Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 181. Sitzung / 105

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen an den Bundeskanzler betreffend "Proporz und Postenschacher feiern fröhliche Urständ" (6621/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen nun zur Behandlung der Dringlichen Anfrage 6621/J an den Herrn Bundeskanzler.

Die schriftliche Anfrage ist an alle Abgeordneten verteilt worden, es erübrigt sich daher eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Knapp zwei Jahre sind vergangen, seit Bundeskanzler Klima das Ende des parteipolitischen Postenschachers verkündete und mit seinen 5 Punkten Besserung gelobte. Demnach sollte in Zukunft folgendes gelten:

1. Lückenlose öffentliche Ausschreibung aller Geschäftsführer- und Vorstandsfunktionen.

2. Leistungsorientierte Standardverträge für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder. Ausarbeitung durch eine Expertenkommission bestehend aus Wirtschaftstreuhändern, Rechtsexper-ten und Personalberatern, nach dem Vorbild der Kommission zur Reform der Politikerbezüge.

3. Festlegung marktgerechter Bezüge durch die Aufsichtsräte nach verpflichtenden nationalen und internationalen Branchenvergleichen.

4. Namentliche Veröffentlichung der verantwortlichen Entscheidungsträger (Aufsichtsräte).

5. Vollständige Offenlegung aller Einkommen von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern.

Nach einiger Zeit fanden diese Punkte Niederschlag im sogenannten Stellenbesetzungsgesetz (BGBl. I Nr. 26/1998), das aber im wesentlichen nur die Regelungen wiederholte, die seit 1982 ohnehin geltendes Recht waren, jedoch offenbar bei den Repräsentanten der Koalitionsparteien in Vergessenheit geraten waren (vgl. BGBl. Nr. 521/1982).

Ausgelöst wurde diese Scheinaktivität durch den tragischen Selbstmord von Kontrollbank-Vorstandsdirektor Gerhard Praschak, der in der österreichischen Innenpolitik ein beispielloses Erdbeben ausgelöst und die Österreicherinnen und Österreicher über alle Maßen aufgebracht hat. Der Nachlaß Praschaks legte die Realverfassung Österreichs wieder einmal klar, die von Proporz und Postenschacher gekennzeichnet ist. Die im internationalen Vergleich einzigartige Aufteilung Österreichs in einen SPÖ-dominierten und einen ÖVP-dominierten Bereich ist allen interessierten Beobachtern der österreichischen politischen Landschaft seit langem wohlbekannt; sie wurde immer wieder von ihren Nutznießern als gleichsam sakrosankt, gottgewollt und unabänderlich verteidigt.

Die Nachteile dieser Art der Herrschaftsausübung durch SPÖ und ÖVP, die sich logischerweise mit allen zu Gebote stehenden Mitteln gegen jegliche Veränderungen sträuben, sind längst offenkundig geworden: Konservierung längst überholter Strukturen und damit leichtfertiges Verschenken der Chancen Österreichs und massiver Anpassungsdruck gegenüber den Bürgern.

In der letzten Zeit hat der Postenschacher zwischen Rot und Schwarz einen neuen Höhepunkt erreicht: denn immer ungenierter wird auch offen zugegeben, daß nicht die beste Qualifikation entscheidend sei, sondern die Zugehörigkeit zum roten oder schwarzen Lager. ,Junktimierung‘ und ,Paketlösung‘, das sind die Zauberworte, nach denen SPÖ und ÖVP im beiderseitigen Interesse vorgehen.

Die folgende Tabelle enthält nur einige Fälle von Postenschacher seit 1997:

 


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