Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 60

sind als wir – anders als wir, die wir hören, sehen, gehen; das bezieht sich auf Handicaps verschiedenster Art. 

Deshalb freut es mich, daß ich heute vielfach von Vorrednern und Vorrednerinnen gehört habe, daß noch mehr getan werden muß – und daß das, was heute von allen Parteien gemeinsam hier beschlossen wird, nur ein einzelner Schritt ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das alles wird unterstützt, und die sozialdemokratische Fraktion hat angekündigt und Frau Rauch-Kallat für die ÖVP hat angekündigt, es werde noch mehr getan werden.

Aber erlauben Sie mir, daß ich als Oppositionsabgeordnete Ihnen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, die Frage stelle: Wann? – Die Leute interessiert nicht, was Sie hier sagen, sondern die Leute interessiert in erster Linie, was Sie tun. Die Diskussion, was die Anerkennung der Gebärdensprache betrifft – ich bin jetzt schon einige Jahre im Nationalrat und habe die Debatte, die übrigens damals auch in Gebärdensprache gedolmetscht wurde, miterlebt –, und diese Versprechungen, Kollege Guggenberger, hat es bereits gegeben. Aber ich möchte jetzt nicht wiederholen, was Kollege Kier und was Kollegin Partik-Pablé heute an Kritik vorgebracht haben.

Bei aller Wertschätzung dessen, was heute beschlossen wird, möchte ich doch einen, wenn auch wegen der 5 Minuten Redezeitbeschränkung nur kurzen Überblick darüber geben, wie es in anderen Ländern ist, damit wir österreichische Abgeordnete nicht glauben, daß wir heute etwas Besonderes beschließen. Das, was heute vollzogen wird, ist der niedrigste Level, wenn man das in europäischer Gesamtsicht sieht. So ist zum Beispiel in Dänemark, meine Damen und Herren, die dänische Gebärdensprache die erste Unterrichtssprache für alle Schulstufen für gehörlose beziehungsweise hörgeschädigte Kinder, und das gesprochene Dänisch ist dort selbstverständlich die Zweitsprache. – Also davon sind wir weit entfernt!

In den Niederlanden hat die Regierung 1996 eine Kommission eingesetzt, die im Juni 1997 einen Bericht vorgelegt hat, in dem sie der Regierung ganz eindeutig und klipp und klar die Anerkennung der niederländischen Gebärdensprache als Sprache empfiehlt.

In der Schweiz hat der Bundesrat eine vom National- und vom Ständerat an ihn überwiesene einstimmige Forderung gutgeheißen, die – das lese ich jetzt nicht vor, denn das würde zu lange dauern – einer faktischen Anerkennung der Gebärdensprache gleichkommt.

In Finnland ist das Recht des Gebrauchs der Gebärdensprache bereits seit 1955 in der finnischen Verfassung verankert. – Und diese Liste ist noch nicht komplett, denn sie umfaßt noch nicht ganz Europa. (Zwischenruf des Abg. Mag. Guggenberger.)

Deshalb, meine Damen und Herren, mag heute ein wichtiger Tag sein, aber es ist ganz bestimmt nicht der wichtigste Tag für gehörlose beziehungsweise hörgeschädigte Menschen. Es muß weitergehen, und deshalb haben wir gemeinsam mit der liberalen Fraktion – Dr. Kier hat schon darauf hingewiesen – einen Entschließungsantrag formuliert. Es geht um konkrete Ergebnisse, und es geht darum, daß jene Kommission, die bis Mitte nächsten Jahres tagen wird, auch einen konkreten Auftrag hat. Und ein konkretes Anliegen der gehörlosen Menschen ist die Anerkennung ihrer Sprache als offizielle Sprache.

Deshalb lese ich jetzt den Entschließungsantrag, den Dr. Kier ja bereits in den Grundzügen vorgetragen hat, vor. (Abg. Mag. Guggenberger: Das bringen Sie 5 Minuten vorher ein!) Wir hätten gerne, daß sie ihn mit uns mittragen, denn um dieses Anliegen geht es eigentlich.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Kier, Freundinnen und Freunde betreffend Anerkennung der Gebärdensprache

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Betroffenen und ExpertInnen, einzurichten, welche eine juristische Lösung zur Anerkennung der österreichischen


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