Bundesrat Stenographisches Protokoll 714. Sitzung / Seite 67

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die Zivilgerichte müssen jetzt abermals ein Strafverfahren wiederholen, um das zu bewerten, damit eine Ermessensentscheidung überhaupt möglich wird. Ohne Zweifel müssen ja diese Erkenntnisse in die Ermessensentscheidung einfließen. Denn wie kann eine Ermessensentscheidung darüber erfolgen, wenn ich nicht weiß, ob das zu diesem Zeitpunkt strafrechtlich relevant war oder nicht? Und damit ist der Prozess­ausgang nicht prognostizierbar.

Letztlich geht die Novelle, die wir heute beschließen, auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes für Menschenrechte zurück, der ja auch immer wieder festgestellt hat, dass die österreichischen Haftentschädigungsregeln nicht menschenrechtsgerichtshof­konform sind. Aber die nun vorgeschlagene Bestimmung betreffend allgemeine Ver­dachtslage könnte dazu führen, dass nicht nur, Herr Professor, in Zweifel, in dubio, kein voller Ersatz geleistet wird, sondern darüber hinaus auch bei glatten Freisprüchen. Und da käme dann eigentlich die etwas perverse Situation zustande, dass es gegenüber der geltenden kritisierten Rechtsprechung sogar zu einer Verschlechterung käme.

Dies ist ein Punkt, wo ich sage, ich hoffe, an diesem Gesetz wird weitergearbeitet, obwohl wir im Prinzip unsere Zustimmung geben.

Der nächste Punkt ist die Verlagerung in den Zivilprozess, den ich begrüße, aber eine Verlagerung in den Zivilprozess – Sie werden mir zustimmen, Herr Professor Böhm – führt auch zu einem höheren Kostenrisiko, da ich ja nicht weiß, wie die Sache ausgeht. Also das heißt: Was tue ich? Wir brauchen dazu im Grunde Beratung für die Betrof­fenen, denn es sind ja doch erhebliche Probleme verbunden, wenn der Anspruch zwar dem Grunde nach besteht, aber in der Höhe mitunter gestritten werden muss.

Wenn wir davon ausgehen, dass jemand aus der Haft entlassen wird und jetzt sein Recht einfordert, dann müssen wir auch bedenken, dass er ein Risiko eingeht, denn der hat ja an sich, wenn er aus der Haft entlassen wird, keine finanziellen Mittel. Gibt es hier eine Vorauszahlung, damit jemand, der aus der Haft entlassen wird, einen Privatprozess führen kann, auch wenn er mittellos ist? Gibt es eine Vorauszahlung oder nicht? Oder: Wie schaffen wir es, dass dieses an sich gute Recht des Scha­denersatzes für alle, unabhängig von ihrem Einkommen und ihrer Situation, gilt? (Bundesrat Dr. Böhm: Durch die Verfahrenshilfe!) Ja, die Verfahrenshilfe, aber ob die ausreichend ist, Herr Professor Böhm, werden wir sehen.

Frau Bundesministerin! Ich denke, wir müssen an dieser Novelle noch arbeiten. Aber vom Prinzip her hat die Novelle den richtigen Weg beschritten, und deshalb werden wir auch die Zustimmung geben. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.48

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort. – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstatterin ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner An­wen­dung.

 


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