Bundesrat Stenographisches Protokoll 686. Sitzung / Seite 180

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Denken Sie etwa an eine Festschreibung des Rechtes auf Arbeit oder gar auf Vollbeschäftigung: Dann müsste man ja das ganze Staatsgefüge und das ganze Sozialsystem verändern! Man müsste, um das Kind beim Namen zu nennen, zu einer Planwirtschaft übergehen, denn nur eine zentrale Kommandowirtschaft kann Vollbeschäftigung gewährleisten. Auf welchem Niveau das vor sich geht, haben wir in der alten DDR und in anderen real existierenden Staaten des sozialistischen Systems gesehen! – Vollbeschäftigung kann von Verfassung wegen nicht garantiert werden, jedenfalls nicht in einer noch so sozialen Marktwirtschaft. Das würde nämlich ein planwirtschaftliches System und eine grundstürzende revolutionäre Umgestaltung erfordern.

Abgeschwächt gilt das Gleiche für die meisten so genannten sozialen Grundrechte. Und wenn ich etwas bei der Überprüfung fürchte, dann meine ich, dass man auch dem Verfassungsgerichtshof nichts Gutes tun würde. (Bundesrat Konecny: Der VfGH wehrt sich schon selbst!) Das werden Ihnen die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes selbst bestätigen können! Wir sind nicht frei davon, und auch Sie sind nicht frei davon, Erkenntnisse immer wieder kritisiert zu haben, die Ihnen sachlich nicht richtig erschienen sind und natürlich auch vom politischen Effekt nicht gepasst haben.

Ich erinnere mich sehr gut an die Ausführungen des damaligen Finanzministers Edlinger zum Erkenntnis über die Familienbesteuerung. Ich erinnere Sie daran: Er hat das als politisches Erkenntnis bezeichnet. – Nun leugne ich nicht: Wenn man Politik in einem sehr weiten Sinne versteht, dann ist der Verfassungsgerichtshof natürlich ein politischer Gerichtshof. Natürlich hat er Verfassungsfragen mit politischer Dimension zu entscheiden. Das ist ganz legitim und seine Aufgabe. Edlinger hat jedoch das Verdikt als politisches Erkenntnis bezeichnet. Nicht direkt, aber zwischen den Zeilen ist herausgekommen, dass es sich quasi gut verdienende Leute gerichtet haben. Ich habe das dann in einer Wortmeldung kritisiert, und er hat das auch respektiert, so akzeptiert und nicht dementiert. (Bundesrat Konecny: Sie zitieren aber sehr frei!) Er meinte, dass diesfalls die Verfassungsrichter sehr wohl Familienpolitik gemacht haben. So wurde es auch vielfach in den Kommentaren Ihnen nahe stehender Kritiker dargestellt.

Genau diesem Vorwurf wird der VfGH immer wieder ausgesetzt sein, umso mehr, je programmatisch generalklauselartiger solche schwammigen Zielvorstellungen sind. Sie sehen das auch an der Zielbestimmung des umfassenden Umweltschutzes. Das ist mir sehr sympathisch, ich war immer ein Verfechter davon. Nur frage ich Sie: Wozu hat es geführt? – Ich kenne nicht ein Erkenntnis, das sich auf diese programmatische Klausel des umfassenden Umweltschutzes berufen hat!

Zwei Dinge können Sie nicht haben wollen: Wenn sich der Verfassungsgerichtshof zu stark zurückhält, denn handelt es sich, wie der heute schon zitierte Kollege Raschauer gesagt hat, um eine Formel ohne jeden Wert, die nicht konkretisierbar und kein geeigneter Prüfungsmaßstab ist. Oder aber es wird darauf gesetzt, dass sich der Verfassungsgerichtshof, wenn er mit solchen Anfechtungen konfrontiert wird, veranlasst sieht, sich sehr weit politisch vorwagen zu müssen, weil ihn die Schwammigkeit dieser Generalklauseln dazu zwingt. Dann ist er im politischen Tagesgeschehen, und genau das wollen wir nicht, denn seine Autorität soll nicht in Frage gestellt werden. Politik und nicht zuletzt Sozialpolitik gehören in einer parlamentarischen Demokratie ins Parlament, also in unsere Häuser, und nicht zu einem Gerichtshof, denn ich möchte keine politisierenden Höchstrichter! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

20.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es wünscht niemand mehr das Wort.

Daher ist die Debatte zu den dringlichen Anfragen geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir setzen die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 11 und 12 fort.


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