Bundesrat Stenographisches Protokoll 619. Sitzung / Seite 47

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Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Harald Repar. Ich erteile es ihm.

11.37

Bundesrat Mag. Harald Repar (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gewalt ist leider auch in sogenannten zivilisierten Gesellschaften an der Tagesordnung. Gewalt, die innerhalb der Familie in den allermeisten Fällen gegen Kinder und Frauen gerichtet ist, war lange Zeit Tabuthema, sogenannte Privatheit. Ich meine aber bei aller Respektierung der Privatheit, daß Gewaltanwendung niemals ein Tabu bleiben darf, auch wenn es sich innerhalb der Familie abspielt. Die Zahlen – sie wurden schon angesprochen – sprechen für sich. Ich möchte nur das Beispiel Wien heranziehen, wo es pro Tag etwa 25 Polizeieinsätze wegen Gewalt in der Familie gibt beziehungsweise an Spitzentagen bis zu 100. Nach wie vor gibt es viele Vorurteile innerhalb der Gesellschaft. Man meint, Gewalt gibt es nur in Problemfamilien. Das stimmt grundsätzlich einmal nicht, sondern in vielen Schichten oder in gewissen Schichten wird dies eher nur kaschiert.

Das zweite Vorurteil, das in der Öffentlichkeit vorherrscht, ist, daß die Opfer flüchten sollen. Auch dieses Problem ist nicht so leicht lösbar, denn viele sind in finanziellen Schwierigkeiten, in finanziellen Abhängigkeiten, vor allem Frauen mit Kindern, und somit wird dieses Problem nicht gelöst.

Es gibt auch ein Riesenproblem für Kinder, die Gewalt in ihren Familien erleben: Sie geben diese dann weiter, das ist wissenschaftlich erwiesen. Diese gesellschaftliche Gewaltspirale muß durchbrochen werden.

Eines ist klar: Durch den Bau von Frauenhäusern, in denen Opfer Schutz suchen können, und durch gesetzliche Regelungen kann nur gegen bereits geschehene Gewaltakte eingegriffen und den Opfern Schutz und Hilfe angeboten werden. Selbstverständlich dürfen wir uns durch das diskutierte Bundesgesetz über Änderungen des ABGB, der Exekutionsordnung und des Sicherheitspolizeigesetzes, nicht die generelle Beseitigung von Gewalt im allgemeinen und familiärer Gewalt im speziellen erhoffen. Wir müssen dieses Thema vielmehr weiter enttabuisieren, wir müssen weiter zur Zivilcourage von Nachbarn, Verwandten, Freunden ermuntern, um die extrem hohen Dunkelziffern im Bereich der Gewaltanwendung abzubauen und die konkreten Fälle öffentlich zu machen. Wenn nämlich einmal jemand um Hilfe ruft, dann hat er von sich aus die Privatheit abgelegt und wünscht, daß die Öffentlichkeit ihm zu Hilfe kommt und ihm die Hilfe auch bietet. Die permanente Bewußtseinsarbeit in diesem Bereich ist in Schulen und anderswo gefragt. Wir müssen alles tun, um Gewalt als Konfliktlösungsmittel aus unser aller Köpfe zu verbannen.

Wir werden das Übel der Gewalt sicher nie zur Gänze beseitigen können, aber jeder einzelne Gewaltakt oder jede einzelne Gewalttat, die durch das Gesetz verhindert werden kann, ist schon ein Riesenerfolg.

Problematisch ist es, daß selbst in der Erziehung verschiedenste Formen der Gewalt gegen Kinder immer noch weit verbreitet sind. Es gibt hiezu eine Studie, die ergab, daß beinahe 30 Prozent der Eltern schwere körperliche Gewalt, eine Tracht Prügel, Schläge mit Gegenständen und so weiter zumindest ab und zu anwenden, bei 5 Prozent der Eltern sind diese Erziehungsmethoden beinahe alltäglich. Auch die verschiedensten Formen der psychischen Gewaltanwendung werden von mehr als der Hälfte der Eltern zumindest ab und zu angewendet, und ich glaube, daß diese Zahlen uns allen zu denken geben sollten.

Ich bin sehr froh, daß sich Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky schon vor Jahren an die Spitze einer Initiative gegen die Gewalt in der Familie gestellt hat. Die von ihm gemeinsam mit dem Frauenministerium initiierte Studie über die Ursachen und Folgen der Gewaltanwendung war ein erster wichtiger Schritt der Politik, dieses lange Zeit tabuisierte Thema in Angriff zu nehmen. Das heute diskutierte Gesetz ist nun ein konkreter Ausfluß dieser Bemühungen von politischer Seite her, Maßnahmen zur Eindämmung der innerfamiliären Gewalt zu setzen.


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