Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 115. Sitzung / Seite 78

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Ich erwähne das Übernahmegesetz deshalb, weil es so bezeichnend dafür ist, wie bei uns in Österreich Reformpolitik verstanden wird. In der Regel geht die Reform zuwenig weit, sie kommt zu spät und sie orientiert sich vor allem an den herkömmlichen und gegebenen Strukturen. Das, meine Damen und Herren, sehen wir nicht als Reformfreude, und das sehen wir nicht als politischen Mut, als Vision, als Aufbruchsstimmung, als Bereitmachung für das nächste Jahrtausend und als Legitimation zur Fortsetzung dieser großen Koalition. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. )

Sie sagen weiters in Ihrer Budgetrede, Herr Bundesfinanzminister: Wir haben bei den Ausgaben ebenso wie bei den Einnahmen strukturelle, langfristig wirksame Neuausrichtungen vorgenommen! Ich erkenne diese Neuausrichtungen nicht. Mein Vorredner ist darauf ausgiebig eingegangen, ich erspare es mir. Es ist hier nichts zu finden. (Abg. Dr. Khol: Wer suchet, der findet!) – Ich habe mir so wahnsinnig viel aufgeschrieben, und zu Andreas Khol muß ich auch noch kommen.

Zu einem weiteren Punkt, zu einer weiteren Spezialität, Herr Bundesfinanzminister: Beschäftigung. (Abg. Dr. Khol: Bundesminister für Finanzen! Der Bundesfinanzminister ist der deutsche, das ist nicht er!) Sie haben in Ihrer Budgetrede stolz darauf hingewiesen, daß aus den ausgegliederten Gesellschaften ein Budget in Höhe von 23,4 Milliarden für Investitionen zur Verfügung steht, im Budget selbst sind 22,1 Milliarden zu finden. Wenn Sie das addieren, dann kommen Sie auf 46 Milliarden Schilling. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß wir diesen Wert schon im Jahr 1990 hatten, und wenn Sie diesen Wert inflationsbereinigen, dann werden Sie erkennen müssen, daß Ihre Aussage, wir hätten deutliche Steigerungen der Investitionen der öffentlichen Hand vorgenommen, um damit auf die Beschäftigung hilfreich einwirken zu können, ein Wunschdenken ist.

Herr Bundesfinanzminister! Sie sagen weiters: Wir werden einen Plan vorlegen und Maßnahmen setzen, damit wir eine leistungsfähige E-Wirtschaft haben! Das können Sie selbst nicht glauben. Sie wissen doch, daß die Landeshauptleute – nicht jene Ihrer Fraktion, sondern überwiegend jene der ÖVP – auf ihrem eigenen Spielzeug bestehen, daß jeder sagt, Sie könnten alles machen, nur nicht im Land Tirol und nicht bei den Illwerken und nicht bei der STEWEAG, also irgendwo anders, so nach der guten alten Methode St. Florian.

Herr Bundesminister! Sie wissen, daß die Reform der E-Wirtschaft gescheitert ist.

Auf die Familiensteuerreform beziehungsweise die Familienförderungsreform wird mein Kollege Kier noch eingehen.

Ich möchte abschließend noch einige Worte zu dem "Halleluja" sagen. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Andreas! Es sollte eigentlich nur "Luja" heißen, denn das, was du hier gesagt hast – das ist mein Schlußsatz –, daß die österreichische Industrie 32 Prozent Eigenkapitalquote hat, bitte ich dich, mir zu zeigen. Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn es wahr wäre. Aber ich bedauere, du hast in diesem Punkt nicht recht! (Abg. Dr. Khol: Kriege ich jetzt die Torte?) – Nein, die bekommt der Herr Bundesfinanzminister. (Beifall beim Liberalen Forum. – Der Redner übergibt Bundesminister Edlinger die Torte.)

13.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

13.00

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zunächst mein Beileid, daß Sie die Torte nicht gleich essen dürfen. Wenn man bedenkt, daß 1999 ein Wahljahr ist, dann muß man sagen, daß das vorliegende Budget eigentlich erstaunlich phantasielos, kraftlos, saftlos, los von verschiedenen Dingen ist. Es kommt keine Steuersenkung, wie sonst in Wahljahren üblich. Warum nicht? – Einerseits wegen des Stabilitätspakts in der EU, andererseits deswegen, weil die österreichische Budgetpolitik von SPÖ und ÖVP zu Beginn der neunziger Jahre dafür gesorgt hat, daß kein Budgetspielraum vorhanden ist.


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