Bundesrat Stenographisches Protokoll 643. Sitzung / Seite 27

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Es sind auch taxativ die Ausnahmen genannt. Wenn der Präsident feststellt, daß ein Vorlagestück zu umfangreich ist, dann ist es in der Präsidentschaftskanzlei zur Einsicht aufzulegen. Jedenfalls hat darüber eine entsprechende Mitteilung an die Bundesrätinnen und Bundesräte zu erfolgen, was in diesem Fall ebenso nicht geschehen ist.

Meine Damen und Herren! Dieser schwere Formalmangel ist Ausdruck dafür, daß das verfassungsmäßige Zustandekommen nicht garantiert ist. Wir verlangen ergo dessen – wie mein Vorredner das bereits ausgeführt hat – die Absetzung der genannten Tagesordnungspunkte, um die Verfassungsmäßigkeit zu garantieren.

Sollte das nicht geschehen, so sind wir verhalten, dem Bundespräsidenten davon Mitteilung zu machen, daß diese Vorlagen nicht verfassungsgemäß zustande gekommen sind. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Kone#ny: Alles nicht wahr! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ihr Lächeln, meine Damen und Herren, zeigt mir, wie ernst Sie es auch mit den formalen Voraussetzungen der Demokratie nehmen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der Bundespräsident ist unser oberstes Organ und nicht nur Repräsentant unseres Staates, sondern auch Verfassungshüter. Wir und er haben darauf zu achten, daß das gesetzesgemäße Zustandekommen und die Verfassungsmäßigkeit solcher Vorlagen garantiert sind. – In diesem Fall, meine Damen und Herren, ist das nicht gegeben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.18

Präsident Alfred Gerstl: Gibt es noch eine Wortmeldung? – Bitte, Herr Kollege.

9.18

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Verehrte Kollegen und Kolleginnen! Wenn wir Vertreter des Volkes sind, wenn wir uns an Aufträge von außen nicht gebunden fühlen wollen und wenn wir unserem Gewissen folgen wollen, dann müssen wir – wir alle! – die Anliegen, die wir Freiheitlichen heute vorgebracht haben, ernst nehmen.

Kollege Kone#ny hat sich vor geraumer Zeit einmal – ich wiederhole es vielleicht zum Überdruß – als Partner der Regierung bezeichnet. Partnerschaft mag ehrenvoll sein, Herr Kollege Kone#ny, und in vielen Fällen kann ich Ihnen zustimmen, daß Ihr Agieren durchaus den demokratischen, den verfassungsmäßigen und den geschäftsordnungsmäßigen Gepflogenheiten gerecht wird. Aber wenn Partnerschaft in Komplizenschaft umschlägt, dann wird es kritisch, meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Bedenken Sie, daß das Parlament und die politischen Gruppierungen in Österreich ... (Bundesrat Prähauser: Sie sprechen aus Ihren niederösterreichischen Erfahrungen! – Bundesrat Kone#ny: Mit Ausdrücken aus dem kriminellen Bereich wäre ich vorsichtig, Herr Kollege!)

Schauen Sie, Herr Kollege, es ist schön, daß Sie Position beziehen, es ist Zeit, daß Sie Position dazu beziehen. Wissen Sie, daß die Demokratie Österreichs, daß die demokratische Gesinnung der Österreicher hoch einzuschätzen ist, auch wenn sie nicht zur Wahl gehen? Und ist Ihnen vielleicht geläufig, aus welchen Gründen die Personen nicht zur Wahl gehen? – Mit jedem Wahlgang wird der Prozentsatz derer, die nicht zur Wahl gehen, größer, und sie sind schon die zweitgrößte Wählergruppe geworden ist, sicherlich auch deshalb, weil Sie – als Ganzes gesprochen – hier die Geschäftsordnung, die verfassungsmäßigen Bestimmungen nicht einhalten. (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie machen sich alle mitschuldig, daß ein wachsender Teil des Wahlvolkes sich durch dieses Parlament nicht mehr vertreten fühlt.

Es wird mit gewählten Worten über eine im Gang befindliche substantielle Veränderung des parlamentarischen Gehabens hinweggetäuscht, verehrte Kollegen und Kolleginnen! Machen Sie aus dem Parlament nicht nur eine Abstimmungsmaschine! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die Qualität der Gesetze läßt ohnedies zu wünschen übrig; das wissen wir alle. Unser motorisierter, extemporierender Gesetzgeber, der unentwegt erläßt und novelliert, macht ähnliche Erfahrungen wie die Industrie beim Übergang vom Handwerklichen zur Massenfertigung: Nicht nur die


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