Bundesrat Stenographisches Protokoll 672. Sitzung / Seite 134

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mäß beigefügt. – Ich habe hier eine Kopie dieses Originaldokuments. Der Brief ist vom 10. Dezember 1938. Leopold Blumenschein schreibt an die Vermögensverkehrsstelle in Wien. "Unter Hinweis auf meine im Juli des Jahres dortamts eingebrachte Vermögensaufstellung gebe ich höflichst die Veränderung bekannt. – Am 10. November 1938 wurde mir aus meinem versperrten Geschäftslokal in Wien XIV ... die Ware beschlagnahmt und weggeschafft. ... Ich bitte nun, diese Mitteilung gefälligst zur Kenntnis nehmen zu wollen. Hochachtungsvoll Leopold Blumenschein."

Heute wissen wir, dass die Ereignisse des Novemberpogroms nur der Beginn des Leidensweges von Herrn Blumenschein waren. Er wurde schließlich im KZ ermordet.

Sollte er aber einen überlebenden Verwandten haben und dieser einmal mit dem Sohn des erfrorenen Soldaten zusammentreffen, und sollten beide einander sagen können: Ich begreife deinen Schmerz, ich leide mit dir!, dann, meine Damen und Herren, sind wir am Ziel unserer Hoffnungen für ein gemeinsames Österreich! – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)

18.32

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. – Ich erteile es ihm.

18.32

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren des Hohen Hauses! Wenn heute alle Fraktionen der Zweiten Kammer in parteienübergreifendem Konsens einhellig beiden Vorlagen zustimmen, so beschließen wir damit eine Regelung, die in mehrfacher Hinsicht einen historisch bedeutsamen Schlusspunkt setzt.

Erstens ist es ein Schlusspunkt nach einer bedauerlichen langjährigen Verzögerungspolitik früherer Regierungen. Es kann aber kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass das wieder erstandene Österreich, die Zweite Republik, angesichts ihrer zunächst tristen ökonomischen Lage durchaus beachtliche Bemühungen unternommen hat, das schwere Unrecht, das den Opfern des Nationalsozialismus zugefügt worden ist, nach Kräften materiell auszugleichen; ein Unrecht, das freilich nicht vom österreichischen Staat ausging, der völkerrechtlich gar nicht mehr existierte - so die Annexionstheorie - beziehungsweise zumindest nicht mehr handlungsfähig war, weil er von reichsdeutscher Herrschaft überlagert war - so die heute herrschende Okkupationstheorie.

Dass die angesprochenen Unrechtsakte somit dem politischen System eines totalitären Regimes und klarerweise nicht der demokratischen Republik Österreich zuzurechnen sind, kommt in der Wendung zum Ausdruck, dass wir mit den vorgesehenen Entschädigungen rein rechtlich gesehen eine freiwillige Leistung erbringen. – Darauf wurde schon hingewiesen. Die maßgebliche Beteiligung österreichischer Akteure an menschenrechts- und grundrechtswidrigen schwersten Übergriffen nicht nur in Reichsstellen, sondern in großer Zahl auch auf österreichischem Gebiet rechtfertigt jedoch allein schon aus rechtsethischen Gründen die heute zu beschließenden Maßnahmen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich wiederholen, dass ich keineswegs leugne, dass in dieser Richtung nicht auch schon früher wichtige Restitutionsakte erfolgt wären. So verweise ich etwa auf das Nichtigkeitsgesetz von 1947 und die sieben Rückstellungsgesetze, auf Grund welcher 43 000 Rückstellungsverfahren abgewickelt wurden, auf zahlreiche Regelungen im Bereich der Opferfürsorge, insbesondere auch auf pensionsrechtliche Sondervorschriften und schließlich auf das Nationalfondsgesetz, um dessen Novellierung es unter anderem auch heute geht, sowie auf das Gesetz über die Restitution von Kulturgut.

Richtig ist aber auch, dass man sich in Bezug – ich erwähne jetzt nur einen Teilbereich – auf entzogene Mietwohnungen und darin verbliebenen Hausrat bis heute zu keiner Entschädigung hatte durchringen können. 150 Millionen Dollar sollen diese Verluste künftighin ausgleichen; sonstige offene Entschädigungsansprüche sollen in der Gesamtabfindungssumme von 210 Millionen Dollar nach Möglichkeit Deckung finden.


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