Stenographisches Protokoll

95. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Freitag, 7. November 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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95. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Freitag, 7. November 1997

Dauer der Sitzung

Freitag, 7. November 1997: 9.01 – 19.52 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997 – ASRÄG 1997

2. Punkt: Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9aE Vr 8973/97, Hv 5328/97) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Walter Meischberger

3. Punkt: Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9bE Vr 10153/97, Hv 6089/97) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 7

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2841/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 26

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 127

Redner:

Mag. Dr. Heide Schmidt 127

Ing. Erwin Kaipel 129

Mag. Franz Steindl 131

Dr. Stefan Salzl 132

Dr. Volker Kier 133

Mag. Terezija Stoisits 134

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 135

Absehen von der 24stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Ausschußberichte 931 und 932 d. B. gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung 26


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Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 26

Wortmeldungen betreffend parlamentarische Vertretung des Bundeskanzlers:

Mag. Johann Ewald Stadler 95, 96

Dr. Andreas Khol 96

Dr. Peter Kostelka 97

Feststellungen des Präsidenten Dr. Heinz Fischer in diesem Zusammenhang 96

Ablehnung der Durchführung einer Debatte darüber 97

Erklärung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Bestimmungen der Geschäftsordnung über eine persönliche Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung 111

Antrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Hans Helmut Moser und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Verantwortlichkeit von Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit der freien Ausreise der Täter betreffend den Mord an dem damaligen Vorsitzenden der DPK-I Dr. Abdul Rahman Ghassemlou und zwei seiner Vertrauten, und um insbesondere zu untersuchen, ob und welche Weisungen angesichts der Drohungen von seiten des Iran, "die Unterlagen über die illegalen österreichischen Waffenlieferungen im ersten Golfkrieg" preiszugeben – wie vom ehemaligen Präsidenten des Iran Bani-Sadr behauptet – erteilt wurden, gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 167

Bekanntgabe 126

Ablehnung 168

Fragestunde (24.)

Land- und Forstwirtschaft 7

Anna Elisabeth Aumayr (183/M); Josef Schrefel, Andreas Wabl, Mag. Thomas Barmüller, Marianne Hagenhofer

Heinz Gradwohl (169/M); Dr. Stefan Salzl, Johann Schuster, Mag. Thomas Barmüller, Andreas Wabl

Mag. Thomas Barmüller (181/M); Matthias Achs, Ing. Mathias Reichhold, Karl Freund, Andreas Wabl

Georg Schwarzenberger (175/M); Mag. Thomas Barmüller, Andreas Wabl, Georg Schwarzenberger, Sophie Bauer, Dr. Stefan Salzl

Andreas Wabl (182/M); Mag. Thomas Barmüller, Ing. Mathias Reichhold, Mag. Dr. Josef Trinkl

Anna Elisabeth Aumayr (184/M); Andreas Wabl, Jakob Auer, Mag. Thomas Barmüller

Rainer Wimmer (170/M); Franz Koller, Katharina Horngacher, Mag. Thomas Barmüller


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Jakob Auer (176/M); Mag. Thomas Barmüller, Otmar Brix, Ing. Mathias Reichhold

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend Harmonisierung der Pensionssysteme (628/A) (E) 94

Begründung: Mag. Johann Ewald Stadler 97

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 103

Debatte:

Dr. Jörg Haider 106

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 108

Dkfm. DDr. Friedrich König (tatsächliche Berichtigung) 109

Emmerich Schwemlein (tatsächliche Berichtigung) 109

Heinz Gradwohl (tatsächliche Berichtigung) 109

Dr. Elisabeth Hlavac (tatsächliche Berichtigung) 110

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung) 110

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (tatsächliche Berichtigung) 111

Dr. Alexander Van der Bellen (tatsächliche Berichtigung) 111

Dr. Josef Cap 111

Mag. Johann Ewald Stadler (tatsächliche Berichtigung) 114

Dr. Jörg Haider (tatsächliche Berichtigungen) 114, 119

Georg Wurmitzer 115

Mag. Gilbert Trattner (tatsächliche Berichtigung) 117

Helmut Haigermoser (tatsächliche Berichtigung) 118

Ing. Mathias Reichhold (tatsächliche Berichtigung) 118


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Dr. Hans Peter Haselsteiner 119

Andreas Wabl 121

Reinhart Gaugg 123

Ing. Mag. Erich L. Schreiner 125

Helmut Haigermoser 126

Ablehnung des Dringlichen Antrages 127

Ausschüsse

Zuweisungen 25

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (886 d. B.): Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997 – ASRÄG 1997 (912 d. B.) 26

Redner:

Mag. Herbert Haupt 27

Annemarie Reitsamer 33

Dr. Volker Kier 37

Dr. Gottfried Feurstein 44

Karl Öllinger 47

Bundesministerin Eleonora Hostasch 52, 160

Rudolf Nürnberger 56

Reinhart Gaugg 58

Mag. Dr. Josef Trinkl 62

Dr. Hans Peter Haselsteiner 64

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 68

Mag. Walter Guggenberger 71

Theresia Haidlmayr 73

Karl Donabauer 78

Sigisbert Dolinschek 81

Sophie Bauer 83

Anton Blünegger 84

Rosemarie Bauer 86

Edith Haller 87

Franz Hums 89

Josef Meisinger 92

Georg Schwarzenberger 93

Dr. Helene Partik-Pablé 137

Heidrun Silhavy 139

Dr. Helene Partik-Pablé (tatsächliche Berichtigung) 140

Elfriede Madl 140

Erhard Koppler (tatsächliche Berichtigung) 142

Edeltraud Gatterer 143

Dr. Elisabeth Pittermann 144

Karl Donabauer (tatsächliche Berichtigungen) 146, 157

Georg Wurmitzer 147

Winfried Seidinger 148

Dr. Erwin Rasinger 150

Dr. Michael Krüger (tatsächliche Berichtigung) 152

Helmut Dietachmayr 152

Ridi Steibl 153

Heidemaria Onodi 154

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 155

Ing. Mathias Reichhold 156

Mag. Johann Maier 158

Anna Elisabeth Aumayr 159

Annahme des Gesetzentwurfes in 912 d. B. 161

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend dauerhafte Sicherung der Pensionen durch Umstellung auf ein Drei-Säulen-Modell – Ablehnung 61, 165

Entschließungsantrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten in das Sozialversicherungssystem – Ablehnung 77, 166

Entschließungsantrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend die Schaffung der Möglichkeit der begünstigten Selbstversicherung zur Pensionsversicherung für pflegende Angehörige – Ablehnung 78, 166

2. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9aE Vr 8973/97, Hv 5328/97) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Walter Meischberger (931 d. B.) 166

Annahme des Ausschußantrages 166

3. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9bE Vr 10153/97; Hv 6089/97) um


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Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider (932 d. B.) 166

Annahme des Ausschußantrages 167

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend Harmonisierung der Pensionssysteme (628/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend die Schaffung der Möglichkeit der begünstigten Selbstversicherung zur Pensionsversicherung für pflegende Angehörige (629/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten in das Sozialversicherungssystem (630/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Nachforschungen des Bundeskanzleramtes über Förderungen der Republik Slowenien an die slowenische Volksgruppe (3256/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Entschädigung österreichischer Staatsbürger gemäß Artikel 27 Staatsvertrag von Wien (3257/J)

Jakob Auer und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend die Information der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln (3258/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Anerkennung des österreichischen Ingenieurtitels innerhalb der EU (3259/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die Anerkennung des österreichischen Ingenieurtitels innerhalb der EU (3260/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend AMA-Gesetz-Novelle 1997 (3261/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Rückgang der Mutter-Kind-Paß-Untersuchungen (3262/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend notwendige weitere Erlässe für die Rechtschreibreform (3263/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend außerbudgetäre Finanzierung und verdeckte Staatsverschuldung (3264/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Impfkonzept (3265/J)


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Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka und Genossen (2873/AB zu 2929/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (2874/AB zu 3054/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (2875/AB zu 2964/J)


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Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und eröffne die 95. Sitzung des Nationalrates.

Das Amtliche Protokoll der 93. Sitzung vom 5. November 1997 ist in der Parlamentsdirektion aufgelegen und ohne Einspruch geblieben. Es gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Abgeordneten Mag. Peter, Platter, Dr. Schwimmer und Schieder.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Fragestunde, und ich beginne jetzt – um 9.01 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 1. Anfrage an den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, den ich herzlich begrüße. Ich bitte Frau Abgeordnete Aumayr, ihre Frage zu formulieren.

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Guten Morgen, Herr Minister! Meine Frage lautet:

183/M

Können Österreichs Bauern in Zukunft – wenn EU-Kommissär Dipl.-Ing. Fischler die EU-Ausgleichszahlungen an ökologische Auflagen bindet – sowohl am ÖPUL teilnehmen als auch an EU-Förderaktionen, oder gilt dies dann als unzulässige Doppelförderung?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, ich bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Es stimmt, daß im Entwurf, im Schriftstück "Agenda 2000" eine derartige Koppelung vorgesehen ist. Ein konkreter Vorschlag liegt derzeit nicht auf dem Tisch. Österreich lehnt diese Koppelung ab, da es auf das Programm 2078,, das Umweltprogramm, setzt, weil das für uns die wichtigste Zielsetzung ist.

Österreich lehnt auch die Idee ab, derartige Auflagen national unterschiedlich festlegen zu können, weil daraus unterschiedliche Umweltstandards der einzelnen Länder resultieren würden; auch diese Unterschiedlichkeit würde von uns abgelehnt werden.

Würde die Idee auftauchen, daß durch eine derartige Koppelung, die wir an sich ablehnen, die Teilnahme am Umweltprogramm in Frage steht, würde auch diese von Österreich massiv abgelehnt werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. – Zusatzfrage, bitte.

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Kommissär Fischler hat in einer Aussendung vom 29. Oktober festgestellt, daß die Basisförderung strenger gestaltet werden muß, um einen ökologischen Mindeststandard zu erreichen. Die beiden Maß


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nahmen, die nun zusätzlich zur Basisförderung gewählt werden müßten, sind: erstens betriebsbezogene Maßnahmen wie biologische Wirtschaftsweise und zweitens einzelflächenbezogene Maßnahmen im Rahmen eines Projekts unter Zustimmung der Naturschutzbehörde.

Meine Frage: Welche Bedingungen und Auflagen müssen österreichische Landwirte bereits ab 1. Jänner 1998 erfüllen, um überhaupt Förderungen aus dem neuen ÖPUL ’98 erwarten zu dürfen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Sie beziehen sich auf das neue Umweltprogramm 1998, das im STAR-Ausschuß beschlossen wurde. Kein österreichischer Bauer wird gezwungen, auf dieses Umweltprogramm 1998 umzusteigen, aber es wird eine Umstiegsmöglichkeit auf freiwilliger Basis angeboten.

Es war notwendig, die Basisförderung unter zusätzliche Auflagen zu stellen. Warum? – Weil mir die Basisförderung als flächenhaftes Angebot für alle österreichischen Bauern so wichtig ist, daß ich auch akzeptiert habe, daß es diese zusätzlichen Auflagen gibt. Die Bauern werden entsprechend informiert werden und sich dann selbst entscheiden können, ob sie im ÖPUL ’95 bleiben oder auf das ÖPUL ’98 umsteigen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. – Zusatzfrage: Abgeordneter Schrefel, bitte.

Abgeordneter Josef Schrefel (ÖVP): Herr Bundesminister! Wie beurteilen Sie die Chancen des Biolandbaus in Europa und speziell in Österreich, da es doch so ist, daß der Großteil der Konsumenten Lebensmittel aus naturnaher Produktion den Vorzug gibt, beim Einkauf jedoch wieder eher zu den billigeren, konventionelleren Lebensmitteln greift?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich beurteile die Chancen des Biolandbaus in Österreich und in Europa positiv. Auch die Kommission hat entsprechende Vorschläge dazu. Es ist etwa daran gedacht, in Zukunft Umweltmaßnahmen und damit auch den Biolandbau in den besonders sensiblen Zonen zu 100 Prozent zu finanzieren und nicht nur zu 50 Prozent.

Sie kennen meine Auffassung, daß die Chance des Biolandbaus von der Marktentwicklung abhängt. Wir müssen daher alles tun, um die Konsumenten weiterhin positiv für die Produkte der Biobauern zu stimmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Abgeordneter Wabl, bitte.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Bundesminister! Denken Sie daran, daß Sie bei ÖPUL II als Förderungskriterium auch heranziehen, daß jene Bauern, die daran teilnehmen, keine gentechnisch veränderten Pflanzen, Produktionsmittel, kein gentechnisch verändertes Saatgut verwenden dürfen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Im nun genehmigten ÖPUL ’98 ist eine derartige Auflage nicht vorgesehen. Es ist vorgesehen, daß sich der Bereich des Biolandbaus selbst als ein Sektor definiert, der ohne diese Methode, also ohne gentechnische Modifikation auskommt. Ich unterstütze diese Bemühungen etwa dadurch, daß ich im Bereich Saatgutforschung gemeinsam mit den Biobauern ein Projekt auf die Füße gestellt habe.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Barmüller, bitte.


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Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller
(Liberales Forum): Herr Bundesminister! Da Österreich ohnehin schon ökologische Kriterien im Zusammenhang mit der Landwirtschaftsförderung hat und die EU ökologische Kriterien einführen wird, frage ich Sie: Wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern, bis es auch zu strukturellen Änderungen innerhalb der Betriebe kommt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.


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Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer:
Herr Abgeordneter! Aufgrund unserer Erfahrung mit dem Umweltprogramm 1995 können Sie davon ausgehen, daß die Landwirtschaft sehr rasch mit den notwendigen Umstellungen reagiert. Ich denke etwa an die stark steigende Zahl der Biobauern in Österreich, an die stark sinkende Einsatzmenge von Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln.

Sie können sich darauf verlassen: Wenn ein gutes Programm vorhanden ist, reagieren die Bauern richtig!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollegin Marianne Hagenhofer, bitte.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Bundesminister! Wir wissen – Studien belegen dies –, daß gerade im Bereich der erneuerbaren Energie, sprich Biomasse, viele – ich sage es so – Ersatzarbeitsplätze im Bereich der Landwirtschaft geschaffen werden könnten. Sie haben im Budgetausschuß, als es um das Kapitel Landwirtschaft ging, gesagt, in der "Agenda 2000", also in diesem Weißbuch für die Landwirtschaft, fehlen gerade Themen wie Ölsaaten und Biomasse. Daher meine Frage: Was werden Sie unternehmen, damit in diesem Bereich auch tatsächlich Arbeitsplätze geschaffen werden können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Ich habe vor kurzem gemeinsam mit der Frau Bundesministerin für Arbeit und Soziales eine Studie über den Beschäftigungseffekt erneuerbarer Energieträger vorgelegt.

Aus dieser Überlegung heraus hat das Landwirtschaftsministerium heuer die Förderungen aufgestockt. Aus dieser Überlegung heraus werden Kollege Bartenstein und ich demnächst ein Verwaltungsübereinkommen zwischen den beiden Ressorts unterzeichnen, um ab dem nächsten Jahr vermehrt Möglichkeiten zur Förderung der Biomasse zu haben.

In der "Agenda 2000"-Diskussion ist Österreich unmißverständlich der Meinung, daß es notwendig ist, auch in Zukunft Energie- und Rohstoffproduktion zu ermöglichen sowie die Ölsaatenproduktion sicherzustellen. Wir sind derzeit dabei, gemeinsam mit anderen Staaten – wir sind sozusagen auf Partnersuche – die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Ich denke dabei etwa daran, Vorrangflächen für Energie- und Rohstoffproduktion im Zuge der Marktordnungen zu verankern.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. Damit haben wir den ersten Fragenkomplex erledigt.

Wir kommen zum Thema "Kennzeichnung gentechnikfreien Saatguts". Die Frage formuliert Herr Abgeordneter Gradwohl.

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

169/M

Haben Sie – in Umsetzung der gemeinsamen Entschließung E 55-NR/XX. GP aller Fraktionen dieses Hauses zur Kennzeichnung gentechnikfreien Saatgutes – eine diesbezügliche Verordnung erlassen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich habe auf Basis dieser Entschließung in erster Linie versucht, in der Europäischen Union für die europaweite Kennzeichnung nicht nur Stimmung zu machen, sondern auch den Boden aufzubereiten. Sie haben in den letzten Tagen den Äußerungen der Kollegin Prammer entnommen, daß es das wichtigste Ziel ist, eine europaweite Kennzeichnung zu verankern.

Die Europäische Kommission hat auf Basis des Vorschlages des Europäischen Parlaments zur umfassenden Kennzeichnung auch für den Bereich Saatgut einen Entwurf angekündigt; sie hat angekündigt, daß er noch im November dieses Jahres vorliegen wird. In meinem Haus ist ein Verordnungsentwurf auf Basis des Saatgutgesetzes vorbereitet, der umgehend in Begutachtung geschickt wird, sobald erkennbar ist, welche Regelungen auf europäischer Ebene vorliegen.

Unabhängig davon habe ich auf Basis der Entschließung veranlaßt, daß die Kennzeichnung der jetzt eingetragenen Sorten vorgenommen wird. Diese Kennzeichnung hat ergeben, daß wir in Österreich keine genmodifizierte Sorte haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage, bitte.

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Bundesminister! Inwieweit wird diese von Ihnen jetzt in Aussicht gestellte, von der EU erlassene Verordnung dann auch sicherstellen, daß die biologische Landwirtschaft in Österreich, die im Steigen ist, entsprechend abgesichert über ihr Vormaterial Bescheid weiß beziehungsweise daß die Konsumenten, die die biologischen Produkte in verstärktem Umfang kaufen, auch sicher sein können, daß sie aus gentechnisch nicht veränderten Vormaterialien produzierte Waren kaufen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Die Kennzeichnung bei Saatgut sieht vor, daß auf der Saatgutpackung vermerkt ist, ob es sich um modifiziertes oder nicht modifiziertes handelt. Damit ist es allen Bauern, auch den Biobauern, möglich, Saatgut, das nicht gewollt ist, nicht einzusetzen.

Für die Konsumenten ist diese Frage nicht relevant, da ich davon ausgehe, daß sie Saatgut nicht zu sich nehmen. Für sie ist die Kennzeichnung im Bereich der Bioprodukte, im Bereich des Lebensmittelkodex, im Bereich von Novel-food die entscheidende Rechtsgrundlage, um ihnen Sicherheit zu geben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Dr. Salzl, bitte.

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Selbstverständlich ist es so, daß die Konsumenten nicht Saatgut essen, aber sehr wohl die Produkte, die dann daraus produziert werden. Es ist einmal ein Faktum, daß zirka 70 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher keine gentechnisch veränderten Lebensmittel wollen, was sie auch mit ihrer Unterschrift zum Gentechnik-Volksbegehren, das über eine Million Menschen unterschrieben haben, sehr eindrucksvoll dokumentiert haben. Nichtsdestotrotz wollen viele der ÖVP-Bauernvertreter, daß gentechnisch verändertes Saatgut auf dem Markt zugelassen wird.

Daher meine Frage: Glauben Sie, daß man es sich in der landwirtschaftlichen Produktion auf Dauer wird leisten können, an den Wünschen der Konsumenten vorbeizuproduzieren, zumal ja deren Nachfrage schlußendlich auch den Preis bestimmt? – Sie selbst haben ja gesagt, daß die Chance für den naturnahen, den biologischen Landbau insbesondere von der Akzeptanz der Konsumenten abhängen wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich habe festgehalten, daß ich alles tun möchte, um jenen Verbänden, jenen Kreisen der Landwirtschaft wie etwa dem Biolandbau, die ohne diese Methode auskommen möchten, die


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Voraussetzungen dafür zu schaffen. Dazu gehört die Kennzeichnung von Saatgut und auch die Kennzeichnung von Futtermitteln, und daher setze ich mich für diese Kennzeichnung ein.

Ich habe schon erwähnt, daß wir gemeinsam mit dem Biolandbau ein Forschungsprojekt finanzieren, um langfristig Saatgut für diesen Sektor ohne diese neue Technologie zu haben.

Ich bin dafür, daß in allen Bereichen eine umfassende Kennzeichnung erfolgt, das bedeutet nicht nur in den Bereichen Futtermittel und Saatgut, sondern auch im Bereich der Nahrungsmittel sowie auf allen Ebenen etwa durch die Novelle der Richtlinie 90/220 in der Europäischen Union. Das heißt: eine umfassende Strategie der Kennzeichnung; das ist wichtig.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage: Kollege Schuster, bitte.

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Nach dem geltenden Bundesministeriengesetz ist ganz klar geregelt, in wessen Kompetenz die Kennzeichnung von Saatgut fällt. Herr Bundesminister! Da in den letzten Tagen und Wochen sehr viel darüber geschrieben wurde, daß in einem Bioprodukt in Österreich Gensoja gefunden wurde, und die Konsumenten und auch die biologisch wirtschaftenden Bauern verunsichert sind, frage ich Sie: In wessen Kompetenz fällt eigentlich die Überprüfung von Bioprodukten, welche wir in den Geschäften kaufen können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Zunächst möchte ich festhalten, daß es sich nach heutigem Wissensstand in diesem Fall um importiertes Soja handelt und nicht um in Österreich erzeugtes, da in Österreich genmodifiziertes Soja derzeit nicht angebaut wird.

Zweitens: Die Kompentenzlage ist klar: Das Landwirtschaftsministerium ist für die Saatgutkennzeichnung und für die Futtermittelkennzeichnung zuständig. Das Bundeskanzleramt, vormals Gesundheitsministerium, ist für das Lebensmittelrecht und damit auch für die Kennzeichnung von Lebensmitteln auf Basis der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung zuständig sowie für die Kennzeichnung von Bioprodukten auf Basis des Lebensmittelkodex, in dem die entsprechenden Richtlinien ausgearbeitet sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Abgeordneter Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Unabhängig von der Kennzeichnung hat jedenfalls die jetzt im Entwurfsstadium befindliche Richtlinie der Europäischen Union betreffend den Schutz biotechnologischer Erfindungen Auswirkungen auf den Landwirtschaftsbereich. Es stellt sich daher die Frage: Welche Maßnahmen werden von Ihrer Seite getroffen oder sind in Aussicht genommen, um allfällige nachteilige Auswirkungen dieser Richtlinie in bezug auf die österreichische Landwirtschaft hintanzuhalten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich habe schon unsere Initiativen im Bereich Biolandbau erwähnt. Es ist von mir veranlaßt worden, daß im Bereich Gentechnologie die Risikoforschung intensiviert wird. Es stehen je 2 Millionen Schilling pro Jahr für die Projekte der Risikoforschung zur Verfügung, damit wir mögliche negative Auswirkungen in einer Minimierungsstrategie der Risken entsprechend im Griff haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Abgeordneter Wabl, bitte.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Bundesminister! Der Beantwortung meiner vorherigen Frage war zu entnehmen, daß Sie ins ÖPUL nicht hineinnehmen, daß ein Kriterium, das die Förderung für Landwirte ausschließt, die Verwendung gentechnisch veränderten Saatguts ist. Das bedeutet, Sie fördern in Zukunft auch jene Landwirte, die gentechnisch verändertes Saatgut verwenden. Das halte ich für einen beachtlichen Vorgang.


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Umgekehrt würde mich interessieren, was Sie tun, damit genetische Ressourcen gefördert werden, alte Landsorten, die überlebenswichtig sind für den biologischen Landbau, damit die Zulassungsverfahren verbessert, vereinfacht werden, der Zugang einfacher wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich habe – ich glaube, vor etwa zehn Tagen – eine Diskussion mit der Arbeitsgemeinschaft "Biolandbau in Österreich" darüber gehabt, daß wir auf europäischer Ebene die Frage der Landsorten gemeinsam mit der Bundesrepublik Deutschland als neue Initiative im EU-Sortenrecht und in der Folge auch im österreichischen Sortenrecht verwirklichen. Es wäre da eine vereinfachte Zulassung vorgesehen.

Eine Registrierung zum Schutz derer, die da Vermehrung machen, halte ich auch in Zukunft für notwendig; auch im Interesse des Biolandbaus, weil nur dann, wenn eine Sorte geschützt wird, auch ein wirtschaftlicher Ertrag aus der Zucht möglich ist, und diesen braucht auch ein Züchter von Biosaatgut.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. Das zweite Thema ist damit abgeschlossen.

Die nächste Anfrage formuliert Kollege Barmüller.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Meine Frage:

181/M

Inwiefern ist das von der EU-Kommission in der "Agenda 2000" postulierte Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft sowohl auf den Binnenmärkten wie auch auf den Weltmärkten zu steigern, mit der im Regierungsübereinkommen festgelegten Zielsetzung einer bäuerlich strukturierten Land- und Forstwirtschaft vereinbar?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich bin fest davon überzeugt, daß die bäuerliche Form der Landwirtschaft die moderne Form der Zukunft ist, weil nur die bäuerliche Form der Landwirtschaft alle Funktionen, die man von ihr erwartet, optimal und damit auch im volkswirtschaftlichen Sinn erfüllt.

Was wir anstreben, ist eine faire Partnerschaft auf dem Weltmarkt. Das heißt, wir wollen auch eine Ergänzung der Spielregeln, etwa der WTO-Spielregeln, hinsichtlich der ökologischen oder sozialen Fragestellungen. Dann ist auch in Zukunft gesichert, daß diese Form der bäuerlichen Landwirtschaft im umfassenden Sinne wettbewerbsfähig sein kann, auch von der Kostenseite her.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Es ist aber unbestritten, daß eine gerade bäuerlich strukturierte ökologische Landwirtschaft ihren primären Absatzbereich in Österreich selbst haben wird.

Sie haben in der Stellungnahme Ihres Ressorts zur "Agenda 2000" auf Seite 38 formuliert, daß gerade für den Bereich der nachwachsenden Rohstoffe ein adäquates Konzept geschaffen werden muß, sodaß ein weiteres Einkommensstandbein für die Bauern gegeben ist. Welche Eckpunkte sind Ihrer Meinung nach in diesem Konzept zu berücksichtigen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: In einer Übergangsphase, bis die Wettbewerbsfähigkeit der erneuerbaren Energieträger mit den fossilen Energie


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trägern gegeben ist, sind Förderungen – wie ich sie etwa schon angesprochen habe – notwendig.

Ein zweiter Eckpunkt könnte sein, daß es auch im Bereich der EU-Marktordnungen so etwas wie eine Energievorrangfläche gibt.

Ein dritter Eckpunkt wäre, daß etwa im Rahmen der Sektorplanförderungen auch die Frage der erneuerbaren Energie integriert wird, was derzeit nicht möglich ist. Der langfristig entscheidende Punkt ist, daß wir in Europa zu einer ökologischen Steuerreform kommen; das ist der wirklich entscheidende Punkt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Achs.

Abgeordneter Matthias Achs (SPÖ): Herr Bundesminister! Sind in der "Agenda 2000" auch Förderungen für die Weinwirtschaft vorgesehen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Es ist vorgesehen und von der Kommission angekündigt, daß ein neuer Vorschlag für eine Reform der Weinmarktordnung auf den Tisch kommt. Die bisherigen Reformvorschläge haben sich nicht als mehrheitsfähig erwiesen. Wir sind gespannt darauf und verfolgen mit Interesse, welche Vorschläge nun auf den Tisch kommen. Sie können sicher sein, daß ich in erster Linie die österreichischen Interessen, insbesondere hinsichtlich der Qualitätsstrategie und damit der Qualitätsweinstrategie, sehe.

Ich bekenne mich auch dazu, daß es in einer Weinmarktordnung der Europäischen Union Mengenrestriktionen geben muß. Ich trete aber dafür ein, daß diese Mengenrestriktionen tatsächlich bei den Mengen problemen und nicht bei den Qualitätsproblemen gemacht werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage: Ing. Reichhold, bitte.

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Warum haben Sie Ihr Ziel einer flächendeckenden – ich betone: flächendeckenden – Landwirtschaft aus der letzten Regierungserklärung herausgenommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Das Ziel einer flächendeckenden bäuerlichen Landwirtschaft ist das Ziel der österreichischen Agrarpolitik und im österreichischen Landwirtschaftsgesetz, das von diesem Haus beschlossen wurde, nachzulesen. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Nächste Anfrage: Abgeordneter Freund, bitte. (Abg. Ing. Reichhold: Das war aber keine Antwort auf meine Frage!)

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Bundesminister! In Österreich sind die Grünlandbewirtschaftung und die Milchproduktion ein wichtiges Standbein der Agrarpolitik und äußerst wichtig für den ländlichen Raum. Wie wirken sich die Vorschläge in der "Agenda 2000" auf die Grünlandbewirtschaftung und die Milchproduktion aus?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Wie jedes Ding hat auch die "Agenda 2000" zwei Seiten, nämlich eine negative – ich denke dabei an die Vorschläge zur Senkung der Interventionspreise – und auch eine positive.

Zwei wesentliche und für die Grünlandwirtschaft positive Elemente möchte ich an dieser Stelle erwähnen, und zwar die Beibehaltung der Quote, damit der Sicherung der Produktionsrechte


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auch für Grünland und benachteiligte Gebiete (Abg. Haigermoser: Eine schwere Frage!), und die Einführung einer Prämie für weibliche Rinder, sprich für Kühe. Das ist positiv.

Unsere Strategie ist, die positiven Effekte zu stärken und die negativen Effekte zu minimieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Wabl, bitte.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Bundesminister! Sie haben vorhin bei der Beantwortung der Frage des Kollegen Barmüller richtig gesagt, daß der Durchbruch der erneuerbaren Energie im wesentlichen dann geschafft sein wird, wenn es eine Ökosteuerreform – eine Energiesteuer – gibt.

Ihre Fraktion ist jetzt mehr als zehn Jahre in der Bundesregierung. Wie viele Jahrzehnte werden Sie noch brauchen, damit Sie das verwirklichen, was Sie seit zehn Jahren postulieren, nämlich die Einführung einer Ökosteuer, einer Energiesteuer, damit sich die Biomasse endlich durchsetzt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Es sind wichtige Schritte in diese Richtung gesetzt worden. Ich denke dabei an die Differenzierung der Steuerbelastung von Mineralölen oder mineralölähnlichen Produkten und Produkten aus der Biomasse, etwa Rapsmethylester.

Sie können sicher sein, daß dieses Konzept der ökologischen Steuerreform auch auf der Tagesordnung der Steuerreformkommission, die im Finanzministerium tagt, steht. Ziel der österreichischen Bundesregierung ist es, im internationalen Gleichklang die entsprechenden Rahmenbedingungen auch auf europäischer Ebene möglichst rasch zu verwirklichen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Herr Abgeordneter Schwarzenberger formuliert die 4. Anfrage. – Bitte sehr.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

175/M

Nachdem sich Österreichs Bauern in der EU den Ruf eines Umweltvorreiters erarbeitet haben, frage ich Sie, welche Erfolge dieser naturnahe Kurs in der österreichischen Landwirtschaft bisher gebracht hat.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Wir können stolz darauf sein, daß die österreichischen Bauern praktisch flächendeckend das Umweltprogramm ab dem Jahre 1995 angenommen haben. Wir sind das einzige Land, in dem flächendeckend an der Ökologisierung der Landwirtschaft gearbeitet wird.

Ich möchte Ihnen einige Beispiele bringen: Im Bereich Pflanzenschutzmittel ist der Wirkstoffeinsatz um rund 920 Tonnen oder rund 20 Prozent zurückgegangen. Der Einsatz von Organismen, von natürlichen Schädlingsbekämpfern, wurde massiv erhöht. Es ist so, daß wir eine Steigerung der Fläche, auf der diese Produkte, diese Nützlinge, eingesetzt werden, von 35 Prozent haben.

Österreich geht auch einen restriktiven Weg im Bereich Pflanzenschutzmittel und Anerkennung von Pflanzenschutzmitteln. Während in der EU 850 Wirkstoffe zugelassen sind, sind in Österreich nur etwa 250 Wirkstoffe zugelassen.


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Im Bereich der mineralischen Düngemittel ist im Kalenderjahr 1996 im Vergleich zur Vorperiode ein Minus von 7 Prozent feststellbar, und im Vergleich zu den Spitzenwerten aus der Mitte der siebziger Jahre ist der österreichische Düngemitteleinsatz um fast die Hälfte zurückgegangen. Das ist eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke. – Zusatzfrage: Abgeordneter Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ist im Rahmen dieser Ökologisierung auch daran gedacht, gerade etwa für den Bereich der Holz- und Teichwirtschaft oder auch für lebensmittelverarbeitende Betriebe von Ihrem Ressort her Maßnahmen zu setzen, um das Öko-Audit stärker zu verwirklichen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Mein Ministerium ist für die Abwicklung der Sektorpläne, die das Ziel haben, die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Nahrungsmittelbetriebe zu stärken, zuständig

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Wabl, bitte. (Abg. Auer: Herr Präsident! Zusatzfrage! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Bundesminister! Sie haben vorhin die Erfolge aufgezählt, die es im Bereich der Ökologisierung der Landwirtschaft gibt. Ich halte es für notwendig, daß diese Erfolge immer wieder hervorgekehrt werden, und meine, daß wir in diesem Hause besonders stolz darauf sein können, daß auf diesem Sektor durch die bäuerliche Bevölkerung sehr viel passiert ist. Trotzdem gibt es ein Splitting des landwirtschaftlichen Bereichs: Der eine Teil ist nach wie vor für die industrielle Landwirtschaft, der andere für die Ökologisierung.

Sie haben vorhin erklärt, Sie werden alles tun, damit die Ökologisierung weiter voranschreitet. Welche sind die Kriterien des ÖPUL II?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Das ÖPUL II ist in diesem Sinne das ÖPUL ’98 – damit wir uns auf eine gemeinsame Sprachregelung verstehen und niemanden verwirren. Das Ziel ist nach wie vor, dieses Umweltprogramm flächendeckend anzubieten, und dieses Ziel werden wir erreichen.

Es gibt ökologische Änderungen, zusätzliche Auflagen im Bereich der Basisförderung, im Bereich der Fruchtfolgestabilisierung und im Bereich des extensiven Getreideanbaus. Diese Anregungen wurden aus dem Evaluierungsbeirat heraus umgesetzt, genauso etwa die Frage der Landschaftselemente, die zusätzlich in das ÖPUL aufgenommen werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Schwarzenberger hat noch eine Zusatzfrage. Ich bitte um Entschuldigung.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Sehr geschätzter Herr Minister! Das österreichische Programm für eine umweltgerechte Landwirtschaft ist ein neues Programm, es ist vor kurzem in Brüssel genehmigt worden, und zwar das ÖPUL ’98, in dem noch wesentliche Verbesserungen für den Grünlandbereich zu finden sind. Welche Möglichkeiten bestehen, um vom ÖPUL ’95 auf das ÖPUL ’98 umzusteigen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Es ist vorgesehen, daß sich bis Ende des heurigen Jahres jene Betriebe anmelden, die bisher aus dem Umweltprogramm ’95 ausgeschlossen waren; das heißt, ein Neueinstieg ist möglich. Es ist zweitens ein Umstieg vom ÖPUL ’95 auf das ÖPUL ’98 heuer und im kommenden Jahr möglich. Die Bauern werden darüber entsprechend informiert werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Sophie Bauer, bitte.

