Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 66. Sitzung / Seite 94

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Ich meine, wir müssen auch dazu kommen, daß Frauen generell sozialrechtlich abgesichert sind. Da wir heute wissen, daß jede fünfte Frau über 60 keinen Pensionsanspruch hat, haben wir erheblichen Handlungsbedarf in diesem Bereich. Wir von der ÖVP würden uns als ersten und wichtigsten Schritt vorstellen, im Scheidungsfall wenigstens einen Versorgungsausgleich für jene Frauen zu schaffen, die sonst keine sozialrechtliche Absicherung haben. (Beifall bei der ÖVP.)

14.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

14.46

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich ist der Sozialbericht ein wichtiges Dokument. Er ist eines der seltenen Dokumente, in dem – den Sozialbereich betreffend – zumindest versucht wird, einigermaßen umfassend statistische Daten zusammenzutragen. Daran gibt es keinen Zweifel. Trotzdem haben wir von den Grünen Kritik an diesem Bericht, und zwar deshalb, weil zwar Zahlen präsentiert werden, aber – und das unterscheidet diesen Bericht auch von früheren Sozialberichten – keine Zusammenhänge hergestellt wurden.

Da bin ich gleich bei den Inhalten des Berichtes und bei Ihnen, Frau Kollegin Reitsamer. Ich würde mir wünschen, daß in einem Sozialbericht nicht nur das Faktum erwähnt wird, daß es geringfügig Beschäftigte gibt, und zwar in einer stark steigenden Zahl. Darin sind wir uns ja einig, daß allein dieser starke Anstieg bei den geringfügig Beschäftigten von knapp 100 000 im Jahre 1994 auf über 150 000 Ende 1996 – Tendenz weiter stark steigend – Anlaß zu Sorge geben muß und auch zu einiger Besorgnis über die soziale Absicherung dieser Menschen. – Das ist das eine.

Was ich mir von einem Sozialbericht erwarte, ist, daß er zum Beispiel diesen Anstieg bei den geringfügig Beschäftigten gemeinsam mit der Entwicklung bei den Teilzeitbeschäftigten berücksichtigt und dadurch auch die – man verzeihe mir diesen Ausdruck – Jubelmeldungen über die hohe Zahl der unselbständig Beschäftigten in Österreich etwas relativiert, vor allem dann, wenn man diese Zahlen im Zusammenhang mit der sozialen Sicherung sieht.

Natürlich, wir haben 3 Millionen Beschäftigte, aber hinter diesen 3 Millionen Beschäftigten verbergen sich – anders, als das in den siebziger oder achtziger Jahren der Fall war – immer mehr Personen in prekären Arbeitsverhältnissen, in schlecht sozial abgesicherten Arbeitsverhältnissen. Da gibt es zum einen die 150 000 geringfügig Beschäftigten, die überhaupt keinen Anspruch auf Arbeitslosenversorgung und Altersversorgung haben, und dann gibt es die Teilzeitbeschäftigten, das sind knapp 400 000 Unselbständige, die nur einen schlechten Anspruch auf eine Alterspension haben.

Diesen Zusammenhang zwischen den 3 Millionen Beschäftigten einerseits und der immer prekärer werdenden Absicherung des sozialen Sicherungssystems andererseits vermisse ich. Es wäre Aufgabe des Sozialberichts, sich mit diesen Zahlen in ihrer Zusammenschau auseinanderzusetzen, Tendenzen aufzuspüren, Analysen zu treffen und auch Perspektiven der Entwicklung der sozialen Sicherung oder eines Sozialsystems auszumachen. Es genügt ja nicht, daß wir nur darüber Bescheid wissen, daß es soundso viele Personen gibt, die unter 12 000 S verdienen.

Das ist ja auch ein Punkt, den man noch erwähnen muß: Nach wie vor gibt es eine Viertelmillion Personen, die unter 12 000 S verdienen, der überwiegende Teil davon sind Frauen. 25 Prozent der Arbeiterinnen verdienen unter 12 000 S brutto für Vollzeitarbeit. Diese Zahlen kann man nicht oft genug wiederholen!

Über diese 160 000 Frauen hinaus, die vor allem als Teizeitarbeiterinnen unter 12 000 S verdienen, gibt es jede Menge Beschäftigte – wiederum vor allem Frauen –, die mit einem Entgelt auskommen müssen, das nicht zum Überleben ausreicht. Aber sie sind oftmals in der Lage, daß sie nur diesen Verdienst zur Verfügung haben.


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