Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 83. Sitzung / Seite 112

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lungsbereich Frauen trotz prinzipieller, formalrechtlicher Gleichstellung de facto strukturelle Benachteiligungen gegenüber den Männern erfahren, entbehrt.

Wenn wir also Gleicheres wollen und wir uns damit eventuell temporäre Bevorzugung wünschen, lege ich auf die andere Seite der Waagschale die Familie. – Genau das, was Sie nicht haben wollten. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Wirkung ist in dreifacher Hinsicht zu erwarten, nämlich Familie als Gestaltungsprinzip der Gesellschaftsordnung, Familie als Grundwert außer Streit gestellt und richtungsweisende Signalwirkung für die Bevölkerung überhaupt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte einen Ausspruch Khalil Gibrans zitieren, er sagt: "Füllt einen Kelch gemeinsam, aber trinkt dann nicht gemeinsam daraus!" Das heißt, jeder einzelne von uns möge sich seine Persönlichkeit, seine Eigenständigkeit, seine eigene Wertigkeit absolut erhalten. Wir stehen auf demselben Erdboden, und trotzdem gibt es nicht dieselbe Nächstenliebe, nicht die gleiche Menschlichkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es geht also nach wie vor um ein Bündnis beider Geschlechter für Gerechtigkeit: die Hälfte der Macht den Frauen, die Hälfte der Familienarbeit den Männern. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich von Netzwerken sprechen: Frauennetzwerke sind erst im Entstehen, die starken Netzwerke der Männer aber haben lange Tradition: CV, Brüderschaften, Rotarier und viele mehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Viele Männer sind in den Mahagonibüros der oberen Etagen auf ihren gepolsterten Ledersesseln und verdanken einem gegenseitigen Hochschaukeln ihre informelle Stellung. Hilfreiche, einflußreiche Beziehungen aber fehlen den Frauen.

Wenn es um Gleichstellung geht, kommt noch eine dritte Intention dazu: die Kinder. Kinder sind nicht Privatsache, sie sind Geschenke an die Gesellschaft. Wir müssen die Bedeutung präventiver Familienpolitik hervorheben (Abg. Mag. Kammerlander: Das sehe ich anders!), denn dadurch könnte die Verletzlichkeit von Familien erheblich reduziert werden.

UNO, EU, Europarat lassen keinen Zweifel an der grundlegenden Bedeutung der Familie und an der Verpflichtung des Staates, die Familien insbesondere in der Gründungs- und Kleinkindphase nachhaltig zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Dr. Haselsteiner: Zugabe! Herr Präsident! Bitte noch Extrazeit! Zwei Minuten!)

Damit wir uns richtig verstehen: Wir Frauen wollen keine Gleichmacherei, wir wollen die Gleichberechtigung und die Gleichwertigkeit. Für Feminismus habe ich nichts übrig! (Beifall bei der ÖVP und den Liberalen, bei Abgeordneten der SPÖ und den Freiheitlichen.)

15.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. Sie hat das Wort. (Abg. Dr. Haselsteiner: Heb jetzt nicht das Niveau!)

15.46

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen haben immer auf zeitgerechte Behandlung von eingebrachten Anträgen Wert gelegt, wir haben das immer deponiert, ganz gleichgültig und unabhängig davon, von wem die Anträge gekommen sind. (Abg. Dr. Haselsteiner: Das ist löblich!) Deshalb werden wir natürlich auch dieser Fristsetzung zustimmen.

Dieser Antrag der Grünen liegt seit 20. März 1996 im Verfassungsausschuß, und aus heutiger Sicht wäre es vielleicht sinnvoller gewesen, eine erste Lesung zu verlangen, weil es hier ja doch um eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes zugunsten von Frauen geht, obwohl der Titel so formuliert ist, daß man annimmt, es soll um eine tatsächliche Gleichstellung gehen. Das stellt doch einen sehr großen und bedeutenden Eingriff in unser derzeitiges System dar. Ich


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