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Bei welchen Gelegenheiten haben Sie im Rahmen Ihrer laufenden EU-Verhandlungen die Ökologisierung, also die Förderungen, wie in der Koalitionsvereinbarung festgehalten, vertreten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Österreich hat bei vielen Gelegenheiten – nicht nur im Landwirtschaftsministerrat, sondern auch in allen anderen Räten – in besonderer Weise auf die ökologischen Standards hingewiesen. Ich möchte Ihnen das Beispiel nennen, daß Österreich mit seiner Stimme erreicht hat, daß Avoparzin – ein Leistungsförderer – verboten wird, mit der ganz knappen Mehrheit von einer Stimme. Das hat unter anderem die österreichische Initiative bewirkt.

Die österreichische Initiative hat auch bewirkt, daß in der EU ein Umdenken im Bereich der Gentechnologie erfolgt. Nehmen Sie etwa das Beispiel des Genmais. Es schließen sich immer mehr Länder den österreichischen Bedenken an. Auch hier gilt das Prinzip des Bohrens von harten Brettern; aber wir sind in diesem ständigen Bemühen, die Ökostandards zu verbessern, erfolgreich.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Dr. Salzl, bitte.

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Wir reden in bezug auf Österreich immer vom Feinkostladen Europas, wir haben auch das Umweltprogramm in unsere Werbestrategie einbezogen. Ich meine, daß eine einheitliche Werbelinie enorm wichtig wäre.

So hat das AMA-Vorstandsmitglied Mikinovic vor wenigen Tagen im "Bayrischen Landwirtschaftsblatt" gesagt: Österreich will die Marktführerschaft bei naturbelassenen bäuerlichen Produkten. – So weit, so gut. Dann sagte er weiter: Ich habe aber ganz bewußt den Begriff "biologisch" nicht gewählt, weil das auch gesetzlich europaweit mehr oder weniger streng geregelt ist.

Ich glaube, es wäre an der Zeit, eine wirklich einheitliche Werbelinie, Strategie zu wählen. Daher meine Frage: Werden Sie versuchen, auf die AMA dahin gehend einzuwirken, beim Qualitätsmarketing klar definierte Bezeichnungen und eine, wie ich meine, für Österreich wichtige einheitliche Sprachregelung zu verwenden, um so den hohen Anteil der biologisch wirtschaftenden Betriebe in Österreich noch zusätzlich zu unterstützen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Im Interesse der Biobauern hat Mikinovic recht. Es wäre fatal, wenn wir in Österreich bei allen Produkten von "bio" reden würden, auch wenn sie es gar nicht sind. Das wäre erstens nicht wahr und würde zweitens den Biobauern schaden.

Ich bin für eine ganz klare Differenzierung. Nur das, was tatsächlich biologisch ist, darf im Interesse jener Tausender Bäuerinnen und Bauern, die biologisch wirtschaften, auch als solches bezeichnet werden. Diese Klarheit der Unterscheidung muß auch in Zukunft gegeben sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Den 5. Fragenkomplex formuliert Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Bundesminister! Meine Frage:

182/M

Stimmt es, daß das Bundesamt und Forschungszentrum für Landwirtschaft, sich berufend auf § 37 (1) in Verbindung mit Abs. 4 PMG 1997, unerledigte Wiederzulassungsanträge bearbeitet


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und – ohne Einverständnis mit den beiden anderen zuständigen Behörden (BMU und BKA) – Bescheide beziehungsweise bescheidähnliche Schreiben verschickt, in welchen den Antragstellern mitgeteilt wird, daß die Zulassung ihres zur Wiederzulassung beantragten Pestizids bis zum Jahr 2003 verlängert wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Sie beziehen sich offensichtlich auf ein Schreiben des Bundesamtes. Ich möchte dazu folgendes festhalten:

Erstens: Die angesprochenen Schreiben haben keine Bescheidqualität und sind auch keine bescheidähnlichen Schreiben. Es handelt sich lediglich um erklärende Informationsschreiben von der das Pflanzenschutzmittelregister führenden Stelle an die Inhaber von Pflanzenschutzmittelzulassungen, die Anträge nach § 13 des aufgehobenen Pflanzenschutzmittelgesetzes auf Erneuerung der Zulassung gestellt haben. Diese Schreiben entfalten keine rechtliche Verbindlichkeit. Diese Schreiben informieren über die seit dem Inkrafttreten des Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997 geltende Rechtslage, und zwar bezogen auf den Zeitpunkt des Erlöschens der Zulassung und nicht bezogen auf eine Verlängerung beziehungsweise Wiederzulassung von Pflanzenschutzmitteln.

Zweitens: Da diesem Schreiben keine Bescheidqualität zukommt, war die Herstellung der im Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 für Bescheide gesetzlich vorgesehenen Einvernehmensregelungen nicht erforderlich.

Drittens: Nach § 13 des aufgehobenen Pflanzenschutzmittelgesetzes galt der Zulassungsbescheid bis zur rechtskräftigen Erledigung des Antrages auf Erneuerung weiter. Gemäß § 37 Abs. 1 des Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997 sind mit Ablauf des 1. August 1997 im Pflanzenschutzmittelregister als zugelassen eingetragene Pflanzenschutzmittel zugelassene Pflanzenschutzmittel im Sinne dieses Bundesgesetzes. Die Zulassung dieser Pflanzenschutzmittel endet spätestens mit 26. Juli 2003. – Darauf wurde in dem von Ihnen angesprochenen Schreiben hingewiesen.

Für Anträge, welche vor Inkrafttreten des Pflanzenschutzmittelgesetzes nicht abgeschlossen werden konnten, gelten die Bestimmungen des neuen Pflanzenschutzmittelgesetzes.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage, bitte.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Bundesminister! Können Sie mir sagen – ich glaube nicht, daß Sie das auswendig wissen –, welche Pflanzenschutzmittel durch solche "Nichtbescheide" bis zum Jahr 2003 zugelassen sind?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich werde diese Frage schriftlich umfassend beantworten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. – Zusatzfrage: Kollege Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Wenn ich versuche, aus dem Konvolut dieser Fragen und Antworten einen wesentlichen Teil herauszudestillieren, dann stellt sich doch wohl die juristische Frage: Hat es durch diese Schreiben eine Verlängerung eines bisher zugelassenen Pflanzenschutzmittels über eine Frist hinaus, die vorher bereits in einem Bescheid festgeschrieben worden ist, gegeben oder nicht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Nein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Ing. Reichhold, bitte.


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Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold
(Freiheitliche): Herr Bundesminister! Wie viele Tonnen an Pestiziden werden jährlich außerhalb der Landwirtschaft, an Bahnkörpern und Autobahnen und so weiter, aufgebracht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich werde auch diese Frage schriftlich beantworten. Ich werde die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung stellen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Kollege Trinkl, bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Bundesminister! In der Steiermark spielen Spezialkulturen eine große Rolle. Es handelt sich dabei um leistungsfähige, vor allem aber auch um umweltbewußte Betriebe. Besonders von Obstbauern wird oft kritisiert, daß viele moderne Pflanzenschutzmittel in Österreich nicht zugelassen sind, obwohl sie aufgrund ihres strengeren Prüfungsverfahrens ökologischer wären als die bisherigen.

Ich darf Sie daher fragen: Sind alle vereinfachten Zulassungsmöglichkeiten des Pflanzenschutzmittelgesetzes bereits umgesetzt, um moderne und ökologische Pflanzenschutzmittel in Österreich einsetzen zu können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Es gibt Regelungen, die im Gesetz direkt umgesetzt sind, etwa die vereinfachte Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, die mit im Inland zugelassenen Pflanzenschutzmitteln identisch sind – das ist der § 11 des neuen PMG –, die Zulassung von in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Pflanzenschutzmitteln, die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln bei Gefahr im Verzug, die Indikationserweiterung, wenn sie im öffentlichen Interesse gelegen ist, oder auch die Erleichterung für Pflanzenschutzmittel im ökologischen Landbau.

Noch nicht umgesetzt ist die im § 12 Abs. 9 vorgesehene Verordnung, die Mitgliedstaaten definiert, mit denen Österreich ein Verwaltungsübereinkommen hat und die mit Österreich vergleichbar sind. Hier gibt es einen Verordnungsentwurf. Mit dem Umweltministerium ist bereits das Einvernehmen hergestellt, mit dem Bundeskanzleramt noch nicht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister. Damit haben wir die 5. Anfrage abgeschlossen.

Die 6. Anfrage formuliert Frau Abgeordnete Aumayr. – Bitte.

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Meine Frage:

184/M

Warum ergreifen Sie keine wirksamen Maßnahmen gegen die Arbeitsplatzvernichtung in der Land- und Forstwirtschaft?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Da es so etwas wie Arbeitsplatzvernichtung nicht gibt, müßte ich die Frage nicht beantworten. Ich werde Ihnen aber damit antworten, was die Bundesregierung zur Sicherung der bäuerlichen Land- und Forstwirtschaft macht. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie wissen, daß die Marktordnung und die Marktordnungsmaßnahmen grundsätzlich ein Schutz für die bäuerliche Landwirtschaft gegen die vorhandenen liberalistischen Tendenzen sind. Die Marktordnung ist also ein Schutz davor!


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Zweitens: Die Europäische Union bekennt sich dazu, daß Nachteile für die europäische und damit auch die österreichische Landwirtschaft ausgeglichen werden – ich denke dabei etwa an die Marktordnungszahlungen, an Tier- und Flächenprämien, an das so wichtige Umweltprogramm, das ökologische Ziele und ökologische Arbeit der Bauern entlohnt, oder an die vielen 5b-Projekte, die auch in den Regionen Arbeit schaffen, an das ÖPUL ’98, das den Bauern über die Jahrtausendwende hinaus Sicherheit geben wird, und an die Gewerbeordnungsnovelle, die den Bauern neue Möglichkeiten eröffnet.

Ich denke dabei aber auch an das nun beschlossene neue Solidarpaket zwischen dem Bund und den Ländern zur langfristigen Sicherung der Finanzierung all dieser Maßnahmen, an die beschäftigungssichernden Maßnahmen in der Forstwirtschaft, die Erzeugergemeinschaftsförderung und die Förderung der Sektorpläne – all diese Maßnahmen dienen dem Ziel der Erhaltung der bäuerlichen Land- und Forstwirtschaft in Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage, bitte.

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Mit Ihrer Antwort haben Sie die Vernichtung von 8 000 Arbeitsplätzen ignoriert, denn laut Grünem Bericht sind im vergangenen Jahr in der österreichischen Landwirtschaft 8 000 Arbeitsplätze vernichtet worden.

Da Sie auch Herrn Abgeordneten Reichhold die Antwort schuldig geblieben sind, stelle ich Ihnen noch einmal die Frage: Herr Bundesminister! Wieso haben Sie das Ziel einer flächendeckenden Landwirtschaft in der letzten Regierungserklärung gestrichen, obwohl sie im Landwirtschaftsgesetz verankert ist? (Abg. Schwarzenberger: Weil es drinsteht, braucht es nicht mehr neu geschaffen zu werden!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Als Mitglied des Hohen Hauses wissen Sie, daß die entscheidende Grundlage das Gesetz ist, und ich gehe vom geltenden Landwirtschaftsgesetz aus. (Abg. Ing. Reichhold: Jetzt wissen wir es! Dann brauchen wir die Regierungserklärung nicht ernst zu nehmen! – Abg. Schwarzenberger: Es müßten dann ja alle Gesetze in der Regierungserklärung wiedergegeben werden, die es schon gibt!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Wabl.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Bundesminister! Sie haben erklärt, was Sie zur Sicherung der österreichischen Landwirtschaft und Forcierung einer flächendeckenden Ökologisierung auf dem nationalen Sektor machen. Welches Programm haben Sie für den internationalen Sektor ausgearbeitet, mit welchen Vorstößen werden Sie etwa bei der Welthandelsorganisation, WTO, vorstellig werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich möchte Ihnen drei Beispiele nennen.

Derzeit arbeiten wir gemeinsam mit Dänemark, Finnland und Schweden an einer Initiative in Europa, um etwa die Abkommen, die derzeit auf WTO-Basis gelten, die sogenannten SPS-Abkommen, so zu verbessern, daß die Beweislast, die nun bei demjenigen liegt, der sich bedroht fühlt, umgekehrt wird.

Wir werden uns in der Arbeitsgruppe "Trade and Environment", die in der WTO eingerichtet wird, offensiv beteiligen und arbeiten drittens an einer Neudefinition der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, um auch Öko-Effekte, externe Kosten und Nutzen, in ein derartiges Konzept einzubauen.


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Weiters sind wir an der Diskussion über Antisozialdumping – so würde ich es bezeichnen – im Rahmen der WTO interessiert. Dies wird auch ein Thema bei den nächsten WTO-Verhandlungen sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Abgeordneter Auer, bitte.

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Bundesminister! Sie haben dankenswerterweise die österreichischen Maßnahmen zur Sicherung des Arbeitsplatzes Bauernhof aufgezählt – auch Ihre diesbezüglichen Absichten auf europäischer Ebene.

Eine dritte Möglichkeit, den Arbeitsplatz Bauernhof zu fördern, wäre, Betriebsmittel für die Landwirtschaft im internationalen Vergleich kostengünstig zu machen.

Welche Maßnahmen beziehungsweise Möglichkeiten sehen Sie?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.


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Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer:
Herr Abgeordneter! Wir haben erstens mit den entsprechenden Gesetzesnovellen wie etwa zum Pflanzenschutzmittel- und Saatgutgesetz die innerösterreichischen Vorkehrungen zu mehr Wettbewerb getroffen.

Zweitens: Mittelfristig gehe ich davon aus, daß auch für diese Produkte eine EU-weite Anerkennung und damit eine EU-weite Regelung vorgesehen ist.

Drittens: Ich bin überzeugt davon, daß die durch die Einführung des Euro entstehende Kosten- und Preistransparenz zu mehr Wettbewerb führen wird. Unser Ziel ist es daher, daß auf der gesamten europäischen Ebene gleiche, möglichst hohe, Standards gelten, da die Wettbewerbsfähigkeit der Bauern nicht nur von den Preisen, sondern auch von den Kosten bestimmt wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Kollege Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ich komme noch einmal auf mein Lieblingsthema, die erneuerbaren Energieträger, zurück. Mit welchem Arbeitsplatzpotential rechnen Sie, wenn ein solches Programm zur Förderung erneuerbarer Energieträger im Bereich der Landwirtschaft tatsächlich ins Leben gerufen wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Es gibt verschiedene Studien darüber: Die Zahlen bezüglich des Beschäftigungseffektes schwanken zwischen 10 000 und 30 000 oder 40 000 und sind vom Ausmaß dessen, was Schritt für Schritt verwirklichbar ist, abhängig.

Klar ist jedenfalls: Energie aus Biomasse schafft Arbeit, insbesondere im ländlichen Raum, es wird dadurch keine Wertschöpfung exportiert – sie bleibt im ländlichen Raum –, und letztendlich ist sie ein wesentliches Instrument, um dem Toronto-Ziel näherzukommen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. Weitere Zusatzfragen dazu liegen nicht vor.

Die nächste Frage formuliert Herr Abgeordneter Rainer Wimmer. – Bitte sehr.

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage:

170/M

Welche Bemühungen im Rahmen der EU werden Sie betreffend die Verankerung der Modulation und ökologischer Mindeststandards in weiteren Förderungsbereichen unternehmen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer : Herr Abgeordneter! Sie wissen, daß wir derartige Modulationen, also die Staffelung von Förderungen in Abhängigkeit etwa von der flächenmäßigen Größe der Betriebe, in wichtigen Bereichen bereits haben.

Mit dem Umweltprogramm 1998 haben wir einen wesentlichen Schritt in diese Richtung getan. Die in Österreich gestaltete Modulation der Umweltförderungen ist von Brüssel anerkannt worden.

Im Rahmen der Agenda gibt es nun Ideen, wie beispielsweise – auch das ist eine Modulation – die flächenabhängige Staffelung von Förderungen, etwa der Marktordnungsprämien, umzusetzen. Das wird von Österreich unterstützt, und es zeigen sich auch immer mehr Staaten der Europäischen Union an dieser Diskussion interessiert.

Eine Obergrenze, insbesondere die nationale Definition, halten wir jedoch für nicht richtig. Warum? – Ein derartiges Prinzip steht mit dem Binnenmarktprinzip absolut nicht in Einklang, da dadurch unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen entstehen würden.

Hinsichtlich der Ökologisierung treten wir etwa im Wasserbereich für flächenmäßige Maßnahmen ein – Stichwort: Flächenbindung der Produktion – oder im Bereich der Tierfütterung dafür, daß möglichst naturnahe Methoden verwirklicht werden und alles andere verboten wird.

Die Problematik hinsichtlich der Frage von Ökokriterien bei den spezifischen Agrarförderungen habe ich schon in einer vorhergegangenen Antwort beleuchtet.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage.

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Bundesminister! In welchen Förderungsbereichen – ich meine dabei nicht den Bereich des ÖPULs – ist für Sie Modulation zur gerechteren Verteilung der Agrarförderung vorstellbar?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Es wird insbesondere über den Bereich der Marktordnungsprämien der Europäischen Union und hiebei vor allem über den Kulturpflanzenausgleich, also jenen Ausgleich, der mit der Reform 1992 bei den Ackerkulturen geschaffen wurde, diskutiert.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage der freiheitlichen Fraktion, bitte.

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Herr Minister! Betrachten Sie es als Ihren persönlichen Verhandlungserfolg, wenn Italien zur bereits geförderten Hartweizenfläche von 1,6 Millionen Hektar noch einmal 36 000 Hektar dazubekommt, während Österreichs geförderte Hartweizenfläche lediglich 7 000 Hektar beträgt und somit deutlich, nämlich um 3 000 Hektar, unter der tatsächlichen Anbaufläche vor dem EU-Beitritt liegt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich gehe davon aus, daß Sie die unterschiedliche geographische Größe Österreichs und Italiens kennen.

Ich allerdings betrachte es als Verhandlungserfolg, wenn die Durum-Förderung für Österreich von 9 Millionen auf 33 Millionen aufgestockt wird, gebe Ihnen aber darin recht, daß wir es noch als Ziel vor uns haben, auf die angestrebten 10 000 Hektar zu kommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Horngacher, bitte. (Abg. Mag. Schweitzer: Sehr überheblich! – Bundesminister Mag. Molterer: Das ist nur die Wahrheit!)


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95. Sitzung / Seite 22

Abgeordnete Katharina Horngacher
(ÖVP): Herr Bundesminister! Sie wissen, daß gerade die Bergbauern in unserem Lande der kleinen Struktur ihrer Betriebe wegen besondere Sorgen um die Zukunft haben. Gerade für das bergbäuerliche Gebiet ist jedoch die flächendeckende Bewirtschaftung besonders wichtig. Welche Strategien verfolgt Österreich nun zur Absicherung der Lebensfähigkeit der bergbäuerlichen Familienbetriebe?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Ich möchte nur die wichtigsten Elemente erwähnen: die bereits angesprochene Sicherung der Milchquote als Sicherung der Bewirtschaftungsrechte, die Einführung von Ausgleichszahlungen, etwa für die Milchkühe, die Einführung einer Sockelbetragsregelung für die kleineren bäuerlichen Betriebe, die Änderung der Investitionsförderung, um Nachteile für die Nebenerwerbsbauern auszugleichen, und die Verbesserung der Jungübernehmerförderung, auch und vor allem in den benachteiligten Gebieten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Wabl. – Er verzichtet.

Zusatzfrage: Herr Mag. Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Wird es durch die Einführung ökologischer Mindeststandards in weiteren Förderungsbereichen insgesamt zu einer Verschärfung beziehungsweise Anhebung dieser ökologischen Mindestbedingungen kommen, oder werden diese Mindeststandards auf einem Niveau festgelegt, bei dem möglichst viele teilnehmen können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich habe bereits auf diese Problematik hingewiesen. Es geht um die Frage: Was ist die Konzeption der Europäischen Union? In einem wichtigen Bereich, nämlich bei der Förderung von Umweltmaßnahmen, wollen wir eine flankierende Maßnahme, die Richtlinie 2078, zu einer zentralen ausbauen.

Zweitens: Wir treten für flächenhafte Mindestbedingungen ein, etwa in der bereits erwähnten Frage des Wasser- und Gewässerschutzes. Ich halte es für problematisch, daß in anderen Förderbereichen Ökoauflagen eingeführt werden, ohne die Frage des Verhältnisses der Richtlinie 2078 zum ÖPUL zu klären. Mein primäres Ziel ist – ich habe das auch Frau Abgeordneter Aumayr mitgeteilt – die Sicherung des Umweltprogramms, da das das wichtigste für die Ökologisierung der Landwirtschaft ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit kommen wir zur 8. und letzten Anfrage: Abgeordneter Auer ist am Wort. – Bitte.

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Bundesminister! Meine Frage:

176/M

Welche zentralen agrarpolitischen Zielsetzungen wollen Sie in der Europäischen Union im Rahmen der "Agenda 2000", die den EU-Finanzrahmen, die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik, die Strukturpolitik sowie die Osterweiterung behandelt, durchsetzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich werde mich bemühen, in der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung steht, tatsächlich auf die Kernpunkte einzugehen.

Erstens: Die Agenda findet in der jetzt vorliegenden Form nicht die Zustimmung Österreichs.


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Zweitens: Wo ist sie zu verbessern? – Wir lehnen etwa im Bereich Getreide Preisreduktionen ab und treten dafür ein, daß die Energie- und Rohstoffproduktion als Möglichkeit verankert werden. Die Regelung im Bereich der Ölsaaten und des Silomais lehnen wir ab. Im Milch-Bereich sind wir für die Sicherung der Quote und die Einführung einer Kuhprämie. Wir haben kein Verständnis – wir sehen auch die Notwendigkeit dafür nicht – für Preisreduktionen, wenn sie sich nicht aus der Marktentwicklung ergeben.

Im Rinder-Bereich sind wir mit der Preisreduktion ebenfalls nicht zufrieden. Da müssen wir Maßnahmen setzen, die einerseits die Einkommenssicherung der Bauern bewirken, etwa im Prämienbereich, andererseits aber die Marktentwicklung positiv beeinflussen, beispielsweise Promotionsmaßnahmen.

Im Bereich der ländlichen Strukturpolitik treten wir dafür ein, daß, um die Initiativen, die ja für den gesamten ländlichen Bereich gelten sollen, entsprechend zu unterstützen, der gesamte ländliche Raum als Förderkulisse gilt. Wir sind mit den nationalen Differenzierungen bei Ökoauflagen oder bei der Modulation, wie ich schon erwähnt habe, nicht zufrieden.

Wir sind hinsichtlich der finanziellen Perspektive der Meinung, daß es notwendig ist, daß die Leitlinie der Budgetierung in der Europäischen Union nach wie vor 1,27 Prozent des Bruttosozialproduktes sind und daß auch die Agrarleitlinie unverändert bleibt.

Bezüglich der Osterweiterung trete ich dafür ein, daß Maßnahmen wie etwa Übergangsregelungen für alle vier Freiheiten, die die Osterweiterung für Österreich, aber auch für die Menschen in jenen Ländern ermöglicht, gesichert sind. Ich denke etwa daran, daß speziell für die Landwirtschaft eine Regelung notwendig ist, daß die Produkte nicht am ersten kaufkräftigen Markt, in diesem Fall nämlich möglicherweise in Österreich, abgeladen werden, sondern gerecht und gleichmäßig über die Europäische Union verteilt werden, oder auch an Maßnahmen diesseits der Grenze, das heißt auf österreichischem Gebiet, um Übergangshilfen, wenn sie notwendig sind, geben zu können.

Österreich tritt für ergänzende Maßnahmen in der Agenda ein; ich habe den Sockelbetrag bereits erwähnt. Ich denke auch an das Modell der Ernteversicherung, das wir im Zuge der Agenda-Diskussion in Europa verankern wollen.

Wir haben also ein klares Konzept und suchen derzeit Partner für seine Umsetzung. Wir werden diese Partner finden.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke. – Zusatzfrage: Kollege Auer.

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Bundesminister! Für diesen klaren Standpunkt bin ich Ihnen sehr dankbar. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) In diesem Zusammenhang stellt sich für mich jedoch auch die Frage: Wie beurteilen Sie die Nettozahlerdiskussion aus der Sicht der Landwirtschaft?


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich möchte folgende Punkte unserer beziehungsweise meiner Strategie festhalten:

Erstens: An der 1,27-Prozent-Linie des Bruttosozialprodukts der Europäischen Union muß festgehalten werden.

Zweitens: An der Agrarleitlinie zur Sicherung der finanziellen Basis der notwendigen Maßnahmen für die bäuerliche Landwirtschaft muß festgehalten werden.

Drittens: Österreich tritt dafür ein, daß es keine Verschlechterung der Nettozahlerposition gibt, und zwar dadurch, daß der Mittelrückfluß nach Österreich für die verschiedensten Bereiche, nicht nur, aber auch für die Landwirtschaft, verbessert wird.

Das ist die österreichische Position in dieser Frage.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Kollege Mag. Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! In der Stellungnahme zur "Agenda 2000" ist auf Seite 50 zu lesen, daß Sie die Auffassung der Kommission begrüßen, daß es eine Integration der osteuropäischen Staaten im Bereich der Landwirtschaft nur durch eine schrittweise Anpassung geben kann. Sie kritisieren aber – ich meine, zu Recht –, daß die Kommission hinsichtlich des Übergangsmechanismus sehr vage bleibt, und wollen klare Antworten dazu einfordern. Was ist quasi der "untere Boden", der für Sie unbedingt gewährleistet sein muß, damit die osteuropäischen Staaten integriert werden können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Es ist klar, daß ein Beitrittsmodell wie jenes für Österreich, Schweden und Finnland nicht gangbar ist, weil es eine ganz andere Ausgangslage gibt. Es ist aber auch klar, daß ein Modell, das es bei der Erweiterung etwa um Spanien und Portugal gegeben hat, ebenfalls nicht möglich ist, weil es in der Zwischenzeit Binnenmarktregulative gibt. Das bedeutet, wir brauchen spezielle neue Instrumente, um die Integration schrittweise vollziehen zu können, und zwar nicht nur aus der Sicht der Landwirtschaft, sondern auch jener des gewerblichen Bereiches und des Arbeitsmarktes.

Aus meiner Sicht sollte auch ein Beobachtungsinstrumentarium eingeführt werden, um die Frage, ob diese Länder etwa im ökologischen Bereich oder hinsichtlich der Qualität der Produkte die gleichen Standards wie die Europäische Union haben, zu klären und das sicherzustellen.

Es ist auch, wie ich schon angedeutet habe, die Frage der Übergangsmechanismen für die Marktentwicklung in den Staaten mit einer Grenze zu diesen Staaten, etwa für Österreich, offen. Wie können wir eine gerechte Verteilung über Europa sicherstellen? Eine weitere Frage lautet: Wie können die Grenzregionen, vom Mühlviertel bis Kärnten, falls es auch um die Erweiterung um Slowenien geht, durch Übergangsregelungen auf die neue Situation gut vorbereitet werden? – Diese Punkte wollen wir geklärt haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Brix.

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Bundesminister! Sie haben in Ihrer vorhergegangenen Beantwortung auf die Ungerechtigkeit bei den Obergrenzen in der EU hingewiesen und auch gesagt, daß Sie sich in der Frage der Sockelbeträge Partner suchen werden.

Herr Bundesminister! Meine Frage: Halten Sie weiterhin an den Obergrenzen bei den Sockelbeträgen fest? Wenn ja, wie werden Sie versuchen, Ihre Vorstellungen umzusetzen, sollten in der EU keine Partner dafür zu finden sein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich stelle erneut klar: Ich trete für die Modulation der Förderungen in Abhängigkeit von der Betriebsgröße ein, etwa im Bereich Kulturpflanzenausgleich. Ich trete dafür ein, daß es Sockelbetragsregelungen etwa für kleinere Betriebe in benachteiligten Gebieten geben soll, und bin gegen Obergrenzen, insbesondere dann, wenn sie national unterschiedlich geregelt sein sollten, da das mit dem Binnenmarkt und der Wettbewerbsposition nicht vereinbar ist.

Ich bin nunmehr optimistisch, daß diese Diskussion Erfolg haben wird, und darf Ihnen auch den Grund dafür nennen. In der österreichischen Diskussion darüber hat uns immer der Gedanke geleitet, daß die Modulation der Prämien auch vor dem Hintergrund der Osterweiterung sinnvoll ist. Denn wir wissen, welche Betriebsstrukturen die Betriebe haben, die dort auf den Beitritt und die Mitgliedschaft warten. Daher ist die Modulation oder Staffelung eine auch vor diesem Hintergrund sinnvolle Maßnahme.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Kollege Ing. Reichhold.

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Wie stehen Sie zu dem Faktum, daß von den Kürzungen in der "Agenda 2000" zwar die Landwirtschaft, nicht aber die verarbeitende Industrie und die Transportwirtschaft in Europa betroffen sind?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich habe Ihnen schon gesagt, daß die Agenda nicht die österreichische Zustimmung findet. Österreich tritt dafür ein, daß es eine bäuerliche Landwirtschaft gibt, deren Einkommensbasis so gestaltet ist, daß die Teilnahme an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung sichergestellt ist. Unser Ziel ist es, die entsprechenden Kürzungsvorschläge gemeinsam mit anderen wegzuverhandeln, sodaß sie nicht Tatsache werden. Das ist mein Ziel.

Mein weiteres Ziel ist, daß die totale Einkommenskompensation sichergestellt ist, falls sich in dem einen oder anderen Bereich tatsächlich eine Notwendigkeit in Richtung Interventionspreis ergäbe, die ich derzeit nicht sehe.

Mein drittes Ziel ist, die wesentlichen Elemente – wie beispielsweise das Umweltprogramm – als zentrales Programm auszubauen. Mein viertes Ziel ist, daß wir für die benachteiligten Gebiete – wie schon erwähnt – Verbesserungen erzielen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Die Fragestunde ist beendet. Wir konnten alle eingereichten Fragen aufrufen und besprechen.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 2873/AB bis 2875/AB.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuß für innere Angelegenheiten:

Antrag 627/A der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311, geändert wird;

Justizausschuß:

Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1997 – WGN 1997 (898 der Beilagen);

Verkehrsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz geändert wird (914 der Beilagen).

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß der Klub der Freiheitlichen gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt hat, den


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zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen betreffend Harmonisierung der Pensionssysteme dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung wird die Behandlung dieses Antrages um 15 Uhr aufgerufen werden.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2841/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters gebe ich bekannt, daß mir das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine Kurzdebatte über die Beantwortung 2841/AB der Anfrage von Frau Abgeordneter Dr. Schmidt betreffend Fragebogen zur Feststellung des Wohnsitzes im Sinne des burgenländischen Wahlrechtes durch den Herrn Bundesminister für Inneres abzuhalten.

Da – wie eben bekanntgegeben – in der heutigen Sitzung die Verhandlung eines Dringlichen Antrages vorgesehen ist, wird diese Kurzdebatte nach Beendigung der Debatte über den Dringlichen Antrag stattfinden.

Absehen von der 24stündigen Auflagefrist

Präsident Dr. Heinz Fischer: Aufgrund eines Einvernehmens zwischen allen Fraktionen wurde die heutige Tagesordnung um zwei Berichte ergänzt. Es sind das die Berichte des Immunitätsausschusses 931 und 932 der Beilagen. Sie stehen als Punkte 2 und 3 auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung.

Da aber der Immunitätsausschuß erst gestern getagt hat, ist es notwendig, einen Beschluß über die Abstandnahme von der Auflagefrist für die beiden genannten Ausschußberichte zu fassen.

Ich bitte daher jene Damen und Herren, die in diesem Fall mit dem Verzicht auf die 24stündige Auflagefrist einverstanden sind, ein diesbezügliches Zeichen zu geben. – Dies ist einstimmig so beschlossen. Damit ist die Auflagefrist aufgehoben.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten wie folgt erzielt: Es ist eine Tagesblockredezeit von 9 "Wiener Stunden" vorgesehen, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 135 Minuten, ÖVP 126 Minuten, Freiheitliche 117 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 81 Minuten.

Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist das vom Hohen Haus so beschlossen, und wir werden in diesem Sinne vorgehen.

1. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (886 der Beilagen): Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997 – ASRÄG 1997 (912 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.


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Ein Wunsch auf mündliche Berichterstattung liegt nicht vor. Daher können wir sofort in die Beratungen eingehen.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Haupt. Die Redezeit beträgt maximal 20 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

10.05

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir haben heute das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997 zur Verabschiedung vorliegen. Das ist der letzte Teil der sogenannten großen Pensionsreform, welche die Bundesregierung vollmundig im Juni dieses Jahres in Rust angekündigt hat.

Es gibt meiner Ansicht nach außer dem Herrn Vizekanzler und dem Herrn Bundeskanzler niemand Ernstzunehmenden mehr, der immer noch der Meinung wäre, daß das vorliegende Pensionsreformpaket tatsächlich eine Reform darstellen könnte gemäß den Eckdaten, die von der Bundesregierung vorgestellt worden sind.

Ich möchte auch den Äußerungen des Kollegen Nürnberger in seiner gestrigen Presseaussendung und in seiner Stellungnahme in der Fernsehsendung "Zeit im Bild 2" von gestern abend heftig widersprechen. Es mögen wohl harte Verhandlungen gewesen sein, und es mag auch zu gerechten Abschlüssen gekommen sein – aber das gilt mit Sicherheit nicht für alle. Als gerecht kann dieser Abschluß nur für diejenigen betrachtet werden, die heute über 50 Jahre alt sind. Eindeutig ungerecht ist er für alle jene, die der Alterskategorie unter 40 Jahren angehören, und auch die Alterskategorie zwischen 40 und 50 Jahren wird mit unterschiedlicher Betroffenheit auf diese Gesetzesmaterie reagieren.

Wenn heute von seiten der Regierungsvertreter oftmals ins Treffen geführt wird, daß nur noch 3 Prozent des ursprünglichen Vorhabens von 20 Prozent lukriert werden und daß der soziale Friede heute in Österreich einiges wert ist, so gebe ich Ihnen schon recht, sehr geehrte Damen und Herren. Der soziale Friede sollte uns allen viel wert sein. Aber es sollte uns nicht nur der soziale Friede des Jahres 1997 viel wert sein, sondern es sollte uns vorausschauend auch der soziale Friede der Jahre 2000, 2005 und 2015 ein Anliegen sein.

Sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ich denke, daß Sie dieses Ziel mit dem vorliegenden Verhandlungspaket nicht erreicht haben. Ihre eigenen Regierungsexperten, Professor Marin ebenso wie der von Minister Hums aus Deutschland geholte Experte Rürup, sind heute der Meinung, daß in spätestens zwei bis sieben Jahren eine Nachbesserung dieses Pensionspaketes wird erfolgen müssen.

Auch vom Tiroler Arbeiterkammerpräsidenten, Fritz Dinkhauser, sind in den gestrigen und heutigen Zeitungen drastische Aussagen nachzulesen – ich zitiere –: Es handle sich vielmehr um eine reine Geldbeschaffungsaktion für das Bundesbudget durch Leistungskürzungen denn um eine Pensionsreform. – Das meinte ÖAAB-Präsident und Arbeiterkammerpräsident Fritz Dinkhauser. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, daß auch das Umfeld, in dem diese Nicht-Pensionsreform stattfindet, einer gewissen Untersuchung unterzogen werden sollte. Der anerkannte Finanzexperte Professor Streissler hat am Dienstag dieser Woche in einem Vortrag im Wiener Landtagsklub deutlich klargemacht, daß das politische Szenario und das Budgetszenario der nächsten Jahre für Österreich bedrohlich sind.

Was die Staatsverschuldung und die Maastricht-Kriterien betrifft, ist im Hinblick auf die Einsparungsziele, die Sie in Ihrem Budget 1998 und der Budgetvorschau 1999 für die Republik Österreich dargelegt haben, nunmehr davon auszugehen, daß sich Österreich bald nicht mehr im guten Mittelfeld der EU-Staaten befinden wird, sondern sich deutlich und klar hin zum unteren Ende der EU-Staaten – zumindest jener, die die Maastricht-Kriterien einhalten werden – bewegt. Dies ist ausgerechnet in einer Situation festzustellen, in der wir wissen, daß wir uns am Anfang


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eines zarten Aufwärtstrends der Konjunktur befinden, der vermutlich bis zum Jahr 2000, maximal bis 2001 Bestand haben wird.

Die Maßnahmen, die diese Bundesregierung im Budget, aber auch bei den Einsparungsmaßnahmen im Budgetbereich Pensionen durchführt, werden zu spät greifen. Rürup sagt: 2015 hätten sie greifen sollen, 2020 werden sie greifen, und von 2005 an werden sie zu einer massiven Belastung der jungen Generation führen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Aufgrund dieser Überlegungen muß meiner Ansicht nach zum Abschluß dieser Woche gesagt werden, daß einerseits im Budget zuwenig Spielraum für die nächsten Jahre geschaffen worden ist und auf der anderen Seite die Pensionsreform so, wie sie vorliegt, unzureichend ist.

Es mag richtig sein, daß die über 50jährigen und die Generation derjenigen, die sich in Pension befinden, mit einem halbwegs "blauen Auge" aus diesen Verhandlungen herausgekommen sind. Es ist aber mit Sicherheit unrichtig, daß das vorliegende Pensionspaket die jungen Menschen in diesem Staate in irgendeiner Form berücksichtigen würde. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Insbesondere diejenigen, die heute Kinder sind, und die Angehörigen der jungen Generation, die Zwanzig- bis Vierzigjährigen, die heute schon in der Arbeitswelt stehen, werden die Zeche für diese nicht umfassende Pensionsreform zu zahlen haben.

Ich möchte nicht das Schwarze vom Himmel herunterreden (Abg. Dr. Kräuter: Lieber das Blaue!), aber ich denke, daß es keinen ernstzunehmenden Finanzexperten in dieser Republik gibt, der nicht weiß, daß im Jahr 2005 oder spätestens 2010, wenn die nächste Reform zu kommen hat, die Maßnahmen drastischer und ausschließlich auf Kosten der heutigen jüngeren Generation – also jener Generation, von der Minister Schüssel noch vor kurzem gemeint hat, daß angeblich in ihrem Interesse die heutige Reform durchgeführt wird – erfolgen werden müssen.

Wir Freiheitlichen bleiben dabei, daß das Jahr 1997 – sozusagen mit dem letzten Drücker – gerade noch eine Gelegenheit geboten hätte, ein Dreisäulenmodell in dieser Republik einzuführen und vom eindimensionalen Modell des Umlageverfahrens auf ein kombiniertes Modell umzuschwenken, in dem das Umlageverfahren und das Kapitaldeckungsverfahren verbunden werden.

Dies gilt umso mehr, als die Wirtschaftsprognosen klar und deutlich voraussagen, daß nur noch in den nächsten vier bis fünf Jahren die Renditen aus Finanzeinkünften etwa doppelt bis dreimal so hoch liegen werden wie jene aus dem Bereich der Arbeitskraft einschließlich der Valorisierungen des Lohnanteils. Nur dieses Szenario – nämlich eine mindestens doppelt so hohe Rendite der Einkünfte aus Kapital – kann überhaupt eine zehnjährige Frist zur Umstellung vom reinen Umlageverfahren auf ein Kapitaldeckungsverfahren ermöglichen, ohne daß die Generation der Zwanzig- bis Vierzigjährigen doppelt belastet wird.

Meiner Ansicht nach muß auch klar und deutlich gesagt werden, daß es schlichtweg unverständlich ist, daß nunmehr die Sozialversicherungsanstalten damit beginnen, aus den Mitteln ihrer Zwangsmitgliedsbeiträge wider besseres Wissen eine Werbekampagne ausschließlich für das Umlageverfahren durchzuführen. Jeder ältere Mensch, der Angehöriger der seit 125 Jahren bestehenden PVA ist, weiß, daß das Umlageverfahren etwa in Zeiten des Krieges, in Nachkriegszeiten und in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit nicht nur seine Schwächen hatte, sondern absolut unzureichend war, den Lebensstandard seiner Beziehungsberechtigten länger als ein bis zwei Tage abzudecken. Den Rest des Monats über mußten die betroffenen Personenkreise unter völlig unbefriedigenden Verhältnissen leben.

Wir Freiheitlichen haben nie verschwiegen, daß selbstverständlich auch das Kapitaldeckungsverfahren in Zeiten hoher Inflation, des Krieges und danach, wo Nachkriegszustände herrschen, oder größerer wirtschaftlicher Crashes – wie etwa des Börsenkraches der Jahre 1929 und 1934 – unzulänglich ist. Daher haben wir im Einklang mit sehr vielen Staaten in Europa, die in den letzten Jahren ihr Pensionssystem vom alleinigen Umlageverfahren auf ein Kapitaldeckungsverfahren umgestellt haben, ebenfalls die Auffassung vertreten, daß das heurige Jahr


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nicht nur eine gute, sondern vielleicht auch auf Jahre hinaus die letzte Chance gewesen wäre, eine Umstellung durchzuführen, ohne die Generation der Zwanzig- bis Vierzigjährigen in der nächsten Zeit doppelt zu belasten, wie es etwa die Aussendungen der PVA oder auch anderer Pflichtversicherungen meinen. (Abg. Parnigoni: Das ist nicht richtig, was Sie sagen!)

Die Szenarien sind deutlich und klar. Die wirtschaftlichen und finanztechnischen Grundlagen sollten eigentlich jedem bekannt sein, sodaß mich die jetzt anlaufenden Werbekampagnen an die Methode erinnern, laut zu pfeifen, wenn man sich im Wald fürchtet. Nach diesem Motto gehen nunmehr die Sozialversicherungsträger in diesem Lande daran, politische Werbung für die Bundesregierung zu machen, um zu kaschieren, daß die vorliegende Pensionsreform eigentlich in wichtigen Punkten mißglückt ist und die Belastung die heute unter 40jährigen noch innerhalb der nächsten zehn Jahre ereilen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )

Sehr geehrte Damen und Herren! Es mag zwar ein kurzfristiger Triumph sein, das Ergebnis in dieser Woche noch knapp vor der Ziellinie über die Runden gebracht zu haben, aber ich denke, es ist ein hoher Preis, den die unter 40jährigen dafür zu bezahlen haben. Wenn ich außerdem in Betracht ziehe, daß im Beamtendienstrecht mit den Durchrechnungszeiträumen deutlich und klar die Tür für zukünftige Schröpfaktionen gegenüber den Beamten geöffnet worden ist, dann bin ich davon überzeugt, daß in den nächsten sieben bis spätestens acht Jahren von dieser oder der nachfolgenden Bundesregierung auch dieses Mittel der Finanzressourcenbereitstellung für das marode Budget genutzt werden wird.

Streissler hat die beiden Systeme in seinem Referat folgendermaßen qualifiziert: Das Umlageverfahren ist das Von-der-Hand-in-den-Mund-Leben, das Kapitaldeckungsverfahren ist die Methode des vorsorglichen Vaters, der anspart, um dann in der Not etwas zu haben.

Wir Freiheitlichen sind unbeirrt davon überzeugt, daß es – so wie in Holland, Schweden, Finnland und vielen anderen europäischen Ländern – auch in Österreich an der Zeit gewesen wäre, ein Dreisäulenmodell umzusetzen, daß eine starke betriebliche Komponente – eine Betriebssäule mit einem Anteil von etwa 30 Prozent am gesamten Pensionsvolumen; in Österreich umfassen die Betriebskassen bekanntlich nur etwa 10 Prozent – ausreichend wäre, um die soziale Sicherheit in diesem Land abzusichern, und daß zusätzlich die private Vorsorge zu fördern wäre.

Aber die Bundesregierung hat auch im privaten Vorsorgebereich einiges getan, um diese Säule deutlich zu schwächen. Ich brauche nur daran zu erinnern, daß man die Versicherungssteuer von 3 auf 4 Prozent angehoben hat und daß darüber hinaus die Beträge für Abschreibungen nicht mehr im vorhinein, sondern erst im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung im nachhinein geltend gemacht werden können. Das sind genau jene Maßnahmen, die den unteren Mittelstand in diesem Land bei der Eigenvorsorge hart treffen, ja diese dritte Säule, die Eigenvorsorge, für sehr viele, die im unteren Mittelstand angesiedelt sind, nahezu unmöglich machen.

Ich glaube nicht, daß das Gesamtpaket als politisch ausgewogen, als zukunftsweisend und als staatstragend zu betrachten ist. Es ist ein Abschluß, der zwar in einigen Punkten geringfügige Verbesserungen gebracht hat, der aber darüber hinaus den großen Wurf mit Sicherheit vermissen läßt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, daß die Kritik von Marin, Streissler, Rürup und anderen Experten an den vorliegenden Gesetzesmaterien der Bundesregierung zu denken geben sollte. Ich glaube, es ist jetzt kein Zeitpunkt, sich für einen Erfolg triumphal feiern zu lassen, sondern es sollte eine Stunde der Einkehr sein, die dazu führt, daß endlich umgesetzt wird, was man von einer Bundesregierung verlangen kann. Es geht darum, langfristige Modelle zur langfristigen Absicherung zu initiieren und nicht kurzfristige Modelle aus rein tagespolitischer Optik im Hinblick auf die nächsten Wahlen umzusetzen (Beifall bei den Freiheitlichen) und damit, wie die jetzigen Wirtschaftsvoraussagen und Prognosen für die Pensions- und Sozialversicherungen zeigen, der nächsten Bundesregierung vom Jahr 2000 an eine Bürde an den


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Fuß zu binden, die für viele in diesem Lande noch ein schmerzhaftes Erwachen mit sich bringen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was bringt die Reform im ASVG-Bereich im einzelnen? – Für uns Freiheitliche ist es als positiv zu werten, daß die Kindererziehungszeiten nunmehr angehoben werden. Als Freiheitliche glauben wir aber, daß die jetzige Anhebung von knapp mehr als 6 000 S auf die berühmten 7 800 S zuwenig ist. Wir glauben, daß es fairer gewesen wäre, die Kindererziehungszeiten auf zumindest die Ausgleichszulagenhöhe anzuheben.

Wir sind uns dessen bewußt, daß wir mit unseren Nachtragsforderungen in diesem Bereich noch deutlich unter den Forderungen des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie liegen, der die Bemessungsgrundlage mit dem Durchschnitt der Erwerbseinkommen festsetzen wollte. Davon sind wir mit unserem Abänderungsantrag noch weit entfernt, aber wir glauben, daß er gerechtfertigt und finanzierbar wäre.

Es ist sicherlich gut, daß Pflegepersonen sich nunmehr einer begünstigten Versicherung unterwerfen können. Wir halten das für eine Verbesserung. Wir glauben aber, daß es zu kurz gefaßt ist, diese Möglichkeit erst ab den Pflegestufen 5 bis 7 einzuräumen. Wenn man rechnet, daß nach dem Pflegegeldgesetz und dessen Richtlinien für die Pflegestufe 4 bereits ein monatlicher Pflegeaufwand von 180 Stunden normiert ist – das ist um zumindest 18 Stunden mehr, als die durchschnittliche Arbeitsleistung in Österreich in einem Monat beträgt –, dann wäre es meiner Ansicht nach auch gerechtfertigt gewesen, diese Versicherungsmöglichkeit für die Pflegestufe 4 und nicht erst für die Pflegestufe 5 einzuführen.

Ich gebe Kollegen Feurstein zwar darin recht, daß dieser Kompromiß dem Finanzministerium hart abgerungen worden ist, aber ich gebe folgendes zu bedenken: Da die Pflegegeldleistungen für die zu Pflegenden zwei Jahre lang keiner Valorisierung unterworfen worden sind, hätte man die Härte, die man in diesem Bereich gezeigt hat, jetzt auch auf der anderen Seite zeigen müssen, als es darum ging, dem Beamtenpensionsrecht die Zähne zu ziehen.

Vielleicht waren jene, die für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen gekämpft haben, etwas zu vornehm im Vergleich zur Vorgangsweise des Herrn Dohr und seiner Mitstreiter.

Ich glaube auch, daß es im Bereich des Pflegegeldes durchaus gerechtfertigt wäre, in entsprechender Weise Valorisierungen vorzunehmen, weil ja auch die seinerzeit zur Absicherung des Pflegegeldes eingeführten Erhöhungen in der Krankenversicherung von damals 0,8 Prozentpunkten weiter aufrechtbleiben. Es wäre also diese Valorisierung aus dem 1993 geschaffenen Ressourcentopf durchaus möglich.

Wir glauben auch, daß der Entfall aller Regelungen für die Valorisierung im Bereich der Karenz nicht gerechtfertigt ist. Wir sehen auch Probleme bei der Bildungskarenz, sehr geehrte Damen und Herren, weil wir glauben, daß bei der Bildungskarenz die pensionsrechtliche Sicherstellung nicht vollständig gelungen ist. Wir werden daher auch zur Bildungskarenz einen Abänderungsantrag einbringen, der vorsieht, die Zeiten der Bildungskarenz gleich zu behandeln wie die Zeiten der Arbeitslosigkeit, nämlich als Ersatzzeiten. Ich glaube, das wäre systemimmanent, das wäre maßvoll und wäre vielleicht auch mit eine Hilfe, um der Bildungskarenz mehr Akzeptanz zu verschaffen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es wird auch triumphal gefeiert, daß nunmehr der Zugang zur Frühpension eingedämmt worden ist. Ich möchte, vorsichtig wie ich bin, einmal die nächsten zwei Jahre abwarten, um zu sehen, ob die Möglichkeiten, die in diesem Zusammenhang eingeräumt worden sind, wie etwa die Verbesserung der Gleitpensionen, die Möglichkeiten bei den Lehrern und alle anderen Dinge in diesem Bereich, auch tatsächlich greifen werden. Ich glaube, diese Vorsicht hat der Sozialausschuß, zumindest in seiner Erklärung zu den Beilagen, auch ausgedrückt, indem er sich nach einem Jahr Begutachtung und mit entsprechenden Erfahrungswerten eine Nachjustierung in diesem Bereich vorstellen kann und sich eine solche auch vorbehalten hat.


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Ich glaube, daß ein Lohnverzicht von 7 000 bis 8 000 S im Lehrerbereich, etwa ein Drittel bis ein Viertel der Bezüge, zu unattraktiv ist, um das Solidaritätsmodell in der Praxis einer breiten Öffentlichkeit zu öffnen. Das mag vielleicht für den einen oder anderen akzeptabel sein, beispielsweise dann, wenn bei einem Ehepaar beide Partner knapp vor der Pension stehen oder einer schon in Pension ist und der andere in zwei oder drei Jahren in Pension geht. Für diese Gruppe mag es vielleicht noch attraktiv genug sein, aber für einen Alleinverdiener, der die entsprechenden Jahre hat, ist, glaube ich, der Verzicht auf ein Drittel seines Lohnes zu unattraktiv, als daß daraus neue und bessere Chancen für die Junglehrer zu erwarten wären. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube also, daß es sich hiebei um marginale Effekte handeln wird, aber in zwei Jahren, wenn die Berichte vorliegen werden, wird nicht nur der Sozialausschuß, sondern auch der Finanzausschuß darüber zu beraten haben, welche Maßnahmen zusätzlich notwendig sein werden.

Und noch eine Kritik am Gesamtsystem. Österreich hat zwar die höchsten Aufwendungen für das Pensions- und Gesundheitssystem im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, gleichzeitig haben wir aber im Vergleich zu den anderen EU-Staaten die geringsten Aufwendungen für eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Auch in diesem Bereich sind die vorliegenden Vorschläge marginal. Ich hätte mir gewünscht, daß gerade für die jüngere Generation auch in diesem Bereich mehr geschehen wäre, um auch diese Generation für den Fall der Arbeitslosigkeit – und die Rezessionsszenarien für die nächsten Jahre geben ja keinen Grund zur Annahme, daß die Arbeitslosigkeit abnehmen wird – in entsprechender Form zu berücksichtigen.

Ich darf nunmehr folgenden Abänderungsantrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Haupt, Haller und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. Im Titel wird nach dem Wort "Impfschadengesetz" das Wort "und" durch einen Beistrich ersetzt und nach dem Wort "Entgeltfortzahlungsgesetz" die Wortfolge "und das Bundespflegegeldgesetz" eingefügt.

2. In Artikel 6 entfällt Z 9.

3. In Artikel 7 Z 84 lautet § 77 Abs. 6 erster Satz:

"Weiterversicherte und Selbstversicherte, ausgenommen Selbstversicherte nach § 19a, die eine Person mit Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 4, 5, 6 oder 7 gemäß § 5 des Bundespflegegesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter gänzlicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, haben nur die Beitragsteile die gemäß §§ 51 Abs. 3, 51a Abs. 1 und 51b Abs. 1 auf den Dienstnehmer entfallen, zu tragen; die gemäß den genannten Bestimmungen auf den Dienstgeber entfallenden Beitragsteile sind aus Mitteln des Bundes zu tragen."

4. In Artikel 7 wird nach Z 102 folgende Z 102a eingefügt:

"102a. In § 227 Abs. 1 Z 5 wird nach dem Wort ,Arbeitslosigkeit‘ die Wortfolge ,Bildungskarenz oder Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes‘ eingefügt."

In Artikel 7 Z 107 lautet § 239 Abs. 1:


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"(1) Bemessungsgrundlage für Zeiten der Kindererziehung ist die Bemessungsgrundlage nach § 238, mindestens aber der Richtsatz gemäß § 293 Abs. 1 lit. a bb."

6. In Artikel 7 Z 156 wird in § 572 Abs. 1 Z 1 nach "123 Abs. 9 lit. a," " 227 Abs. 1 Z 5," eingefügt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Der Antrag hat noch sechs weitere Artikel. Ich werde ihn schriftlich verteilen lassen. Ich stelle hiemit fest, er ist ordnungsgemäß unterfertigt eingebracht und steht mit in Verhandlung. Ich kann die Redezeit nicht verlängern. Ich habe das beim Kollegen Höchtl kürzlich auch nicht gemacht. – Danke vielmals.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): Danke für diese Vorgangsweise, Herr Präsident. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich stelle also nochmals fest, dieser Antrag des Kollegen Haupt wird schriftlich verteilt werden. Er steht mit in Verhandlung.

Der vom Abg. Haupt nicht vorgetragene Teil des Abänderungsantrages hat folgenden Wortlaut:

7. In Artikel 8 Abschnitt I Z 40 lautet § 33 Abs. 9 erster Satz:

"Weiterversicherte nach §§ 8 und 12, die eine Person mit Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 4, 5, 6 oder 7 gemäß § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter gänzlicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, haben nur einen Beitragsteil in Höhe von 4,65 bzw. 10,25 % der Beitragsgrundlage selbst zu tragen; der verbleibende Beitragsteil ist jeweils aus Mitteln des Bundes zu tragen."

8. In Artikel 8 Abschnitt I Z 64 lautet § 123 Abs. 1:

"(1) Bemessungsgrundlage für Zeiten der Kindererziehung ist die Bemessungsgrundlage nach § 122, mindestens aber der Richtsatz gemäß § 150 Abs. 1 lit. a bb."

9. In Artikel 10 Abschnitt I Z 26 lautet § 28 Abs. 6 erster Satz:

"Weiterversicherte nach §§ 8 und 9, die eine Person mit Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 4, 5, 6 oder 7 gemäß § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter gänzlicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, haben nur einen Beitragsteil in Höhe von 3,2 bzw. 10,25 % der Beitragsgrundlage selbst zu tragen; der verbleibende Beitragsteil ist jeweils aus Mitteln des Bundes zu tragen."

10. In Artikel 10 Abschnitt I Z 51 lautet § 114 Abs. 1:

"(1) Bemessungsgrundlage für Zeiten der Kindererziehung ist die Bemessungsgrundlage nach § 113, mindestens aber der Richtsatz gemäß § 141 Abs. 1 lit. a bb."

11. In Artikel 13 entfallen die Z 4, 22 und § 113a Abs. 2 in Z 42.

12. Nach Artikel 18 wird folgender Artikel 19 angefügt:

"Artikel 19

Änderung des Bundespflegegeldgesetzes

Das Bundespflegegeldgesetz, BGBl. Nr. 110/1993, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 758/1996, wird wie folgt geändert:


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Dem bisherigen Text von § 5 wird die Bezeichnung "(1)" vorangestellt; am Ende werden folgende Absätze angefügt:

"(2) An die Stelle dieser Beträge treten mit Wirkung vom 1. Jänner 1998 und in der Folge mit 1. Jänner einer jeden Jahres die mit dem Anpassungsfaktor des § 108f ASVG vervielfachten und gemäß § 18 Abs. 3 auf volle Schillingbeträge gerundeten Beträge. Der Vervielfachung sind die für das jeweils vorangegangene Jahr ermittelten und gerundeten Beträge zugrundezulegen.

(3) Der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die sich gemäß Abs. 2 ergebenden Beträge für jedes Jahr durch Verordnung festzustellen.

(4) Die Anpassung des Pflegegeldes ist von Amts wegen vorzunehmen."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Reitsamer. – Bitte.

10.27

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat eigentlich schon seit langem ein gemeinsames Bekenntnis zur Harmonisierung der Pensionssysteme gegeben. Als es dann konkret wurde, gab es auf der Beamtenseite doch einen Aufschrei, dies wäre ein Systembruch. Wir haben es, glaube ich, in der Diskussion versäumt, die beiden Systeme – Beamte, ASVG – in allen Bereichen ganz konkret einander gegenüberzustellen. Daher kam es zu einem gegenseitigen Ausspielen, und die Diskussion entwickelte eine Eigendynamik, die wir uns am Anfang nicht gewünscht haben.

Wichtig ist es jetzt auch, daß man die bugetwirksamen Maßnahmen in der Diskussion von jenen nachhaltigen Strukturveränderungen, die sehr, sehr lange wirken werden, trennt. Der Vorwurf der Opposition, meine Damen und Herren, geht damit ins Leere. Es wurde von einer Geldbeschaffungsaktion gesprochen. Wie kann es denn eine Geldbeschaffungsaktion für das Jahr 1998, 1999 geben, wenn die Maßnahmen erst schrittweise ab dem Jahr 2000 oder gar erst ab dem Jahr 2003 in Kraft treten? Das frage ich Sie allen Ernstes.

Natürlich erweitert man durch die Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung den Versichertenkreis, und freilich haben auch die Maßnahmen bezüglich der geringfügig Beschäftigten eine Auswirkung auf das Buget. Aber da wird es ja letztendlich später einmal auch zu Leistungen kommen. Das ist eine Frage der Solidarität! Sehr viele Menschen wurden in der Vergangenheit in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse abgedrängt, wenngleich mit ihrer Zustimmung, weil man sie nicht nachhaltig auf die Wirkungen aufmerksam gemacht hat. Daher ist es zum Schutze der Arbeitnehmer wichtig, diese Maßnahmen sofort zu treffen, meine Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Aber gerade der Bereich der geringfügig Beschäftigten ist kein typisch österreichisches Problem. Wir haben es allerdings am besten gelöst, meine Damen und Herren. Dennoch werden die Auswirkungen sehr genau zu beobachten sein. Der deutsche Arbeitsminister Blüm meinte in den letzten Tagen: Diese 610-DM-Jobs und die sogenannte Scheinselbständigkeit machen uns sehr zu schaffen. – Aber das Erkennen allein, daß uns das "zu schaffen macht", kann ja nicht die Lösung sein, aber etwaige Lösungsansätze stehen in Deutschland absolut nicht im Raum. Was aber deutlich auch von deutscher Seite gekommen ist, war ein Lob dafür, wie wir diese Fragen gelöst haben und wie wir zumindest die Lösung dieser Fragen in Angriff genommen haben.

Heute ist den Zeitungen zu entnehmen, daß es in Deutschland eine Anhebung der Beiträge zur Pensionsversicherung auf 21 Prozent geben wird. Meine Damen und Herren! Das ist keine befriedigende Lösung, denn dabei werden nur jene zur Verantwortung gezogen, die sich im System befinden. Die anderen bleiben nach wie vor draußen. Das kann nicht des Rätsels Lösung sein! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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Ich möchte aber noch kurz auf die Vorgeschichte eingehen. Es hat von seiten des ÖGB und von seiten aller Gewerkschaften, die in die Verhandlungen mit einbezogen waren, immer das Bekenntnis zur Reform gegeben. Es sind immer die positiven Punkte hervorgehoben worden, und es war immer die Bereitwilligkeit der Sozialpartner gegeben, über offene Punkte zu verhandeln und Alternativen zu erarbeiten. Das sollten wir nicht vergessen. Ich betone das, weil immer so auf die Sozialpartnerschaft hingehackt wurde. Sie hat sich einmal mehr sehr gut bewährt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es macht eben schon einen Unterschied, meine Damen und Herren, ob ich etwas zu verteilen habe und nur überlegen muß, wie ich es verteile, oder ob es zu Kürzungen kommt. Davon sind die Menschen unterschiedlich betroffen, und diese unterschiedlichen Betroffenheiten sind genau zu prüfen. Das ist meine Auslegung von politischer Verantwortung, meine Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Nachdem es bei der Diskussion am Mittwoch auch keine Rolle gespielt hat, das ASVG zu streifen, möchte ich mit einigen wenigen Sätzen den Beamtenbereich streifen. Allein in die Beamtenverhandlungen waren ja vier Gewerkschaften mit einbezogen – die Gewerkschaft Kunst, Medien, freie Berufe, die Gewerkschaft der Postbediensteten, die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten und die Gewerkschaft öffentlicher Dienst, und überall gab es unterschiedliche Ausgangspositionen.

Daher war es auch notwendig, einen gewissen Gleichklang zu erzielen, und daß das nicht einfach war, ist, glaube ich, verständlich. Aber hier wie da sind die Verhandlungen mit der gebotenen Härte, aber in einem sehr konstruktiven Klima geführt worden. Das mag vielleicht manchen nicht gefallen, die schon auf das große Crash-Szenario gewartet haben und jetzt natürlich sehr enttäuscht sind. Es muß aber doch legitim sein, wenn sich eine gewählte Interessenvertretung um die Belange jener Menschen, die es zu vertreten gilt, besonders annimmt, wenn man bis zum Schluß verhandelt, meinetwegen sogar noch – so, wie es unlängst war – während der laufenden Sitzungen des Sozial- und des Finanzausschusses.

Meine Damen und Herren! Ein so komplexes Thema ruft natürlich ein großes Medieninteresse hervor. Das hat unsere Lage aber nicht gerade erleichtert. Der Informationsstand ist nämlich nicht ausreichend, und dann ist es natürlich möglich, daß Verunsicherung erzeugt wird. Die Opposition hat das weidlich ausgenützt – die Aufregung bei jenen, die es überhaupt nicht trifft, ist ja ein Beweis dafür, meine Damen und Herren.

Jetzt möchte ich auf ein Zitat des freiheitlichen Parteiführers eingehen: Die Alten richten sich’s, die Jungen bleiben auf der Strecke, hieß es. Auf der anderen Seite hat man mehr Vertrauensschutz eingefordert. Auf diesen Widerspruch möchte ich hinweisen.

Die Informationen haben sachlich zu erfolgen, und ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Sowohl im Beamtenbereich – ich war früher einmal im öffentlichen Dienst und kenne dort sehr viele Leute – als auch im Bereich des ASVG haben die Menschen verstanden, wenn man es ihnen sachlich erklärt hat, worum es geht und wie wichtig das für eine nachhaltige Sicherung unseres bewährten Pensionssystems, des Umlagesystems, ist. Dann hat man sehr wohl Verständnis dafür gefunden.

Wir haben dem Vertrauensschutz durch lange Übergangsfristen Rechnung getragen, und wir haben der sozialen Ausgewogenheit durch die Deckelung in beiden Bereichen – im ASVG-Bereich und bei den Beamten – Rechnung getragen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte aber auch zu bedenken geben, daß das Pensionssystem und die Pensionen untrennbar an den Arbeitsmarkt gekoppelt sind. Die Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung, wie Bildungskarenz, Solidaritätsprämienmodell und anderes mehr, bedeuten eine Umverteilung der Arbeit. Es werden auch noch andere Redner darauf eingehen. Wir wissen seit dem Hearing im Sozialausschuß, daß wir in den letzten 25 Jahren ein Ansteigen bei den Frühpensionen um 177 Prozent hatten. Und da muß ich schon sagen: Man muß den Menschen auch helfen, denn die Frühpensionisten sind überwiegend Menschen, die keineswegs in die Pension geflüchtet sind, wie man ihnen immer wieder unterstellt, sondern es sind


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Menschen, die vom Arbeitsmarkt – ich möchte es ganz brutal formulieren – entsorgt worden sind. Und das dürfen wir nicht vergessen! (Beifall bei der SPÖ und Beifall des Abg. Dr. Feurstein. )

Weil immer wieder gesagt wurde, wir hatten 1993 eine Pensionsreform und hätten damals von einer nachhaltigen Sicherung unseres Pensionssystems gesprochen, während jetzt, 1997, wieder eine Pensionsreform gemacht wird, möchte ich auf folgendes hinweisen: Die Pensionsreform 1993 hat beinhaltet, daß die 15 besten Jahre für die Durchrechnung herangezogen werden. Sie hat erstmals eine Regelung bezüglich der Kindererziehungszeiten gebracht. Sie hat die Festschreibung des unterschiedlichen Pensionsalters für Männer und Frauen gebracht. Das gleiche Pensionsalter werden wir erst ab 2018 haben.

Meine Damen und Herren! Das waren ja Schritte, die Positives für unsere Versicherten gebracht haben, daher kann man nicht sagen, daß weitere Reformen nicht notwendig sind. Natürlich könnte man sagen, man wartet lieber, bis der letzte Zeitpunkt dafür gekommen ist, und fängt erst dann zu reformieren an. Ich möchte aber in diesem Fall den Aufschrei nicht hören, daß Politiker nicht von dreiviertel zwölf bis zu Mittag denken können. Das wäre nämlich der Tenor in einem solchen Fall. Vorsorglich muß man planen, und man muß sich lange – so lange wie möglich! – Sichtweisen aneignen. Alle Szenarien können aber auch wir nicht im voraus wissen.

Man soll also mit weiteren Reformen nicht bis zum Ende dieses Zeitrahmens warten, das, glaube ich, ist wichtig. Diese Reform hat sich letztendlich mit anderen Zielen auseinandergesetzt, und die strukturellen Veränderungen können sich durchaus sehen lassen. Da gab es zum Beispiel die Notwendigkeit, durch Sofortmaßnahmen der Flucht aus den sozialrechtlich abgesicherten Arbeitsverhältnissen entgegenzuwirken, und auch die Erfordernis, der demographischen Entwicklung etwas entgegenzusetzen.

Und eines ist mir ganz besonders wichtig zu erwähnen. Am Mittwoch bei der Diskussion wurde gesagt, ein 36jähriger Beamter würde bei Pensionsantritt nicht mehr das bekommen, was ihm jetzt zusteht. Ich wage zu bezweifeln, ob er überhaupt schon einen Anspruch hat. Bei einem Alter von 36 Jahren müßte man sich das in jedem einzelnen Fall anschauen. Das gilt auch für die Privatwirtschaft. Und eines vergißt man schon – diese Argumentation ist einfach nicht seriös –: Man vergißt Lohnerhöhungen, man vergißt Pensionsanpassungen.

Ich freue mich, Ihnen sagen zu können, daß wir in der Vergangenheit einen relativ starken Anstieg bei der Höhe der Neupensionen hatten, nämlich ein Plus um insgesamt 12 Prozent. Ich glaube, das relativiert diese Kritik, die da mehrfach geäußert worden ist.

Es gibt immer wieder den Widerspruch, daß einerseits die Maßnahmen nicht den erwarteten Effekt bringen, auf der anderen Seite sagt man, die soziale Ausgewogenheit wäre nicht gegeben und der Vertrauensschutz wäre nicht entsprechend berücksichtigt worden.

Ich sage, wenn auch der Effekt ein bißchen geringer ist, es ist ein Quantensprung, was wir hier zustande gebracht haben, und es ist nun einmal die Verantwortung des Parlaments und der Regierung, auf all diese Punkte Rücksicht zu nehmen und auf die soziale Ausgewogenheit und den Vertrauensschutz zu achten. Wir müssen natürlich all diese Maßnahmen in langen Übergangsfristen beobachten, und weitere Anpassungsschritte würde ich nicht ausschließen. Wir sind in einer schnellebigen Zeit, wir haben es mit sich ständig ändernden Rahmenbedingungen zu tun. Wir haben einen völlig veränderten Arbeitsmarkt, und auch die Arbeitsbiographien der einzelnen Menschen – gerade der jungen Menschen – verändern sich permanent. Wir haben nicht mehr diese kontinuierlichen Verläufe, wie wir sie in der Vergangenheit gehabt haben.

