereinkommen 1992 um einen gesetzändernden und einen gesetzesergänzenden Staatsvertrag, der vom Nationalrat gemäß Artikel 50 Abs. 1 B-VG genehmigt wurde, handelt, ist der Rücktritt vom gegenständlichen Übereinkommen somit analog zu behandeln.

Der Wirtschaftsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Mai 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Johann Payer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte! Erlauben Sie mir an dieser Stelle, bevor ich zu den Vorfällen vor der Sitzungsunterbrechung Stellung nehme, eine allgemeine Anmerkung.

Debattenbeiträge können, sollen, müssen in einer lebendigen Demokratie lebhaft, kritisch, akzentuiert und scharf sein. Demokratie braucht Diskussion. Vergessen wir dabei aber nicht, daß wir Politiker, wir alle, die wir uns in diesem Raum befinden, über die Medien hinaus eine Vorbildwirkung haben. Vergessen wir nicht, daß das gesprochene Wort eine Macht ist. Das sollten vor allem jene bedenken, die eine Parteifunktion haben, die Parteiangestellte, die Landesparteisekretäre sind.

Ich meine das auf keinen Fall tendenziös und abwertend. Und ich getraue mich, das zu sagen, da ich selbst die Funktion eines Landesparteisekretärs ausübe und wahrscheinlich im Österreichvergleich einer bin, der diese Funktion am längsten innehat.

Daher mein Appell als derzeitiger Präsident des Bundesrates: Gehen wir mit der Macht des Wortes sehr sorgsam um!

Nach Studium des Stenographischen Protokolls erteile ich gemäß § 70 Herrn Bundesrat Repar für seine Redepassage: "Dabei sind skrupellose Anschüttungsversuche gerade gut genug; dabei werden verschiedene Mitbürger gegeneinander aufgehetzt; dabei wird vom Schüren der Gewalt nicht zurückgeschreckt." einen Ordnungsruf .

Weiters erteile ich Herrn Bundesrat Prasch wegen unzulässiger Kritik an der Vorsitzführung der Präsidentin Haselbach für den Teil, wo er Präsidentin Haselbach parteipolitische Agitation vorwirft, ebenfalls einen Ordnungsruf .

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt fünf Anfragen – 1181/J bis 1185/J eingebracht wurden.

Weiters wurde der Selbständige Antrag 92/A der Bundesräte Dr. Kapral und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Reichspolizeikostengesetz aufgehoben wird, eingebracht. Diesen weise ich dem Rechtsausschuß zu .

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Als Sitzungstermin ist Dienstag, 25. Juni 1996, 9 Uhr, in Aussicht genommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
613. Sitzung / Seite 121

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen neben dem Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die soziale Lage 1994 und der Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das zweite Halbjahr 1996 jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Montag, 24. Juni 1996, ab 14 Uhr vorgesehen.

Darüber hinaus ist eine zusätzliche Sitzung des Bundesrates für Freitag, 12. Juli 1996, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, 9. Juli 1996, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen .

Schluß der Sitzung: 18.13 Uhr