Bundesrat Stenographisches Protokoll 685. Sitzung / Seite 162

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19.43

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Entwicklung der Fachhochschulen ist unbestritten eine Erfolgsgeschichte. Die Tatsache, dass die Idee, zwischen den berufsbildenden höheren Schulen und den Universitäten eine zusätzliche Ausbildungsebene zu etablieren, so eingeschlagen hat, bedeutet aber auch, dass wir über Jahrzehnte eine Lücke in unserem österreichischen Bildungssystem entstehen ließen, die geschlossen werden musste.

Ich beschränke mich in meinen Ausführungen eher auf den technischen Bereich, dem ich auf Grund meiner Berufspraxis näher stehe. Die angesprochenen Problemstellungen werden sich aber durchaus auch auf andere Bereiche der Berufsausbildung anwenden lassen.

Wir hatten in Österreich ein sehr erfolgreiches, den Bedarf der Wirtschaft abdeckendes Berufsausbildungssystem. Facharbeiter wurden dual ausgebildet, Führungskräfte für unsere Klein- und Mittelbetriebe wurden weitgehend aus den Reihen der Absolventen der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen rekrutiert. Absolventen der technischen Hochschulen waren für die Führungsetagen der Großbetriebe vorgesehen, waren in Entwicklungsbereichen zu finden oder wurden selbständige Unternehmer, Zivilingenieure und so weiter.

In der Mitte der achtziger Jahre habe ich beim Besuch von beruflichen Seminaren in Deutschland junge deutsche Fachhochschulabsolventen kennen gelernt – in Deutschland gab es damals schon diese Fachhochschulen – und habe erkannt, dass die Ausbildung dieser jungen Kollegen den Ausbildungsstand der österreichischen HTL-Absolventen weit übertraf. Einige Jahre vorher wurden die Absolventen unserer höheren technischen Lehranstalten noch in vielen Fällen den graduierten deutschen Ingenieuren vorgezogen, weil sie mit 19 bis 20 Jahren über ein gutes Allgemeinwissen verfügten und ein technisches Basiswissen besaßen, welches von den diversen Betrieben mittels Schulungen und Praxis gezielt erweitert wurde.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die österreichische Verwaltung und Politik den Handlungsbedarf erkennen und die höheren technischen Lehranstalten, die unsere praxisorientierten Ingenieure ausbildeten, an den Stand der deutschen Fachhochschulen und damit an die europareife Ingenieurausbildung heranführen müssen. Zum damaligen Zeitpunkt wäre eine derartige Erweiterung noch kostengünstig zu bewerkstelligen gewesen. Man hätte nur die an großen HTL-Standorten bereits bestehenden zweijährigen Ausbildungsstätten für Maturanten entsprechend adaptieren müssen. Die entsprechenden Infrastrukturen – Werkstätteneinrichtungen, Labors et cetera – waren vorhanden. Es wäre nur notwendig gewesen, von Seiten der Administration und der Politik die Nähe zur Wirtschaft, zu den großen Betrieben zu suchen und die auch noch bis heute gegenüber den Fachhochschulen bestehenden Ressentiments der technischen Universitäten abzubauen.

Auch aus diesem Grund bin ich ein Verfechter einer Verwaltungsreform und meine, dass auch unsere verantwortlichen Beamten im Bildungsbereich lernen müssen, zu gestalten und nicht nur zu verwalten.

Dieser kleine Ausflug in die Vergangenheit sei mir gestattet, weil ich der Ansicht bin, dass wir die höheren technischen Lehranstalten und die berufsbildenden höheren Lehranstalten in die Thematik Fachhochschule mit einbeziehen müssen, um Synergieeffekte nutzen zu können.

Lassen Sie mich noch einen weiteren Gedankengang entwickeln! In meiner Berufspraxis habe ich auch mit EDV-Spezialisten, mit Entwicklungsingenieuren aus Singapur zu tun gehabt. Ich musste feststellen, dass diese jungen Damen und Herren Ingenieure ihren akademischen Abschluss sehr früh machen und in der Altersklasse, in der unsere jungen Diplomingenieure die technischen Universitäten verlassen, bereits voll im Berufsleben stehen und als so genannte Senior Engineers hohe Verantwortung tragen.

Die Entwicklung der Fachhochschulen ist eine Erfolgsstory, weil wir uns damit im internationalen Trend bewegen und den Bedarf der Wirtschaft berücksichtigen. Wir müssen aber aufpassen, dass wir über die Verbindung und Durchlässigkeit zu den Universitäten nicht die Praxisorientierung wieder verlieren und die Studienzeiten anpassen, das heißt uferlos


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