Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 133. Sitzung / Seite 191

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und Existenzängste zunutze machen, Identitätsveränderung und soziale Ausgrenzung bewirken und Menschen wirtschaftlich ausbeuten.

Ich bin mir selbstverständlich bewußt, wie sensibel diese Fragen sind und mit welcher Sensibilität auch der Staat an die Frage der Bewältigung seiner diesbezüglichen Aufgaben herangehen muß. Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Rechtsgutachten von Universitätsprofessor Dr. Heinz Mayer zitieren. Er stellt in seinem Rechtsgutachten fest, daß die staatliche Überwachung von Sekten und deren Aktivitäten in einem Spannungsverhältnis zu mehreren Grundrechten des österreichischen Verfassungsrechtes steht. Er macht außerdem darauf aufmerksam, daß bei der Vollziehung eines derartigen Gesetzes extensive Auslegungen zu vermeiden sind und diese Bundesstelle an feststehende Tatsachen anzuknüpfen hat und jedenfalls neutral sein soll.

Universitätsprofessor Dr. Berka, der ebenfalls ein Rechtsgutachten erarbeitet hat, nimmt ebenfalls zu diesen Fragen Stellung und weist darauf hin, daß unter dem Gesichtspunkt der religiösen Toleranz der Staat insgesamt kein sektenfeindliches Klima schaffen darf. Dem Staat obliegt Neutralitätspflicht. Die Konsequenz daraus ist, daß der Staat Religionen oder Weltanschauungen nicht – gestützt auf seine Autorität – als richtig oder falsch bewerten darf. Sehr wohl, so Berka, dürfe er aber die Auswirkungen bestimmter religiöser Lehren oder Weltanschauungen aufzeigen. – Und das ist der Sinn dieses Gesetzes.

Ich schließe mich dieser Meinung an und hoffe – nein, ich erwarte! –, daß bei der Umsetzung dieses Auftrages mit größter Sorgfalt und Sensibilität vorgegangen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

22.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

22.50

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Mertel! Die Kriterien, die Sie genannt haben, daß Abhängigkeit erzeugt werden kann, Menschen in Angst und Schrecken versetzt oder auch ausgebeutet werden können, weil man sie regulären Dienst- oder Arbeitsverhältnissen entzieht und sie so in eine religiös motivierte, auch ökonomische Abhängigkeit bringt, treffen auf einige sogenannte Sekten beziehungsweise destruktive Kulte zu. Es gibt derartige Erscheinungen aber leider auch im Rahmen der anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften.

In Anbetracht dessen erhebt sich für mich die Frage: Warum wird eine Ausschußfeststellung gerade bei einem neuen Gesetz getroffen? Warum schreibt man das nicht gleich ins Gesetz? Denn ich meine, daß es auch im Zusammenhang mit den wachsenden Fundamentalismen in vielen Religionen und mit Erscheinungen im Bereich der christlichen Kirchen wie etwa dem Engelwerk und anderen viele Betroffene gibt. Daher meine ich, daß es nicht angeht, daß bei einem neuen Gesetz, das Schutzcharakter haben soll, gleiches verschieden behandelt wird.

Außerdem möchte ich auch die grundsätzliche Frage stellen, ob der Weg, den wir beschreiten, überhaupt der geeignete Weg ist. Denn es gibt auch andere mögliche Organisationsformen, die sehr gefährlich werden können. Und ich möchte auch auf eine Stellungnahme des Sekretariates der Österreichischen Bischofskonferenz verweisen, die in der "Wiener Zeitung" vom Juni 1997 abgedruckt war, in welcher auch die Angst ausgedrückt wurde, daß eine Art Staatskirchenhoheit entstehen könnte, die dann paradoxerweise die etablierten Kirchen ausnimmt.

Wir stimmen absolut zu, wenn man warnt und Betroffenen hilft. Bei manchen Erscheinungen würde ich mir manchmal sogar deutlichere Worte wünschen. Ich denke etwa an die Opfer von Gruppierungen wie Scientology, die schon oft bei allen von uns waren. Im Hinblick darauf orte ich eigentlich noch immer keine wirklichen Maßnahmen, denn es gibt nach wie vor Kindergärten und Schulen, die von maßgeblichen Proponenten dieser Gruppierungen betrieben werden.

Ich war nie eine Anhängerin von irgendwelchen Sanktionen oder Schritten gegen einzelne Angehörige einer derartigen Gruppierung, denn solche Maßnahmen würden mit Sicherheit das


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