Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 150. Sitzung / 39

det wird, wenn es darum geht, daß rein ökonomische Gründe gegen die Gewährung von Asyl sprechen könnten.

Ich bin der Meinung, daß wir mit diesem Weg der Mitte, den der Herr Innenminister vorschlägt, bei dem wir ihm die entsprechende Stütze sind, mit unserer Stimme, aber auch in der Argumentationsweise, jenen Weg gehen, den die Österreicherinnen und Österreicher wollen, den aber auch die Asylanten, die aus allen Ländern zu uns kommen, in einem fairen Verfahren erwarten dürfen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Was täte der Schlögl ohne den Kiss?)

10.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

10.50

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Die Linie, die hier von den sogenannten Sicherheitsexperten der Regierungsfraktionen immer wieder vertreten wird, ist folgende: Da gibt es auf der einen Seite eine Partei, die auf dem Rücken ausländischer Menschen polarisiert und ihr politisches Kalkül auf Kosten von Menschen austrägt, auf der anderen Seite gibt es welche, denen kleine Änderungen, vielleicht auch Verbesserungen, nie genug sind. Und dann gibt es uns, Kiss und Leikam, die einen Mittelweg wählen. – Das ist eine Argumentation, die in manchen Bereichen ihre Berechtigung haben mag. In Fragen des Rechtsstaates und wohl auch in Fragen der Humanität hat sie dies nicht, ist diese Linie eine falsche und eine nicht korrekte.

Das ganze Problem, das sich immer wieder stellt, ist eben, geschätzte KollegInnen von SPÖ und ÖVP, die Tatsache, daß die sogenannten Sicherheitsexperten federführend zu diesem Thema Stellung nehmen. Damit wird eine ganz wesentliche Entscheidung implizit vorweggenommen, nämlich daß Menschen ausschließlich unter dem Aspekt gesehen werden, daß sie ein Sicherheitsrisiko sein könnten. Das ist keine rechtsstaatliche Betrachtung von Menschen! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich gibt es kriminelle Menschen – InländerInnen, AusländerInnen, Menschen verschiedener Nationalität. Es gibt aber ein ganz wesentliches Prinzip des Rechtsstaates – wir haben es auch gestern im Rahmen der Dringlichen Anfrage thematisiert –, das heißt: Menschen gelten grundsätzlich als unschuldig, InländerInnen und AusländerInnen. Sie haben Rechte des Individuums. Die Rechtsordnung geht sogar noch weiter. Sie führt eine Abwägung durch. Sie besagt: Wenn rechtlich geschützte Werte bedroht sind, vor allem wenn höchste Werte bedroht sind – Leben, körperliche Unversehrtheit –, dann ist es sogar legitim, rechtmäßig, nicht rechtswidrig, wenn eine Person, die derart bedroht ist, Handlungen setzt, die ansonsten als Straftaten zu werten wären. Dann sind diese Handlungen gerechtfertigt und nicht rechtswidrig. Es ist eine ganz entscheidende Grundlage von Rechtsstaaten, daß sie dieses Prinzip eines legitimen Schutzes verankert haben. Daher ist es nicht korrekt und rüttelt an den Fundamenten des Rechtsstaates, wenn man versucht, diese Betrachtung und diese Errungenschaften des Rechtsstaates umzukehren.

Herr Abgeordneter Kiss! Es ist nicht möglich zu sagen, es gibt ein bißchen Rechtsstaatlichkeit, so quasi den goldenen Mittelweg. – Es gibt nur Rechtsstaatlichkeit oder das Verlassen dieses Bodens der Rechtsstaatlichkeit. Ich weiß, daß die Argumente derer, die populistisch und wider besseres Wissen, um zu polarisieren, hier agieren, mancherorts auf fruchtbaren Boden fallen und daß es in bestimmten Medien ein Echo darauf gibt. Das ist bekannt. Dennoch gilt es, dem Rechtsstaat und seinen Prinzipien verpflichtet zu sein, nicht darauf zu hören und die Debatte anders zu führen.

Wenn wir uns über die Prinzipien des Rechtsstaates einigen können, so müssen wir auch akzeptieren, daß sie einen effizienten Instanzenzug voraussetzen. Je wichtiger das gefährdete Rechtsgut ist, desto hochrangiger muß die Instanz sein, die den Schutz garantiert. Das ist in diesem Fall im großen und ganzen verwirklicht, das konzediere ich. (Abg. Kiss: Eben!)


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