Bundesrat Stenographisches Protokoll 690. Sitzung / Seite 211

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Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. – Bitte, Herr Bundesrat.

22.51

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Fast 100 Jahre lang dauert die Diskussion über den Internationalen Strafgerichtshof. Bis jetzt haben 76 Staaten das entsprechende Statut ratifiziert, und 139 Staaten haben es unterzeichnet.

Es ist betrüblich, dass sich einige Staaten und insbesondere die Vereinigten Staaten diesem nicht angeschlossen haben. Möglicherweise haben die Vereinigten Staaten einige gute Bedenken. Ich werde darauf noch eingehen.

Der neue Weltstrafgerichtshof zwingt die Amerikaner allerdings nicht zum Verzicht auf das aus ihrer Sicht Unverzichtbare: auf die Option der militärischen Reaktion auf schwerste Menschenrechtsverletzungen durch eine Regierung, auf globalen Terror Privater und auf die atomare, bakteriologische oder chemische Bedrohung durch einen hartleibigen Aggressor.

Es verhält sich jedoch ganz anders. Der Vorrang der nationalen Strafverfolgung wird durch diesen Strafgerichtshof noch abgesichert. Es liegt die Annahme nahe, dass die amerikanische Regierung den mit dem Internationalen Strafgerichtshof verbundenen Anspruch minimaler internationaler Verhaltenskontrollen durch von Amerika nicht kontrolliertes Personal per se zurückweisen möchte. – Ich halte diese Vorgangsweise für nicht ganz gerechtfertigt. Ich denke jetzt an den Nürnberger Gerichtshof und an das Standardwerk über den Nürnberger Gerichtshof, welches einer der Chefankläger, nämlich Telford Taylor, geschrieben hat und aus dem ich kurz zitiere: "Das Kriegsrecht gilt nicht nur für mutmaßliche Verbrecher besiegter Länder. Es gibt keinen moralischen und rechtlichen Grund, siegreichen Ländern Immunität gegenüber einer gerichtlichen Untersuchung zu gewähren. Das Kriegsrecht ist keine Einbahnstraße."

Wie gesagt: Die nationale Hoheit der Gerichtsbarkeit bleibt bestehen. Der Internationale Strafgerichtshof greift nur dort ein, wo diese nicht gewährleistet ist. Es ist betrüblich, dass sich gerade die Vereinigten Staaten, die für sich die Weltomnipotenz auch in der Gerichtsbarkeit in Anspruch nehmen, dem nicht anschließen. Ich verweise etwa auf den "Alien Tort Claims Act" von 1789, der jetzt wiederum zu Recht ausgegraben wurde, um für die Opfer ehemaliger Sklavenverfolgungen aktiv werden zu können. Und auch der "Torture Victim Prevention Act" aus dem Jahr 1991 ermöglicht den Vereinigten Staaten, diesbezüglich weltweit tätig zu werden. Gerade jetzt werden in den Vereinigten Staaten zwei mittelamerikanische Generäle wegen Tortur an ihnen Unterstellten angeklagt.

Aber vielleicht geht es um Folgendes: Die Konstruktion des Strafgerichtshofs ist natürlich zu einem gewissen Maß fragwürdig, denn es ist ein Strafgerichtshof, der von keinem Souverän legitimiert ist, der an keine klaren Gesetze gebunden ist und den keine vollziehende Staatsgewalt stützt. Daher ist er vielleicht auch politisch riskant und leichtsinnig, weil die realen Machtverhältnisse der Staatenwelt missachtet werden und eine supranationale Autorität beansprucht wird, die permanent strittig ist.

Hinzu kommt, dass in die Gerichtsbarkeit dieses Gerichtshofs – und ich bringe jetzt Einwände gegen den Gerichtshof, obwohl ich ihn befürworte, aber ich versuche, auch die Vereinigten Staaten und einige Staaten, die nicht zustimmen, zu verstehen – eine Mischform von Rechtsphilosophien einfließt. Es wird dort das angelsächsische Recht, das kontinentaleuropäische Recht, das asiatische Recht und das afrikanische Rechtswesen geben, und es wird natürlich auch arabische Richter dort geben, die in diesem Kulturkreis die anderen Kulturen fremde Scharia-Gesetzgebung als eine wesentliche Grundlage betrachten.

Wenn also Argumente vorhanden sind, um diesem Gerichtshof zwar nicht ablehnend, aber kritisch gegenüber zu stehen, so will ich hier jetzt hier einige vorgebracht haben und meinen, dass es berechtigt und notwendig ist, diese Bedenken hier auch zu nennen, selbst wenn man dieses Gesetz aus voller Überzeugung unterstützt. Nur so können wir zu einer Lösung kommen.


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