Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 180. Sitzung / 31

keine Bedarfsanalyse, keine arbeitsmarktpolitischen Analysen. Diese werden erst im nachhinein eingeholt, wie uns versichert wurde, nämlich ob es überhaupt eine Akzeptanz auf dem Arbeitsmarkt gibt, ob wir nicht ab dem Jahre 2003 bereits die ersten arbeitslosen Bachelors produziert haben werden. Welche Berufe sind für ein Bakkalaureatstudium geeignet? Was kann für den Studenten getan werden? Es gibt keine Vergleichsstudien im Inland, ob wir das überhaupt benötigen. Die ausländischen Vergleichsstudien wurden nicht herangezogen; diese geben nämlich ein vernichtendes Urteil ab.

Die Erklärung von Bologna vom 19. Juni dieses Jahres hat die nachfolgende Argumentation oder Rechtfertigung nach sich gezogen. Diese normiert ausdrücklich, daß auf die nationalen Bildungsbedürfnisse und Traditionen Rücksicht zu nehmen ist; diese wurden jedoch in Österreich, wo wir uns wiederum als Musterknabe und Vorreiter bei der Einführung dieses Bachelor-Titels sehen, nicht beachtet.

Traditionen werden über Bord geworfen. Der nächste Anschlag ist bereits geplant. Wer gestern die Zeitung "Der Standard" zur Hand genommen hat, zwischen den Zeilen, aber auch die Zeilen selbst aufmerksam gelesen hat, weiß ja, wohin die Reise geht. Es wird schon angenommen, daß dieses Gesetz heute beschlossen wird, aber man bastelt bereits daran, daß man die Habilitation abschafft, und zwar nicht, wie es ursprünglich geplant war, um der Frauenquote Genüge zu tun, sondern der zuständige Sektionschef sagt es ganz offen: Derzeit ist das zu diskutieren. Es tue ihm leid, daß es nur in Angelegenheiten betreffend Frauen diskutiert wird, das sei irreführend. – Und damit hat er durchaus recht.

Aber folgendes sage ich heute von diesem Rednerpult aus: Wir sind vor nicht allzu vielen Jahren vor dem Trümmerhaufen des äußeren Erscheinungsbildes der Universität gestanden, als ein Unglück an der Universität Wien Todesopfer gefordert hat, weil die Bausubstanz zusammengestürzt ist. Das ist hoffentlich, so glaube ich, behoben worden. Nunmehr geht man inhaltlich ans Werk und zerstört die Universität inhaltlich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man geht auch dahin gehend ans Werk, daß man ein Markenzeichen der Lehre, Wissenschaft und Forschung im mitteleuropäischen, deutschsprachigen Raum, nämlich die Habilitation, nunmehr bedingt abschaffen will. – Dem gilt es vorzubeugen. Wir werden uns dafür einsetzen, daß diesbezüglich etwas unternommen wird.

Das heutige Gesetz, das beschlossen wird, hat tatsächlich weder im Kreis der Betroffenen an den Universitäten noch in der Bevölkerung eine Mehrheit. Herr Minister, nehmen Sie das zur Kenntnis! Heute wird ein Gesetz aufgrund koalitionärer Eintracht beschlossen, wobei es wieder einmal keine Mehrheit dafür gibt: Es gibt weder im Kreis der Studierenden noch im Kreis der Lehrenden, noch bei sonstigen in dieser Richtung befaßten Menschen eine Mehrheit dafür.

Ich glaube, dieses Gesetz bekäme, wenn heute eine Freigabe des Klubzwanges stattfände, nicht einmal hier im Nationalrat eine Mehrheit. Dieses Gesetz ist überhastet, es ist jahrmarktmäßig zustande gekommen, öffnet in Wirklichkeit den Bauchladen und wird unter falschen Voraussetzungen beschlossen. Es steht in Wirklichkeit keine Mehrheit dahinter. Wenn eine Norm ohne Akzeptanz ist, dann wissen wir ja, was passiert.

Herr Minister! Die Universitäten beziehungsweise die Hochschulen haben nahezu jahrhundertelang dafür gekämpft, von einer Hochschule zu einer Universität aufgewertet zu werden. Das wurde bezüglich Kunsthochschulen voriges Jahr in Österreich verwirklicht. Nunmehr will man genau in diesen Hochschulen – ehemals Hochschulen – wiederum den Weg zurück gehen. Wir wissen aus vielen Studien, daß man gerade in den USA, woher der Bachelor-Degree kommt, genau den umgekehrten Weg geht, man dort bereits wieder an die Einführung des zweigliedrigen Studiums denkt. Wir hinken den Amerikanern in Tatsächlichkeiten nach, die Amerikaner laufen uns jedoch davon, indem sie unser Bildungssystem übernehmen.

Herr Minister! Wir stellen heute einen Rückverweisungsantrag und sehen dies als letzte Möglichkeit, ein derart überhastet zustande gekommenes Gesetz wieder an das Hohe Haus zurückzuverweisen, um hier letztendlich eine Diskussion auf breiter Basis zu führen, um nur dort


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