Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 58. Sitzung / Seite 109

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den neuen Gegebenheiten anpassen. Daher ist heute die Neutralität à la 1955 nicht die richtige Antwort darauf.

Meine Damen und Herren! Niemand in Europa versteht, warum Österreich sich so ziert, sich auch in sicherheitspolitischer Hinsicht in die europäische Sicherheitsarchitektur einzubringen. Wir treten in den europäischen Gremien immer wieder für eine Integration, für eine verstärkte europäische Integration Österreichs ein, und es ist nicht logisch und auch nicht konsequent, daß wir gerade in einer so wichtigen Frage wie der Sicherheitspolitik eine weiterführende europäische Integration ablehnen.

Wir Liberalen meinen, daß eine solche notwendig wäre und daß Österreich sich in eine europäische Sicherheitsarchitektur einbringen sollte. (Beifall beim Liberalen Forum.) Wir haben daher auch einen entsprechenden Entschließungsantrag eingebracht.

Herr Kollege Schieder! Ich darf Sie als außenpolitischen Sprecher kurz um Ihre Aufmerksamkeit ersuchen. (Abg. Schieder: Ja, selbstverständlich!) Wir haben am 28. Februar 1996, das heißt vor einem Jahr, einen Antrag betreffend den Vollbeitritt Österreichs zur Westeuropäischen Union eingebracht. Es wäre höchste Zeit – und ich darf Sie darum ersuchen –, daß auch dieser unser Antrag in diesem Unterausschuß beraten wird, weil er inhaltlich mit der Frage der Neutralität zusammengehört. Wir halten es für notwendig, und wir meinen, daß es die richtige Antwort wäre, wenn Österreich der Westeuropäischen Union beitritt, weil wir die Möglichkeit haben, nachdem wir 1995 Mitglied der Europäischen Union geworden sind, auch dieser Sicherheitsstruktur beizutreten und dadurch mehr Sicherheit zu gewinnen.

Daher erwarten wir, daß neben dem Volksbegehren zum Thema Neutralität auch unser Antrag betreffend den Vollbeitritt Österreichs zur Westeuropäischen Union beraten und behandelt wird. Das ist eine Notwendigkeit im Sinne und im Interesse unseres Landes. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die letzte Wortmeldung dazu kommt von Herrn Abgeordneten Wabl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.04

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schieder! Das Volksbegehren betreffend Neutralität liegt seit 24. April vorigen Jahres vor. Sie haben sich, um mit Ihrem wunderbaren Vergleich zu argumentieren, ein Jahr lang nicht die Zähne geputzt. Karies verursachen offensichtlich Herr Fasslabend und Herr Schüssel, und Sie schauen dabei zu. Das ist das Problem. Einerseits wissen wir natürlich, wie Volksbegehren in diesem Haus meistens behandelt werden. Aber das andere Problem, daß Teile der Bundesregierung ganz offensichtlich die Neutralität verletzen, ist Ihnen sicher nicht entgangen. Sie wissen auch, daß die Unterschrift unter das gemeinsame Truppenstatut mit der NATO, in der vorigen Woche unterschrieben von Außenminister Schüssel, ein eklatanter Bruch der Neutralität ist. (Abg. Schieder: Aber darum geht es gar nicht!)

Ich weiß, darum geht es Ihrer Meinung nach nicht. – Ich sage Ihnen, darum geht es schon! Es hat im Osten eine merkwürdige Sprachregelung gegeben. Da ist die ganze Rote Armee eine "Friedensarmee" gewesen; die ganze Rote Armee war eine "Friedensbewegung". Alle Jugendorganisationen waren "Friedensorganisationen"; jedes Treffen war ein "Friedenstreffen". – Und die "NATO neu" ist plötzlich auch eine "Friedensgemeinschaft". – Daß das ein ganz gewöhnliches Militärbündnis ist, an das wir zufällig angrenzen, scheint Ihnen nicht recht zu sein, weil es in Ihre alte Diktion nicht hineinpaßt und vor allem in die Volksmeinung nicht hineinpaßt. 80 Prozent der österreichischen Bevölkerung sehen das ganz anders, und jetzt müssen Sie die Sprache neu erfinden und sagen: Das ist eine "NATO neu", da können wir Beobachterstatus haben. Das Beispiel mit dem Beobachterstatus im Warschauer Pakt hat Sie wahrscheinlich geschreckt, vor allem Herrn Scheibner. Aber was Sie hier bereits tun, ist eine absolute Demontage der Neutralität.


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