Noch eine Bemerkung zum Generationenvertrag, meine Damen und Herren. Ich habe mir am Mittwoch abend nach Schluß der Sitzung die Interviews angehört, die man mit jungen Menschen gemacht hat. Manche hat es überhaupt nicht interessiert, manche waren zugegebenermaßen stark verunsichert, und manche haben sehr viel Verständnis dafür aufgebracht.


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Die meisten jungen Leute sehen es so, daß wir heute die Verantwortung haben und dieser Verantwortung auch Rechnung tragen müssen, damit auch sie noch eine gesicherte Pension zu erwarten haben. Aber man kann doch bitte den jungen Menschen nicht immer nur vorrechnen, was sie für die älteren tun müssen, denn auch die ältere Generation hat mit ihren Beiträgen, mit ihren Steuergeldern dafür gesorgt, daß die jungen Menschen heute eine vergleichsweise bessere Ausbildung haben, daß sie Zugang zu Dingen haben, von denen beispielsweise meine Generation nur träumen konnte. Für uns damals waren diese Dinge lange Zeit nicht realisierbar. Das muß man auch berücksichtigen.

Es darf jedenfalls nicht so sein, daß man Alt gegen Jung, Aktive gegen Pensionisten, Arbeiter gegen Angestellte, ASVGler gegen Beamte ausspielt. Das ist nicht des Rätsels Lösung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt möchte ich mich noch ein wenig mit den Expertenäußerungen auseinandersetzen.

Warum wir mit Bernd Rürup einen deutschen Experten genommen haben, wurde schon hinreichend erklärt. Hätte man einen Österreicher genommen, wären wir überhaupt demontiert worden, weil man gesagt hätte, der hat ja nur einen Blick auf österreichische Verhältnisse. Rürup hat unserem System und dem Umlageverfahren ein durchaus gutes Zeugnis ausgestellt, aber es macht halt einen Unterschied, ob ich nur ein ganz groß festgeschriebenes Reformziel im Auge zu behalten habe oder ob ich als Politiker auch auf unterschiedliche Betroffenheiten Rücksicht zu nehmen habe. Und wenn er sagt, in 15 Jahren soll es die nächste Reform geben, dann kann ich nur sagen: Mir ist es recht. Ich habe schon gesagt, daß wir uns laufend geänderten Rahmenbedingungen anzupassen haben.

Herr Professor Marin hat in seinem Statement am Mittwoch offensichtlich noch nicht über den neuesten Stand verfügt. Er hat noch von einer Deckelung bei den Beamtenpensionen ab 42 000 S gesprochen, was zu diesem Zeitpunkt längst vom Tisch war, und er hat die Deckelung im ASVG verlangt, die zu diesem Zeitpunkt längst verhandelt und abgeschlossen war.

Professor Rürup spricht aber auch eine zusätzliche Eigenvorsorge an. Für jene, die es sich leisten können, finde ich das durchaus attraktiv, und die Versicherungswirtschaft boomt ja angeblich. Aber ich frage mich, welchen Aufschrei es hier in diesem Zusammenhang vielleicht einmal geben wird, denn die Versicherungen müssen ja das Geld, das sie verdienen, auch irgendwie arbeiten lassen. Ich erinnere Sie nur an einige Crashes, die es in letzter Zeit gegeben hat. Wenn wir davon betroffen gewesen wären, wäre schon ein ordentlicher Aufschrei erfolgt.

Da man immer dem Umstieg zur Kapitaldeckung das Wort redet, möchte ich fragen: Was würde denn so ein Umstieg bedeuten? – Daß man genau die jungen Menschen, die man zu schützen vorgibt, zweimal belastet: Sie müßten für die jetzt ältere Generation bezahlen und für ihre eigene Pension ansparen.

Herr Kollege Haupt hat den Bogen überhaupt leicht überspannt, als er hier von einem Kriegsszenario sprach und dann meinte, im Krieg sei man mit diesem Umlageverfahren nicht in der Lage gewesen, auch nur über drei Tage die Pensionen zu sichern. – Ja, glauben Sie denn wirklich, daß man in so einer Situation, von der wir – Gott sei Dank! – sehr weit entfernt sind, mit dem Kapitaldeckungsverfahren irgend etwas anderes erreichen könnte? (Abg. Mag. Haupt: Das habe ich auch nicht behauptet!) Ich meine, das kann jeden denkenden Menschen nur zum Lachen verleiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir hatten auch verschiedene andere Varianten in Diskussion, zum Beispiel die Grundsicherung für alle. Ich meine, das klingt zwar sehr gut, aber wenn das unabhängig von einem Erwerbseinkommen sein soll, dann frage ich Sie, was zum Beispiel eine Textilarbeiterin dazu sagen würde, die vielleicht 40 Jahre lang am Fließband gestanden ist. – Alleinstehende sind eben darauf angewiesen, ein Erwerbseinkommen zu haben, und reich Verheiratete können es sich wohl über die Beiträge ihrer Partner richten.

Von der "F" sind 11 000 S Grundpension angesprochen worden. Diesen Ansatz könnte man ja noch akzeptieren, aber wieder einmal wird die Aufbringung dieser Mittel mit den National


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bankgeldern verquickt, denn aus diesem Topf sollen sie aufgebracht werden. Sie haben uns im Laufe der einzelnen Diskussionen schon 17 andere Varianten genannt, was Sie mit diesen Mitteln tun würden. Offensichtlich gibt es eine unwahrscheinliche Vermehrung in diesen Töpfen. (Abg. Gaugg: Kreativität! Kreativität ist das!)

Ein Feilschen bis zum Schluß um bestmögliche Lösungen – dazu stehe ich, meine Damen und Herren. Hierzu wurde angesprochen, daß die Abgeordneten der Regierungsparteien besonders viele Wortmeldungen im Ausschuß abgegeben hätten. – Ich bringe nur in Erinnerung, daß ich als Vorsitzende im Sozialausschuß den Oppositionsparteien zu einem Punkt oft drei- und viermal das Wort erteile und daß sehr lange diskutiert wird. Und wenn es um eine Reform dieser Größenordnung geht, dann werden ja wohl auch die Abgeordneten der Regierungsparteien noch darüber diskutieren dürfen. Aber mit Ausnahme des Kollegen Dr. Feurstein, der zwei Anträge einzubringen hatte, haben alle Abgeordneten nur eine Wortmeldung abgegeben. Also hier von Filibustern zu reden, halte ich für ein starkes Stück. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Feurstein. )

Ich habe schon die Regelung bei den geringfügig Beschäftigten, die ich mir etwas weitergehend gewünscht hätte, erwähnt, desgleichen die Absicherung jener Pflegepersonen, die Angehörige, die sich in der Pflegestufe 5 bis 7 befinden, betreuen und die sich jetzt günstig versichern können, wobei der Dienstgeberbeitrag vom Bund übernommen wird. Auch die verstärkte Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten, die in erster Linie eine Verbesserung für die Frauen darstellt, möchte ich als ganz besonders positiv hervorheben.

Wenn ich allerdings mit Fällen wie diesem konfrontiert werde: 55jährige Frau, 20 Beitragsjahre inklusive Ersatzzeiten, dann muß ich sagen, das ist nicht die Norm. Wir müssen für jene eintreten, die es sich nicht richten können, meine Damen und Herren.

Mehr Harmonisierung, mehr Gerechtigkeit, mehr Transparenz, mehr Sicherheit – das bringt uns diese Reform. Ich stehe nicht an, mich an dieser Stelle bei allen Beamten im Sozialministerium, die in dieser schweren Zeit fast rund um die Uhr, Tag und Nacht, gearbeitet haben, sehr, sehr herzlich zu bedanken. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Feurstein. )

Mit der kontinuierlichen Beobachtung der Auswirkungen dieser Maßnahmen werden wir sicher auch einen weiteren wichtigen Schritt setzen, und ich bin sicher, daß jene, die jetzt noch auf die Miesmacherei hereinfallen, bald sehen werden, daß diese Schritte notwendig, richtig und maßvoll waren, daß uns ein Quantensprung gelungen ist, der das Sozialsystem verbessert und weiterhin sichert. Es ist ein Sieg der Vernunft. Ich bin stolz darauf, und ich möchte ganz besonders der Frau Bundesministerin Hostasch sehr, sehr herzlich dazu gratulieren! (Beifall bei der SPÖ. – Die Rednerin reicht Bundesministerin Hostasch und Bundesminister Dr. Bartenstein die Hand.)

10.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Er hat das Wort.

10.46

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So begeistert, wie Frau Kollegin Reitsamer das vorgetragen hat, kann man nur pflichtgemäß sein. Ich kenne Frau Kollegin Reitsamer lange genug, um zu wissen, daß sie über die notwendigen Sachkenntnisse verfügt, um sich dessen bewußt zu sein, daß das, was sie hier vorgetragen hat, so nicht stimmt.

Dabei verkennen auch wir Liberalen nicht, daß in diesem ASRÄG der eine oder andere konstruktive Ansatz enthalten ist. Ich möchte mit diesen konstruktiven Ansätzen beginnen, leider wird dies der absolut kürzeste Teil meines Redebeitrags sein. Dazu gehören die Aspekte Bildungskarenz, Solidaritätsprämienmodell und flankierende Maßnahmen zur Gleitpension. Wir stehen nicht an, zu sagen: Das sind Maßnahmen, die in eine richtige Richtung gehen. Daß sie im Detail auch nicht überall ganz gelungen sind, ist vor dem Hintergrund der sonstigen Teile des ASRÄG zu verschmerzen, denn bei den anderen Teilen wird die Sache wesentlich haariger.


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Immerhin ist durch das Solidaritätsprämienmodell – der Name ist allerdings wirklich etwas verkrampft – ein Ansatz gegeben, Job-sharing zu ermöglichen, und das im Einvernehmen aller Beteiligten. Das ist vor dem Hintergrund unserer sonstigen Sozialgesetzgebung schon ein riesiger Fortschritt. Das ist kein Diktat, sondern ein Angebot.

Für die Bildungskarenz gilt dasselbe.

Bei den flankierenden Maßnahmen zur Gleitpension gibt es einen extremen Schönheitsfehler – ich komme später darauf zu sprechen –, das ist der § 38a im Arbeitsmarktförderungsgesetz.

Nun zum kritischen Teil oder, wenn Sie so wollen, zu meiner eigentlichen Wortmeldung. Frau Kollegin Reitsamer hat uns hier darzustellen versucht, daß alles wohlgelungen sei. Ich muß Ihnen sagen: Es ist vieles, zu vieles mißlungen; zum Beispiel der Aspekt der Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherungspflicht. Es ist dies eine Position, die wir Liberalen zwar auch vertreten, aber das ist Ihnen mißlungen, und zwar im eigentlichen Sinn des Wortes "mißlungen".

Da Sie, Frau Kollegin Reitsamer, gemeint haben, es gebe diese Flucht aus der Sozialversicherung, frage ich Sie: Wohin flüchtet ein Mensch, der nur 3 500 S verdient? Wohin flüchtet der? Glauben Sie, der nimmt freiwillig und aus Begeisterung ein so niedriges Einkommen in Kauf, nur damit er der Sozialversicherungspflicht entgeht? (Abg. Reitsamer: Sie haben nicht zugehört!)  – Da irren Sie sich sehr! Daher ist die Unterstellung, die Menschen flüchten unter die Geringfügigkeitsgrenze, von dieser Stelle aus zurückzuweisen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Reitsamer: Sie haben nicht zugehört!)

Wenn Sie aber meinen sollten, daß die Arbeitgeber die Leute in die geringfügige Beschäftigung hineintreiben, dann sagen Sie bitte nicht "flüchten", sondern dann verwenden Sie Ihr altes Klischee von den "bösen" Arbeitgebern, von den "bösen" Unternehmern, die die Leute alle unter die Armutsgrenze treiben.

Wenn Sie das aber wirklich glauben, dann kennen Sie die Arbeitswelt nicht. Denn dort, wo geringfügige Beschäftigung stattfindet, findet sie deswegen statt, weil entweder gar nicht mehr Arbeit angeboten werden kann oder weil es sich auch um prekäre Unternehmenslagen handelt. Nehmen Sie zur Kenntnis, es gibt auch Unternehmen, die in einer prekären Lage sein können und die daher extrem teilzeitig arbeiten müssen!

Wenn Sie sich einmal irgendwo in der Wirklichkeit der Arbeitswelt bewegen sollten, Frau Kollegin Reitsamer, dann werden Sie erkennen, daß das nicht Bösartigkeit ist, sondern Phantasie und Flexibilität. Möglicherweise findet diese Art der Beschäftigung in einer Form statt, die dann eine prekäre Lage für alle schafft, aber das ist ein Gesamtergebnis der Politik und nicht das Flüchten der einen oder das Hinausjagen durch die anderen. Diese Art von Feindbildern aufzubauen, halte ich für falsch. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Zu dem von Ihnen erhobenen Anspruch, Sie wollen mit der Einbeziehung in die Sozialversicherungspflicht Schutz gewähren, sage ich Ihnen: Sie kassieren zwar Schutzgeld, aber welchen Schutz Sie damit gewähren, ist wirklich ganz, ganz offen. Denn gerade bei den geringfügig Beschäftigten haben Sie nämlich das Phänomen, daß, wenn Sie von ihnen Pensionsversicherungsbeiträge einheben, sie ihr System behalten wollen, das Äquivalenzprinzip aufrechterhalten wollen, diese Leute kaum zu irgendwelchen nennenswerten Pensionen kommen können. Oder Sie wollen – und ich hoffe, daß das Ihr geheimer Hintergedanke ist, obwohl er böse Auswirkungen auf der Ebene der Budgets haben wird – diesen Menschen dann Ausgleichszulagepensionen zahlen, das heißt also wesentlich höhere Pensionen zahlen, als es dem Äquivalent der Beiträge aus den geringfügigen Einkommen entsprechen würde.

Wenn Sie das wollen sollten, dann frage ich Sie: Warum wehren Sie sich dann gegen den Vorschlag der Grundsicherung? – Das ist nämlich im Prinzip nichts anderes, wenn man sagt: Unabhängig von der Höhe der für eine Altersversorgung geleisteten Beiträge muß jeder alte Mensch eine eigenständige, angemessene, bedürfnisgerechte Absicherung haben. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Damit hätten Sie gleichzeitig – und ich mahne das wieder ein, so wie auch schon vor zwei Tagen – auch die eigenständige Absicherung der Frauen im Alter geleistet. Den Ausdruck "Frauen im Alter", Frau Kollegin Reitsamer, habe ich aus dem Munde eines Regierungsmitgliedes im Zusammenhang mit dieser Debatte und auch in Ihrem Debattenbeitrag vermißt. Gerade Ihnen wäre es angestanden, zumindest zuzugeben, daß in diesem Bereich auch aus Ihrer Sicht noch manches zu tun ist. Wir finden, da ist das Defizit außerordentlich groß.

Gerade im Zusammenhang mit der Verfehlung des Schutzzieles bei den geringfügig Beschäftigten ist uns gemeinsam aufgefallen, daß darin ein Themenfeld steckt, das große Ausmaße hat, nämlich die geringfügig beschäftigten persönlichen Assistenten von Behinderten. Jetzt werden Sie mich fragen, warum ich das auf diesen Punkt zuspitze. Ein wirklich schwerbehinderter Mensch – von der Pflegestufe 5 aufwärts – kommt nicht mit einem persönlichen Assistenten aus, der geringfügig beschäftigt ist. Er braucht zwei, drei, vier oder fünf. Jetzt hat er also fünf geringfügig beschäftigte persönliche Assistenten, und nach Ihrer neuen Regelung wird er nun wie ein Arbeitgeber behandelt. Diese fünf Beträge werden zusammengezählt, und er muß von dieser Lohnsumme Sozialversicherungsbeiträge zahlen.

Gut, Sie sagen, das ist im System jetzt so. Sie haben aber zu erwähnen vergessen, daß dies Menschen trifft, deren Pflegegeld Sie seit Jahren nicht valorisiert haben. Das vergessen Sie, zu erwähnen. Das heißt, sie müssen nach wie vor mit demselben Geld auskommen. Das sind keine "bösen Unternehmer", die irgend jemanden unter die Geringfügigkeitsgrenze gejagt haben, sondern das sind Menschen, die zwecks Chancengerechtigkeit von uns mit Pflegegeld unterstützt werden. Und diese Menschen bitten Sie jetzt zur Lohnsummenkassa. Das ist die falsche Adresse!

Wir haben daher einen Antrag eingebracht, der lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Volker Kier und PartnerInnen, eingebracht im Zuge der Debatte zu Punkt 1 der Tagesordnung

Änderung des Artikels 7

(54. ASVG-Novelle)

1. In Art. 7 Z 60 wird vor der Zitation des Abs. 7 im § 49 Abs. 3 folgende Z 26 eingefügt:

"26. das Entgelt, das von Personen (Dienstgebern) mit Anspruch auf Pflegegeld in der Höhe der Stufe 5, 6 oder 7 gemäß § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze an Dienstnehmer zur Erbringung von Dienstleistungen geleistet wird, welche ausschließlich im Rahmen der persönlichen Pflege, Hilfe und Assistenz am Dienstgeber ausgeübt werden."

(Fortsetzung des Antrages siehe Seite 41.)

*****

Durch ein Aussetzen der Pflichtigkeit für diese Fälle wird die Möglichkeit geschaffen, als Notbremse – das sage ich ganz bewußt – Zeit einzuräumen, damit Sie sich das noch einmal überlegen können und wir im Ausschuß noch einmal ordentlich darüber reden können, denn Zeit war im Ausschuß nicht reichlich vorhanden. Daran darf ich schon noch einmal erinnern. (Abg. Dr. Feurstein: Nicht reichlich vorhanden?!) Sie war nicht reichlich genug vorhanden, denn das sind Teilaspekte, die man bei einer ersten kurzen Lesung, für die man zwei Stunden zur Verfügung hat, nicht unbedingt sofort bemerkt.


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Dritter mißlungener Aspekt: das doppelte Inkasso bei den Pensionisten. Sie haben die Subsidiarität bei den Sozialversicherungsbeiträgen aufgegeben, was bedeutet, daß Menschen, die sich in der Pension befinden und aufgrund der niedrigen Pension, mit der sie sonst auskommen müßten, etwas dazuverdienen, noch einmal Pensionsbeiträge zahlen müssen – für eine Pension, die sie nach ihrer Pension im Jenseits wohl nicht mehr beziehen werden können. – Das ist Zynismus pur!

Weiterer Aspekt: die Abgrenzung zwischen Selbständigen und Unselbständigen. Die ist Ihnen wieder mißlungen, denn Sie schaffen hier im ASVG einen komplizierten § 4 Abs. 4. Ich will das Hohe Haus mit den Details nicht langweilen, fest steht aber – auf den Punkt gebracht –, daß Sie für eine Auseinanderentwicklung von Steuerrecht und Sozialrecht einen weiteren "wertvollen" Beitrag geleistet haben. Denn es kann jetzt jemandem passieren, daß er zwar einkommensteuerpflichtig ist, aber im Sozialversicherungsrecht wie ein Lohnsteuerpflichtiger behandelt wird, und umgekehrt – mit all den Vor- und Nachteilen; den Nachteilen für den Betroffenen und den Vorteilen für die Stelle, die kassiert. Wird er nämlich einkommensteuerpflichtig behandelt, aber nach dem ASVG versichert, dann hat er die Sechstelbegünstigung der Lohnsteuer nicht, muß aber selber die Arbeitgeberbeiträge im ASVG-Bereich zahlen und umgekehrt.

Daher sage ich Ihnen: Diese Abgrenzung werden Sie einfacher machen müssen. Sie werden sich entschließen müssen, welche dieser beiden Rechtsmaterien die Priorität hat: das Steuerrecht oder das Sozialrecht. Wir plädieren für das Steuerrecht. Ist jemand einkommensteuerpflichtig, dann paßt er tendenziell in den Bereich des GSVG. (Abg. Dr. Trinkl: Was heißt "tendenziell"? Tendenziell ist es ja so! – Abg. Dr. Feurstein: Tendenziell ja!) Ja, und daher mache ich das einfach zur Entscheidungsgrundlage. Sehen Sie, ich habe ja darauf gewartet, daß Sie mir jetzt teilweise recht geben. Aber warum machen Sie es dann nicht wirklich so? Warum sagen Sie nicht, der Lohnsteuerpflichtige gehört zum ASVG, der Einkommensteuerpflichtige zum GSVG – um in Ihrem System zu bleiben?

Wir hätten dazu ja ganz andere Vorschläge, aber ich erspare es mir, jetzt im Detail darauf einzugehen. Wir sind überhaupt der Meinung, daß man ein einheitliches Steuerrecht schaffen sollte, daß man allen Menschen zutrauen sollte, daß sie Einkommensteuererklärungen abgeben können. Man könnte sich sehr viel Verwaltung und all diese Abgrenzungsfragen ersparen, wenn man beispielsweise das Jahreseinkommen zur Grundlage für alles machte. (Beifall beim Liberalen Forum.) Verstehen Sie mich? Dann bräuchten Sie nicht mehr zwischen den Schubladen hin- und herzuspringen wie der böse Krampus.

Zudem haben Sie jetzt die freiberuflich selbständig Erwerbstätigen entdeckt und sie in diesen Regelungen eingefangen. Sie haben aber übersehen, daß das gerade Leute sind, die sich auch vorher nicht einfach gehenließen, sondern die sich schon privat versichert hatten. Denen muten Sie jetzt zu, daß sie auf Pfiff innerhalb von vier, sechs, acht Wochen ihre bisherigen Versicherungsverhältnisse lösen und in die ungewisse Zukunft ihrer neuen Sozialversicherungspflichtigkeit hineinspringen.

Jetzt sind die Versicherungen, die diese Leute haben, im Regelfall aber kapitalgedeckt. Frau Kollegin Reitsamer gefällt das zwar nicht so gut, aber es ist so. Wenn nun jemand in ein kapitalgedecktes System Einzahlungen geleistet hat und dann plötzlich aussteigt, dann ist das nicht sehr günstig. Vor allem deshalb nicht, weil man nach drei, vier Jahren, wenn man dann vielleicht nicht mehr sozialversicherungspflichtig ist nach Ihren Vorschriften, weil man die betreffende Tätigkeit vielleicht nicht mehr wahrnimmt, in dieses alte System nicht mehr einsteigen kann. Diese Leute erleiden dadurch nennenswerte Verluste, aber Sie muten ihnen zu, daß sie über lange Strecken doppelte Beiträge zahlen.

Daher haben wir uns auch für diesen Punkt die Notbremse Nummer zwei überlegt. Diese Notbremse Nummer zwei ist ein


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95. Sitzung / Seite 41

Abänderungsantrag, den ich hiermit verlesen darf.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Volker Kier und PartnerInnen, eingebracht im Zuge der Debatte zu Punkt 1 der Tagesordnung

1. Im § 572 wird nach Abs. 7 in der Fassung des Art. 7 Z 156 folgender Abs. 7a eingefügt:

"(7a) Die Bestimmungen über die Pflichtversicherung von im § 4 Abs. 4 genannten Personen sind auf freiberuflich selbständig Erwerbstätige, welche nicht den Bestimmungen des § 2 Abs. 1 FSVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 415/1996 unterliegen, erst mit Ablauf des 31. Dezember 1999 anzuwenden."

2. Im § 273 wird nach Abs. 3 in der Fassung des Art. 8 Abschnitt I Z 99 folgender Abs. 3a eingefügt:

"(3a) Der Pflichtversicherungstatbestand des § 2 Abs. 1 Z 4 wird für freiberuflich selbständig Erwerbstätige, welche nicht in § 2 des Bundesgesetzes über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 415/1996 angeführt sind, erst mit 1. Jänner 2000 wirksam."

*****

Wir sind der Meinung ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Kier, darf ich Sie, bevor ich den Vorsitz übergebe, darauf aufmerksam machen, daß Sie vom ersten Antrag den ersten Punkt verlesen haben, den zweiten aber nicht. Sie haben dann die Rede fortgesetzt. Wenn Sie das noch nachholen, bitte.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (fortsetzend): Ich ergänze das sofort:

2. Im § 572 Abs. 1 Z 1 wird in Art. 7 Z 156 der Ausdruck "49 Abs. 1 und 7" durch "49 Abs. 1, Abs. 3 Z 26 und Abs. 7" ersetzt.

(Siehe Seite 39.)

*****

Was Ihnen für die Kunstschaffenden in diesem Zusammenhang recht war, nämlich noch einmal eine Pause von zwei Jahren zu schaffen, könnten Sie sich auch für diese Personengruppe überlegen, und ich bitte Sie wirklich, insbesondere die Kolleginnen und Kollegen aus dem Sozialausschuß: Überlegen Sie sich, ob das nicht ein Ansatz wäre, auch da noch einmal ein Zeitfenster aufzumachen, damit wir die Reparatur machen können, bevor das in Kraft getreten ist! Das wäre doch mehr als recht und billig.

Ein wichtiges, zusätzliches Argument, was den Aspekt der persönlichen Assistenten für Behinderte anlangt: Was Ihnen für die Kolporteure – zur höheren Ehre der Pressefreiheit, der Mediaprint – recht war, sollte Ihnen für die persönlichen Assistenten von Behinderten billig sein. Ich bitte Sie darum! Ich bitte Sie wirklich darum! (Beifall beim Liberalen Forum. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Es handelt sich Ihrer Meinung nach bei den Kolporteuren wohl auch um "Flüchtlinge" aus dem Sozialversicherungssystem. Ich weiß nicht, wie Sie sie sehen. Oder haben Sie sie aus dem System verbannt – zur höheren Ehre der Mediaprint? Wenn Ihnen recht war, was, wie wir wissen, dreistellige Millionenbeträge kostet, dann bitte überlegen Sie sich doch, ob Sie die Behinderten in der Form, wie Sie das vorhaben, im Regen stehenlassen wollen! Es wäre wirklich mehr als schade.


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Meine Damen und Herren! Das Karenzgeld wird wieder einmal ausdrücklich nicht valorisiert. Frau Kollegin Reitsamer und Herr Kollege Feurstein! Das ist unbillig und inakzeptabel. Wir haben uns daher eine dritte Notbremse überlegt. Diese dritte Notbremse bringen wir ein in einem Abänderungsantrag zur Änderung des Artikels 6; er ist ganz kurz:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Kier und PartnerInnen zum Tagesordnungspunkt 1

Der Nationalrat wolle beschließen:

Änderung des Artikels 6

In Artikel 6 entfällt die Ziffer 9.

*****

Durch den Entfall der Ziffer 9 ist die Bremse, die Sie eingebaut haben, nämlich, daß keine Valorisierung des Karenzgeldes stattfindet, aufgehoben. Sie haben vor kurzer Zeit die Pensionen um 1,33 Prozent angehoben. Das ist sehr wohl notwendig gewesen – mißverstehen Sie mich da nicht –, aber warum gilt das dann nicht für das Karenzgeld, das eine – in der Phase, in der man es in Anspruch nimmt – ganz vergleichbare Funktion hat? Ich bitte Sie daher, dieser dritten Notbremse die Zustimmung zu geben.

Damit bin ich bei der Frage der Pensionen angelangt. Es gibt die Gleitpension, die Sie neu eingeführt haben. Ich habe deren positive Aspekte schon im Zusammenhang mit den Möglichkeiten in der Arbeitswelt erwähnt. Sie haben sich aber einen § 38a einfallen lassen, dessen Bestimmung bemerkenswert ist. Ich darf sie in verkürzter Form zitieren:

Das Arbeitsmarktservice hat die Voraussetzung zu schaffen, Personen, die einen Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit haben und bei denen Vermittlungsbemühungen nicht den gewünschten Erfolg haben – also es geht um alte Arbeitslose, die nicht vermittelt werden konnten, aber eigentlich schon einen Pensionsanspruch hätten –, auf deren Verlangen hin einen geeigneten Arbeitsplatz für die Dauer von mindestens zwölf Monaten im Rahmen geeigneter arbeitsmarktpolitischer Projekte zu vermitteln und zur Verfügung zu stellen.

Dieser Paragraph tritt am 1. Jänner 1998 in Kraft, aber das AMS ist erst vom 1. Jänner 2000 an verpflichtet, solche Arbeitsplätze geschaffen zu haben. Wie das AMS das schaffen wird, das lassen wir offen, aber immerhin. Das heißt, Sie machen sehenden Auges sozusagen eine Lücke von zwei Jahren auf, in denen für ältere Arbeitslose – schwer vermittelbare Menschen – die bisherigen Ansprüche nicht mehr gelten, aber die neuen erst nach dem 1. Jänner 2000 in Kraft treten.

Was glauben Sie, was die Betroffenen machen werden? Sie zwingen sie geradezu in die vorzeitige Alterspension – mit all den Nachteilen, die das inzwischen hat. (Abg. Öllinger: Wie bisher, leider!) Sie schaffen eine rein kosmetische Bestimmung, die zwar gut gemeint ist, aber das Ziel verfehlt – abgesehen davon, daß etwas, das gut gemeint ist, im Regelfall nicht wirklich gut ist. Welche Arbeitsplätze werden das sein, wenn Sie das AMS zwingen, Arbeitsplätze Menschen zur Verfügung zu stellen, die ansonsten nicht vermittelbar sind? Werden es solche Arbeitsplätze sein, die wir brauchen, oder solche, die wir künstlich schaffen, damit wir den Menschen vorgaukeln, wir würden sie beschäftigen? Mit anderen Worten: Sie haben einen weiteren Weg gewählt, Arbeitslosigkeit zu verstecken. Doch das ist ganz schlecht!

Nun zum Abschluß, in einer Art Zeitraffer, fünf wesentliche Punkte – nach der Studie von Professor Rürup – zur Beurteilung der Frage, ob eine Pensionsreform gelungen ist:

Erstens: Eine äquivalente Ersatzzeitenfinanzierung findet nicht statt, nur marginal bei Frauen in bezug auf Kinderersatzzeiten.


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Zweitens: Eine Anpassung an die geänderte Arbeitswelt findet auch nicht statt, weil die Abgrenzung zwischen selbständig und unselbständig Beschäftigten mißlungen ist. – Ich habe das bereits ausgeführt.

Drittens: Verlängerung der Durchrechnungszeiträume. Das haben Sie zwar beschlossen, aber es gilt erst vom Jahre 2003 an. Jeder, der sich damit befaßt, weiß, daß das zu einem früheren Zeitpunkt geschehen beziehungsweise schneller geschehen müßte. In Italien wurde beispielsweise beschlossen, bis zum Jahre 2004 den Durchrechnungszeitraum zu verlängern, nicht erst von 2003 an bis 2020.

Viertens: Eine spürbare Anhebung der Abschläge für die Frühpensionisten haben Sie nicht beschlossen. Sie macht lediglich 2 Prozent aus. Jeder, der sich auskennt, weiß, daß es 4 Prozent sein müßten.

Fünftens: Die gestiegene Lebenserwartung berücksichtigten Sie auch nicht.

Das waren die fünf Mindestansprüche von Professor Rürup – aber keinen dieser fünf Mindestansprüche haben Sie erfüllt. In Anbetracht dessen dürfen Sie sich nicht wundern, daß die Opposition – und im speziellen wir Liberalen – sagt: Sie haben das Ziel verfehlt, und zwar weit! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich bitte Sie daher inständig: Hören Sie damit auf, sich selbst für etwas zu loben, von dem Sie wissen – entsprechendes Fachwissen haben Sie genug –, daß es nicht stimmt! Damit erschüttern Sie nämlich das Vertrauen der Menschen!

Wenn Sie sagen: Wir haben es noch nicht ganz geschafft, wir werden im Jahre 2000 die nächste Pensionsreform machen müssen!, dann wissen die Menschen wenigstens, was auf sie zukommt. Es sagt das zwar die Opposition, es sagen das die Liberalen, es sagen das die Fachleute – aber Sie bestreiten es.

Es werden die Jahre 2000, 2001, 2002, 2003 kommen – die Zeit können Sie nicht aufhalten, sie läuft –, und dann werden Sie neuerlich eine Pensionsreform machen müssen. Was glauben Sie, welches "Vertrauen" das bei den Menschen auslösen wird?! Sie sprechen dauernd davon, daß man das Vertrauen der Bevölkerung nicht erschüttern solle. Ja sollen wir die Wahrheit verschweigen, damit die Leute mit uns gemeinsam mit 100 Stundenkilometern im Nebel in eine ungewisse Zukunft fahren?! – Da machen wir Liberalen nicht mit! Wir sagen: bremsen, stehenbleiben, orientieren und dann erst weiterfahren! Stimmen Sie deswegen bitte den drei Notbremsen zu, die wir heute eingebracht haben, und setzen wir morgen die Diskussion fort! Das kann es ja nicht gewesen sein. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Reitsamer: Sie haben überhaupt nicht zugehört!)

Meine Damen und Herren! Nehmen Sie Vorschläge wie zum Beispiel unseren Ansatz zur neuen Solidarität ernst! Das sind keine Schlagworte! Das ist der Versuch, einen großen Bogen – nicht den "Verfassungsbogen"! – einer gemeinsamen Lösung von Problemen zu machen, und zwar weit über die Parteigrenzen hinaus. Wenn Sie nicht bereit sind, mit uns gemeinsam umzudenken, dann wird alles in gewohntem Trott weitergehen. Doch schon morgen kommen die nächsten unangenehmen Dinge auf Sie zu.

