BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 99

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14.42.57

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Ho­hes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meinen kurzen Debattenbei­trag auf ein spezielles Thema im Zusammenhang mit dem Lissabon-Vertrag richten, wie ich das auch schon gestern im Ausschuss gemacht habe, und einige kurze Ge­danken zur sozialen Dimension bringen.

Wenn ich mich jetzt noch daran erinnere, was zur sozialen Dimension des Vertrages von Lissabon von Kollegin Mühlwerth zu Beginn vorgebracht wurde, dann schäme ich mich heute noch, dann schäme ich mich auch jetzt noch. Ich sage das in aller Deutlich­keit – unabhängig davon, dass ich überhaupt nichts davon halte, sich in einer parla­mentarischen Diskussion als Einziger als Kontraredner zu Wort zu melden und dann im Laufe der Debatte permanent durch Abwesenheit zu glänzen. Darüber hinaus war die parlamentarisch aktive Arbeit der FPÖ und des BZÖ auch gestern im Ausschuss schon derart „großartig“, dass sie zu den Ausschussberatungen erst gar nicht gekommen sind. (Rufe bei der SPÖ: Hört! Hört!)

Ich darf jetzt auf die soziale Dimension zu sprechen kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich hätte verstanden, wenn Kollegin Mühlwerth gesagt hätte, die Europäi­sche Union, wie wir sie derzeit kennen, ist unsozial. Wenn sie dann in meine Richtung geschaut hätte, weil sie weiß, dass ich in meinem Hausgeschäft auch gerne Sozialpoli­tiker bin, dann wäre ich dort gesessen und hätte zustimmend genickt. Aber – und jetzt kommt es, Kolleginnen und Kollegen – wenn ich sage, dass die derzeitige Union unso­zial ist, dann muss ich mich mit dem Vertrag von Lissabon seriös auseinandersetzen. Und für den Fall, dass ich den Vertrag auch lese – diesbezüglich bin ich mir bei Kolle­gin Mühlwerth nicht sicher, nach dem, was sie heute zum Besten oder zum Schlech­testen gegeben hat –, dann sehe ich, dass mit dem Vertrag von Lissabon in der sozia­len Dimension aus meiner Sicht drei wichtige Punkte erreicht werden.

Es kommen soziale Grundrechte ins Primärrecht. – Ich möchte dazu nur sagen, ich freue mich schon auf die noch bevorstehende Debatte zu unserer Verfassungsreform, wenn auf einmal soziale Grundrechte aus Europa kommen und wir in der österreichi­schen Verfassung noch immer keine haben. Auf diese Debatte freue ich mich schon. Ich hoffe natürlich, dass es positive Auswirkungen geben wird.

Zweiter Aspekt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir heben die Sozialpartner im Sozial­kapitel besonders hervor und stärken auch den sozialen Dialog in Europa. Wir stärken den sozialen Dialog in Europa! Es wird zu äußerst interessanten Sozialgipfeln für Wachstum und Beschäftigung kommen.

Der dritte Punkt, der mir auch besonders wichtig ist – ich habe gestern im Ausschuss versucht, ihn ein bisschen zu strapazieren –: Wir bringen im Bereich der sozialen Di­mension eine neue soziale Querschnittsklausel. Das rechtliche Substrat dieser sozia­len Querschnittsklausel ist zwar noch umstritten, aber sie wird Europa, alle seine Orga­ne und – was mir besonders wichtig ist – den Europäischen Gerichtshof letztlich auch an diese Querschnittsmaterie binden.

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt auch Schattenseiten. Die wirtschaftliche Grundausrichtung wird nicht geändert. Wir haben nach wie vor im Bereich der Geld­politik und der Budgetpolitik eindeutige Ausrichtungen – zulasten, meines Erachtens, der Sozialpolitik. Aber, und das ist nach meinen Empfindungen gerade in der sozialen Dimension so wichtig, zu betonen: Die derzeitige Europäische Union funktioniert in den sozialen Bereichen noch nicht überall, und die Sozialpolitik wird auch nach wie vor Aufgabe der Nationalstaaten bleiben, aber dieser Vertrag von Lissabon bringt einen ersten wichtigen Schritt in diese notwendige Sozialunion, die wir auch für die Bürge­rinnen und Bürger für ein großartiges Friedensprojekt brauchen. – Daher bin ich für


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