Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 123

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noch Tausende mißbrauchte Kinder umgibt und in ihrer seelischen Not allein läßt, muß eingerissen werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Sie sind gegen die Anzeigeverpflichtung! Dann wird es niemand machen!)

Gerade die steigende Zahl der Anzeigen in den letzten beiden Jahren bei Sexualdelikten gegen Kinder signalisieren einen ersten deutlichen Erfolg dieser vielfältigen Bemühungen um eine fortschreitende Zurückdrängung des Tabus. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Eine Anzeigeverpflichtung gehört wieder her, Herr Minister!) Ich bin nämlich überzeugt davon, daß nicht die Mißbrauchsfälle an sich immer zahlreicher werden, sondern daß die Spitze des Eisberges aus dem Dunkel mehr ins Sichtbare rückt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Es gibt mehr Mißbrauchsfälle!)

Es geht – so sehe ich es – um eine wichtige Aufgabe der ganzen Gesellschaft, um ein Netzwerk des Hinhörens und des Hinschauens. Nur dann haben wir eine Chance zum Eingreifen und zur Abhilfe, eine Chance zur Aufhellung des Dunkelfeldes, das immer noch zahlreiche Kinder in Not umgibt. Wenn es dann zu strafrechtlichen Ermittlungen kommt, entscheidet nämlich nicht die Anzeige als solche, sondern die heikle Beweisbarkeit von Tatsachen über Erfolg und Mißerfolg behördlichen Einschreitens.

Alle Fachleute und alle einschlägigen Berufsgruppen sind sich einig, daß es auf diesem Weg der Sensibilisierung und Ermutigung, auf diesem Weg der Schaffung eines Netzwerks der Verantwortung gegen Gewalt und sexuelle Übergriffe kein Zurück gibt, vor allem kein Zurück zur undifferenzierten Anzeigepflicht, die ein Abschieben der Verantwortung so leicht gemacht hat und das große Dunkelfeld nicht aufhellt. Gerade die Einschränkung der Anzeigepflicht öffentlicher Stellen mit Vertrauenscharakter hat dazu beigetragen, Hemmschwellen gegenüber der Inanspruchnahme von Beratung und Hilfe abzubauen.

Meine Damen und Herren! Die Verhinderung und Bekämpfung von Sexualdelikten an Kindern und Jugendlichen verlangt ein deutliches Signal der gesellschaftlichen und strafrechtlichen Ächtung sowie größtmögliche Rücksichtnahme auf die Interessen der Opfer. Noch mehr aber braucht sie ein umfassendes Klima der Aufklärung, der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit und Sensibilität gegenüber den Bedürfnissen und den stillen Hilferufen unserer Kinder, ein Klima des professionellen und sachkundigen Umgangs mit Verdachtsfällen sowie eine optimale Zusammenarbeit und Vernetzung aller Beteiligten.

Wir dürfen Kinder in dieser Situation, in einer für sie großen Notsituation nicht allein lassen. Wir müssen die Umgebung dieser Kinder – allen voran die Mütter und die möglichen Kontaktpersonen, auch aus Sozialberufen – zur Achtsamkeit ermutigen und unterstützen. Nur dann wird das Eingreifen der Strafverfolgungsorgane auch zum richtigen Zeitpunkt stattfinden und eine Chance auf Erfolg haben. Je häufiger das der Fall ist, desto eher vermögen Strafdrohungen auch ihre Präventivwirkung gegenüber potentiellen Straftätern zu entfalten. Daher ist die Aufhellung des Dunkelfeldes ungleich wichtiger als die Höhe der Strafdrohung, um jenen zu helfen, die Opfer geworden sind, aber auch, um neue Opfer zu vermeiden. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)

16.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Bundesminister Karl Schlögl vor. – Bitte.

16.53

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich möchte zu den Taten des Herrn Mühl nichts weiter sagen, weil ich meine, daß der Herr Bundeskanzler heute in seiner Rede dazu ganz klare Worte gefunden hat und sich deutlich von diesen schrecklichen und furchtbaren Taten distanziert hat.

Ich glaube auch, daß es ein schwerer Fehler gewesen ist, daß man dem Herrn Mühl diesen Auftritt im Burgtheater ermöglicht hat (allgemeiner Beifall – Abg. Dr. Krüger: Spät, aber doch! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das hätten Sie früher sagen müssen!), weil das einfach ein falsches Signal gewesen ist. Aber selbst von der Freiheitlichen Partei ist hier klar gesagt worden, daß


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