Glauben Sie mir: Wir sind deswegen konstruktiv, weil wir gerne noch lange in diesem Land in sozialem Frieden gesichert leben möchten – nicht weil wir Ihnen helfen wollen, sondern weil wir der Republik helfen wollen! Wenn Sie das nicht ernst nehmen, dann werden Sie uns zunehmend verbittert machen; und wir können auch verbittert ganz gut argumentieren. Es kann dann unangenehmer sein, als bloß beschimpft zu werden. Glauben Sie mir das, bitte! Das kann wesentlich unangenehmer werden, denn das tut dann nämlich wirklich weh. Das ist dann die Wurzelbehandlung ohne Lokalanästhesie. (Abg. Dr. Gredler: Das ist gemein!) Das möchte ich gerne vermeiden. Ich hätte die Wurzelbehandlung gerne mit Lokalanästhesie gemacht, Frau Kollegin Reitsamer. Nehmen Sie das bitte ernst! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.08


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Herr Abgeordneter Dr. Kier hat drei Abänderungsanträge vorgetragen, die alle ausreichend unterstützt sind und in die Verhandlungen mit einbezogen werden.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 15 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.09

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner und auch Herr Abgeordneter Haupt haben gemeint, die Maßnahmen, die wir nun setzen, seien zuwenig. Meine Damen und Herren! Glauben Sie wirklich, man könnte die heutigen Pensionen kürzen? Glauben Sie wirklich, man könnte die Pensionen jener Menschen kürzen, die im Jahre 2000, im Jahre 2003, im Jahre 2005 oder im Jahre 2006 in Pension gehen? Glauben Sie wirklich, daß man Pensionen kürzen kann, die weniger als 10 000 S ausmachen? Im ASVG-Bereich und im Bereich der bäuerlichen Sozialversicherung stellt das die Mehrheit der Pensionen dar, meine Damen und Herren. Dazu sagen wir nein, und zwar ein ganz eindeutiges Nein! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dolinschek. )

Diese Pensionsreform weist in die richtige Richtung. Sie ist auch sozial ausgewogen, und auf die soziale Ausgewogenheit kommt es uns an. Wehe, es würde das gemacht, was die Abgeordneten Kier oder Haupt vorgeschlagen haben! Das würde bedeuten, daß Menschen mit niedrigen Pensionen im Jahre 2003, im Jahre 2004 4 Prozent beziehungsweise 5 Prozent weniger bekommen würden. Zu so etwas können wir nicht ja sagen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte ganz klar sagen, daß ich mit dem Abgeordneten Haupt in einem Punkt übereinstimme: Wir brauchen die zweite Säule. Die ÖVP hat im Jahre 1992 das Pensionskassen- und das Betriebspensionsgesetz durchgesetzt. Wir haben das damals beschlossen. In der Zwischenzeit haben wir Verbesserungen gemacht. Wir brauchen weitere Verbesserungen zur Steigerung der Attraktivität dieses Systems, damit eine zweite Säule aufgebaut werden kann, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben dazu einen ganz konkreten Vorschlag unterbreitet. Der Arbeiterkammerpräsident von Vorarlberg und der gesamte ÖAAB haben den Vorschlag gemacht, daß man – zunächst auf freiwilliger Basis – die Abfertigungen in die Pensionskassen überführen können sollte. Das ist ein konkreter Vorschlag, der meiner Meinung nach vernünftig ist, über diesen Vorschlag müssen wir diskutieren. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dolinschek. )

Damit würde die Möglichkeit geboten werden, daß alle Arbeitnehmer, auch die Selbständigen – wir haben ja vor kurzem auch die Selbständigen in das Pensionskassensystem einbezogen –, eine zweite Säule aufbauen: steuerlich begünstigt, attraktiv und sicher. – Daß sie sicher ist, ist für uns ganz wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es wird immer über den Hauptpunkt dieser Pensionsreform diskutiert, nämlich über den Durchrechnungszeitraum. Jawohl, das ist ein Hauptpunkt! Es gibt aber weitere wichtige Punkte, die eine Harmonisierung der beiden Systeme – des Systems für Beamte und des Systems für Nichtbeamte – gewährleisten.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal daran erinnern, daß für Beamte und für alle anderen Pensionisten, die im Alter von 55 Jahren – bei Männern und Frauen hinauf bis zum 65. Lebensjahr – neben der Pension erwerbstätig sind, eine sogenannte Teilpensionsregelung eingeführt wird. Diese Harmonisierung war ein wichtiger Schritt. Für ASVG-Pensionisten, die erwerbstätig sind, gibt es eine Geringfügigkeitsgrenze mit Wegfallbestimmungen, für die anderen wurde eine adäquate Lösung durch die Teilpensionsregelung eingeführt. Damit ist auch da eine Gleichwertigkeit der beiden Systeme erreicht worden.

Meiner Ansicht nach ist ganz wichtig, daß die Erhöhung aller Pensionen vom 1. Jänner 2000 an in völlig gleichem Ausmaß erfolgt, mit gleichen Prozentsätzen. Es wird nicht mehr für den einen


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95. Sitzung / Seite 45

Pensionisten 1,2 und für den anderen Pensionisten 1,5 Prozent oder 2 Prozent mehr geben, sondern vom 1. Jänner 2000 an gelten für alle Pensionisten gleiche Erhöhungen. – Das ist ein sehr wichtiger Punkt, der unserer Ansicht nach ganz entscheidend ist! (Beifall bei der ÖVP.)

Der zweite wichtige Punkt – neben dieser Harmonisierung – ist die Klärung der Pflichtversicherung: die Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Pflichtversicherung der verschiedenen Systeme, die wir haben. Jedes Erwerbseinkommen soll beitragspflichtig werden. Es werden damit nicht mehr Personen, die sich herausreklamiert haben oder die nicht einbezogen worden sind, begünstigt.

Nun ein ganz klares Wort zu den Liberalen: Wenn eine Fraktion hier im Hohen Hause sagt, daß jeder eine Pension von 11 000 S bekommt ... (Abg. Dr. Haselsteiner: Das ist das Haider-Modell! Wir sagen 8 000 S! Sie müssen das Modell lesen!) Die einen sagen 8 000 S, die anderen sagen 11 000 S. Jeder bekommt eine Pension von 8 000 S oder 11 000 S, wenn er 60 oder 65 Jahre alt ist. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Warum soll er da für das System noch Beiträge leisten? Er wird sich selbstverständlich von der Beitragsleistung verabschieden. (Beifall bei der ÖVP.) Damit ist die Unfinanzierbarkeit der beiden Systeme schon begründet. Wenn keine Beiträge mehr bezahlt werden, wird das ganze System auch nicht finanzierbar sein.

Es gibt aber natürlich auch andere Gründe, warum dieses System abgelehnt werden kann, ja abgelehnt werden muß, aber der entscheidende Grund ist meiner Ansicht nach die Frage: Warum soll man Beiträge zahlen, wenn man ohnehin mit 60 oder 65 Jahren eine Pension bekommt? Dann wird das, was Herr Abgeordneter Kier hier so schön vorgetragen hat, Wirklichkeit: Die Leute werden sich aus der Beitragspflicht verabschieden.

Der Antrag, den Abgeordneter Kier vom Liberalen Forum eingebracht hat, ist in seiner Grundtendenz richtig – das sage ich ganz klar –, aber sollen, meine Damen und Herren, wirklich jene Menschen – es sind in erster Linie Frauen, aber auch Männer –, die Assistenz- und Pflegeleistungen für behinderte Personen erbringen, sollen gerade diese Menschen aus der Pflichtversicherung und aus der Möglichkeit, als geringfügig Beschäftigte in die Pflichtversicherung hinein zu optieren, ausgeschlossen werden? Sie, meine Damen und Herren vom Liberalen Forum, wollen Sie aber ausschließen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haselsteiner: Sie wollten das ja nur wegen der Kolporteure! Haben Sie Angst, daß Sie ohne "Kronen-Zeitung" nicht mehr zurechtkommen? – Abg. Dr. Fekter: Baldrian! Baldrian!)

Jene Menschen, die in unserem System, in unserer Gesellschaft die wertvollsten Leistungen erbringen, die Menschen, die der Pflege bedürfen, pflegen, wollen Sie durch Ihren Antrag aus der Pflichtversicherung ausschließen. Dem können wir nicht zustimmen, da müssen wir nein sagen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Fekter überreicht Abg. Dr. Haselsteiner Bonbons. – Abg. Dr. Haselsteiner: Sind die vergiftet?)

Ich freue mich, daß mir Frau Abgeordnete Haidlmayr von der grünen Fraktion gesagt hat, daß auch sie den Antrag der Liberalen ablehnen wird. Das spricht für das soziale Verständnis, das bei einzelnen Abgeordneten von den Grünen noch beheimatet ist. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe.) Zu der Frage der Kolporteure werde ich noch gerne etwas sagen, darauf werde ich noch zu sprechen kommen, dazu werde ich eine klare Stellungnahme abgeben.

Meine Damen und Herren! Wir schaffen die Grundlagen dafür, daß man bei jeder Erwerbstätigkeit pflichtversichert ist. Wir schaffen den sogenannten neuen Selbständigen in der gewerblichen Sozialversicherung. Damit ist jeder Selbständige, ganz gleichgültig, wo er tätig ist, versichert. Wir nehmen nur diejenigen aus, die eine nebenberufliche Tätigkeit haben. Sie können ausgenommen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir werden nach einer gewissen Zeit, dann, wenn diese neuen Bestimmungen gelten, in der Pensionsversicherung genau das erreichen, was wir in der Krankenversicherung erreicht haben: Heute sind 99 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher in die Krankenversicherung einbezogen. (Abg. Verzetnitsch: 99,9 Prozent!) 99,9 Prozent; ich darf mich verbessern. Ich bin überzeugt davon, daß wir durch diese Maßnahmen in absehbarer Zeit die Voraussetzung schaffen, daß 99 Prozent aller Personen, die


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95. Sitzung / Seite 46

60 oder 65 Jahre alt werden, auch eine Pension bekommen und in das System der Altersversicherung direkt einbezogen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Da soll noch jemand sagen, diese neue Pensionsreform, die wir hier machen, sei nicht in die Zukunft gerichtet. – Das ist sehr wohl eine Pensionsreform, die in die Zukunft gerichtet ist, die im Jahre 2010, im Jahre 2020 erst so richtig wirken wird. Es ist klar, daß wir all diese Dinge nicht schon im Jahre 2000 verwirklichen können.

Letzter Punkt: Diese Pensionsreform ist durch eine Deckelung sozial abgefedert. Ich sage Ihnen jetzt, wie diese Abfederung wirkt. – Sie würde nicht wirken, wenn das gemacht werden würde, was die Liberalen wollen. – Ich nehme als Beispiel das Jahr 2010 her: Jemand, der im Jahre 2010 mit 10 000 S in Pension treten würde, müßte eine Minderung – wenn man diese Abfederung nicht machen würde – von mindestens 4 Prozent, vielleicht sogar eine solche von 5 Prozent hinnehmen. Deswegen, weil wir nicht akzeptieren können, daß Personen, die so niedrige Pensionen bekommen, die zirka 10 000 S Pension bekommen, nochmals Abzüge wegen des Durchrechnungszeitraumes haben, weil der Durchrechnungszeitraum dann schon zu wirken beginnt – im Jahre 2010 wirkt er schon sehr stark –, haben wir die Abfederung mit der Deckelung eingeführt. Das ist sozial notwendig, sozial gerecht und sozial unbedingt verträglich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es ist in den letzten Tagen immer wieder gesagt worden, der Sozialausschuß, der Nationalrat sei lediglich Befehlsempfänger der Regierung. Wir haben im Sozialausschuß diese Vorlage in vier Sitzungen – ich weiß nicht, in wie vielen Stunden, jedenfalls aber in vielen Stunden – eingehend diskutiert. Wir haben einen Antrag eingebracht, der 13 Seiten umfaßt. Dieser Antrag wurde im Ausschuß erarbeitet, und zwar natürlich in enger Zusammenarbeit mit der Frau Ministerin, mit dem Sozialministerium.

Wir haben genau das gemacht, was wir immer im Sozialausschuß gemacht haben – Frau Ministerin Hostasch weiß das von früher her, als sie im Sozialausschuß noch Fraktionsführerin war –: Wir haben die Dinge im Sozialausschuß gründlich diskutiert, auch zwischen den Regierungsfraktionen, und Änderungen, die notwendig waren, vorbereitet – und dann im Sozialausschuß beschlossen.

Wenn man einen Abänderungsantrag von 13 Seiten – und ein solcher enthält wesentliche inhaltliche Veränderungen – im Sozialausschuß beschließt, dann kann man nicht sagen, daß der Sozialausschuß lediglich von der Regierung vorgegebene Dinge übernommen habe oder daß er von der Regierung nicht weiter beachtet würde. Im Gegenteil: Die Arbeiten im Sozialausschuß waren sehr fruchtbar, und ich möchte auch feststellen, daß wir gewisse Anregungen, die vom Abgeordneten Haupt und von anderen Abgeordneten der freiheitlichen Fraktion und von den Liberalen gekommen sind, natürlich aufgegriffen haben. Ich denke da vor allem an die Formulierung bezüglich der neuen Selbständigen beziehungsweise an die Änderungen betreffend Werkvertragsregelung.

Abschließend möchte ich sagen: Unsere grundsätzliche Einstellung zur Pensionsreform war richtig, unsere Vorstellungen werden umgesetzt: zum einen durch die Schaffung von mehr Gerechtigkeit zwischen den beiden Systemen, zum anderen durch eine gleichwertige Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Pflichtversicherung; das ist ein ganz wichtiger Punkt! Wir haben – das ist richtig – kaum Maßnahmen gesetzt, um den Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand zu erschweren, es werden aber arbeitsmarktpolitische Maßnahmen vorgesehen, um älteren Arbeitnehmern größere Chancen für einen Wiedereintritt ins Erwerbsleben zu ermöglichen; das ist ebenfalls ein ganz wichtiger Punkt.

Aus diesem Blickwinkel heraus können wir – und ich hoffe, daß auch hier ein ebenso differenziertes Abstimmungsergebnis wie im Ausschuß zustande kommt – diese Pensionsreform und diese Regierungsvorlage mit den Abänderungsanträgen des Sozialausschusses wirklich mit gutem Grund zur Kenntnis nehmen und heute beschließen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.23


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95. Sitzung / Seite 47

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.23

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Werter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Ministerbank! Hohes Haus! Anders als Kollege Kier das noch versucht hat – mit dem Trick, zunächst lediglich die Vorteile der Reform zu nennen –, werde ich nicht mit den Vorteilen dieser Pensionsreform beginnen, sondern ich werde versuchen, einmal zusammenzufassen, was wir als Problem bei dieser Pensionsreform sehen.

Aus der Sicht der Grünen ist diese Pensionsreform perspektivlos und unsolidarisch, sie stößt an die Systemgrenzen, die durch das ASVG gesetzt sind, sie hat eine komplizierte Legistik noch komplizierter gemacht, sie ist ungerecht gegenüber den Jungen, und sie hat kein differenziertes Konzept für die Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik zur Grundlage. Ich werde Ihnen das im Detail zu erklären versuchen. (Abg. Auer: Das wird beim jämmerlichen Versuch bleiben!)

Diese Pensionsreform ist perspektivlos, weil ihr kein Entwurf zugrunde liegt, wie die Gesellschaft, wie die Wirtschaft im Jahre 2030 – und Sie geben ja vor, daß diese Pensionsreform im Jahrzehnt 2020/2030 zum Tragen kommen soll – beschaffen sein wird. (Abg. Dietachmayr: Wissen Sie das?) Nein, aber ich habe eine Vorstellung davon, in welche Richtung die derzeitige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt geht, und diese Vorstellung bereitet mir Sorgen, da Sie mit Ihrem Entwurf dieser Entwicklung nicht Rechnung tragen. Denn eines ist erkennbar, Kollege Dietachmayr: Die Arbeitsverhältnisse werden immer prekärer. Immer häufiger müssen wir – und das betrifft nicht uns hier im Hohen Haus, sondern die Jugend draußen – damit rechnen, daß die Jugend keine kontinuierliche Erwerbsbiographie haben wird, daß man mit 15 oder 20 Jahren in einem Betrieb zu arbeiten anfängt und mit 60 oder 65 Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheidet. Das ist sicher, das kann ich erkennen, dazu brauche ich kein Hellseher zu sein, Kollege Dietachmayr, um dies zu wissen. Ich brauche lediglich die entsprechenden Statistiken auszuwerten und die Stellungnahmen der Sozialwissenschaftler zu hören, um das feststellen zu können. (Abg. Verzetnitsch: Was spricht dann dagegen, genau diese Entwicklung bei der Pension zu berücksichtigen?)

Diese Entwicklung, Kollege Verzetnitsch, findet sich in dieser Pensionsreform nicht wieder (Widerspruch des Abg. Verzetnitsch ), und ich werde versuchen, das ganz kurz zu erklären. Diese Entwicklung findet sich in dieser Pensionsreform deswegen nicht wieder – und damit bin ich bei der Kritik an Herrn Professor Rürup, der ja die Grundlage dafür geliefert hat –, weil das Gutachten, von dem ich meine, daß es sowohl aus Versicherungssicht als auch aus finanzwissenschaftlicher Sicht ein ausgezeichnetes Gutachten ist – dafür steht Herr Professor Rürup –, keine Einbettung in die Sozialpolitik, keine Einbettung in ein tiefergehendes Verständnis davon, in welcher Gesellschaft wir im Jahr 2020 oder 2030 leben werden, enthält. Das Problem besteht darin – damit bin ich bei der Kritik am Kollegen, besser gesagt: an Herrn Professor Rürup, denn ich bin nicht sein Kollege –, daß er im Prinzip davon ausgeht, daß es eine Verstärkung des Erwerbs- und Versicherungsprinzips geben soll, ja geben muß. (Abg. Koppler: Schau dir doch die Entwicklung im ASVG an!)

Da bin ich wahrscheinlich im Dissens mit vielen Kolleginnen und Kollegen aus der sozialdemokratischen Fraktion, aus der Gewerkschaft: Sie gehen im Prinzip davon aus, daß die Sozialversicherung dieses Erwerbs- und Versicherungsprinzip verstärken muß. Aber ich sage Ihnen: Das soziale Prinzip muß verstärkt werden! Wir haben – das sehen wir ja derzeit schon bei der Betrachtung des Pensionssystems – folgendes zur Kenntnis zu nehmen: Immer mehr Personen – und dies, obwohl wir ein relativ teures Pensionssystem, eigentlich ein sehr teures Pensionssystem haben, und zwar in der Summe, wenn wir alle Pensionssysteme einbeziehen – erhalten trotz dieses sehr teuren Pensionssystems Pensionen, die am Rande der Armutsgrenze liegen.

Wenn zwei Drittel der Menschen, die nach dem ASVG versichert sind, etwa 10 000 S an Pension erhalten – und das ist die Realität! –, dann kann man sich nicht auf die Schulter klopfen und


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sagen: Wir haben ein gutes, wir haben ein ausgezeichnetes Pensionssystem! Das kann man nicht sagen, eher das Gegenteil: daß dieses Pensionssystem für einige ausgezeichnet, für viele jedoch schlecht ist. Aber wir haben die Konsequenzen daraus zu ziehen, und das kann nicht heißen, das Erwerbs- und Versicherungsprinzip zu verstärken. (Versuch eines Zwischenrufes des Abg. Verzetnitsch. ) – Ich spreche diesen Satz noch zu Ende, und dann bin ich gerne bereit, den Zwischenruf anzunehmen.

Es kann also nicht heißen: Verstärkung des Erwerbs- und Versicherungsprinzips, sondern Verstärkung des Solidarprinzips. Das Pensionssystem muß nach unten hin abgedichtet werden. Aber diese Konsequenz fehlt mir bei der gegenwärtigen Pensionsreform! (Beifall bei den Grünen.)  – Bitte, Kollege Verzetnitsch. (Abg. Verzetnitsch: Die Pension kann nicht das ersetzen, was zuerst im Erwerbseinkommen nicht da war!)

Das ist ja das Problem, das habe ich ja gestern zu erklären versucht! Das Problem unseres derzeitigen Pensionssystems ist doch unter anderem auch – nicht das ASVG, sondern alle Pensionssysteme betreffend –, daß es die Ungerechtigkeiten des Erwerbslebens, der Erwerbseinkommen nicht nur nachbildet, sondern sogar verstärkt. (Widerspruch des Abg. Verzetnitsch. ) Selbstverständlich!

Es gibt Erwerbseinkommen – ja, ich weiß, daß das den Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion unangenehm ist! (Abg. Koppler: Es ist nicht unangenehm, aber es stimmt nicht, Öllinger!)  –, die zwischen 10 000 S und maximal 100 000 S oder 150 000 S liegen, das ist eine Differenz von 1 :  10 oder 1 :  15. Im Pensionssystem bei den niedrigen Pensionen der Arbeiterinnen, der Bäuerinnen, der selbständigen, der gewerbetreibenden Frauen gibt es Pensionen von 3 000 S, 4 000 S oder 5 000 S, und die Höchstpensionen – nicht im ASVG, im Beamten-Pensionssystem; ich rede von allen Pensionssystemen! – liegen bei 100 000 S. Da gibt es dann eine Differenz von 1  :  20 oder 1 :  25. Da sind wir bei einem Problem dieses Pensionssystems.

Wenn die Lohn- und Einkommensdifferenzen im Pensionssystem nicht nur nachgebildet werden, sondern durch dieses sogar verstärkt werden, dann ist das ungerecht. Daher sind Korrekturen dringend notwendig, die dem Solidaritätsprinzip verstärkt Rechnung tragen.

Da meine ich: Ihre Pensionsreform bietet keine Antwort auf diese Problematik! Ihre Pensionsreform bietet keine Perspektive! Im Jahre 2030, dann, wenn dieses Pensionssystem völlig zum Tragen kommen werden wird – wobei ich annehme, Herr Kollege Dietachmayr, daß es dann wahrscheinlich mehr Personen geben wird, die nicht durchgängig arbeiten werden –, werden wir uns damit auseinanderzusetzen haben. Sie werden mir zustimmen, daß das eine Realität ist: Es wird vermutlich mehr Menschen geben, die nicht mehr im traditionellen und klassischen Verhältnis des unselbständig Erwerbstätigen, sondern in Werkverträgen, im Rahmen von Projektarbeit oder wie immer das heißen mag arbeiten werden, wobei ich annehme, daß die soziale Sicherheit, die Sie über die Versicherungspflicht von Werkverträgen einzuziehen versucht haben, in dieser Form nicht aufrechtzuerhalten sein wird.

Wir werden – damit bin ich bei einem weiteren Problem angelangt – neue Finanzierungsgrundlagen für dieses Sozialversicherungssystem brauchen. Wenn Sie schon behaupten, Sie schaffen mit dieser Pensionsreform die Voraussetzungen dafür, daß die Pensionen im Jahre 2030 gesichert sind, dann sage ich Ihnen: Diese Grundlagen fehlen auf alle Fälle! Ich habe bereits gesagt: Diese Pensionsreform ist perspektivlos. Der zweite Punkt ist: Diese Pensionsreform ist auch unsolidarisch.

Dieses Pensionssystem ist deswegen unsolidarisch, weil es viele draußen läßt. Ich brauche Ihnen nur einige Eckdaten zur Begründung dieser Behauptung zu nennen: Frauen brauchen genauso wie Männer nach wie vor 15 Versicherungsjahre, um einen Pensionsversicherungsanspruch nach dem ASVG zu erwerben, doch es ist für Frauen wesentlich schwieriger als für Männer, in dieses System überhaupt hineinzukommen. Es gibt keine echte Mindestsicherung im System. Es fehlt eine solche für jede Person, die in diesem Land alt geworden ist.

Man kann darüber viel diskutieren. Auch Kollege Feurstein ist ganz entsetzt darüber gewesen, daß es möglich sein könnte, daß irgendeine Person in Österreich alt wird und eine Pension


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erhält, obwohl sie keine Beiträge dafür bezahlt hat. Ich sage Ihnen, Kollege Feurstein: Ja, es ist gerechtfertigt, daß ein Mensch, auch wenn er, aus welchen Gründen auch immer, nicht durch Erwerbsarbeit für seinen eigenen Lebensunterhalt sorgen konnte, im Alter eine Pension erhält. Dazu stehen wir! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren von der Regierung! Ich gebe zu, daß Sie ein paar Punkte in die Pensionsreform einbezogen haben – so etwa die Anrechnung von Kindererziehungszeiten, Deckelung und Valorisierung –, die deren Auswirkungen gerade im unteren Pensionsbereich mildern. Es sei mir aber die Frage erlaubt: Warum soll jemand mit 10 000 S oder 11 000 S überhaupt eine geminderte Pension erwarten können? Warum überhaupt? Wir müssen doch darauf achten, daß wir gerade im unteren Einkommensbereich ein Niveau erreichen, das einem internationalen Vergleich standhält. (Abg. Hagenhofer: Aber das ist doch bei Ihrem Pensionsmodell nicht der Fall!)

Meine Damen und Herren! Sie können noch so sehr das Schweizer Pensionssystem kritisieren, das holländische, das finnische und so weiter, aber eines weisen diese Systeme auf: eine stabile Grundsicherung in den unteren Einkommensbereichen. Eine solche haben wir in Österreich nicht. Das ist tatsächlich ein großer Unterschied! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich habe gesagt, dieses Pensionssystem stößt an die Systemgrenzen, weil es zum Beispiel klar erkennbar nicht gelingt, bei den geringfügig Beschäftigten – und dies, auch wenn Sie diesen Anspruch aufrechtzuerhalten versuchen und sich dabei wiederholt auf die Schulter klopfen – eine sozial ausgewogene Lösung zu finden, auch wenn Sie sagen: Wir haben die geringfügig Beschäftigten in das soziale Sicherungssystem mit einbezogen. Sie wissen genausogut wie ich, daß Sie sie nur finanziell mit einbezogen haben, und zwar arbeitgeberseitig. Sie haben keinen Anspruch dafür geschaffen, daß geringfügig Beschäftigte tatsächlich automatisch sozialversichert sind.

Sie haben eine Opting-in-Variante eröffnet, und damit haben Sie eine Grenze überschritten. Wir haben in Österreich ein Pflichtversicherungssystem. Ich stehe dazu, ich halte es für gut. Opting-in ist jedoch keine Pflichtversicherung mehr, es ist der Bruch des Pflichtversicherungssystems. Wir stehen vor der Situation, daß wir bei geringfügig Beschäftigten arbeitgeberseitig zwar unter bestimmten Voraussetzungen Sozialversicherungsbeiträge einheben, diesen jedoch keine Leistung gegenübersteht. Was hat das mit Pflichtversicherung zu tun? Dieser Pflichtversicherung steht keine Leistung gegenüber. Erst dann, wenn der oder die geringfügig Beschäftigte bereit ist, 500 S an Sozialversicherungsbeiträgen abzuführen, erwirbt er oder sie einen Leistungsanspruch. Das ist keine Pflichtversicherung! (Abg. Hagenhofer: Das muß man bei einer Pflichtversicherung ja auch!)

Wir haben das Problem – auch darüber könnten wir länger diskutieren –, daß zum erstenmal grundsätzlich vom Individualversicherungsprinzip abgegangen wird, und zwar gerade durch den arbeitgeberseitigen Pflichtversicherungsbeitrag. Jeder Leistung, jeder Versicherung, die der einzelne einzahlt – arbeitgeberseitig, arbeitnehmerseitig –, muß auch eine entsprechende Leistung gegenüberstehen. Da haben wir jedoch keine Leistung. Das ist ein Systembruch!

Ich stünde zu einem Systembruch, würde er Perspektiven eröffnen. Nur: Dieser Systembruch eröffnet keine Perspektiven. Es gibt da ein verfassungsmäßiges Problem, das wissen Sie, auch wenn ein Gutachten des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt ergeben hat, daß ein solcher möglich und denkbar sei, und dafür auch noch schlechte Beispiele liefert, warum ein solcher denkbar sei. Es gibt da meiner Ansicht nach ein verfassungsrechtliches Problem, und es entsteht auch ein Problem dadurch, daß Sie diese Situation nicht überzeugend gelöst haben. Eine überzeugende Lösung wäre eine Anbindung an die Lohnsumme gewesen. Eine solche wäre denkbar, auf diese Weise könnten wir auch die Beiträge senken. Doch dies geht deshalb nicht, weil bei den Unternehmen und damit bei den der ÖVP-nahestehenden Interessengruppen eine lohnsummenbezogene arbeitgeberseitige Abgabe auf große Widerstände stoßen würde.

Das ist keineswegs eine ehrliche, eine in die Zukunft weisende Lösung. Es ist ein undurchschaubares System, das Sie da geschaffen haben, und zwar gerade im Bereich der geringfügig Beschäftigten, wobei Sie dem Mißbrauch Tür und Tor öffnen. Denn ich sage Ihnen: Von den


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tatsächlich geringfügig Beschäftigten wird wahrscheinlich kaum jemand diese Perspektive nützen können, Opting-in zu machen, wenn es dabei tatsächlich um geringfügige Beschäftigung geht. Hingegen kann der Sohn eines Notars, eines Rechtsanwalts aufgrund dieser neuen gesetzlichen Möglichkeiten während seines Studiums beispielsweise um 500 S als geringfügig Beschäftigter angemeldet werden, während er derzeit für eine freiwillige Weiterversicherung in der Krankenversicherung wesentlich höhere Beiträge zu zahlen hätte. Es wird damit einer Umgehungsmöglichkeit Tür und Tor geöffnet, die mit der Schaffung einer sozialen Absicherung für jene, die es nötig haben, wenig zu tun hat.

Trotzdem gestehe ich Ihnen zu, daß im Bereich der geringfügig Beschäftigten vom Ansatz her ein Schritt in die richtige Richtung erfolgt ist, doch ist das ASVG an seine Grenzen gestoßen. Der deutlichste Beweis dafür ist die Situation im Bereich der Pflegeversicherung. Sie haben jetzt durch die Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten in die Pflegeversicherung die Situation geschaffen, daß sich die Pflegebedürftigen ihre persönlichen Assistenzen, die derzeit geringfügig Beschäftigte sind, nicht mehr in der bisherigen Form leisten können, weil sie für diese 20 Prozent Sozialabgaben zahlen müssen. Das heißt aber nichts anderes, als daß das Pflegegeld um eben diese 20 Prozent gemindert ist. Sie wissen genausogut wie ich, daß der Stundensatz für diese Pflege zwischen 30 S und 50 S liegt.

Aber hier kommen Sie heraus und sagen – Herr Abgeordneter Feurstein hat das ja getan –: Wir sind froh darüber, daß diese Personen in eine soziale Sicherung einbezogen sind! – Sie sind in Wahrheit nicht einbezogen! Es wird arbeitgeberseitig vom Pflegebedürftigen abkassiert, und die persönliche Assistenz erhält zunächst einmal überhaupt keine Gegenleistung dafür, sondern sie kann sich um 500 S einkaufen – und das bei einem Stundenlohn für die Pflege, der zwischen 30 S und 50 S liegt. Wenn Sie das wirklich für eine gelungene Lösung halten, dann sind Sie nicht gut informiert! Das ist wirklich keine gute Lösung! (Abg. Verzetnitsch: Herr Kollege Öllinger, die Geschichte wird es beweisen!)

Ein weiterer Punkt: Sie haben gerade durch die Zuordnungen im Bereich der Selbständigen und der Unselbständigen – Kollege Kier hat diesbezüglich schon vieles vorweggenommen – der Merkmale im sozialrechtlichen Teil wieder Bruchlinien geschaffen, die die Legistik des ASVG, die ohnehin schon katastrophal ist, noch undurchschaubarer machen. Ich bringe, weil es mir sehr gut gefällt, immer wieder das Beispiel aus der Schweiz, wo die Alters- und Hinterbliebenenversorgung, die AHV, in den 60 oder 70 Jahren ihres Bestehens inzwischen elfmal, glaube ich, revidiert wurde. Die elfte Revision steht bevor oder ist bereits abgeschlossen; ich weiß das jetzt nicht genau.

Wir haben in Österreich ein ASVG, das seit 1955 in Kraft ist, mit 54 offiziell gezählten Novellen und 125 inoffiziellen Novellierungen. Derzeit ist die 126. Novelle in Verhandlung.

Ich weiß schon, diese Novellen beziehen sich nicht alle auf das Pensionssystem, aber schauen Sie sich an, wie oft das ASVG in den letzten Jahren novelliert worden ist. Wir haben in den Anfangsjahren bei den Novellierungen eine Taktrate von einer pro Jahr gehabt. Inzwischen haben wir beim ASVG seit drei, vier Jahren vier Novellierungen jährlich. Vier Novellierungen pro Jahr! Wer soll das nachverfolgen können? Wer ist noch imstande, das ASVG zu verstehen? – Herr Kollege Feurstein, Seien Sie ehrlich: Sie nicht und ich auch nicht! (Abg. Murauer: Niemand! – Abg. Dr. Feurstein: Es kommt eine Neukodifizierung!)

Wir beschließen aber hier dieses Gesetz. Sogar wir können uns bei diesem ASVG irren, obwohl wir besser informiert sind als viele andere Bürger dieses Landes. Die Bürger dieses Landes können dieses Gesetz einfach nicht verstehen. Aber das ist doch furchtbar! Bedenken Sie, das ist eines der wichtigsten Sozialgesetze dieser Republik, und wir müssen achselzuckend sagen: Irgend jemand wird es schon noch erklären können! – Wenn ich versuche, mir Informationen aus dem sicher sehr gut und kompetent bestückten Ministerium zu holen, dann erlebe ich manchmal auch meine Wunder. Auch dort habe ich das Problem, daß der eine Beamte etwas anderes sagt als der andere. (Abg. Reitsamer: Das ist nicht nett, auf die Beamten hinzuhauen!) Ist das eine Grundlage dafür, daß man sich auf die Schulter klopft und sagt: Dieses Gesetz ist zukunftsfähig!? – Ich glaube nicht!


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Nächster Punkt: Dieses Gesetz ist gegenüber den Jungen ungerecht. Das betrifft sowohl die Transferleistungen, die im Bereich der Beschäftigten nicht erhöht worden sind, als auch die Notstandshilfe und das Karenzgeld.

In diesem Zusammenhang bringe ich folgende Anträge ein:


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Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Änderung des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes (886 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (912 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz wird wie folgt geändert:

§ 6 Abs. 8 erster Satz entfällt."

*****

Der zweite Antrag lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Änderung des Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1997 – ASRÄG 1997 (886 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (912 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997 – ASRÄG 1997 wird wie folgt geändert:

Art. 3, Änderung des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, Z 3 entfällt."

*****

Der nächste Abänderungsantrag lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Änderung des Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1997 – ASRÄG 1997 (886 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (912 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997 – ASRÄG 1997 wird wie folgt geändert:

Artikel 5, Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, Abschnitt 2 Z 9 entfällt."

*****

Der vierte und letzte Antrag lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Änderung des Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1997 – ASRÄG 1997 (886 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (912 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997 – ASRÄG 1997 wird wie folgt geändert:

1. Art. 5 Z 17 ArbeitslosenversicherungsGes 1977 entfällt.

2. Artikel 6, Änderung des Karenzgeldgesetzes:

Z 9 "Sonderbestimmungen für 1998 und 1999" entfällt.

§ 7 Abs. 1 Karenzgeldgesetz lautet: "Das Karenzgeld beträgt, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, 192,70 S täglich."

*****

Worum geht es bei diesem Antrag? – 15 Milliarden Schilling entnehmen Sie dem Budget der Arbeitslosenversicherung für die Jahre 1998 und 1999. Sie weigern sich, das Karenzgeld und die Notstandshilfe in diesen zwei Jahren zu valorisieren. Sie transferieren 15 Milliarden Schilling in den Bereich der Arbeitslosenversicherung und sagen dann noch (der Redner hält eine Ausgabe des "Standards" in die Höhe): Darauf können wir stolz sein! Wir machen das nicht so wie die Deutschen, die die Pensionsversicherungsbeiträge in diesem Jahr erhöhen!

Wissen Sie, daß das, was Sie aus der Arbeitslosenversicherung in die Pensionsversicherung transferieren, einer Beitragserhöhung von einem Prozent entspricht? (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Wissen Sie, daß das einer Erhöhung von Pensionsversicherungsbeiträgen gleichzusetzen ist? – Das stammt doch nur aus einem anderen Topf! Ich meine, so einfach sollten Sie es sich nicht machen.

