Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 178. Sitzung / 29

Alles in allem, Herr Bundeskanzler: Sie haben wirklich kein gutes Gewissen zu haben, was in frauenpolitischen Angelegenheiten passiert ist, wenn es um den Rückblick auf diese Legislaturperiode geht. Ich sage gar nicht, daß nichts passiert ist. Das wäre ja noch schöner, wenn man vier Jahre an der Regierung wäre und überhaupt nichts für Frauen täte! Aber wenn ich die Relation herstelle, den Vergleich dazu, was notwendig wäre, und wenn ich vor allem die Relation herstelle zu dem, was Sie versprochen haben, dann ist der Saldo so negativ, daß ich sagen muß: Ihre Glaubwürdigkeit ist alleine auf diesem Gebiet bereits so untergraben, daß ich Ihnen überhaupt keine Versprechen mehr glaube. Aber ich würde mir gerne anhören, wie die anderen Kolleginnen und Kollegen ihr Selbstverständnis als Abgeordnete hier sehen, ob sie nur dann etwas tun, wenn der Fraktionszwang sie dazu bringt, oder ob sie auch eigeninitiativ einmal freie Mehrheiten zuließen.

Ich sage, daß die wichtigsten Punkte wären, endlich die Verfassung mit einer klaren Zielbestimmung zu versehen, damit alle wissen, daß es nicht nur ein Bekenntnis ist, sondern ein Auftrag, daß die Frauen eigenständige Rechte bekommen, statt sie ständig abgeleitet zu haben vom berufstätigen Partner, und daß konkrete Schritte in die Richtung zu setzen sind, daß endlich gleicher Lohn für eine gleichwertige Arbeit vorgesehen wird. – Ich danke Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage gelangt der Herr Bundeskanzler zu Wort. – Bitte um Beantwortung, Herr Bundeskanzler.

15.25

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Klubvorsitzende Dr. Schmidt! Ich bedanke mich, daß ich Gelegenheit habe, im Rahmen dieser Sondersitzung mit Ihnen über das Frauen-Volksbegehren zu diskutieren und eine Art Zwischenbilanz zu ziehen, und zwar – ganz offen – eine Zwischenbilanz auf einem Weg, der für uns noch nicht abgeschlossen ist, eine Bilanz, in der nichts beschönigt werden soll.

Frauen sind in unserer Gesellschaft in vielen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens den Männern noch immer nicht gleichgestellt, haben nicht die gleichen Möglichkeiten, sondern sind, ganz im Gegenteil, häufig an der Wahrnehmung ihrer Chancen und ihrer Rechte gehindert. Das müssen wir erkennen, aber wir dürfen es nicht zur Kenntnis nehmen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es handelt sich auch um eine Bilanz, in der auch das angesprochen werden soll, was sich in den letzten Jahren zugunsten der Frauen geändert hat, welche Fortschritte wir auf dem Weg zur Umsetzung der Forderung der Frauen erzielt haben, wobei gleiche Rechte und gleiche Chancen für Frauen zu erreichen, wohl das logische Ziel einer Politik sein muß, die auf eine sozial gerechte Gesellschaft abzielt, wie Sie es ja selbst formuliert haben, nicht nur weil Frauenpolitik im Sinne von Gender-Mainstreaming in allen Politikfeldern gemacht werden muß, sondern weil es natürlich – und das wissen wir alle, die wir dieses Thema seriös diskutieren – schon einer großen gesellschaftlichen Veränderung bedarf, um dieses Ziel zu erreichen.

Aus diesem Grund brauchen wir wohl die Unterstützung und die ernsthafte Zusammenarbeit aller politisch Verantwortlichen zur Erreichung dieses Ziels, auch jener Kräfte – und da muß man ganz offen und ehrlich sein –, die an der traditionellen Rollenzuweisung der Frauen und damit an der traditionellen Diskriminierung des weiblichen Mehrheitsanteils der Menschen in unserem Lande durchaus festhalten wollen – auch solche gibt es –, wo wir sehr viel Kraft brauchen werden, um gemeinsam ein Umdenken zu erreichen.

Ich finde es sehr positiv, daß die Mehrzahl der Frauen, quer durch alle Parteien und quer durch alle Schichten, nicht mehr bereit ist, sich mit der Ist-Situation abzufinden. Das gilt für das Privatleben in gleicher Form wie für das Berufsleben und für alle Politikfelder. Ich glaube, daß es wichtig ist, daß die Entschiedenheit der Forderungen und das Wachsen des Bewußtseins in diesem Bereich auch deutlich formuliert wird, daß das ein sehr klarer Auftrag an uns, an die politisch Gestaltenden, ist, dem Rechnung zu tragen und gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu


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