Bundesrat Stenographisches Protokoll 626. Sitzung / Seite 19

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Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Aufgrund des Vertrages werden die Staats- und Regierungschefs vor dem 1. Juli 1998 entscheiden, welche Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für die Einführung der gemeinsamen Währung erfüllen.

Ich gehe davon aus, daß diese Diskussionen in den nächsten Monaten sicherlich nationalstaatlich, vor allem im Hinblick auf die Erreichung der Maastricht-Kriterien, geführt werden. Es ist nicht leicht, die 1992 festgelegten Kriterien tatsächlich locker zu erfüllen. Es sind gewaltige Anstrengungen in allen Staaten erforderlich. Ich gehe aber davon aus, daß an der Einführung des Euro mit 1. Jänner 1999 nicht gerüttelt wird – die Frage ist nur, ob in acht, elf oder mehr Staaten –, und ich gehe weiters davon aus, daß Österreich bei der ersten Gruppe dabei sein wird.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Erhard Meier: Meine Zusatzfrage ist teilweise bereits beantwortet. Ich möchte sie aber wegen des letzten Satzteils doch noch stellen. Glauben Sie, daß jene Konvergenzkriterien, die nahezu von keinem Mitgliedsland der EU erreicht werden können, so variabel gehandhabt werden, daß eine möglichst große Zahl von EU-Staaten von Beginn an der Währungsunion teilnehmen kann – und jetzt der mir wichtige Satzteil –, ohne die Stabilität der neuen Währung wesentlich zu beeinträchtigen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich gehe zunächst einmal davon aus – die Diskussionen sind auch in diese Richtung gegangen –, daß zur Erreichung des Schuldenkriteriums eine gewisse Interpretationsbreite gegeben ist, sich etwa durch Privatisierungen und Ausgliederungen in Richtung der 60 Prozent zu bewegen, das ist eine Frage der Gestaltung. Diese Möglichkeit wurde ursprünglich nicht in diesem Sinne erkannt, und das ist unsere Zielsetzung.

Ich möchte in diesem Zusammenhang hier an den Bundesrat, an die Länderkammer appellieren, der notwendigen Ausgliederung beziehungsweise Neustrukturierung der ASFINAG-Gesellschaft kooperativ im Sinne des Bundesstaates zuzustimmen und jene Fragen, die die Planung und die Erhaltung der Straßen betreffen, nicht gesetzlich geregelt haben zu wollen – das wäre EU-widrig –, sondern durch privatrechtliche Vereinbarungen. Dazu bin ich auch bereit, und ich würde mich sehr freuen, würde die Länderkammer diesen Gedanken aufgreifen, damit das Maastricht-Kriterium hinsichtlich des Schuldenstandes erreicht werden kann, nämlich in Richtung 60 Prozent, weg von den 70 Prozent, und das ist ohne ASFINAG-Ausgliederung nicht möglich. Das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen.

Was das Kriterium Defizit betrifft, so meine ich, daß es für viele Staaten möglich sein wird, die 3 Prozent zu erreichen. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß es diesbezüglich einige Diskussionsbereiche gibt. Mir ist durchaus bewußt, daß das vertragskonform ist, aber es ist ganz einfach für Länder, die Nettozahler sind, extrem viel schwieriger, dieses Kriterium zu erreichen, als für Länder, die Nettoempfänger sind. Wenn beispielsweise die Iren etwa 6 Prozent ihres BIP bekommen und die Bundesrepublik Deutschland 1,1 Prozent ihres BIP bezahlt, aber beide nur 3 Prozent Defizit machen dürfen, dann sind die Iren in einer vergleichsweise besseren Situation als die Deutschen. Das heißt, es gibt ganz einfach auch Inhalte, die man zumindest als diskussionswürdig betrachten muß. Ich gehe aber trotzdem davon aus, daß 3 Prozent nicht eine Zahl bar jeder Realität ist. Die Seidel-Formel hat schon etwas für sich, wenn man langfristig denkt und Budgets finanzieren muß, denn die Zinsendienste belasten die laufenden Haushalte enorm.

Hinsichtlich des zweiten Kriteriums habe ich allerdings eine etwas andere Ansicht. Da kommt es mir durchaus so vor, als ob diese 60 Prozent aus der Blickrichtung des Jahres 2000 als ein bestimmter Mittelwert genommen und als Kriterium festgeschrieben worden seien. Aber das ist auch nicht etwas, an dem WWU-Mitglieder möglicherweise zu scheitern drohen.


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