Bundesrat Stenographisches Protokoll 619. Sitzung / Seite 83

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Berichterstatterin Anna Elisabeth Haselbach: Verehrte Damen und Herren! Das Burgenland feiert heuer 75 Jahre seines eigenständigen Bestehens und seiner Zugehörigkeit zu Österreich. Aus diesem Anlaß soll dem Land ein Zuschuß für besondere Vorhaben zum Zwecke der Festigung seiner Zugehörigkeit zur Republik Österreich und zur Verbesserung seiner Infrastruktur geleistet werden.

Wie schon bei vergangenen Anlässen soll auch diesmal die Beitragsleistung in Form eines eigenen Bundesgesetzes erbracht werden.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Josef Pfeifer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Payer. Ich bitte ihn, zu sprechen.

14.16

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte meine Ausführungen damit beginnen, daß ich namens meiner burgenländischen Landsleute der Bundesregierung ein herzliches und aufrichtiges Dankeschön für diese Jubiläumsgabe sage.

Wenn Österreich heuer sein tausendjähriges Bestehen feiert und bereits gefeiert hat, so steht sein jüngstes Bundesland, das Burgenland, diesen Feiern zwar nicht entgegen, aber doch etwas abseits. Wir sind erst seit 1921 Teil dieses Staates, und wir blicken auf eine teilweise völlig andersartige Geschichte unseres Landstrichs zurück

Seit nunmehr 75 Jahren lernen unsere Schulkinder zwar die Geschichte Österreichs, es fehlt ihnen aber die tiefe Verwurzelung, denn unsere Vorfahren fanden sich eigentlich fast immer außerhalb des Mittelpunkts der österreichischen Geschichtsschreibung. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges begann ein schwieriges Ringen um unser Bundesland. Dieses Ringen war deshalb so schwierig, weil man nach dem Ausgleich 1867 durch Magyarisierung der nationalen Minderheiten ein einheitliches Staatsvolk in Ungarn schaffen wollte. Dieser ungarische Nationalismus prägte vor allem die gehobenen Gesellschaftsschichten, die Beamten, die Lehrer und die Geistlichen zu begeisterten Magyaren, aber nicht das deutsche und kroatische Bauernvolk. Dieses konnte dank seiner konservativen Einstellung seine nationale Eigenheit und Eigenart bewahren.

Das Burgenlandproblem oder, wie es damals hieß, das Problem Deutsch-Westungarn, war Thema der Pariser Friedenskonferenz im Jahre 1919. Die Haltung der Friedenskonferenz erfuhr durch diplomatische Noten Deutschösterreichs, durch die Haltung Dr. Karl Renners und durch den Standpunkt der USA eine Wende zugunsten eines Anschlusses Deutsch-Westungarns an Österreich. Das Ringen um das Burgenland dauerte beinahe drei Jahre und fand seinen Höhepunkt in der Volksabstimmung über die Zugehörigkeit Ödenburgs und einiger anderer Randgemeinden im Dezember 1921. 65 Prozent stimmten für Ungarn, zirka 35 Prozent für Österreich. Der Protest der österreichischen Regierung gegen diese Volksabstimmung, bei der es einige Ungereimtheiten gab, wurde von der Pariser Botschafterkonferenz abgelehnt.

Das neue Bundesland Burgenland – der Name wurde aus den Komitatsnamen Preßburg, Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg abgeleitet – war ein Land ohne Hauptstadt. Dieses neue Bundesland war ein Land, dessen Verkehrsadern durch den Verlust Ödenburgs abrupt abgeschnitten wurden.

Die Weltwirtschaftskrise, die äußerst ungünstige Agrarstruktur und die Notwendigkeit der Wanderarbeit erschwerten die Aufbauarbeit. Die große Auswanderungsbewegung aus dem Burgenland in die neue Welt, vor allem in die USA, ist Ihnen sicher bekannt, meine Damen und Herren! Es gab hier drei Phasen. Wenn man heute noch darüber spricht, daß die größte Stadt des


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