Ich komme schon zum Schlußsatz. Sie haben in Wirklichkeit nicht den Mut gehabt, den Herausforderungen tatsächlich zu begegnen. Der Versorgungsstaat wandelt sich zu einem Hochrisikostaat. Wir brauchen mehr Solidarität – und nicht weniger. Wir brauchen mehr Sozialstaat – und nicht weniger. Diese Herausforderung sollten Sie annehmen! (Beifall bei den Grünen.)

11.44

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die Abänderungsanträge, die Herr Abgeordneter Öllinger vorgetragen hat, sind ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlung mit einbezogen.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Hostasch. – Bitte, Frau Ministerin.

11.44

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, daß dann, wenn Sie heute diese Regierungsvorlagen in der Fassung der Abänderungsanträge beschließen werden, unser gemeinsames Ziel, unser qualitativ gut ausgebautes Alterssicherungssystem zu bewahren und auch für zukünftige Herausforderungen zu rüsten, erreicht werden kann.

Es sind sozial verträgliche Änderungen innerhalb dieses Systems vorgenommen worden, ohne auf ein anderes System umsteigen zu müssen. Mit diesen Änderungen werden nach meiner Überzeugung sowohl die Akzeptanz als auch die Finanzierbarkeit in der Zukunft deutlich gefestigt werden.

Wenn hier in bezug auf Reformen davon gesprochen wird, wir hätten in Österreich 54 ASVG-Novellen – eigentlich sind es mehr als 100 ASVG-Novellen –, dann, sehr geschätzte Damen und

 


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Herren, muß ich sagen: Dies ist aus meiner Sicht sogar eine Stärke unseres Versorgungssystems, eine Stärke des österreichischen Sozialversicherungssystems, weil es durch diese Veränderungen immer wieder möglich war, sich auf gesellschaftliche, auf wirtschaftliche, aber auch auf arbeitsrechtliche Veränderungen einzustellen. (Beifall des Abg. Dr. Feurstein. ) Gerade diese Novelle zeigt, daß genau diese Entwicklung eingetreten ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Feurstein. )

Meine Damen und Herren! Es sind die neuen Arbeitsformen, die neuen Erwerbsbiographien, aber nicht zuletzt auch die demographische Entwicklung, die uns veranlaßt haben, Sie mit dieser Regierungsvorlage und den auch von Ihnen diskutierten Abänderungsanträgen zu befassen.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Erlauben Sie mir, auch auf die Zielsetzung dieses Konzeptes zu verweisen. Es geht uns darum, einerseits eine Angleichung der Systeme der Altersversorgung in Österreich zustande zu bringen, aber auch darum, den Generationenvertrag zu stärken. Es ist, um die künftigen Beitragsbelastungen der jetzt Erwerbstätigen in Grenzen zu halten und um die Finanzierbarkeit des Pensionssystems langfristig zu sichern, notwendig, den Anstieg der Neupensionen etwas zu bremsen. Das bedeutet – und das haben wir nie verheimlicht –, daß die Nettoersatzrate durch die Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes, aber auch durch andere Änderungen etwas gemindert wird.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Dennoch – und diesbezüglich hat es in der Vergangenheit oft Irrtümer gegeben – ist zu erwarten, daß die Neupensionen über dem Durchschnitt der jetzt bestehenden Pensionen liegen werden. Das heißt aber nicht, daß, in absoluten Zahlen gesehen, nach dem bisherigen System eine Pensionskürzung anfallen wird, sondern es geht nur darum, daß die Steigerungen etwas geringer als im alten System ausfallen werden. Aber genau das soll und wird den Generationenvertrag stärken.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Weil ich aus vielen Diskussionen – auch aus den Diskussionen im Ausschuß – weiß, daß es natürlich ein sehr komplexes Werk ist, das hier heute zur Beschlußfassung vorliegt, und daß die Frage des Vertrauensschutzes ein sehr wichtiger Punkt ist, möchte ich doch bei einigen der Punkte, die hier diskutiert und anschließend beschlossen werden sollen, auf den zeitlichen Rahmen, auf die Zeittafel und das Inkrafttreten verweisen.

Es werden mit 1. Jänner 1998 zum Beispiel folgende Punkte – ich zähle nicht alle Punkte auf, die beschlossen werden – in Kraft treten. Es war zum Beispiel die vorhin von mir genannte Frage schon Gegenstand der bisherigen Debatte.

Es geht darum, daß wir vom 1. Jänner 1998 an grundsätzlich eine Einbeziehung aller Erwerbseinkommen, einschließlich jener der geringfügig Beschäftigten, in die Sozialversicherung vornehmen. Damit erreichen wir – das wurde hier heute schon angesprochen –, daß wir auch in der Pensionsversicherung sukzessive jenen Status erreichen, den wir in der Krankenversicherung bereits erreicht haben. Das heißt, daß alle Menschen einen Anspruch auf Altersversorgung haben werden, egal, ob sie selbständig oder unselbständig tätig sind, ob sie einen freien Beruf ausüben oder ob sie einer Beschäftigung nachgehen, die dazwischen liegt. Wir wissen, daß sich derzeit neue Formen von Beschäftigungen entwickeln, die durch die herkömmlichen Erfassungssysteme nicht erfaßt werden konnten.

Es ist dies ein Meilenstein in unserem Sozialversicherungsrecht. Gerade die Frage der Einbeziehung der geringfügig Erwerbstätigen, wie wir sie jetzt zur Diskussion gestellt haben und beschließen wollen, wird von anderen Ländern, insbesondere von Deutschland, mit sehr großem Interesse verfolgt.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal begründen, warum wir uns zu dem entschlossen haben, was hier heute zur Beschlußfassung vorliegt.

Es ist uns darum gegangen, eine praxisorientierte Lösung zu finden, die genau das Ziel erreicht, das wir erreichen wollen, nämlich die Wettbewerbsvorteile für jene Unternehmer zu beseitigen, die Arbeitsverhältnisse im Sinne von Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen, Vollbeschäftigungs


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verhältnissen mehr und mehr durch geringfügige Arbeitsverhältnisse substituieren wollen, um damit der Arbeitgeberseite Wettbewerbsvorteile im Verhältnis zu jenen Unternehmungen zu verschaffen, die mit "normalen" – unter Anführungszeichen – Arbeitsverhältnissen ihre Dienstleistungen erbringen.

Damit betreten wir einen neuen Weg und schlagen genau die Richtung ein, die Herr Abgeordneter Öllinger vorhin angesprochen hat: Wir nehmen erstmals im Rahmen unserer Sozialversicherungsgesetzgebung die Lohnsumme auf Arbeitgeberseite als Bemessungsgrundlage für den Sozialversicherungsbeitrag. (Abg. Öllinger: Nur bei den geringfügig Beschäftigten!) Das ist ein erster Schritt zu einer Lösung, von der ich überzeugt bin – die Entwicklung muß ja weitergehen –, daß wir sie weiterentwickeln werden. Ich glaube, das ist ein richtiger Schritt. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, daß es falsch gewesen wäre, auf der Arbeitnehmerseite für jede Form der geringfügigen Beschäftigung eine zwangsweise Einbindung in die Sozialversicherungspflicht vorzunehmen. Sehen wir uns doch die Praxis an: Es sind nicht nur Personen wie geringfügig Beschäftigte bei Reinigungsberufen, bei Großhandelsunternehmen oder bei den Handelsketten davon betroffen. Wenn man sich umsieht, dann erkennt man, daß viele Menschen zwei, drei, vier Mal im Jahr für irgendeine Dienstleistung einen geringfügigen Betrag als Entschädigung erhalten, vielleicht einmal 2 000 S, einmal 3 000 S. Hätten wir diese geringfügigen Beträge gleichermaßen einer Sozialversicherungspflicht unterworfen, ohne daß überhaupt eine sozialversicherungsrechtliche Bedürftigkeit gegeben ist, dann hätten wir, wie ich meine, zu Recht vorgeworfen bekommen, daß wir nur abcashen wollen, und diesem Vorwurf wollten wir uns auf keinen Fall aussetzen.

Sehr geschätzten Damen und Herren! Uns geht es darum, daß auch jene, die einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen, die Chance bekommen, sich selbst auf Basis der jetzt geltenden Geringfügigkeitsgrenze bei Erwerb eines Pensionsmonates zu entscheiden, diese Entscheidung auch selbst zu treffen und damit den Schutz der gesetzlichen Sozialversicherung zu haben. Ich glaube, diese Lösung ist ein moderner Weg, ein richtiger Weg und ein sozial kompatibler Weg! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Tichy-Schreder. )

Sehr geschätzte Damen und Herren! Lassen Sie mich bei der Liste der Punkte, die mit 1. Jänner 1998 in Kraft treten werden, nur ganz kurz und stichwortartig auf jene zu sprechen kommen, die zur Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters führen sollen.

Es wurde versucht, eine wichtige Zielsetzung unter Wahrung der Realitäten auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen. Wir alle wissen, daß es ganz entscheidend sein wird, daß wir bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit noch erfolgreicher sind. Wir wissen, daß wir erfolgreicher sein müssen, daß die Beschäftigung von älteren Arbeitnehmern in den Betrieben sichergestellt wird, daß durch verschiedene Begleitmaßnahmen das pensionsversicherungsmäßige Ziel erreicht wird.

Ich bin sehr froh darüber, daß sogar von der kritischen Opposition einige Maßnahmen als in die richtige Richtung führend bezeichnet wurden, zum Beispiel die Fragen der Gleitpension oder etwa auch die Möglichkeit, Teilzeitbeschäftigung in einer offensiveren Form wahrnehmen zu können, oder zum Beispiel auch die Möglichkeit eines Solidaritätsprämienmodells.

Herr Kollege Kier! Ich kann Ihnen versichern: Ich habe mit dem Begriff "Solidarität" kein Problem. Es sollte damit nur zum Ausdruck kommen, worum es uns dabei geht, nämlich um die Solidarität von Arbeitnehmern mit jenen Mitmenschen, die noch keine Beschäftigung haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Kier: Zu lange!)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Lassen Sie mich auch darauf verweisen, daß wir natürlich auch, um die Gleichwertigkeit in den Systemen zu verbessern, dafür Sorge getragen haben, daß der Eigenfinanzierungsgrad in den Pensionsversicherungssystemen der Selbständigen verbessert wurde. Es haben verschiedenste Gründe dazu geführt, daß in diesem Bereich ein Ungleichgewicht gegeben war, und es wurde nun budgetär vorgesorgt, daß dieses Ungleichgewicht etwas abgemildert wird.


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Erlauben Sie mir, unter den vielen Punkten, die mit 1. Jänner 1998 in Kraft treten werden, noch auf einen speziellen Punkt zu verweisen – ich meine, daß wir damit besonders ein Anliegen der Frauen erfüllen können –: Es gibt das Angebot, daß Pflegepersonen bei Bedarf, das heißt, wenn sie jemanden pflegen, der in der Pflegestufe fünf oder in einer höheren Pflegestufe ist, und aus diesem Grunde die Berufstätigkeit unterbrechen, die vergünstigte Möglichkeit haben, sich in der Pensionsversicherung weiter zu versichern. Wir bleiben aber bei dem Grundsatz, der für alle Pensionssysteme gilt, nämlich daß da ein gleichwertiger und gleicher Gesamtprozentsatz zur Erwerbung von Pensionszeiten erreicht wird. Der Arbeitgeberbeitrag für diese Personengruppe wird aus dem Budget der Pflegevorsorge übernommen. Ich meine, damit können Versicherungslücken, die sonst bei Frauen, die Pflege leisten, entstehen würden, in einer auch zukunftsorientierten Form geschlossen werden. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich möchte mich auch bei den Verhandlern, bei den Vertretern der Bauern und der Selbständigen, dafür bedanken, daß es uns gelungen ist, in einer schrittweise in Kraft tretenden Form einen sehr strittigen Punkt zu lösen, der Jahrzehnte hindurch immer wieder Anlaß zur Kritik, zum Vorwurf der Ungleichheit, der Ungerechtigkeit geführt hat, nämlich die Subsidiarität. Es ist nunmehr gelungen, diese doch schrittweise abzubauen. Damit wird ein wesentlicher Schritt in Richtung Gleichwertigkeit und Akzeptanz innerhalb der einzelnen versicherten Gruppen beigetragen. Ich glaube, das ist ein herzeigbares Ergebnis und auch ein in sich abgerundetes Ergebnis.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Erlauben Sie mir, auch auf die Harmonisierung der Systeme ganz kurz zu verweisen. Das war ein zentraler Punkt der Verhandlungen, der wichtig ist, um die Akzeptanz, den gesellschaftlichen Zusammenhalt sicherzustellen. Es sind wesentliche Elemente der Harmonisierung in den Systemen enthalten. Ich erinnere etwa an die Harmonisierungsschritte im Beamtensystem.

Es kommt vom Jahr 2001 an zur Einführung der Ruhensbestimmungen im öffentlichen Dienst in einer gleichwertigen Form wie im ASVG. Es werden die Ruhegenüsse bei den Ruhegenußbeziehern im öffentlichen Dienst, genauso wie bei den ASVG-Pensionisten, vom Jahr 2000 an erhöht, und es wird, beginnend mit dem Jahr 2003, der Bemessungszeitraum auch im öffentlichen Dienst eingeführt. Parallel dazu wird auch in den ASVG-Gesetzen bis zum Jahr 2020 die Bemessungsgrundlage erhöht, der Durchrechnungszeitraum auf 18 Jahre verlängert.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Damit ist, wie ich meine, ein wesentlicher Schritt zur Angleichung der Systeme, die immer wieder zu doch erheblichen Diskussionen in der Bewertung der Qualität der einzelnen Pensionssysteme geführt haben, eingeleitet worden, und zwar in einer sozial verträglichen Form. Ich bin sehr froh darüber, daß sowohl im Finanzausschuß als auch im Sozialausschuß Einigkeit darüber bestanden hat, daß die sozialen Komponenten beachtet werden müssen und daß durch eine gleiche Deckelung der Auswirkung – sie erfolgt im öffentlichen Dienst und bei den ASVG-Pensionen in gleicher Weise – sozial unerwünschte Auswirkungen verhindert werden müssen. Dafür möchte ich mich bei den Verhandlern in den Ausschußberatungen in beiden Ausschüssen ganz herzlich bedanken.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich möchte auch auf die Frage der grundsätzlichen Unterschiede zwischen Umlageverfahren und Mehrsäulensystemen zu sprechen kommen. Es wird bei dieser Diskussion sehr oft übersehen, daß wir in Österreich die Möglichkeit zu einer zweiten und dritten Säule haben; Herr Abgeordneter Feurstein hat bereits darauf verwiesen.

Wir haben in diesem Hohen Haus ein Pensionskassensystem entwickelt, wir haben die entsprechenden Grundlagen für ein Betriebspensionsgesetz geschaffen, und wir haben auch für die Privatversicherungen durch das Versicherungsvertragsgesetz die rechtliche Grundlage für private Vorsorge geschaffen.

Das Entscheidende für mich ist – und ich weiß, daß es nicht nur für mich das Entscheidende ist –, welche der Säulen die primäre Aufgabe hat, die Altersversorgung zu sichern. Welche Säule soll heute und auch in Zukunft gestützt werden, und mit welcher Form der Finanzierung soll dies erfolgen? – Das trifft nach meiner tiefen Überzeugung nur auf das Umlageverfahren zu,


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so wie wir es in der Vergangenheit hatten und auch jetzt noch haben. Es ist das beste, das belastungsfähigste und flexibelste System und auch jenes, das die größtmöglichen Ansprüche in der Zukunft sicherstellt. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend sagen, daß ich wirklich davon überzeugt bin, daß es in Österreich durch ein gemeinsames Ringen um jene Kompromisse und Ergebnisse, mit denen wir die größtmögliche Akzeptanz in unserer Bevölkerung erzielen konnten, gelungen ist, einen erfolgreichen Weg fortzusetzen. Wir können der Jugend guten Gewissens in die Augen schauen und unseren jungen Leuten versichern: Wir haben den Weg bereitet, damit das gute System auch in Zukunft und auch für sie ein gutes System ist.

Wir haben gleichermaßen aber auch unserer älteren Generation zugesichert, daß sie weiterhin an einer Erhöhung der Pensionen beteiligt ist. Wir haben auch das Versprechen eingelöst, daß die Pensionen mit 1. Jänner 1998 erhöht werden, und wir haben es geschafft, daß die Akzeptanz der unterschiedlichen Systeme durch die Schritte der Harmonisierung deutlich verbessert wird und damit der gesellschaftliche Zusammenhalt auf Dauer sichergestellt ist.

Ich bedanke mich bei Ihnen für das Ringen um diesen Kompromiß, für das Aufeinander-Zugehen zur Erreichung einer gemeinsamen Lösung. Sie ist zum Wohle unserer sozialen Gesellschaft zustande gekommen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. – Herr Abgeordneter, Ihrem Wunsch entsprechend, stelle ich Ihnen eine Redezeit von 9 Minuten ein. – Bitte.

12.01

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute den zweiten Teil der Pensionsreform, und für den Fall, daß es Spekulationen gibt, noch da oder dort daran rütteln zu wollen, können Sie davon ausgehen, daß die Abgeordneten der beiden Regierungsparteien so wie den ersten Teil auch den zweiten Teil geschlossen gemeinsam beschließen werden. (Abg. Gaugg: Wurden Sie dazu vergattert?)

Lassen Sie mich nun einige grundsätzliche Feststellungen treffen. Den Gewerkschaften zu unterstellen, sie hätten kein Interesse an einer Pensionsreform, wie sehr oft behauptet wurde, ist schlicht und einfach absurd, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf daran erinnern, daß jene Gewerkschaft, die ich zum Beispiel repräsentieren darf, bereits vor mehr als 20 Jahren – und seither laufend – die Forderung erhoben hat, unser Pensionssystem grundlegend zu reformieren, Schwerpunkte zu harmonisieren und sie langfristig abzusichern. Daher hatten wir als Gewerkschaften großes Interesse daran, daß es zu dieser nun vorliegenden Reform kommt.

Lassen Sie mich einige Bemerkungen zum Ablauf der Verhandlungen machen. Nach Rust wurden von der Regierung die Sozialpartner zu Gesprächen eingeladen. Ich hoffe, daß niemand von Ihnen geglaubt hat, die Sozialpartner sagen sofort: Ja, danke, das ist es! Wenn man zu Verhandlungen bereit ist, wenn man zu Gesprächen einlädt, dann muß man auch bereit sein, sich die Argumente des anderen anzuhören, sie zur Kenntnis zu nehmen, muß zu Veränderungen bereit sein und muß einen Spielraum haben. Die Regierung war bereit, Gespräche mit uns zu führen, und sie hatte einen Verhandlungsspielraum.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber auch die Begleitmusik muß man sich ein bißchen in Erinnerung rufen. Es hat Schlagzeilen gegeben, die lauteten: Sozialpartner zur Ordnung rufen! Gewerkschafter zur Ordnung rufen! Fahrt über die Sozialpartner im Parlament drüber! (Ruf bei der ÖVP: Wer hat das gesagt?) Jedes kleinste Gespräch wurde beobachtet, jede Veränderung kritisiert, vor allem dann, wenn die Gewerkschaft da oder dort eine Veränderung erreichen konnte, weil sie Härten mildern wollte, jede kleinste Veränderung, und sei es nur ein Beistrich, wurde in der Öffentlichkeit als Sieg oder Niederlage für die eine oder andere Seite kommentiert. Sandkastenspiele haben stattgefunden, und man hat gemutmaßt: Stürzt die


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Regierung? Stürzt sie nicht? Jeder Abgeordnete von den Regierungsparteien hat sozusagen ein Mascherl umgehängt bekommen: Je nachdem, ob er der ÖGB-Fraktion oder der Arbeiterkammer-Fraktion angehört, hat man ihm ein Mascherl umgehängt und vorhergesagt, wie sein Stimmverhalten aussehen wird.

Lassen Sie mich eine persönliche Bemerkung hier machen, weil ich glaube, daß bei all dem Interesse der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung ein Mindestmaß an Fairneß gegeben sein sollte: Ich konnte einige Male lesen, wie ich mich in einer Sitzung, bei einer Abstimmung angeblich verhalten habe. Ich konnte wörtlich lesen, eine "Brandrede" gehalten zu haben. – Aber all diese Aussagen haben einen kleinen Schönheitsfehler: Ich war zum Zeitpunkt all dieser Sitzungen, in denen ich abgestimmt oder eine "Brandrede" gehalten haben soll, viele Hunderte, ja sogar Tausende Kilometer vom Sitzungsort entfernt. Doch eines konnte mir noch niemand sagen: Wie man wo abstimmen kann, wenn man nicht einmal am Ort des Geschehens ist! – Daß man ein Mindestmaß an Fairneß in der Berichterstattung an den Tag legen würde, hätte ich mir doch erwartet, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Vor allem wir, die Vertreter der Gewerkschaften, haben immer gesagt – wie wir das von zahlreichen anderen Verhandlungen gewöhnt sind –: Wir verhandeln bis zur letzten Minute, und wir werden ein herzeigbares Ergebnis erzielen! Auch alle anderen Sozialpartner haben versucht, ihre Interessen wahrzunehmen. Es ist legitim, was die Bauern getan haben. Es ist legitim, was die gewerblich Selbständigen getan haben. Aber auch den Gewerkschaften muß man das bitte zubilligen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol. ) Wir Gewerkschaftsvertreter haben Interessen vertreten, und wir werden dies auch in Zukunft tun. Wir werden uns das von niemandem nehmen lassen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich gebe schon zu, daß es Gewerkschaftern eigen ist, sehr hart zu verhandeln. Lassen Sie mich auch in diesem Zusammenhang eine Bemerkung machen, weil das doch eine sehr wichtige Entscheidung, wie ich meine, zur Folge haben könnte. Es ist die Forderung erhoben worden, die Vertreter der Sozialpartner sollen aus dem Parlament ausscheiden, denn sie hätten mit dem Parlament überhaupt nichts zu tun. Man kann natürlich über die Frage diskutieren, was vernünftiger ist: Sozialpartner im Parlament oder keine Sozialpartner im Parlament? – Ich glaube beziehungsweise wir von der Sozialdemokratischen Partei glauben, daß es sinnvoller ist, die Sozialpartner hier im Hohen Hause zu haben, wo sie mitreden und mitgestalten können.

Werfen wir einen Blick in andere Länder: Ich glaube nicht, daß das System, wo die Gewerkschaften diese Möglichkeiten nicht haben, das bessere ist. Dann müssen sie sich eben auf der Straße artikulieren. Ich glaube doch, daß uns die Erhaltung des sozialen Friedens in unserem Lande bisher gutgetan hat und daß wir unser System auch in Zukunft beibehalten sollten. Man braucht heute nur in andere Länder zu schauen, wo die Arbeitnehmer auf die Straße gehen müssen, weil sie keine andere Möglichkeit haben, ihre Forderungen vorzubringen. Ich glaube, daß unser System das bessere ist.

Nun in eigener Sache eine ganz persönliche Bemerkung: Über mein Mandat, das ich innehaben darf, entscheidet in erster Linie die Parteibasis in Form einer geheimen Abstimmung in meinem Wahlkreis, nämlich ob sie den Nürnberger überhaupt für das Parlament als Kandidaten nominiert: ja oder nein? Die zweite und wichtigste Entscheidung treffen die Wählerinnen und Wähler in meinem Wahlkreis, nämlich ob sie den Nürnberger im Parlament haben wollen oder nicht. Dann gibt es noch einen Dritten, der mitreden kann, ob der Nürnberger im Parlament sein darf oder nicht, und zwar sind das die Mitglieder und Funktionäre der Gewerkschaft Metall, Bergbau, Energie. Also, ob ich hier im Parlament Interessen vertrete oder nicht, entscheidet sicherlich nicht irgendein Kommentator einer Zeitung oder sonst wer! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gestatten Sie mir auch einige grundsätzliche Bemerkungen zum Inhalt der vorliegenden Pensionsreform; im Detail werden die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion noch darauf


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eingehen. Ich möchte nur auf jene Ziele eingehen, die im Mittelpunkt der Pensionsreform gestanden und in unserem Interesse gelegen sind. Es ist uns gelungen, durch eine weitestgehende Harmonisierung mehr Gerechtigkeit im Pensionssystem zu erreichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die soziale Ausgewogenheit konnte unter Berücksichtigung der Lebensplanung erreicht werden. Eine nachhaltige Sicherung der Finanzierung des Pensionssystems und damit der Erhalt des Vertrauens – gerade junger Menschen! – in unser Pensionssystem konnte erzielt werden, womit auch vermieden wird, daß es zu einem Konflikt zwischen jung und alt kommt.

Es ist auch ganz wichtig, daß wir das Umlagesystem erhalten konnten.

Mit dem "Modell Haider", das die FPÖ so sehr propagiert, wird sich im Detail mein Kollege Seidinger auseinandersetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Was die Arbeitnehmer oder ein Teil der Arbeitnehmer in unserem Lande von Ihrem Modell halten, das konnten Sie gestern bei den Personalvertretungswahlen bei den Österreichischen Bundesbahnen erfahren. Dort hat auch die "AUF" kandidiert. Aber da gibt es noch eine andere Gruppe, den GLB, den Gewerkschaftlichen Linksblock, das sind die ehemaligen Kommunisten, und die sind stärker als ihr geworden, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen! (Abg. Silhavy: Da schau her! – Abg. Gaugg: Darauf bist du stolz?) Hör zu!

Die Freiheitlichen haben in diesen Wahlkampf sehr viel Geld investiert. In den Kantinen haben sie den Eisenbahnern das Bier und die Würstel bezahlt. Nur: Die Eisenbahner sind gescheit: Sie haben das Bier getrunken, die Würstel gegessen, aber gewählt haben sie jene, die schon bisher ihre Interessen vertreten haben, nämlich die sozialdemokratischen Gewerkschafter! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Führer der "F"-Gewerkschafter ist ja der nächste beim Rednerpult hier. Er wird uns sicherlich erklären, warum die Bäume der FPÖ nicht in den Himmel wachsen, warum es diesmal eine Wahlniederlage gegeben hat. Der Gaugg wird sicher 17 Ausreden finden, damit sein Parteiobmann mit ihm zufrieden ist.

Letzte Bemerkung: Mit dieser Pensionsreform können wir auch einen Beitrag zur Sicherung unserer Arbeitsplätze leisten, weil sehr viele neue arbeitsrechtliche Maßnahmen, wie Gleitpension, flexiblere Arbeitszeiten, uns die Möglichkeit dazu geben. Allerdings muß man dazusagen: Natürlich bedeutet das sehr viel Arbeit für uns. Es genügt nicht, wenn es auf dem Papier beziehungsweise im Gesetz steht, sondern das müssen wir erst in die Praxis umsetzen. Wir werden das sehr gerne tun!

Abschließend möchte ich zurückblickend sagen: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Die letzten Monate und Wochen waren für Sie sicherlich nicht leicht. Es gab sehr harte Diskussionen und Auseinandersetzungen, aber: Nicht der Weg ist entscheidend, sondern entscheidend ist, daß wir letzten Endes gemeinsam das Ziel erreichen konnten – im Interesse der Menschen unseres Landes! Dafür möchte ich Ihnen, geschätzte Frau Bundesministerin, herzlich danken. (Langanhaltender Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Gaugg. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 9 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Koppler  – zu dem sich zum Rednerpult begebenden Abg. Gaugg –: Wir haben nicht deinetwegen geklatscht! – Heiterkeit bei der SPÖ.)

12.11

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Ich habe gar nicht gewußt, daß die SPÖ so in Begeisterung gerät, wenn ich zum Rednerpult schreite. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Marizzi: Er hat es jetzt sehr schwer! – Abg. Koppler: Laß den Meisinger zuerst reden!)


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Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Zur Pensionsreform ist meinem Vorredner wenig bis überhaupt nichts eingefallen. Es ist ein Eiertanz, den Sie aufgeführt haben: von den Regierungsklausur in Rust an bis zur Beschlußfassung der Pensionsreform! Mein Vorredner sprach von Wahlergebnissen, vergaß aber dazuzusagen, daß selbst bei den ÖBB (Abg. Koppler: Wir wollen den Meisinger hören! – Abg. Leikam: Meisinger ans Rednerpult!), einem Unternehmen, in dem die Mitarbeiter seit Jahren parteipolitisch geknechtet werden, auch Wahlen verloren werden. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Du hast vergessen, dazuzusagen, daß ihr dort auch eine auf den Hut bekommen habt – im Gegensatz zu uns, die wir dort wieder Stimmenzuwächse hatten. Das hast du ganz vergessen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Dir als Antidemokraten sei folgendes ins Stammbuch geschrieben: Es sollte dich zum Nachdenken anregen, wenn bei der Eisenbahn wieder kommunistische Zeiten anbrechen! (Neuerliche ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Das sollte zum Nachdenken anregen! Das bereitet Sorge, zumal peinlichst vermieden wurde, im Rahmen der Pensionsreform auch über die ÖBB zu reden. Da hat die Gewerkschaft keinen Mut gehabt, einmal darüber zu diskutieren, daß bei den ÖBB eine Berufsgruppe besteht, die unangetastet bleibt – aber nur bis zur Wahl. Ich bin schon neugierig auf die Aussagen der Gewerkschafter, wenn dann auch die Eisenbahner eine Verschlechterung erfahren, denn ihr wartet nur solange, bis dort die Wahlen vorbei sind, und dann werdet ihr zuschlagen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Koppler: Der Wahlkampf für die Eisenbahner ist vorbei!)

Es mutet eigenartig an, wenn die Frau Abgeordnete und Ausschußvorsitzende Reitsamer in ihren Ausführungen sagt, die Opposition verunsichere. (Abg. Koppler: Na net!) I glaub, i tram! Es war nicht die Opposition, die vor dem Parlament gegen die Pensionsmaßnahmen protestiert hat, es war nicht die Opposition, die am Gewerkschaftstag gepfiffen hat (Abg. Koppler: Aber auch!), es war nicht die Opposition, die eine von der Regierung vorgelegte Reform abgelehnt hat (Abg. Schwarzenberger: Sie lehnen sie jetzt noch ab!), sondern das waren Ihre Partner: die roten und die schwarzen Gewerkschafter! Sie haben diese Reformen abgelehnt! Nur um eine Regierungskrise nicht zu verlängern, geht man Minuten vor der Entscheidung in die Knie.

Ich muß schon sagen, es war eigenartig: Der Herr Feurstein sagte wie ein Pater hier heraußen sehr salbungsvoll, es hätten ja ohnehin vier Sitzungen des Sozialausschusses stattgefunden. Die Wahrheit ist aber die: Es waren die Abgeordneten der Oppositionsparteien da, um zu arbeiten, aber die Abgeordneten der Regierungsparteien sind wie die Hühner herumgelaufen (Abg. Dr. Stummvoll: Und wer hat "Schluß der Debatte!" verlangt? – Ihr habt es verlangt!) und haben gebannt auf das Faxgerät geschaut, um zu sehen, ob nicht wieder irgendetwas vom ÖGB daherkommt.

So war es auch bei der letzten Sitzung: Es sind Filibusterreden gehalten worden, bis das erlösende Fax vom ÖGB da war, daß nun doch vom ÖGB zugestimmt wird. – Wir werden ja noch erfahren, welche Zusagen da alle noch gemacht wurden und welche Nebenabsprachen es gegeben hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Kritik, die die FPÖ daran geübt hat, ist sachlich begründet. Es erstaunt, daß Präsident Neisser, der gerade jetzt den Vorsitz führt, die Vorgangsweise als "am Rande des gerade noch Erträglichen" beschreibt. Aber dann würde ich mir erwarten, daß er seine Partei und auch den Regierungspartner einmal zur Ordnung ruft und seine Unterstützung nicht zu solchen Dingen gibt, zu Dingen, die unsere Zukunft betreffen, die in Sekunden abgehandelt werden, mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden, um überhaupt auf die Tagesordnung zu kommen. Diese Ihre Vorgangsweise sollte Sie, meine Damen und Herren, traurig stimmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber es beschreibt ja ohnehin der ÖVP-Klubobmann des Steiermärkischen Landtages recht treffend: "Dümmer kann man es nicht mehr machen!" – Wörtliches Zitat. Das an Ihre Adresse, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Als der Ministerrat am 10. Oktober 1997 einstimmig den Beschluß gefaßt hat, ist Herr Minister Fasslabend wieder einmal im Liegen umgefallen. (Abg. Dr. Trinkl: So hat er in der Diskussion nicht ausgesehen!) Am nächsten Tag ist er aufgestanden und hat als ÖAAB-Obmann wieder


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kritisiert. Ich muß schon sagen: Wenn man als Regierung zum Zeitpunkt der Beschlußfassung eine politische Argumentation auf den Tisch legen muß, damit man überhaupt begründen kann, warum man etwas tut, dann ist der Inhalt des Beschlossenen mit Sicherheit schlecht. (Abg. Dr. Khol: Oh mein Gott!)

Da steht drinnen: Stärkung des Generationenvertrages. (Abg. Dr. Trinkl: Wir bekennen uns dazu!)  – Na interessant! Es scheint gerade der ÖVP recht Wurscht zu sein, daß es in Österreich über 1 Million Pensionisten gibt, die weniger als 8 000 S an Pension haben. (Abg. Dr. Trinkl: 10 000 S!) Das ist Ihr berühmter Generationenvertrag, der nicht mehr haltbar ist! Und der wird da gelobt. (Abg. Dr. Trinkl: Genau diese Gruppe haben wir geschont! Nachlesen!)

Werden mit dieser Pensionsreform nur Budgetlöcher gestopft? – Das ist die Frage! Es ist parteipolitische Propaganda wie im ehemaligen Ostblock, was da betrieben wird. (Ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Na, Sie "NAZI"-Buchstabierer!) Die Frage ist: Ist das Budgetlöcherstopfen? – Es heißt, es sei kein Budgetlöcherstopfen. Aber es werden dadurch nur 5,5 Milliarden Schilling im Jahr 1998 eingespart. Na was ist es dann? Warum lassen Sie denn den Menschen diese 5,5 Milliarden Schilling nicht? Oder pfeifen Sie wirklich schon aus dem letzten Loch?

Meine Damen und Herren! Sind Sie denn wirklich schon so pleite, daß Sie nicht einmal mehr in der Lage sind, die Valorisierung der Karenzurlaubsgelder zu bezahlen? Sind Sie tatsächlich schon so pleite? (Abg. Koppler  – im Begriffe, den Saal zu verlassen –: Gaugg, mir reicht es!) Sie führen eine Strafsteuer für Frühpensionisten ein. (Abg. Dr. Trinkl: Ist es zuviel oder zuwenig? Reicht es, oder ist es zuwenig? – Abg. Dr. Khol: Zuwenig und zuviel ist aller Narren Ziel!) Aber all diese Leistungskürzungen treffen nicht die, die verhandelt haben. Das ist eine lupenreine Dohr-Reform.

