Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 80. Sitzung / Seite 91

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An einer sozialpolitischen Absicherung des Wohlfahrtsstaates, den die Menschen in diesem Land erkämpft haben, führt kein Weg vorbei. Ich darf wiederum Amerika anführen: Das untere Drittel der Einkommensbezieher erhält dort um 25 Prozent weniger Lohn als 20 Jahre zuvor. Dies, meine Damen und Herren, kann uns wohl nicht als Vorbild dienen.

Verschiedene Wege sind zu beschreiten und verschiedene wirtschaftspolitische Ansätze zu kombinieren. Kurt Mayer meint dazu völlig richtig, daß die Suche nach einem intelligenten Maßnahmenpaket mehr Sinn macht als der wiederholte Versuch, die Glaubenssätze einer neoliberalen Politik pseudoanalytisch nachzubeten.

Beschäftigungspolitische Überlegungen und Instrumente haben daher ihre volle Berechtigung, auch wenn sie keynesianistische Züge tragen. Die Kombination von öffentlichen Investitionen, wie sie etwa über die neugeschaffene ASFINAG im Straßenbaubereich möglich werden, mit entsprechender Unterstützung durch Export- und Technologiestärkungsprogramme sowie die Schaffung wettbewerbsfähiger Rahmenbedingungen gehören ebenso zu verantwortungsvoller Wirtschaftspolitik wie die soziale Absicherung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und damit auch die für die Wirtschaft letztlich unabdingbare Erhaltung der Kaufkraft der unselbständig Beschäftigten. Wer dies leugnet oder nicht wahrhaben will, der belügt sich selbst.

Somit sind einer zügellosen Deregulierungs- und Liberalisierungspolitik um jeden Preis klare sozialpolitische Grenzen zu setzen. Ordnungspolitische Überlegungen sind nicht nur legitim, sondern strikt erforderlich. Es kann nicht angehen, im ungehemmten Wettbewerb die Gewinner zu feiern und die Verlierer einfach zu vergessen. An die Mobilität von Menschen etwa dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Mobilität des Kapitals, wäre zutiefst unsozial, letztlich auch menschenverachtend. Zwar darf dies nicht zu wettbewerbsfeindlichen Verkrustungen und zur Strukturkonservierung führen, es muß aber immer im zentralen Brennpunkt der Politik bleiben.

Es ist zum Beispiel nicht egal, wo Forschungsergebnisse und Technologieentwicklungen umgesetzt werden. Es ist nicht unerheblich, wie die beschäftigungswirksamen Mittel des ERP-Fonds eingesetzt werden. Es ist auch nicht ohne Bedeutung, wo strategische Headquarters angesiedelt werden. Schließlich ist es auch nicht nebensächlich, ob und von wem strategische Beteiligungen gehalten werden.

Der internationale Standortwettbewerb bedeutet eine enorme Herausforderung für die nationale Wirtschaftspolitik, zumal die Versuchung groß sein könnte, sich einer Politik hinzugeben, unter der Ausrede der Standortsicherung in die nach unten führende Spirale des Liberalisierungswettbewerbes einzutreten. Abbau sozialer Errungenschaften, Abbau von Umweltstandards, ein ungehemmter Steuerwettbewerb, der sich schließlich funktional zu Lasten des Faktors Arbeit auswirken wird, um den Faktor Kapital zu halten, würden die Folge sein.

Sich in diesem Spannungsfeld zu bewegen, ist für die Politik mit Sicherheit nicht leicht und wird punktuell immer wieder zu Fehlentscheidungen und Anpassungsbedarf führen. Österreich hat aber in den letzten Jahrzehnten bewiesen, daß es in der Lage ist, sich in diesem Spannungsfeld zu bewähren, und wenn daher nun etwa im Rahmen der Budgetkonsolidierung gewisse Korrekturen vorgenommen werden müssen, kann daraus nicht abgeleitet werden, daß die Gesamtstrategie falsch war. Lebensstandard und Lebensqualität in unserem Land, meine Damen und Herren, beweisen das Gegenteil. Wir müssen aber auch weiterhin – vielleicht noch stärker als bisher – danach trachten, daß auch alle daran teilhaben können. – Ich danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. – Bitte, Herr Abgeordneter. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

16.03

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Es dürfte wohl eine Novität im Hohen Hause sein – und das zeigt, daß sich die Regierung in einer Vertrauenskrise befindet –, daß sozialdemokratische und ÖVP-Abgeordnete hergehen und einen Entschließungsantrag einbringen, in dem sie die Regierungsmitglieder zur Arbeit auffordern. Das dürfte einmalig in der Geschichte dieses Parla


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