Bundesrat Stenographisches Protokoll 679. Sitzung / Seite 151

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Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie entwerfen damit ein Horrorszenario auf diesem Gebiet, das mit der Realität und der Lebenswelt der Bürger in ihrer heutigen Mobilität nichts mehr gemein hat. Sie setzen damit lediglich jenen medialen Aktionismus fort, den Sie bereits heute früh in der Fragestunde entfacht haben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.20

Präsident Alfred Schöls: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. Ich erteile es ihm.

18.20

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte insbesondere Herrn Professor Dr. Böhm danken, dass er diese Debatte wieder sehr versachlicht und auch zum eigentlichen Thema gesprochen hat. Das war notwendig, weil es mir wirklich ein Anliegen ist, in einen Dialog mit Ihnen einzutreten, in dem Sie Ihre Argumente vorbringen und ich meine Argumente vorbringe. Einen Beitrag dieser Art hat auch Herr Bundesrat Schennach geleistet. Das war ein sehr sachlicher Tonfall, und ich bin Ihnen dankbar, wenn Sie diesen Dialog mit Ihrer Vermittlung unterstützen.

Da sich auf der Rednerliste, soweit sie mir vorliegt, jetzt einige Bundesrätinnen und Bundesräte von der Sozialdemokratischen Partei ankündigen, möchte ich Ihnen meine Argumente noch einmal vor Augen führen, damit Sie in den nachfolgenden Wortmeldungen darauf eingehen können und damit Sie sehen, dass eine Überlegung hinter dieser Aktion steckt und nicht irgendein Schließungsbedarf, der sachlich nicht gerechtfertigt wäre.

Vorweg noch eines: Natürlich werden alle Postkarten – im Gegensatz zu der Auffassung des Herrn Bundesrates Marizzi – beantwortet. Er hat offensichtlich zu wenig Kontakt mit der Bevölkerung, denn hätte er diesen, dann würde ihm die Bevölkerung bestätigen, dass die Postkarten, die uns geschrieben werden – das ist eine organisierte Aktion –, individuell und laufend beantwortet werden und die Bevölkerung dadurch alle Argumente bekommt.

Zum Argument der Rechtsanwälte: Es ist tatsächlich so, dass sich in manchen Ortschaften, in denen sich noch Gerichte befinden, die aber nicht mehr die ausreichende Größe haben – zum Beispiel Jennersdorf –, bereits keine Rechtsanwälte mehr befinden und in anderen Ortschaften Gericht und Rechtsanwälte sind. Das heißt, das Argument stimmt einfach nicht. Die Rechtsanwälte sind dort, wo sich Causen abwickeln lassen, wo Klienten kommen, und das ist eben in manchen Gemeinden, in denen Bezirksgerichte sind oder nicht sind, nicht mehr der Fall.

Zur Sache selbst: Wir haben eine zu breit gestreute Größenordnung von Bezirksgerichten. Ich habe Ihnen heute schon einmal gesagt: Wir haben 40 Geschäftsbereiche zu bewältigen. In manchen Gerichten ist nur eine Auslastung für 0,4 Richter gegeben. Die Salzburger sind hier betroffen – ich glaube, es meldet sich heute noch jemand aus Salzburg –: Nur 0,4 Richter haben dort statistisch gesehen in dem kleinsten Gericht zu tun, in Wien beim Bezirksgericht Innere Stadt sind es 48 Richter. Also es besteht zwischen Bezirksgerichten, die dieselbe Aufgabenstellung haben, eine Differenz, die in das Hundertfache geht.

25 Prozent der 192 Bezirksgerichte lasten nur einen Richter oder weniger als einen Richter aus. Das muss man sich einmal vorstellen: 25 Prozent der Bezirksgerichte lasten nur einen Richter oder weniger als einen Richter aus! Darunter sind zum Beispiel drei Bezirksgerichte am Sitz einer Bezirkshauptmannschaft, nämlich Rohrbach, Perg und Bad Radkersburg. Mehr als die Hälfte aller Bezirksgerichte lasten weniger als zwei Richter aus, davon 20 Bezirksgerichte am Sitz einer Bezirkshauptmannschaft. Und noch etwas: Mehr als 66 Prozent der Bezirksgerichte lasten weniger als drei Richter aus.

Kennen Sie die internationalen Zahlen? – In Bayern – vergleichbar mit Österreich –, das eine Gerichtsreform durchgeführt hat, sind 11 Richter pro Amtsgericht tätig, doch in Österreich lasten mehr als 66 Prozent der Bezirksgerichte weniger als drei Richter aus.


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