Bundesrat Stenographisches Protokoll 722. Sitzung / Seite 72

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Angebot an Ganztagsschulen gibt, wären gleichzeitig dafür, dass die Kinder nicht mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen könnten. Das ist absolut nicht der Fall.

Mit dieser unzulässigen Verkürzung und Verdrehung von Tatsachen wurde ja sehr oft versucht, die Diskussion über Ganztagsschulen abzuwürgen, und wenn diese Taktik nicht funktioniert hat, dann wurde eben abgelenkt, dann wurde zum Beispiel plötzlich über Nachmittagsbetreuung diskutiert, was eine Sache ist, was aber sicher nicht einen bildungspolitischen Fortschritt darstellt, sondern eben höchstens die Frage der Betreu­ung von Kindern am Nachmittag klären kann. Dies als Ausrede zu verwenden, warum man nicht über bildungspolitisch und sozialpolitisch sinnvolle Maßnahmen wie eine Ganztagsschule diskutieren kann, das finde ich traurig.

Was es brauchen würde, dass sich die Schulpolitik in Österreich wieder weiterbewegt und in die Zukunft bewegt, ist der Wille zur Veränderung. Das ist auch ein neues Ver­ständnis von dem, was Schule kann und was Schule soll. Es ist auch nötig, dass es einmal eine Diskussionsbereitschaft gibt, abseits von den inzwischen schon inflationär gewordenen Gipfeln, die ja allerorts stattfinden.

Die Ministerin vermittelt das leider nicht, vor allem nicht die Diskussionsbereitschaft. Die Debatte, die jetzt über die Abschaffung des Zweidrittelerfordernisses stattgefunden hat, konnte zwar kurzfristig davon ablenken, aber ich bin mir sicher, dass spätestens mit den Ergebnissen der nächsten PISA-Studie die Diskussion darüber, was sich ver­ändern muss, wieder aufflammen wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.37


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte.

 


17.37.10

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte zuerst klar feststellen, dass mit der heutigen Be­schlussfassung eine Zeit in der Schule zu Ende geht, in der alles und jedes mit Zweidrittelmehrheit bestimmt wurde. Ich freue mich darüber. Das bedeutet frischen Wind in den Schulen, es bedeutet offene Fenster, es bedeutet die Möglichkeit für Wei­terentwicklungen.

Die Schulqualität hängt nämlich auch von den vielen Dingen ab, die wir jetzt ohne Zweidrittelmehrheit weiterentwickeln können. Dazu gehören Schulzeitregelungen, dazu gehören Ferienzeitregelungen, dazu gehören Umbenennungen von Gegenständen, Lehrplanvorgaben, Schulsprengelregelungen, Angelegenheiten der Schulpartnerschaft, Grundlagen für Schulversuche, Weiterentwicklungen der Schulaufsicht, Qualitätssiche­rung – all diese Fragen können jetzt mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Ich glaube, das ist seit 1962 – seit wir dieses grundlegende Schulgesetz geschaffen ha­ben – ein ganz, ganz großer Fortschritt!

Ich meine, dass wir unsere guten Schulen, die gute Arbeit unserer Lehrer und Lehre­rinnen immer wieder in den Vordergrund rücken sollen, dass wir aber eines ganz klar sehen sollen: Wir brauchen Weiterentwicklungen, wir brauchen es, dass wir die neuen Herausforderungen annehmen. Die Diskussionsbereitschaft ist gegeben. Ich möchte daran erinnern, dass wir in einem freien Land leben, in dem jeder frei entscheiden soll, ob er seine Kinder den ganzen Tag in der Schule haben möchte oder ob er seine Kinder am Vormittag in der Schule haben und am Nachmittag selbst betreuen möchte. (Bundesrätin Konrad: ... Nachmittag! Das ist das Angebot!)

Wissen Sie, zu sagen, dass nur die Ganztagsschule das wahre pädagogische Konzept ist – da muss ich Ihnen sagen: Es gibt nicht nur einen Stein der Weisen, es gibt meh-


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