Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 8. Sitzung / Seite 89

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Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Herbert Scheibner und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Mängel in der österreichischen Sicherheitspolitik (182/J)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der Anfrage 182/J. Diese ist in der Zwischenzeit an alle Abgeordneten verteilt worden, sodaß sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Die dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation und dem Zerfall des Ostblocks werden völlig neue Anforderungen an die europäische Sicherheitspolitik gestellt. Alle Hoffnungen, daß sich damit in Europa ein Zeitalter von Frieden und Sicherheit einstellen würde, haben sich leider nicht erfüllt. Nach dem Wegfall der Gefahr eines großen Krieges zwischen den beiden Machtblöcken ist nun die Gefahr von regionalen Konflikten, die eine Bedrohung für Österreich bedeuten könnten, rapid gestiegen. Von internationalen Experten werden etwa 30 mögliche Konfliktherde in Europa lokalisiert, wobei sich mehr als 15 davon im unmittelbaren Nahbereich Österreichs befinden. Sichtbarstes Zeichen für diese labile Situation war 1991 die Slowenienkrise, wo unmittelbar an Österreichs Grenze ein bewaffneter Konflikt ausgetragen wurde. Zudem ist die weitere Entwicklung in Rußland völlig offen, und es ist derzeit nicht absehbar, ob sich dieses Land weiter auf dem Weg der Demokratie bewegen wird, oder ob von Rußland in Zukunft Sicherheitsrisiken für Europa ausgehen könnten.

Eine Vielzahl von Staaten haben entsprechend auf diese geänderten Umstände reagiert. Fast alle ehemaligen Ostblockstaaten wollen in die NATO. Der Westen diskutiert heftig eine Neuordnung sowohl eines internationalen Sicherheitssystems als auch der nationalen Heeresstrukturen. In Österreich war bisher weder eine Reform möglich, noch gibt es eine offene und ehrliche Diskussion über sicherheitspolitische Fragen. Durch das Festhalten am Begriff einer funktionslos gewordenen Neutralität begibt sich Österreich jeder Flexibilität. Daher sind Österreich bei der Suche nach den bestmöglichen Lösungen seiner sicherheitspolitischen Herausforderungen die Hände gebunden.

Die Neutralität hat in der Vergangenheit sicherlich einen großen Beitrag für die österreichische Sicherheit und Unabhängigkeit geleistet. Schließlich war sie auch Bedingung für den Staatsvertrag. Ebenso hat sie die Rolle Österreichs als Puffer zwischen den Blöcken definiert. Glücklicherweise mußte aber der Wahrheitsbeweis, wirklicher Schutz Österreichs im Aggressionsfall, nie angetreten werden. Die jüngst bekanntgewordenen Aufmarschpläne des ehemaligen Warschauer Paktes legen die Vermutung nahe, daß im Konfliktfall die österreichische Neutralität keine ausreichende Schutzwirkung entfaltet hätte. Eine ernst genommene Neutralität würde aber bedeuten, daß wir auch in Friedenszeiten eine konsequente Neutralitätspolitik gegenüber allen potentiellen Konfliktparteien beachten müßten. Dies würde aber zur völligen Isolierung Österreichs in der internationalen Staatengemeinschaft führen. Auch wären die Kosten für eine allein und isoliert organisierte glaubhafte Landesverteidigung kaum abschätzbar. Daher ist nicht die Isolation in der Neutralität, sondern die sicherheitspolitische Kooperation mit anderen Staaten das Gebot der Stunde. Die österreichische Bundesregierung verlegt sich hingegen auf die Rolle des Beobachtens, des Zuwartens und des naiven Hoffens, daß nichts passiert.

Der Beobachterstatus bei der WEU und die zögerliche Teilnahme an der Partnerschaft für den Frieden bringen keine zusätzliche Sicherheit für unser Land. Bei allen internationalen Veranstaltungen wird jedoch klar ausgesprochen, daß auf absehbare Zeit die NATO das einzig funktionierende Sicherheitsbündnis ist beziehungsweise bleiben wird. Alle künftigen Verteidigungs- und Sicherheitsstrukturen in Europa werden nur innerhalb der NATO oder zumindest gemeinsam mit der NATO entwickelt werden. Daher ist ein rascher NATO-Beitritt ein wesentlicher Faktor zur Gewährleistung der zukünftigen österreichischen Sicherheit.

Unabhängig davon muß selbstverständlich Österreich in der Lage sein, gewisse militärische Aufgaben durch das österreichische Bundesheer selbst erfüllen zu können. Bisher war man seitens der österreichischen Bundesregierung nicht bereit, die eigene Landesverteidigung dem


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