Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 133. Sitzung / Seite 196

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Es muß festgestellt werden, daß alle diese Gruppierungen eines gemeinsam haben, nämlich bestimmte Bedürfnisse abzudecken und damit besonders Jugendliche, die sich in einer Entwicklungsphase befinden, anzusprechen. Es geht um Bedürfnisse, die in unserer Gesellschaft anscheinend nur unvollständig oder gar nicht abgedeckt werden können. Dazu gehört das Gefühl, angenommen zu werden, das Gefühl, daß einem die Angst genommen wird, die Ich-Stärkung und vor allem die Möglichkeit, hohe oder höchste elitäre Stufen erreichen zu können.

Meines Erachtens muß man auf drei Bereiche besonders achtgeben, und das werde ich mir in dem Bericht an das Parlament dann genau ansehen. Nicht nur Information darf im Vordergrund stehen. Die bereits Geschädigten und Gefährdeten müssen gezielte Beratung und Betreuung bekommen, und damit das zum Erfolg führt, muß der Ausstieg genauso erfolgen können wie der Einstieg.

Besonders die Prävention ist mir ein Anliegen, in der Art, daß neben Informationen auch gezielt Projekte gefördert werden, die darauf abzielen, junge Menschen in ihrer Persönlichkeit, Kritikfähigkeit und im Erlernen von Problemlösungsstrategien zu fördern. Dann werden Sekten, Psychokulte und Heilslehren-Gruppierungen für sie unattraktiv. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schaffenrath: Ethikunterricht!)

23.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gatterer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

23.13

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die Suche nach Glück und dem Sinn des Lebens beschäftigt den Menschen seit jeher. In einer Zeit, in der Geld, Schnelligkeit, Technisierung und Shareholder Value den Alltag bestimmen, gaukeln Sekten und Psychokulte vor, Antworten auf neue Herausforderungen und alte Sehnsüchte geben zu können.

Gerade Menschen, die das Gefühl haben, mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten zu können – die Jahrtausendwende spielt dabei sicher auch eine Rolle –, Menschen in Krisensituationen und Jugendliche werden von Sekten zuerst angesprochen und dann vereinnahmt. Das Angebot ist, wie die Sektenenquete gezeigt hat, auch in Österreich sehr groß. Ungefähr 500 derartige Gruppierungen gibt es, und laut einer Fessel-Studie wurden bereits 77 Prozent der Österreicher einmal von Sekten angesprochen. 50 000 Österreicher sagen, sie sind Mitglied einer Sekte, und das Umfeld dieser Organisationen beläuft sich auf zirka 200 000 Menschen.

Vielen ist nicht einmal bewußt, daß sie sich in der Organisation einer Sekte oder eines Psychokultes befinden, denn diese Organisationen sind sehr oft getarnt. Unter dem Deckmantel des Gesundheitsbewußtseins oder eines Persönlichkeitsentwicklungs-Kurses wird oft versucht, neue Mitglieder anzusprechen. Weder Volkshochschulen noch Gemeinden, nicht einmal Universitäten sind davor gefeit, daß Gruppierungen ihre Räumlichkeiten nutzen, um neue Mitglieder zu gewinnen. Diese Gruppierungen profitieren dann von den seriösen Namen dieser öffentlichen Einrichtungen und können dadurch Unbedenklichkeit vorspiegeln.

Wir haben gesehen, daß die Grenzen fließend und die Aktivitäten vielfältig sind. Gerade um in diesem Bereich Auskunfts- und Ansprechpartner zu haben, ist die Bundesstelle für Sektenfragen so wichtig, damit man fragen kann, ob es sich um eine Gruppierung handelt, die bedenklich ist, und wie es mit Erfahrungen mit dieser Gruppierung aussieht.

Ich bedanke mich beim Herrn Bundesminister sehr herzlich dafür, daß er mit der Broschüre "Sekten – Wissen schützt" schon den ersten Schritt gesetzt hat. Dies wurde bereits 280 000mal angenommen; nicht nur abgefragt, sondern auch angenommen. (Abg. Dr. Mertel: Was sagt die MRK dazu? – Abg. Dr. Khol: Das ist ja nur eine Information!)

Es gibt wirklich schlimme Gesichter von Sekten. Wir kennen das von der AUM-Sekte oder von den Massenmorden der Sonnentempler. Aber das Alltagsgesicht der Sekten heißt immer: Abkoppelung von der Familie, Ausbeutung, Abhängigkeit. In totalitär geführten Sekten haben die


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