Bundesrat Stenographisches Protokoll 690. Sitzung / Seite 113

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maßnahme bei der Behörde mit Mehrbelastung für die Bürger gleichsetzen. Wenn wir diesen Maßstab an alle Reformüberlegungen anlegen würden, dann hätten wir bei jeder einzelnen Maßnahme vermutlich auch Bevölkerungsgruppen, denen wir dahin gehend Sorgen bereiten könnten, dass sie die Leidtragenden wären. – Im Gegenteil! Nicht nur als Steuerzahler, sondern auch als Bürger haben sie einen Vorteil, wenn sie nicht einem langwierigen Verwaltungsstrafverfahren ausgesetzt sind, sondern wenn das an Ort und Stelle auf der Straße oder auf dem Parkplatz geregelt werden kann. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bevor ich Herrn Professor Böhm bitte, das Wort zu ergreifen, darf ich Folgendes sagen: Ich glaube, die Temperatur im Saal ist recht hoch. Wir haben zwar schon darum ersucht, dass die Klimaanlage etwas kühler eingestellt wird. Ich denke, das hat nicht wirklich funktioniert. Wer immer sein Sakko ausziehen möchte, dem steht es frei, das zu tun. (Allgemeiner Beifall.)

Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

15.45

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Mit der vorliegenden Änderung des Verwaltungsgerichtshofgesetzes wird eine bahnbrechende Reform beschlossen. In Zukunft sollen nämlich alle letztinstanzlichen Verwaltungsverfahren unterbrochen werden, sofern der Verwaltungsgerichtshof verlautbart, kundtut, dass vor ihm eine bestimmte Rechtsvorschrift betreffende Massenverfahren zu erwarten sind. Ich denke da etwa an steuerrechtliche Probleme.

Damit wären zwei Verfahrensziele zugleich erreicht: Zum einen haben dann die zuständigen Verwaltungsbehörden die bei ihnen noch anhängigen Verfahren im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes zu erledigen, zum anderen erübrigen sich dadurch parallele, ja möglicherweise massenhafte Beschwerden betroffener Bürger beim Verwaltungsgerichtshof. All das dient nicht nur dessen gebotener Entlastung, sondern auch dem optimalen Verfahrensergebnis im Sinne der Rechtsstaatlichkeit. Es nützt damit vor allem auch dem Recht suchenden Bürger, der innerhalb einer vertretbaren Verfahrensdauer einen rechtsrichtigen Bescheid erlangt.

Mit den Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion bedauere auch ich es an und für sich, dass wir heute nicht auch eine vergleichbare Regelung in Bezug auf den Verfassungsgerichtshof beschließen können. Dazu hätte es allerdings einer Verfassungsänderung bedurft, für die wir im Nationalrat noch keine Mehrheit gefunden haben; das ist nämlich an unsachliche Junktimforderungen geknüpft worden.

Wie mein Vorredner Vizepräsident Weiss möchte auch ich nachdrücklich die Unterstellung zurückweisen, dass es da um irgendeine Sanktionierung des Verfassungsgerichtshofes gegangen sein sollte. – Nein! Es hätte einer Verfassungsänderung bedurft, die wir derzeit noch nicht konsensual zustande gebracht haben.

Entgegen der Rechtsansicht der Opposition bedarf es hingegen nach meiner Überzeugung zur Änderung des vorliegenden Verwaltungsgerichtshofgesetzes keiner Verfassungsänderung – das nicht nur deshalb, weil es formell bloß um die Novellierung einfacher Gesetze – des AVG einerseits und des VwGH-Gesetzes andererseits – geht, sondern auch sachlich deshalb, weil aus den bereits ausgeführten Gründen die Unterbrechung der anhängigen Verwaltungsverfahren keine Verkürzung des Bürgers in seinem Rechtsschutzanspruch, sondern, recht besehen, ganz im Gegenteil eine Verbesserung in qualitativer und zeitlicher Perspektive bedeutet.

Schließlich ist auch die Verwaltungsverfahrensnovelle 2002 zu begrüßen. Durch die Anhebung der Höchstbeträge für Strafverfügungen, Anonymverfügungen und Organstrafverfügungen sowie die Herabsetzung der Altersgrenze für jugendliche Täter auf die Vollendung des 18. Lebensjahres wird der Anwendungsbereich der abgekürzten Verfahren erweitert – das hat auch


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