Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 171. Sitzung / 62

12.02

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Dem Abgeordneten Stummvoll ist leider eine peinliche Verwechslung passiert: Er hat als Generalsekretär der Wirtschaftskammer die Leistung der Mitglieder seiner Kammer und der Menschen dieses Landes mit den Leistungen der Bundesregierung verwechselt. – Herr Stummvoll! Es gibt den alten Satz: Tue Gutes und rede darüber! Aber daß Sie ihn so weit treiben, zu sagen: Laß andere Gutes tun und schmücke dich damit!, halte ich für ein bisserl übertrieben. Es wäre ganz gut, wenn Sie am Boden der Realität bleiben würden! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Stummvoll: Schwacher Einstieg!) Ich glaube, er war ganz gut. (Abg. Dr. Stummvoll: Nur drei haben applaudiert!)

Herr Nürnberger hat uns Unternehmern zugerufen, wir mögen doch mehr Ausbildungsplätze schaffen. Damit hat er recht, wir sollten das wirklich tun! Aber warum entdiskriminieren Sie, Herr Nürnberger und auch Sie von der Österreichischen Volkspartei, nicht die Lehre, wenn Sie wollen, daß wir mehr Ausbildungsplätze schaffen? Warum haben Sie nicht den Mut dazu, die Lehre auf eine neue Grundlage zu stellen? Warum erlösen Sie dieses faszinierende System der dualen Ausbildung nicht von seinem Ghettodasein und integrieren es in die sekundäre Bildungsstufe, und zwar gleichberechtigt neben der AHS und der BHS? Warum trennen Sie nicht die Schulzeit von der Ausbildungszeit im Betrieb und stellen das Ganze auf neue Beine? Was wir brauchen, ist nämlich eine gute ... (Abg. Silhavy: Wie ist das mit der Qualität der betrieblichen Ausbildung, Herr Kollege Peter?) Diese wird sicherlich auch verbessert werden müssen, das ist gar keine Frage! Diesbezüglich sind wir nicht kontradiktorisch!

Frau Bundesministerin! Sie haben in der Einleitung vom österreichischen Weg, vom sozialen Modell Europas gesprochen. Ich teile Ihre Ansicht, daß das in Zukunft ein Standortvorteil werden wird. Dieser Zugang zu einem Steakholder Value, dieser Zugang zur sozialen Integration ist gerade im Sinne eines Total-Quality-Managements in Unternehmungen heute absolut notwendig. Wir sollten diesen Weg weiter gehen. Wir werden uns später noch darüber unterhalten, wie wir ihn weitergehen sollen, weil ich vielen Ihrer Schritte nicht zustimmen kann.

Daß Sie aber am Grundsatz der Erwerbsorientierung in der sozialen Sicherheit festhalten, halte ich wirklich für einen gravierenden Fehler. Das soziale Netz, so unverzichtbar es ist, ist heute bereits unfinanzierbar geworden. Wenn man es in die Zukunft extrapoliert, wird es ein bürokratisches System mit einem Sicherheitsnetz sein, durch das immer mehr Menschen durchfallen werden. Sie werden sich mit der Frage der Grundsicherung auseinandersetzen müssen, so wie es immer mehr politische Kräfte in Europa und auch in Österreich tun. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Frau Bundesministerin! Unsere klare Gegnerschaft zu Ihnen ist dann gegeben, wenn Sie glauben, Umgehungen von tatsächlich vorhandenen Belastungen über neue Gesetze bekämpfen zu können. Als die Sozialdemokraten im Jahre 1970 in die Bundesregierung eintraten, lag der Anteil der Schwarzarbeit in der österreichischen Wirtschaft bei etwas über 2 Prozent. Jetzt, am Ende dieses Jahrzehnts, des dritten Jahrzehnts, in dem Sie Regierungsverantwortung tragen, liegt der Anteil der Schwarzarbeit bei 9 Prozent!

Frau Bundesministerin! Vielleicht fragen Sie sich einmal, bevor Sie neue Gesetze beschließen, ob vielleicht Sie oder Ihre VorgängerInnen in der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung etwas falsch gemacht haben. Man kann es doch nicht darauf reduzieren, daß die ÖsterreicherInnen, weil sie viereinhalbmal soviel Schwarzgeld machen als noch vor 30 Jahren, in den letzten 30 Jahren Gauner geworden sind! Vielleicht haben Sie falsche Rahmenbedingungen gestellt? Dieses Minimum an Selbstkritik muß ich von Ihnen einfordern.

Ich teile wiederum Ihre Ansicht, wenn Sie von der Bedeutung der Beschäftigungspolitik reden. Es war sicherlich auch ein Erfolg der österreichischen EU-Präsidentschaft, daß Sie versucht haben, diesen Gedanken im Rahmen unserer Präsidentschaft europaweit zu implantieren. Ich frage mich jedoch, wieso weder der Herr Wirtschaftsminister noch die Frau Bundesministerin für Soziales die Frage der EU-Osterweiterung positiv angeht. Daß unser Freund Haigermoser schon seinen dritten Kopfstand in der Europapolitik macht, erleben wir halt soeben und müssen


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