Meine Damen und Herren! Auch an Frau Helga Konrad hat man im Rahmen dieser Reform gedacht. Die Helga-Konrad-Verordnung lautet folgendermaßen: Beschäftigte im Sport- und Kulturbereich werden ausgeschlossen, wenn die Tätigkeit nicht den Hauptberuf oder die Haupteinnahmsquelle darstellt. Das bedeutet, daß Frau Konrad, hätte sie den 58 000 S-Job erhalten, dafür nicht einmal Sozialversicherungsbeiträge hätte bezahlen müssen.

Meine Damen und Herren! Sie sollten sich schämen, denn in Wirklichkeit sitzen überall dort, wo Sie eine Strafsteuer für Frühpensionisten einführen, Ihre Genossen an der Vorstandspitze: bei der Post Herr Sindelka, bei der Bahn Herr Draxler, bei der OMV Herr Schenz. Es sitzen ja sogar zwei auf der Regierungsbank, die aus dieser Firma kommen. Diese Herren schicken Leute reihenweise in die Frühpension – bei der Post, bei der OMV und ähnlichen Betrieben –, und dann belasten Sie sie noch mit einer Strafsteuer.

Meine Damen und Herren! Sie halten sich auch in der Frage der Belastung anderer nicht zurück. Sie sagen: Nicht wir werden jetzt mehr in die Pensionsversicherung einzahlen, nein, jetzt wird das Arbeitsmarktservice zahlen! Denn: Jetzt darf keiner von den Langzeitarbeitslosen über 50 Jahre mehr in Frühpension gehen, jetzt muß sie das Arbeitsmarktservice weiterbeschäftigen. Aber man hat keinem einzigen Arbeitsmarktservice in Österreich bisher erklärt, woher das Geld dafür kommen sollte. Die geringfügig Beschäftigten werden miteinbezogen – ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, aber es wird nie und nirgendwo darüber gesprochen, wie das finanziert werden soll, denn: Das kostet ja angeblich alles nichts, das alles sind ja keine künftigen Leistungsempfänger.

Frau Ministerin! Das glauben Sie ja selbst nicht! In Wirklichkeit sind Sie als Sozialministerin gescheitert: Seit Ihrem Ministeramtsantritt ist ein rapides Ansteigen der Armut in Österreich zu verzeichnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie und Ihr Parteiobmann, der zugleich auch Bundeskanzler ist, haben behauptet, es werde keinen Lehrling ohne Arbeitsplatz geben. Sie haben gesagt, Sie werden die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Mit Ende Oktober haben wir 220 000 Arbeitslose in Österreich zu verzeichnen, und angesichts dessen sagt Herr Präsident Verzetnitsch, und zwar anläßlich seines 10jährigen Jubiläums als ÖGB-Präsident, daß er sich wünsche, daß jeder Arbeitslose entweder sofort


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einen Arbeitsplatz oder eine Einschulung bekommt. – Er kann heute damit beginnen, das den 220 000 Arbeitslosen anzubieten. Wo ist er denn, warum setzt er das nicht um?

Sie tun immer so, als ob Sie nicht in der Regierung säßen. Das ist die neue Masche der Regierungspolitiker, der Abgeordneten, der Kammerfunktionäre: Sie beweinen immer nur die Beschlüsse der Regierung. Ich habe den Eindruck, daß Sie nicht mehr miteinander reden, und ich habe auch das Gefühl, daß es irgendwann einmal zum totalen Crash kommen wird, weil Sie dem Druck der Bevölkerung auf Dauer nicht mehr standhalten können werden.

Wenn Arbeiterkammer-Präsident Tumpel sagt, wie schlimm mit den Arbeitnehmern in Österreich umgegangen wird, dann muß ich sagen, er soll sich selbst bei der Nase nehmen, sich mit Herrn Klima einmal zusammensetzen und Lösungen anbieten. Klima sitzt nur groß in der Regierung und sagt: Wir sind die Macher, wir sind sowieso die Größten! – aber trotzdem bringen sie nichts zusammen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Von Regierungsseite wird immer wieder unser Drei-Säulen-Modell verteufelt: Das darf nicht sein, das kann nicht sein, das ist asozial! Aber Ihr deutscher Parteifreund und Parteigenosse Schröder hat vor wenigen Tagen ein solches Drei-Säulen-Modell eingefordert. Genau dieses Drei-Säulen-Modell fordert der Ministerpräsident von Niedersachsen und eventuelle Spitzenkandidat der SPD als zukunftsweisende Pensionsprognose ein. – Daher, meine lieben Freunde, sollten Sie nicht alles, was von den Freiheitlichen kommt, verteufeln, sondern einmal sachlich über diese Dinge reden!

Wir haben nur ein Ziel: Es geht uns Freiheitlichen nicht so wie Herrn Nürnberger um die Begleitmusik, sondern es geht uns ausschließlich um positive Lösungen für die österreichische Bevölkerung. Und wir Freiheitlichen sind bereit, Verantwortung mitzutragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher bringen die freiheitlichen Abgeordneten folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Haupt, Gaugg, Dolinschek, Haller, Meisinger und Genossen betreffend dauerhafte Sicherung der Pensionen durch Umstellung auf ein Drei-Säulen-Modell

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzentwurf zuzuleiten, der eine Modifikation und Ergänzung der bestehenden Pensionsversicherung durch eine sukzessive Umstellung auf ein Drei-Säulen-Modell nach folgenden Grundsätzen vorsieht:

Erste Säule: Das bestehende Pensionsversicherungssystem im Umlageverfahren soll zu einer Basispension für alle Erwerbstätigen umgestaltet werden, die der Grundabsicherung im Alter dient und gewährleistet, daß auch in den unteren Einkommensgruppen eine Pension erreicht wird, die eine gesicherte, über dem Existenzminimum liegende Lebensführung ermöglicht. Durch Einbeziehung aller Erwerbseinkommen, Aufhebung der Höchstbemessungsgrundlage bei dem vom Versicherten zu tragenden Beitragsteil und Einfrieren der Höchstbemessungsgrundlage soll eine Beitragssenkung und eine langfristige Angleichung der Pensionshöhe ermöglicht werden.

Zweite Säule: Neben der ersten Säule soll eine Altersvorsorge durch betriebliche Pensionskassen verpflichtend eingeführt werden, die durch Umwandlung der Abfertigungsansprüche in eine laufende Beitragsleistung der Arbeitgeber in Höhe von 4 Prozent des Bruttolohnes und freiwillige Leistungen der Versicherten finanziert wird.


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Dritte Säule: Als dritte Säule der Altersvorsorge soll durch steuerliche Entlastung die Eigenvorsorge forciert werden."

*****

Diesen Entschließungsantrag bringen die freiheitlichen Abgeordneten deshalb ein, damit in Zukunft die Pensionen in Österreich gesichert sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Gaugg soeben verlesen hat, ist geschäftsordnungsgemäß überreicht worden, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Dr. Trinkl. – Bitte.

12.24

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem 1. Budgetbegleitgesetz, das wir am Mittwoch beraten haben und das wesentliche Systemänderungen für die Pensionen der öffentlich Bediensteten mit sich gebracht hat, kommen wir heute zum zweiten Schritt, mit dem wir einen wesentlichen Ansatzpunkt für eine neue Pensionsreform setzen.

Viele meiner Vorredner, sowohl am Mittwoch als auch heute, haben betont: Wir in Österreich haben eines der besten Pensionssysteme der Welt. Herr Gaugg, Ihre Aussage, daß die Armut in Österreich dramatisch zunehme, kann nicht ganz stimmen, denn in der gestrigen Ausgabe des "Standard" stand zu lesen: Die Senioren leben heute besser denn je. Und das ist richtig. – Die Ausgleichszulagen zum Beispiel haben sich seit 1986 – 1987 ist die ÖVP übrigens in die Regierung eingetreten – um 68 Prozent erhöht, der Lebenshaltungskostenindex für Senioren um 25 Prozent. Das signalisiert, daß diese Regierung ihre Verantwortung für die ältere Generation sehr, sehr ernst nimmt. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir wissen aber auch, daß wir heute reagieren müssen, wenn wir dieses System tragfähig erhalten und die Pensionen auch in Zukunft sichern wollen. Wir haben auf geänderte Rahmenbedingungen zu reagieren, und zwar heute! Wenn wir dies nicht tun, dann – das haben uns viele Experten versichert – wäre die Entwicklung am Ende tatsächlich fatal. Das wollen wir nicht. Was wollen wir? – Wir wollen einen fairen Generationenvertrag, der den heute im Erwerbsleben Stehenden zwei Möglichkeiten bietet:

Erstens, die Ausbildung ihrer Kinder sicherzustellen, und zweitens auch jenen Beitrag zu leisten, der uns in die Lage versetzt, der älteren Generation einen sicheren Lebensabend zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren! Solange uns niemand ein besseres System präsentieren kann, so lange werden wir an diesem Umlagesystem festhalten. (Abg. Haigermoser: Drei-Säulen-Modell!) Herr Abgeordneter Kier ... (Abg. Haigermoser: Euer Pensionssystem übernehmen wir nicht!) Hören Sie zu! Herr Abgeordneter Kier hat sich hier als Bremser, als Notbremser zu profilieren versucht. Ich würde sagen: Ihr leistungsfeindliches Modell wäre tatsächlich ein Hemmnis, eine Bremse für unser Sozialversicherungssystem. Ich kann ihn daher heute nicht honoris causa zum Nothelfer, sondern nur zum "Notbremser der Nation" ernennen. Wenn jetzt eine Pensionsreform in Angriff genommen wird, dann will damit niemand irgend jemandem etwas wegnehmen. Es ist die Verantwortung für die Älteren, vor allem aber auch für die Generation, die nach uns kommt. Da Herr Kollege Öllinger gemeint hat, die Reform wäre "perspektivenlos", frage ich ihn: Warum, glauben Sie, gehen wir diese Reform jetzt an, wenn uns nicht die Zeit, die kommt, so am Herzen liegen würde, wenn uns nicht die Generation, die nach uns kommt, am Herzen liegen würde? – Glauben Sie, aus Jux und Tollerei diskutiert die Koalition wochenlang über eine Pensionsreform?! (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )


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Uns geht es darum, der Generation nach uns, also der Jugend, keinen Rucksack zu überlassen, den sie nicht tragen kann, und sie schon gar nicht so zu belasten, daß sie den Rucksack nicht mehr tragen will. – Dies sei vor allem jenen gesagt, die in den Diskussionen der letzten Tage und Wochen so sehr auf ihre "wohlerworbenen Rechte" hingewiesen haben. Wir bekennen uns ausdrücklich zu der Art, wie die Lösung hier zustande gekommen ist. Vielleicht ist es eine österreichische Art, solange zu diskutieren, bis tatsächlich die Chance einer Verständigung gegeben ist.

Gerade weil es uns darum ging, Kollege Gaugg ... (Abg. Schwarzenberger: Er ist nicht mehr hier!) Er hat uns schon verlassen, er hat seine Wortspende hier abgegeben, und das ist sein ... (Abg. Haigermoser: Hoffentlich spendest du übermorgen, am Sonntag, in der Kirche auch etwas! – Abg. Dr. Khol: Er geht jetzt im Lexikon nachschauen, wie man "Nazi" buchstabiert!)  – Genau, vielleicht weiß er es nicht mehr!

Es ist uns aufgrund der Diskussion bis zur letzten Minute gelungen, Härtefälle herauszufiltern und den Vertrauensschutz der Bevölkerung gewahrt zu wissen.

Wir bekennen uns zur Sozialpartnerschaft. Der soziale Friede in diesem Lande muß uns auch etwas wert sein, weil der soziale Friede genau die Standortqualität der österreichischen Wirtschaft schlechthin ist, wie Wolfgang Schüssel im Anschluß an diese Verhandlungen treffend festgestellt hat.

Ich habe heute früh, Herr Kollege Haigermoser, in der "Morgenbetrachtung" im Ö1 gehört (Zwischenruf des Abg. Gaugg ), eine Politik, die Eisblumen produziert, löse beim Bürger Frösteln aus. Und genau das wollten wir durch unsere Art des Vorgehens nicht erreichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Moderat im Ton (Abg. Gaugg: Wo sind eure Sozialpartner? Wo sind sie?), aber klar in der Sache, das ist die Politik, die die Volkspartei zu gehen sucht, und ich meine, dies ist uns in dieser Angelegenheit sehr deutlich gelungen.

Wir konnten neben der Pensionsreform auch eine Reihe von sozialpolitischen Maßnahmen in dieses Paket aufnehmen. Wir geben geringfügig Beschäftigten die Möglichkeit, Pensionsjahre zu erwerben und damit für eine eigene Pension vorzusorgen. Wir haben die soziale Absicherung der Angehörigen von Pflegebedürftigen sichergestellt. Wir haben durch die Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die Pensionsversicherung auch das Werkvertragsproblem einer Lösung nähergebracht, und ich glaube, daß die Lösung, die hier gefunden werden konnte, eine gute Lösung ist. Wir beschreiten neue Wege der Solidarität durch die Bildungskarenz, durch das Solidaritätsprämienmodell und auch durch die Erweiterung der Möglichkeiten für die Gleitpension.

Insgesamt, so meine ich, ist uns eine beachtliche Weiterentwicklung unseres Sozialsystems gelungen. Es bietet mehr Gerechtigkeit in Richtung Harmonisierung, es bremst den Zuzug zu den Frühpensionen, und es gibt vor allem den Jungen die Perspektive, daß auch sie einen Anteil an einem sehr guten Pensionssystem haben werden.

Ich gebe aber zu, wir hätten gerne die eine oder andere zusätzliche Maßnahme gesetzt. Wenn viele meinen, es sei hier zu wenig an Reformen in diesem Paket enthalten, so sei dem entgegengehalten: Wir wissen heute weder, was im Jahre 2010, noch, was im Jahr 2020 sein wird, wir wissen aber auch nicht, wie die Menschen dieses Landes auf die neuen Regeln reagieren werden. Wir können nur hoffen, daß das enthaltene Abschlagssystem zu einem Gesinnungswandel bei der Bevölkerung führen wird. Die Änderung muß in den Köpfen der Versicherten und unserer Mitbürger stattfinden. Wir sind aufgerufen, den Menschen zu vermitteln, daß Arbeit auch Freude und Lebenserfüllung sein kann. Wir müssen jene zum Schweigen bringen, die glauben machen wollen, daß Arbeit nur Leid und Mühsal bedeutet. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn es uns gelingt, neben dem Umweltbewußtsein in diesem Lande, das sehr weit entwickelt ist, auch so etwas wie ein soziales Gewissen zu entwickeln, so war die Diskussion in den letzten


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Wochen fruchtbar und nützlich. Wir wollen unserer Jugend eine Chance geben, weil es um unsere Kinder geht, weil es aber auch um den sozialen Frieden in unserem Land geht. Mit dem heutigen Beschluß haben wir wahrscheinlich nicht den letzten, sicher aber den ersten wichtigen Schritt gesetzt, um dieses Ziel sicherzustellen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.34

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese heutige Gesetzesvorlage, die vom Inhalt her ein Budgetbegleitgesetz ist, hat zwei für mich erwähnenswerte Aspekte. Der erste ist ein sachlicher, auf den möchte ich zuerst eingehen, und der zweite ist ein grundsätzlicher.

Dieses Gesetz beinhaltet unter anderem eine Verschärfung für Frühpensionisten. In den letzten Monaten wurde dieses Thema ausgiebig diskutiert, und ich glaube, es besteht breiter Konsens in der Bevölkerung – über alle Strukturen hinweg –, daß Frühpensionierungen einzudämmen seien. Auch das Heranführen des faktischen Pensionsalters an das gesetzliches Pensionsalter ist ein öffentliches Anliegen. Ich hatte bei diesen Debatten immer ein etwas unangenehmes Gefühl, und zwar aus folgendem Grund: Es wurde heute schon gesagt, wenn auch etwas polemisch, daß Unternehmungen, insbesondere große Unternehmungen, die sich der Globalisierung und dem internationalen Wettbewerb anpassen müssen, dazu neigen oder dazu tendieren, Frühpensionierungen zu begünstigen. Gesagt wurde: Diese werden erzwungen. Es gibt einige berühmte oder bekannte österreichische Unternehmungen, die das auch zugegeben haben beziehungsweise gar nicht bestreiten. Ich glaube, daß wir nach den Hintergründen fragen müssen, wenn wir beurteilen wollen, warum das so ist.

Ich glaube, Frau Bundesministerin und Herr Minister – der Herr Finanzminister ist ja schon wieder gegangen –, daß wir so lange ein Problem haben werden, solange wir die Lebenseinkommenskurve nicht an die Lebensleistungskurve anpassen. Meine Damen und Herren! Das sollte eine gesellschaftspolitische Herausforderung ersten Ranges sein – und nicht die Reparatur dieser daraus resultierenden Mißstände. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn wir die Lösung dieses Problems nicht angehen, wird es sich von Jahr zu Jahr verschärfen, es wird nämlich in jenem Tempo schärfer werden, in dem auch der Rationalisierungsdruck auf die Unternehmungen schärfer wird. Meine Damen und Herren! Das ist etwas, was nationale Politik nicht mehr beeinflussen kann, das ist etwas, bei dem die nationalen Parlamente keine Stimme mehr haben. Und die Unternehmungen müssen sich, wollen sie überleben, diesen Herausforderungen stellen und bedauerlicherweise – ich betone das – dann auch zu solchen weder sozial erwünschten noch moralisch rechtfertigbaren Maßnahmen greifen. Man muß daher, wenn man dieses Problem tatsächlich lösen möchte, an den Wurzeln beginnen. Diese Debatte, Frau Bundesministerin, vermisse ich in Österreich. Ich vermisse sie auf Regierungsebene oder im Parlament, ich vermisse sie aber vor allem auf sozialpartnerschaftlicher Ebene, da sich diese Ebene dazu berufen fühlt, quasi eine gesetzgeberische Rolle zu spielen.

Das zweite Thema, auf das ich noch eingehen möchte, meine Damen und Herren, ist die geringfügige Beschäftigung, die nunmehr in dieses Gesetzeswerk einbezogen wurde. Das kann man zwar jetzt werten, ich möchte das aber nicht machen. Tatsache ist, Sie haben den Versuch gemacht, diese geringfügig Beschäftigten auch ins System einzubinden, und zwar deshalb, weil Sie erkannt haben, daß Sie sonst eine Ader offen hätten und so viele Mittel außerhalb des Systems fließen würden und daß Sie sich das nicht mehr leisten können. Das ist so weit verständlich.

Aber, meine Damen und Herren, wir müssen darüber nachdenken, wo denn eigentlich der tiefere Grund liegt. – Ich glaube, so lange wir die Fiktion von der Sozialversicherung aufrechterhalten und nicht eingestehen, daß wir kein Versicherungsmodell, sondern ein Beitragsmodell, ein abgabenfinanziertes Modell haben und daher als Konsequenz an den Höchstbemes


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sungsgrundlagen, insbesondere bei der Arbeitgeberseite festhalten, solange werden wir dieses Problem auch nicht in den Griff bekommen. Das System darf dem Arbeitgeber keine Begünstigung dadurch ermöglichen, daß ein und derselbe Arbeitnehmer möglichst ausgelastet wird. Das, meine Damen und Herren, "beißt" sich, wenn wir es ernst nehmen. Wenn wir wollen, daß wir ein rarer werdendes Gut auf mehreren Köpfen verteilen, dann müssen wir auch konsequent sein. Daher wäre die Logik daraus, von den Höchstbemessungsgrundlagen abzugehen, den ersten und den letzten Lohnschilling mit demselben Prozentsatz an Arbeitgeberbeitrag zu belasten, wenn auch – das möchte ich ausdrücklich betonen, Herr Bundesminister Bartenstein, denn sonst werfen Sie mir das vor – das Ganze aufkommensneutral zu erfolgen hat. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein. )

Das ist ganz einfach, rechnen Sie es nach! Das ist eine Prozentzahl, das werden Sie doch zusammenbringen, wenn nicht, helfe ich Ihnen dabei. (Beifall beim Liberalen Forum. – Ruf bei der ÖVP: Arroganz!) – Nein, das hat nichts mit Arroganz zu tun.

Wenn mich einer fragt, wie das gehen soll, dann muß ich sagen: Das ist doch wirklich keine Hexerei! – Sie können die Dinge wollen oder nicht wollen, Herr Maitz. Das ist mir ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) – Nein, nein, ich habe gestern das ganze Pulver verschossen, Frau Mertel! Sie sehen mich heute sanft und gelassen. (Abg. Dr. Mertel: Bei Ihnen geht das übergangslos!) Außerdem hat mir irgend jemand Baldrian angeboten. Aber wenn ich will, dann kann ich noch einmal aufdrehen. (Abg. Dr. Maitz: Theaterdonner!) – Na ja, für Sie würde ich nicht Theater spielen wollen. Sie sind solch ein schlechter Zuschauer. (Heiterkeit und Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Maitz! Fragen Sie einmal Herrn Morak, der wird Ihnen das erklären: Theater macht nur Spaß, wenn das Publikum entspricht, und das Publikum entspricht, wenn es mitgeht und vor allem auch, wenn es mitkommt. Das Publikum muß das Stück verstehen, Herr Maitz, denn sonst ist nichts drinnen. Da entwickelt sich nichts. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Maitz: Arroganz ist Ihr spezielles Kennzeichen!) – Ja, der Neid ist ein Laster, Herr Maitz, das macht aber nichts.

Ich darf zum Thema geringfügig Beschäftigte zurückkommen. Ich glaube, daß da zumindest einmal ein Denkansatz kommen muß. Solange es sich für den Dienstgeber lohnt, die Arbeit auf wenige und nicht auf viele zu verteilen, werden Sie das Problem der geringfügigen Beschäftigung von der Tendenz her begünstigen. Das, meine Damen und Herren, müssen Sie zur Kenntnis nehmen und irgend etwas dagegen tun.

Herr Feurstein! Sie werden hoffentlich mir als großem Arbeitgeber nicht widersprechen wollen, wenn ich Ihnen dieses Faktum sage: Sie müssen etwas gegen diese Begünstigung tun. Dann werden Sie auch einen kleinen Schritt weiterkommen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das Dritte, was ich noch zum Sachbereich sagen möchte, ist: Herr Kollege Öllinger hat mir aus dem Herzen gesprochen. Er hat nämlich gesagt, dieses ASVG ist schon 40 Jahre alt, und es gibt sehr viele Novellen. Wer kennt sich also noch aus? – Meine Damen und Herren! Vor allem wieder Sie, Herr Dr. Bartenstein: Das ist auch ein dringliches Anliegen der Wirtschaft. Es ist schwer erklärbar und schwer zumutbar, daß wir in unseren Lohnbüros und in unseren Personalverwaltungen so gut wie keinerlei Produktivitätsfortschritte machen können, weil uns die Bürokratie immer schwierigere Verwaltungsaufgaben auflädt. Auch diese geringfügige Beschäftigung wird dieses Problem eher verschärfen.

Glauben Sie mir – ich glaube, das wissen Sie, ich glaube auch Sie, Frau Bundesministerin, wissen das –: Es kann ein System nicht deshalb automatisch unüberschaubar und fast nicht mehr nachvollziehbar und im wahrsten Sinne des Wortes bürokratisch sein, nur weil es den Anspruch erhebt, daß es sozial symmetriert und gerecht sein muß. Das, meine Damen und Herren, ist eine Ausrede! Ich behaupte – ich bin auch bereit, dafür einzustehen –, es gibt sozial gerechte Modelle, die nicht bürokratisch sind, sondern die bürger- und unternehmensfreundlich sind. Sie sollten, wenn Sie schon von der Idee her an Ihrem System festhalten wollen, uns


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wenigstens in dieser Richtung einen Schritt entgegenkommen. Mit "uns" meine ich die Wirtschaft und jene, die mit diesen Gesetzen leben müssen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Gestatten Sie mir aber, meine Damen und Herren, noch etwas Grundsätzliches zu sagen. Ich bin immer wieder verwundert, welche Diskrepanz zwischen persönlichen Gesprächen unter vier oder unter sechs Augen und den hier geäußerten Statements herrscht. Es gibt viele Menschen, viele Politiker, mit denen ich in der letzten Zeit gesprochen habe, und wir waren uns eigentlich immer darin einig, daß man froh sein muß, daß diese Regierung nicht zurücktreten mußte. Ich sage das selbst als Oppositionspolitiker mit einer gewissen Berechtigung. Ich glaube, es wäre kein guter Zeitpunkt gewesen. Ich glaube, daß das Scheitern von Regierungen kein Ruhmesblatt für eine Demokratie ist. Ich meine, wir sollten versuchen, das in Österreich beizubehalten und nicht den italienischen Weg zu gehen. In diesem Punkt glaube ich, daß es einen angenehmen Unterschied gibt. Das muß ich sagen, jawohl, das stimmt. Das ist ein Vorteil.

Daher ist es auch begrüßenswert, daß es eine Einigung gab; das ist absolut begrüßenswert. Das Urteil der öffentlichen Meinung und das Urteil der Bürger über diese Einigung sind schon längst gefällt. Sie werden das durch Statements und durch Beschwörungen hier von diesem Rednerpult aus nicht mehr ändern und auch nicht mehr korrigieren können. Da können Sie heute noch so oft herausgehen. Herr Nürnberger hat das geradezu großartig gemacht. Ich muß aber sagen, das ändert nichts am Urteil; das ist schon gefällt. Und Sie haben es – davon bin ich überzeugt – nachgelesen, als die Druckerschwärze noch frisch war. Sie müssen daher wissen, daß das Urteil vernichtend ist, weil nicht 183 Parlamentarier öffentliche Meinung machen, sondern öffentliche Meinung, meine Damen und Herren, machen Druckwerke, Tageszeitungen und elektronische Medien. Dort ist die Nachricht gekommen: Sie sind mit dieser Pensionsreform gescheitert!

Jetzt erzählen Sie uns hier: Wir sind nicht gescheitert; das ist ein großer Erfolg. – Wem sagen Sie das? – Mir soll es so und anders recht sein, meine Damen und Herren! Die öffentliche Meinung ist nicht nur der Ansicht, daß Sie inhaltlich gescheitert sind. Vor allem – und das bedauere ich mit Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition – ist die öffentliche Meinung gefestigt betreffend die Form, die Klänge daneben, dahinter, darunter, die Zwischentöne, die im Laufe dieser Wochen des Hickhacks, dieses Hin und Her durchgekommen sind. Da kann Herr Nürnberger zehnmal sagen: Wir wollen dieses österreichische System beibehalten, wir wollen so lange verhandeln, bis ein Ergebnis herauskommt.

Da muß ich sagen: Meine Herren, Sie haben nicht verhandelt. Sie haben gestritten. Sie haben erpreßt. Sie haben nicht argumentiert. Sie haben nicht Meinungen ausgetauscht, sondern: Sie haben versucht, Besitzstände zu verteidigen. Sie haben versucht, immer nur so viel herzugeben, als unbedingt notwendig ist, um sich den taktischen Vorteil nicht aus der Hand schlagen zu lassen.

Das, meine Damen und Herren, ist nicht konstruktiv. Das ist nicht zukunftsorientiert, und das ist nicht geeignet, Reformen herbeizuführen, sondern das dient bestenfalls dazu, den Besitzstand möglichst wenig beschneiden zu lassen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Lassen Sie sich noch etwas sagen: Ich glaube, es wird wenige hier in diesem Haus geben, die nicht bestätigen, daß der seinerzeitige Brief des Herrn Bundeskanzlers Vranitzky eine Wahl mitentschieden hat. Sie alle erinnern sich sicher an diesen Brief. Es haben ihn fast alle bekommen, in jeder Familie ist er mindestens einmal eingelangt, auch in unseren Familien. Meine Schwiegermutter ist in diesem Alter. Da muß man sagen: Jetzt wissen wir alle, das war eine Lüge. Der Brief beinhaltete eine Lüge. – Es hieß: Macht euch keine Sorgen; es gibt keinen Grund zur Besorgnis. – Daß es aber sehr wohl einen Grund zur Besorgnis gibt, ist jetzt bei dieser Reform zutage getreten. Und warum wurde dieser Brief geschrieben? – Er wurde geschrieben, um für weitere vier Jahre Macht zu erhalten. Er wurde einfach geschrieben, um zu sagen: Für noch einmal vier Jahre treten wir an!

Der Herr Präsident hat mir gestern gesagt, es gibt 50 Jahre sozialistische Regierungsbeteiligung. – Dazu kann ich nur sagen: Ich freue mich für Sie als Sozialdemokraten, daß Sie das


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erreicht haben, aber Sie sollten einmal kritisch hinterfragen, ob Sie nicht vielleicht schon ein bißchen abgewetzt sind, hin und wieder, ob nicht Runderneuerungsbedarf gegeben ist. – Sie glauben, Sie erneuern sich in einem schnellen Tempo und mit Perfektion. Meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion! Ihr Selbstbewußtsein ist bewundernswert, und ich schätze Selbstbewußtsein, nur: Irgendwann einmal wird es auch gefährlich, und das sollte man nicht ganz aus den Augen verlieren. Ich glaube, daß Sie durchaus etwas selbstkritischer sein könnten. (Abg. Schwemlein: Was für andere gilt, gilt aber auch für Sie! Das nehme ich schon an!)

Herr Schwemlein! Selbstverständlich, das gilt für mich, und das gilt für jeden Menschen. Aber im Gegensatz zu den meisten hier wird ein Unternehmer, wenn er sein Selbstbewußtsein falsch einschätzt, bestraft. Wenn ein Politiker sein Selbstbewußtsein falsch einschätzt, wird er pensioniert, zwar nicht mehr privilegiert, wie die "F" behauptet, in der Zwischenzeit nicht mehr privilegiert, aber er bleibt auch noch immer unbestraft. Das, Herr Schwemlein, könnten wir auch einmal diskutieren. Wir sollten ein Leistungsanreizsystem für Politiker diskutieren, und das sollte auf beide Seiten ausschlagen: auf die gute – dann soll er belohnt werden – und auf die schlechte – dann soll er bestraft werden –, so wie ein für seine Entscheidungen, für seinen Charakter, auch für seine Arroganz und für seine Überheblichkeit einstehender Unternehmer. Herr Schwemlein! Das ist der feine Unterschied! (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Ich diskutiere das gerne, auch mit Ihnen, Frau Mertel! Gestern oder vorgestern war davon die Rede, daß eine der Segnungen von Beamten, Politikern und anderen privilegierten Gruppen, die nicht dem Wettbewerb ausgesetzt sind, ist: Sie müssen für ihre Fehlleistungen, für ihre Fehleinschätzungen nicht einstehen. Das ist der große Vorteil, und deshalb verteidigen Sie dieses Privileg auch so heftig, Frau Mertel! Das wissen Sie doch. (Abg. Edler: Das ist eine Unterstellung, was Sie da machen!)

Herr Schwemlein! Das ist halt einmal so. Lassen Sie mir wenigstens den einen kleinen Vorteil, den ich hier habe, und streiten Sie ihn mir nicht ab! (Abg. Schwemlein: Ich habe Sie auch schon besser erlebt!) – Herr Schwemlein! Ich höre schon auf, ich werde mich bemühen, dann wieder besser zu werden, Herr Schwemlein! (Abg. Dr. Khol: Aber heute bist du sehr ruhig!) Heute bin ich ruhig und sachlich, Andreas, das freut dich. (Abg. Dr. Khol: Gestern warst du laut und sachlich! – Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen gesagt, dieser Brief des Herrn Bundeskanzlers Vranitzky war ein Brief, der dazu angetan war, die Macht zu erhalten. Ich behaupte: In den letzten zehn Jahren, seit die ÖVP in dieser Regierung ist – Herr Trinkl müßte das wissen –, waren die Steigerungen, die Sie hier angeführt haben, die sozialen Wohltaten, das anerkennenswerte soziale Niveau nicht nur ein Verdienst, sondern Sie haben das auch erkauft. Sie haben annähernd 1 000 Milliarden Schilling dafür aufgebraucht, an Staatsschulden angehäuft und zur Bezahlung der nächsten Generation überantwortet, meine Damen und Herren! Das ist eben die zweite Seite der Medaille.

Es ist unmöglich, über Pensionsreformen zu diskutieren, ohne diese entscheidende Frage mitanzusprechen. Herr Bundesminister Bartenstein! Sie haben fünf Kinder, wenn auch immer noch gefördert, so wie ich drei – und auch gefördert. Sie werden meine Hochachtung dann gewinnen, wenn Sie diesem Haus ein Gesetz vorlegen werden, wonach Millionäre keine Familientransfers mehr bekommen. (Beifall beim Liberalen Forum.) Dann werden Sie meine Hochachtung erhalten, Herr Bundesminister, vorher nur eingegrenzt, zwar durchaus in einem gewissen Maße, aber die unbedingte Hochachtung erhalten Sie dann, wenn dieser Gesetzentwurf kommt. (Abg. Wabl: Herr Kollege Haselsteiner! Dann nehmen wir den Millionären etwas mehr weg, dann wird es auch besser!)

Denken Sie daran, daß dieses Pyramidenspiel, dieses Vor-sich-Herschieben von Staatsschulden keine endgültige Lösung ist und daß das Vor-sich-Herschieben von nichtfinanzierbaren, auf einem Generationenvertrag beruhenden Pensionssystemen – diese sind nicht oder nur unter Opfern finanzierbar, die der jungen Generation nicht zumutbar sind – auch keine


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politische Lösung ist. Keinesfalls ist es Strukturpolitik, die Sie hier immer beschwören. – Ich danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte, Herr Bundesminister.

12.53

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Kollegin Hostasch! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohes Hauses! Auch ich möchte mich als Mitverhandler mit Frau Kollegin Hostasch zu Wort melden, und zwar aus dem Anlaß, daß heute der letzte Teil der Pensionsreform für den allerdings größeren Bereich der ASVG-, BSVG- und GSVG-Versicherten beschlossen werden soll.

Herr Kollege Haselsteiner! Ich möchte eingangs eine Bemerkung in Ihre Richtung machen: Sie haben der Bundesregierung den Vorwurf gemacht, so lange verhandelt zu haben, bis ein Ergebnis herauskam. – Diese Anmerkung ist nicht richtig. Auch ich bemühe mich, ruhig und sachlich zu bleiben und damit einen gewissen Gegensatz zu unserer gestrigen Debatte über Familienpolitik herzustellen. Aber Ihre Anmerkung ist nicht richtig.

