BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 23

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Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

 


13.58.17

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundes­minister Molterer, ich habe Ihnen jetzt sehr aufmerksam zugehört und mir gedacht: Diese Krise ist ja gar nicht so schlimm. Offensichtlich gibt es da ja für jedes Mittel ein Gegenmittel, habe ich jetzt gehört – und dennoch frage ich mich, warum es trotzdem so schlimm ausschaut. (Vizekanzler Mag. Molterer: Da haben Sie aber nicht aufge­passt! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich weiß, dass das eine wirklich schwierige Situation ist, und ich denke auch, dass es ab und zu nicht schaden kann, auch einmal andere Bücher zu lesen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ereignisse der letzten Wochen haben uns vor Augen geführt, wohin schrankenloses Handeln im Finanzbereich und in der ge­samten Wirtschaft führt, so nach dem Motto: Der Markt ist alles, und der Staat ist nichts! Kollege Kneifel hat ja heute hier bereits die Befürchtungen geäußert, dass der Staat jetzt wieder mehr in den Vordergrund treten könnte. – Ja, meine Damen und Her­ren von der ÖVP, wir brauchen jetzt den Staat; das ist so.

Das vorliegende Interbankmarktstärkungsgesetz ist ein Gesetz, das sich genau damit befasst, dass der Staat in gewisser Weise auch in den Bankensektor eingreifen kann. Dafür stehen 75 Milliarden € zur Verfügung, wobei das nicht gratis für die Banken ist; sie bekommen Unterstützung, müssen dafür aber zahlen.

Der Staat stellt weiters für das Finanzmarktstabilitätsgesetz weitere 15 Milliarden € zur Verfügung, mit denen er eingreifen kann.

Im Bankwesengesetz geht es um die Einlagensicherung bei Privatkonten, das ist etwas sehr, sehr Wichtiges.

Das Börsegesetz erfährt auch dahin gehend eine Änderung, dass Leerverkäufe und Spekulationen auf fallende Kurse in Krisensituationen verboten werden können.

Meine Damen und Herren! Der Europäischen Union ist es in dieser Krise gelungen, zu Entscheidungen zu kommen. – Das ist ganz wichtig, und das soll man auch sagen, weil wir uns andererseits auch sehr oft an der Unfähigkeit der EU delektieren; daher soll man es auch sagen, wenn etwas hervorragend gemeistert wurde.

Die EU hat es zusammengebracht, sich zuerst einmal selbst auf ein gemeinsames Vor­gehen zu einigen, und konnte dann auch noch – und das ist eine noch viel größere Leistung – den amerikanischen Präsidenten davon überzeugen, dass man den Finanz­markt weltweit in Ordnung bringen muss.

Meine Damen und Herren, ich war immer der Meinung, dass der Finanzmarkt Rege­lungen braucht – das habe ich immer vertreten –, und die These, dass sich der Markt selbst regelt, war mir immer suspekt. Diese These ist jetzt auch Schall und Rauch, denn der Markt hat sich selbst ruiniert.

Meine Damen und Herren, es sind da unvorstellbare Summen vernichtet worden. Staa­ten stehen vor dem Bankrott: Island musste bereits gerettet werden, Ungarn und die Ukraine können sich nicht mehr selbst helfen, und auch Russland hat die Krise ganz stark getroffen.

Dieses finanzielle Desaster macht natürlich auch vor der Wirtschaft nicht halt: Es fehlt das Geld für die entsprechenden Finanzierungen; Produktionen müssen zurückgefah­ren werden; in den Ostländern, in denen wir laut Angabe der Banker so viel verdient haben, stehen die Kräne still, die Einkaufzentren werden nicht weitergebaut und so


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