Wir haben uns am 10. Juni in Rust verständigt, diese Pensionsreform machen zu wollen. Warum, darauf gehe ich gleich noch ein. Wir haben planmäßig am 24. Juli eine Position der Koalitionspartner zu diesem Thema verabschiedet. Wir haben dann plangemäß am 10. Oktober die entsprechenden Beschlüsse im Ministerrat gefaßt, planmäßig in dieser Woche, heute am 7. November, nicht einmal fünf Monate nach Rust, diese große Pensionsreform 1997 dem Parlament vorgelegt, und wir werden sie heute hier zum Abschluß bringen. Das ist zeitgerecht, ist aber gleichzeitig auch entsprechend dem Zeitplan, den wir uns gemeinsam vorgenommen haben. Wir haben nicht "so lange verhandelt, bis", sondern alle Beteiligten wußten, es kann so lange verhandelt werden, bis heute eben diese Pensionsreform beschlossen wird. Hier sind wir zu einem guten, gemeinsamen Ende gekommen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Abgeordneter Haselsteiner! Lassen wir doch die Bürger über diese Pensionsreform in der Art und Weise abstimmen, in der das üblich ist. Ich meine, wir Politiker sollten uns Wahlen stellen, dort werden unsere Leistungen beurteilt. Ein Anreizsystem à la Unternehmensvergütungen scheint mir hier nicht geeignet zu sein. Im übrigen haben uns Ergebnisse von Meinungsumfragen, die ich gelesen habe – das waren offensichtlich andere als die, die Sie gelesen haben –, gesagt: Eine große Mehrheit der Bürger in diesem Land versteht die Notwendigkeit dieser Pensionsreform. Eine große Mehrheit will diese Pensionsreform, und sie will sie rasch und konkret abgeschlossen, und das tun wir heute.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte letztlich auch auf das eingehen, was uns zu dieser Pensionsreform geführt hat. Es waren nicht nur Gutachten, es war die gemeinsame Einsicht, daß wir zwar eines der leistungsfähigsten Pensionssysteme der Welt haben, daß aber Korrekturen notwendig sind, um dieses Pensionssystem langfristig abzusichern. Wir wollten einen Premierminister der Briten aus dem vergangenen Jahrhundert Lügen strafen, nämlich William Gladstone, der einmal gesagt hat, daß Politiker nur an die nächsten Wahlen und nur Staatsmänner an die nächsten Generationen denken. – Nehmen Sie es entweder positiv oder negativ zur Kenntnis, aber wir Politiker der Bundesregierung haben hiemit den Versuch gemacht, an die nächsten Generationen zu denken – nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es geht bei dieser Pensionsreform – da bin ich ganz bei Ihnen, liebe Frau Kollegin Hostasch – um drei Botschaften, die diese Pensionsreform vermitteln soll. Meine sehr kurze Botschaft an die älteren Menschen in unserem Lande, die bereits in Pension sind, lautet: Wir haben von Anfang an gesagt, da geschieht nichts. Es wird in bestehende Pensionen nicht eingegriffen, und daran haben wir uns gehalten: vom ersten bis zum letzten Tag der Verhandlungen. In bestehende Pensionen wird nicht eingegriffen!


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Es ist aber auch eine Botschaft an die Aktiven, die im Berufsleben stehen, die in einigen Jahren, vielleicht auch erst in einigen Jahrzehnten in Pension gehen werden und die den Vertrauensschutz verdient haben, den wir gewähren.

Gerade die Opposition – das verstehe ich durchaus – hat kritisiert, daß in den letzten Tagen Kompromisse geschlossen wurden, Kompromisse auf dem Verhandlungswege, die heute zur Beratung anstehen. Selbstverständlich haben wir Kompromisse in jenen Bereichen akzeptiert, in denen es um Vertrauensschutz gegangen ist, in denen es um Übergangsbestimmungen gegangen ist, in denen es um Härteklauseln gegangen ist; Fristen und Deckellösungen wurden eingeführt. Aber an den Prinzipien dieser Pensionsreform, die wir uns vorgenommen haben, haben wir nicht gerüttelt: Ja zum Vertrauensschutz, Ja zur Abfederung von Härtefällen, aber gleichzeitig auch ein klares Ja zur Beibehaltung der wichtigen Prinzipien dieser Pensionsreform.

Diese Pensionsreform bringt letztlich Weichenstellungen, die bisher in dieser Form nicht vorhanden waren, die aber notwendig sind, um die Pensionen der Zukunft abzusichern. Diese Weichenstellungen führen uns auf einen Weg, der klar vorgezeichnet ist. Der Weg ist klar vorgezeichnet, das Ziel ist klar, wir werden auf diesem Wege fortschreiten – mit einer Geschwindigkeit, die wir jetzt einmal definiert haben. Manche hätten sich in manchen Bereichen eine etwas größere Geschwindigkeit vorstellen können, auch ich, was die Frage des Durchrechnungszeitraumes im ASVG-Bereich anlangt, aber die Harmonisierung mit dem öffentlichen Dienst ist auch für mich gewissermaßen das höhere Gut.

Wir werden, wie es beim Beschreiten eines Weges so üblich ist, gelegentlich innehalten und überprüfen, wo wir stehen, wie sich die Rahmenbedingungen verändert haben, was zu korrigieren ist. Aber ich denke, der Weg, der zu beschreiten ist, ist klar, liegt vor uns und ist mit dieser Pensionsreform eindeutig definiert. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin auch völlig davon überzeugt, daß für die nächsten Jahre dieser Weg nicht nur klar ist, sondern daß wir keinen Zwischenstopp, kein Innehalten während der nächsten Jahre brauchen, sondern daß diese Pensionsreform gut ist, und zwar für die Jahre bis weit ins nächste Jahrtausend hinein.

Frau Kollegin Hostasch hat schon angemerkt, daß gerade aus Sicht der ASVG-Verhandler und der ASVG-Verantwortlichen die Harmonisierung, die mit dieser Pensionsreform gelungen ist, über allem steht, was sonst noch gelungen ist.

Die Harmonisierung der Pensionssysteme, insbesondere mit jenem des öffentlichen Dienstes, die Aufgabe dessen, was in den letzten Jahren immer wieder zu einer gegenseitigen Blockade geführt und wenig an Reform in der politischen Realität ermöglicht hat, das ist das wichtigste. Es ist ein langfristiger Schritt bis zum Jahr 2020, aber dann haben wir den 18jährigen Durchrechnungszeitraum in allen Systemen. Dieser Harmonisierungsschritt steht – mit einigen anderen – an vorderster Stelle.

Meine Damen und Herren! Es ist aber auch in vielen anderen Bereichen eine wichtige Strukturreform gelungen. Hätten Sie mir vor einem halben Jahr gesagt, daß es uns gelingen wird, die Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung zustande zu bringen, Harmonisierungsschritte im Bereich der Subsidiarität zustande zu bringen, eine aus heutiger Sicht jedenfalls vernünftige Lösung hinsichtlich der Einbeziehung geringfügig Beschäftigter zustande zu bringen, ich hätte es nicht geglaubt. Ich hätte nicht geglaubt, daß wir heute sagen können – ohne daß darüber lange diskutiert wird –, daß wir mit dieser Pensionsreform in Wirklichkeit auch das Werkvertragsthema gelöst haben und die größten Unsicherheiten und schwammigen Formulierungen einer Klärung zuführen konnten. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Pensionsreform ist aber auch ein klares Signal an und für die älteren Arbeitnehmer – und auch da bin ich völlig einer Meinung mit Frau Minister Hostasch und wahrscheinlich den meisten Damen und Herren hier im Hohen Hause –, daß wir schön langsam mit einem österreichischen Mißstand Schluß machen müssen, der Menschen dazu motiviert, aus verschiedensten Gründen allzu früh in Pension zu gehen. Ich weiß schon, das hat in einem bestimmten Bereich der Industrie vor Jahren begonnen, das ist dann weitergegangen, und es wurde leider Gottes sozu


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sagen salonfähig und gehörte gewissermaßen zum guten Ton, ältere Menschen einerseits recht früh in Pension zu schicken und andererseits bei älteren Menschen den Wunsch aufkommen zu lassen, so rasch wie möglich, wenn es irgendwie geht, in Pension zu gehen. Das soll und kann nicht so sein!

Das soll und kann aber nur dann nicht so sein, wenn wir gleichzeitig auch Begleitmaßnahmen setzen, die eine längere Beschäftigung von älteren Menschen ermöglichen, die ältere Menschen motivieren, länger in Beschäftigung zu bleiben. Ich möchte die einzelnen Punkte – von Frau Kollegin Hostasch bereits referiert und Ihnen bekannt – nicht noch einmal aufzählen, aber das politische Ziel muß uns klar sein: Es sollen alle Beteiligten – Arbeitgeber, Arbeitnehmer und erst recht die Pensionsversicherer – ein Interesse daran haben, daß Menschen in diesem Land wieder länger in Beschäftigung bleiben. Ich muß die gestiegene Lebenserwartung hier nicht anführen, ich muß auch nicht anführen, daß Menschen in höherem Alter heute Gott sei Dank gesünder sind als noch vor 10, 20 oder 30 Jahren und daß wir diese Entwicklung natürlich auch unterstützen wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die dritte Botschaft geht an die Jungen. Es ist diese Pensionsreform ein wichtiger Schritt zur Sicherung des Generationenvertrages. Sie ist eine Reaktion darauf, daß wir wissen, daß wir bei Beibehaltung des Status quo, bei Nichtstun und Zuschauen von einem Bundesbeitrag zu den Pensionen von heute 2,5 Prozent bis ins Jahr 2020 zu einem Bundesbeitrag von 5 Prozent gekommen wären – plus 2,5 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes. Denken wir daran, wie schwierig es ist, 2,5 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes als Nettoneuverschuldung im Rahmen der Maastricht-Kriterien darzustellen und nicht darüber zu liegen. Alleine die Beibehaltung des Status quo hätte uns diese plus 2,5 Prozent bis zum Jahre 2020 gebracht.

Es ist aber auch ganz richtig – und da gilt wirklich: repetitio est mater studiorum; das kann nicht oft genug wiederholt werden –, daß diese Pensionsreform keine Kürzung von Pensionen bringt. Nein! Nein, sie bringt lediglich ein Einschleifen der Anstiege unserer Pensionen, die wir in den nächsten 10, 15 und 20 Jahren zu erwarten haben. Auch das müssen wir den Menschen sagen! Politik ist dazu da, Angst zu nehmen, nicht, Angst zu machen. Sehr geehrter Herr Dr. Hasel-steiner, das gilt auch für die Opposition! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Und nicht zuletzt freue ich mich, daß es in zwei, wie ich glaube, sehr wesentlichen Bereichen gelungen ist, Abfederungsmaßnahmen mit dieser Pensionsreform zu verwirklichen. Das betrifft nicht zufällig die Frauen, sondern es war selbstverständlich gezielte Absicht der Regierung, Frauen zu helfen, die Familienarbeit leisten, und zwar unbezahlte Familienarbeit. Auf der einen Seite gibt es die bessere Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten. Aus meiner Sicht wird ebenfalls noch deutlich unterschätzt, was hier gelungen ist. Die Anhebung der Bemessungsgrundlage mit dem Jahr 2000 auf den dann wahrscheinlichen Ausgleichszulagenrichtsatz von rund 8 100 S bedeutet pro Frau und Kind und Jahr eine Anhebung ihrer Pension um 2 400 S. Das ist gegenüber bisher ein Plus von 35 Prozent aus dem Titel "Kindererziehungszeiten".

Und schließlich bin ich Frau Kollegin Hostasch auch sehr dankbar dafür, von sich aus in die Diskussion gebracht zu haben – und wir haben dem sehr schnell zugestimmt –, solchen Frauen – es müssen, glaube ich, nicht unbedingt Frauen sein, aber es sind meistens Frauen –, die Angehörige pflegen und dadurch aus einem Erwerbsberuf aussteigen, die Weiterversicherung für die Pension zu erleichtern, indem das Sozialressort die Arbeitgeberbeiträge für die Weiterversicherung in der Pensionsversicherung bezahlt. Das ist ein zweiter wichtiger Punkt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich darf damit schließen: Unser Pensionssystem der Zukunft wird hoffentlich auf drei Säulen beruhen – nur nicht auf jenen, die Sie vorschlagen, sehr geehrter Herr Abgeordneter Gaugg; das möchte ich weder unserem Pensionssystem noch unseren Pensionisten zumuten. Wir wollen das schon einigermaßen abgesichert haben. Den Umstieg von einem Umlageverfahren auf ein Kapitaldeckungsverfahren innerhalb von einer Säule halte ich entweder für nicht machbar oder jedenfalls zumindest für einen Weg, der abenteuerlich ist. Das sage ich Ihnen ganz klar.


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Die öffentliche Pensionssicherung wird selbstverständlich auch in Zukunft auf dem Umlageverfahren beruhen beziehungsweise auch beruhen müssen. Für all das, was auf dem privaten Sektor geschieht, ist das Kapitaldeckungsverfahren natürlich das gegebene. Und dieser Weg wird ja auch gegangen.

Um die zweite und dritte Säule werden wir uns kümmern müssen. Erste Schritte werden, wie mir Herr Staatssekretär Ruttenstorfer gesagt hat, schon in Kürze politisch bekannt werden. Und der große Schritt einer steuerlichen Begünstigung der Schaffung einer betrieblichen Pensionsvorsorge ist ein sehr wichtiges Element für die Steuerreform des Jahres 2000. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Pensionsreform, die hier gelungen ist, stellt ein herzeigbares Paket dar. Es ist richtig, daß die Störche in der Zwischenzeit aus Rust weggeflogen sind, aber sie bleiben eben nicht so lange in Österreich. Manchmal habe ich den Eindruck gehabt, als hätten sich manche ein wenig zurückgelehnt und mit dem Verhandlungsbeginn so lange gewartet, bis diese Störche abgeflogen sind. Aber wir sind hier zu einem guten Ende gekommen. Wir haben das Verhandlungstempo deutlich beschleunigt, als es in Richtung Finale gegangen ist, wie auch Herr Vorsitzender Nürnberger gesagt hat.

Diese Pensionsreform ist ein gutes Stück Arbeit. Und ich freue mich sehr darüber, daß es nicht nur im Konsens der beiden Koalitionspartner – das ist ja wohl selbstverständlich –, sondern auch im Konsens mit den Sozialpartnern möglich ist und war, dieses großes Stück Reformarbeit für Österreich und für unsere Bürger abzuschließen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Guggenberger. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Haselsteiner: Guggenberger! Wenn es nichts Freundliches ist, dann geh! – Abg. Mag. Guggenberger: Es ist etwas Unfreundliches; es nützt nichts!)

13.08

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Kollege Haselsteiner hat einige äußerst unfreundliche Bemerkungen über einen Brief gemacht, den der ehemalige Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky vor den letzten Nationalratswahlen an Pensionisten oder angehende Pensionisten geschrieben hat. Dazu darf ich doch einige Bemerkungen machen, sehr geehrter Herr Kollege Dr. Haselsteiner.

Es ist damals in der politischen Diskussion vor den Wahlen darum gegangen, massive Eingriffe in das bestehende Pensionsrecht anzukündigen. Es ist damals darum gegangen, daß verschiedene Gruppierungen gemeint haben, man könne dieses Pensionssystem überfallsartig, ohne Vertrauensschutz ändern. Und da war es Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky, der in einem Schreiben an alle Pensionsbezieher Österreichs klargestellt hat: Wir Sozialdemokraten stehen für einen Eingriff in bestehende Pensionen nicht zur Verfügung. Das wird gegen unseren Willen nicht durchzusetzen sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Dr. Haselsteiner! Nicht mehr und nicht weniger als das hat der damalige Bundeskanzler garantiert! Und durch das, was wir heute hier beschließen, wird er in keiner Weise desavouiert. Wir greifen nicht in bestehende Pensionen ein. Alles, was wir hier beschließen, vollzieht sich unter einem hohen Vertrauensschutz. In den nächsten fünf Jahren wird keine Maßnahme getroffen werden, die in dieses System eingreift. Franz Vranitzky könnte auch zum heutigen Tage ruhigen und guten Gewissens wieder diesen Brief an die Österreicherinnen und Österreicher schreiben! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Haselsteiner und Gaugg. )

Herr Dr. Haselsteiner! Ich halte Sie wirklich für einen Gentleman. "Gentlemen agree on facts", heißt es immer. Ehrenmänner und auch Ehrenfrauen sollten ihre Diskussionen auf der Grundlage gesicherter Fakten und gesicherter Informationen führen.


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Ich glaube, wir können schon darin übereinstimmen, daß Professor Rürup mehrere Feststellungen über unser Pensionssystem getroffen hat.

Zum ersten hat er unzweifelhaft klargestellt, daß unser Pensionssystem eines der leistungsfähigsten der Welt ist. Er hat gesagt, daß dieses System bis weit in das nächste Jahrhundert hinein in der Lage sein wird, mit – ich betone das! – vertretbarem finanziellem Aufwand vergleichbar hohe Pensionen zu garantieren. Er hat besonders klar herausgearbeitet, daß es in Wirklichkeit keine Alternative zum Umlageverfahren gibt und daß ein Kapitaldeckungsverfahren innerhalb dieser einen Säule doch nichts anderes darstellen würde als eine Sozialisierung des Börsenrisikos. Es ist gerade vor dem Hintergrund dessen, was wir in den letzten Wochen weltweit beobachten konnten, ein abenteuerlicher Weg, sich auf die Börsen zu verlassen. Da ist mir, sehr geehrter Herr Kollege Dr. Haselsteiner, das Umlageverfahren tausendmal lieber. Das sei ganz klar gesagt, und zwar nicht nur uns, sondern auch Dr. Rürup. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner. )

Dr. Rürup hat nicht zuletzt gemeint, nicht eine Einzelmaßnahme, sondern ein Policy-mix aus den verschiedensten Maßnahmen würde dieses Pensionssystem nachhaltig absichern.

Trotzdem war auch uns allen klar: Ein Reformbedarf ist unbestritten. Es war der vom Wifo nominierte Experte Dr. Guger, der auf eine EU-Studie hingewiesen hat, in der davon die Rede war, daß man, wenn man den gesetzlichen Status quo beibehält, im Jahr 2030 entweder erst mit 68 Jahren in Pension gehen kann oder aber die Nettoersatzquote um 50 Prozent senken muß oder aber die Beiträge um 43 Prozent anheben muß. Es gibt andere, die das weit weniger dramatisch sehen. Trotzdem: Ein Reformbedarf, ein Handlungsbedarf war zweifelsohne gegeben.

Dieser ungeheuer verantwortungsvollen, schwierigen Aufgabe, bei der selbstverständlich verschiedene Interessen aufeinanderprallen, haben sich diese Bundesregierung, die Koalitionsparteien, die Sozialpartner in den letzten Monaten mit großem Engagement gestellt. Selbstverständlich ist es dabei zu Konfrontationen, zu Reibereien, zu unterschiedlichen Auffassungen gekommen. Aber nehmt alles nur in allem, und das ist das wichtigste: Zum Schluß konnten wir ein Paket vorlegen, das zumindest von den Koalitionsparteien, von den Sozialpartnern und von der Bundesregierung gemeinsam getragen wird. Das ist sehr erfreulich, und wir freuen uns sehr darüber. (Beifall bei der SPÖ.)

"Repetitio est mater studiorum", hat Herr Dr. Bartenstein gesagt. Es ist tatsächlich ein bewährtes didaktisches Mittel, Dinge immer wieder zu sagen. Das ist notwendig, weil es sonst nicht so gesehen wird, wie es zu bewerten ist, nämlich daß es ein ungeheuer wichtiger, erfolgreicher, vor kurzer Zeit noch nicht zu erwarten gewesener Schritt ist, der uns da gelungen ist, daß wir einen wesentlichen Schritt in Richtung Harmonisierung und Angleichung der Pensionssysteme setzen. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Bartenstein. )

Es haben sich das ASVG und das Beamtensystem in den letzten 10, 15 Jahren permanent auseinanderentwickelt. Während man auf der einen Seite die Durchrechnungszeiträume immer mehr erweitert hat, mußten auf der anderen Seite öffentlich Bedienstete überhaupt keinen Durchrechnungszeitraum in Kauf nehmen. Jetzt ist es wirklich gelungen, diese schwierige politische Aufgabe zu bewältigen. Es wird in Zukunft Durchrechnungszeiträume in allen Systemen geben, gleichgültig, ob jemand Angestellter, Arbeiter, Bauer, Gewerbetreibender oder Beamter ist. Alle werden den gleichen Durchrechnungszeitraum haben.

Es ist auch schon darauf hingewiesen worden – und das ist sehr, sehr wichtig –: Es werden in Zukunft alle, die schon in Pension sind, jeweils zu Jahresbeginn die gleiche Pensionserhöhung haben, gleichgültig, ob Bauer, Angestellter, Arbeiter oder Beamter. Auch das hat ja in der Vergangenheit immer wieder zu Ärger geführt. Das hat dazu geführt, daß sich eine Berufsgruppe beziehungsweise Pensionistengruppe gegenüber der anderen benachteiligt gefühlt hat.

Und noch etwas ist gelungen, was nicht hoch genug eingeschätzt werden kann – darauf wird vor allem Kollege Franz Hums eingehen, der als Minister die ersten Schritte in diese Richtung gesetzt hat, der den Stein ins Rollen gebracht hat –: Alle Erwerbseinkommen können nun in die Sozialversicherung einbezogen werden. Ein ungeheuer wichtiger, wertvoller Schritt! Die Frau


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Bundesministerin hat schon darauf hingewiesen. Eine bundesdeutsche Delegation, die unlängst hier in diesem Haus war, hat gesagt: Wären wir nur halb so weit wie ihr in diesem Bereich, wir könnten wahrlich stolz darauf sein.

Wir setzen Maßnahmen, um den Eigenfinanzierungsgrad der Selbständigen zu erhöhen. Ich mache als Sozialdemokrat kein Hehl daraus: In diesem Bereich wäre das Motto "Darf’s ein bisserl mehr sein?" durchaus eines gewesen, mit dem wir uns anfreunden hätten können. Aber immerhin, in den nächsten zwei Jahren werden die Bauern und die Selbständigen durch eine Fülle von Maßnahmen 500 Millionen Schilling mehr für die Pensionskassen aufzubringen haben.

Eine Reihe von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen wird gesetzt, die dazu führen sollen, daß die Menschen eben später in Pension gehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend erlauben Sie mir als einem, dem die Anliegen behinderter Menschen wichtig sind und am Herzen liegen, folgende Feststellung: Wir haben damals beim Beschluß des Pflegevorsorgepaketes hier in diesem Haus Staatsverträge mit den Bundesländern geschlossen. Diese Staatsverträge beruhten auf zwei Säulen, zum einem auf der Einführung des Bundespflegegeldgesetzes und zum anderen auch auf der Zusage: Wir werden jene Personen sozial absichern, die Angehörige pflegen.

Ich halte fest: Wir, der Bundesgesetzgeber, haben diese unsere staatsvertragliche Verpflichtung mit dem heutigen Tage erfüllt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Rosemarie Bauer. ) Es liegt nun an den Ländern, ihre Hausaufgaben in gleicher Weise zu erledigen und bis zum Jahr 2010 dafür Sorge zu tragen, daß die pflegebedürftigen Menschen in allen Bundesländern, von der Großstadt bis zur kleinsten Gemeinde, die notwendigen Einrichtungen vorfinden, die sie brauchen, um ordentlich betreut und gepflegt zu werden.

Nicht zuletzt auch diese Punkte sind für mich ein Anlaß, diesem Paket sehr, sehr freudig zuzustimmen. Es ist in den vergangenen Wochen sehr viel agitiert worden. Es ist sehr viel propagandistischer Rauch und Nebel erzeugt worden. Wenn sich all diese Nebel- und Rauchschwaden verzogen haben werden, wenn wir in der Lage sein werden, dieses Paket nüchtern, sachlich und mit der gebotenen emotionalen Distanz zu beurteilen (Abg. Auer: Ohne blauen Dunst!) , dann werden wir alle feststellen: Es ist ein gutes Werk. Wir können ihm gern zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Haidlmayr vor. – Bitte.

13.20

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte kurz auf eine Aussage des Herrn Abgeordneten Guggenberger eingehen.

Herr Abgeordneter! Es glaubt Ihnen doch in diesem Hause wirklich kein Mensch mehr, daß das, was Sie über die Sicherstellung der pflegenden Angehörigen gesagt haben, tatsächlich geleistet wird. Wissen Sie, was Sie sich leisten? Sie wälzen die Kosten auf die betroffenen behinderten Menschen ab, niemals werden sie vom Bund oder irgend jemand anderem getragen. Jeder einzelne pflegebedürftige Menschen, der nicht im Heim lebt, fragt sich aufgrund Ihrer Aussage: In welcher Welt leben Sie? – Sicher nicht in der Realität! (Ruf bei der SPÖ: Man kann auch alles schlechtmachen!)

Meine Damen und Herren! Die Einführung der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung von pflegenden Angehörigen und Assistenzpersonen ist seit Einführung des Pflegegeldes 1993 ein Wunsch aller betroffenen Menschen, aller PflegegeldbezieherInnen in Österreich. Wir behinderte Menschen, die nicht im Heim leben, sondern uns Assistenten anstellen, möchten als Dienstgeber selbstverständlich, daß unsere Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer rechtlich ordentlich sozialversicherungsmäßig abgesichert sind. Das ist seit Jahren eine konkrete Forderung.


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Dieser Forderung sind Sie aber nicht nachgekommen. Sie übernehmen bei geringfügig Beschäftigten die sozialversicherungsrechtlichen Kosten, die mit 1. Jänner 1998 anfallen werden, nicht aus den Mitteln des Bundes, sondern verlangen, daß das ausschließlich die Pflegegeldbezieher von ihrem spärlichen Pflegegeld zusätzlich mitfinanzieren. Das bedeutet konkret, Frau Reitsamer, eine Reduktion des Pflegegeldes um weitere 20 Prozent für jeden einzelnen Pflegegeldbezieher, der auf persönliche Assistenz angewiesen ist und der seine persönliche Assistenz durch mehrere geringfügige Beschäftigungen absichert. (Abg. Rosemarie Bauer: Aber zugunsten dessen, der ihn pflegt!)

Ich frage mich: Was ist der Grund dafür, daß Sie behinderten Menschen seit drei Jahren keine Valorisierung beim Pflegegeld zugestehen, was de facto einen jährlichen Verlust von 2 bis 3 Prozent bedeutet, während Sie sie gleichzeitig dafür, daß sie geringfügige Beschäftigungsverhältnisse haben, zusätzlich mehr oder weniger mit dem Holzhammer treffen, indem Sie die Lohnnebenkosten, sprich die Dienstgeberabgaben, zusätzlich von ihnen einfordern?

Sie verkaufen diese Lösung als eine wichtige Entscheidung, die der Bund getroffen hat und die der Bund natürlich finanziert. Das stimmt aber nicht. Sie haben den behinderten Menschen die Kosten aufgebürdet! Behinderte Menschen sind selbstverständlich für die sozialversicherungsrechtliche Absicherung der geringfügig Beschäftigten im persönlichen Assistenzbereich, aber mit Kostenabdeckung durch den Bund.

Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie weit Sie die Entwicklung des Pflegegeldes in den letzten Jahren nachvollzogen haben. Ich habe das sehr genau gemacht. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, daß die Auszahlungen der Pflegegelder von 1995 auf 1996 um 634 Millionen Schilling zurückgegangen sind. Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, daß Sie 1994 16 243 Millionen Schilling an Bundespflegegeldern ausbezahlt haben, 1996 waren es nur mehr rund 16 Milliarden Schilling, also um 230 Millionen Schilling weniger. Gleichzeitig ist die Anzahl der österreichischen PflegegeldbezieherInnen um 10 370 gesunken.

Sie haben 1993 mit Einführung des Pflegegeldes den Sozialversicherungsbeitrag für Dienstgeber, Dienstnehmer und Pensionisten jeweils um 0,5 Prozent mit der Begründung erhöht, dies diene zur Absicherung und Finanzierung des erhöhten Pflegegeldes. Die Pflegegelder sind zurückgegangen – das habe ich Ihnen jetzt bewiesen –, die Prozentsätze jedoch nicht. Das heißt, die Einnahmen sind gleichgeblieben beziehungsweise gestiegen. Wo ist das Geld bitte, das damals konkret für die Pflegesicherung eingeführt worden ist? Wo sind denn die Überschüsse? Wer verwendet unsere Überschüsse?

Frau Ministerin! Herr Minister! Diese Frage möchte ich beantwortet haben. Wir behinderte Menschen werden es nicht zulassen, daß Sie diese damals ganz klar für die Pflegevorsorge eingeführten Beträge verwenden, um andere Budgetlöcher zu stopfen. Dazu waren sie nicht gedacht, und wenn Sie das machen, ist das ein Mißbrauch von Steuergeldern! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Das Pflegegeld ist eine Leistung des Staates und nicht durch Beiträge bezahlt!)

Sie haben beschlossen, daß es mit 1. Jänner 1998 eine Weiterversicherung für pflegende Angehörige gibt und der Dienstgeberbeitrag über den Bund finanziert werden soll. Der Grundsatz, in diese Richtung zu gehen, ist völlig richtig. Aber, meine Damen und Herren, ich frage Sie: Glauben Sie ernsthaft, daß, wenn jemand pflegebedürftig und in der Pflegestufe 7 ist und rund um die Uhr Betreuung braucht, das von einer einzigen Person abgedeckt werden kann? Glauben Sie ernsthaft, daß Sie mit diesem Weiterversicherungssystem einem pflegenden Angehörigen eine Betreuung von 744 Stunden monatlich, 24 Stunden täglich um den Hals hängen können? Unabhängig davon, daß das arbeitsrechtlich durch nichts gedeckt ist, ist es auch menschlich niemals leistbar. Kein Mensch kann 24 Stunden täglich arbeiten!

Warum lassen Sie es nicht zu, daß PflegegeldbezieherInnen nicht nur eine Person auf Basis der Weiterversicherung anstellen können, sondern vielleicht fünf oder sechs Personen, damit im Schnitt im Monat niemand über 140, 160 Stunden arbeiten muß und sichergestellt ist, daß im


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Urlaubsfall, im Krankheitsfall einer dieser versicherten Personen auch Ersatz da ist? – Daran haben Sie alle nicht gedacht.

Sie sagen jetzt, Sie haben das Problem gelöst, die pflegenden Angehörigen sind versichert. Aber Sie haben eines vergessen: Es gibt nur eine Weiterversicherung, keine Selbstversicherung. Glauben Sie ernsthaft, daß heute jemand, der für 160 Stunden Arbeit im Monat netto 20 000, 25 000 S erhält, aufgrund Ihres neuen Angebotes aus seinem Dienstverhältnis aussteigen wird, statt 160 Stunden im Monat 744 Stunden arbeitet, und das bei einer Bezahlung zwischen 15 000 und 17 000 S? Sie werden doch nicht ernsthaft meinen, daß das jemand tun kann, daß sich das jemand leisten kann!

Ich weiß nicht, ob ich Ihren Gedanken folgen kann, aber ich vermute schon. Sie haben mit dieser Weiterversicherung ausschließlich auf Personen abgezielt, die im Arbeitsprozeß wenig verdienen, zum Beispiel eine Verkäuferin. Dieser muten Sie zu, daß sie statt 25 Stunden in der Woche und 100 Stunden im Monat 744 Stunden im Monat arbeitet, und das mit derselben Bemessungsgrundlage für die Pensionsversicherung, die sie als Verkäuferin gehabt hat.

Das kann nicht die Lösung sein. Die Lösung muß Selbstversicherung heißen. Nur durch eine Selbstversicherung kann man für jemanden, der aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden ist oder keine Chance hat, einen Job zu bekommen, einen Arbeitsplatz schaffen. Damit besteht die Möglichkeit, Personen mit einer Selbstversicherung anzustellen, die es leisten können und die Arbeit suchen. Nach Ihrem Modell ist es ausschließlich so, daß Leute ihren Arbeitsplatz aufgeben müssen, um in den Genuß oder Nichtgenuß der Weiterversicherung zu kommen. Das ist ein Verdrängen vom Arbeitsmarkt, und das hat nichts damit zu tun, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Wenn Sie es ernst meinen, daß Sie pflegende Personen versichern wollen, dann müssen Sie eine Selbstversicherung genauso zulassen wie eine Weiterversicherung und die Dienstgeberbeiträge durch den Bund finanzieren.

Und noch eines, Herr Guggenberger, Herr Feurstein! Wir haben in den letzten Tagen versucht, mit Ihnen auf faire, verständliche Art darüber zu sprechen, daß die Dienstgeberbeiträge für geringfügig Beschäftigte auch aus den Mitteln des Bundes übernommen werden sollen. Herr Guggenberger, Sie waren dann aber einfach telefonisch nicht mehr erreichbar, und auch persönlich habe ich Sie nicht mehr erreicht. (Abg. Mag. Guggenberger: Ich bin doch den ganzen Tag hier gewesen! Das ist ja ein Witz!)

Herr Guggenberger, Sie haben mir versprochen, es werde einen Antrag geben zusammen mit Frau Rauch-Kallat. Von seiten der SPÖ wurde gesagt, man werde sich das Ganze anschauen, und jetzt am Schluß ist herausgekommen: Die Sozialpartnerschaft ist dagegen, weil es außer behinderten Menschen, die sich persönliche Assistenten auf Basis geringfügiger Beschäftigung anstellen, auch noch andere Härtefälle gebe, denen man den Dienstgeberbeitrag zahlen müßte. Ich habe darüber nachgedacht, welche Härtefälle Sie denn meinen. Meinen Sie den Härtefall der Unternehmersgattin, die jetzt für ihre Haushaltshilfe auch den Dienstgeberbeitrag bezahlen muß, weil sie diese unter der Geringfügigkeitsgrenze angestellt hat? Meinen Sie einen solchen "Härtefall"? Oder meinen Sie die Mediaprint, die Sie ja sowieso schon ausgenommen haben? (Abg. Mag. Guggenberger: Das stimmt ja schon wieder nicht! Bitte informieren Sie sich, Frau Kollegin!) Oder meinen Sie die Situation der Lehrenden an BFI und WIFI, meinen Sie, daß BFI und WIFI soziale Härtefälle sind, denen man das nicht zumuten kann? Das kann es doch nicht sein.

Wir fordern Sie auf, die Kosten für die Dienstgeberbeiträge bei geringfügig Beschäftigten für Menschen, die durch persönliche Assistenz betreut werden, aus den Mitteln, aus den Überschüssen der Pflegevorsorge zu finanzieren. Nur so können Sie sicherstellen, daß behinderte Menschen nicht ins Heim gehen müssen. Es ist traurig, immer wieder sagen zu müssen: Bitte macht es so, bezahlt den Dienstgeberbeitrag, denn wenn eine oder einer, die jetzt persönliche Assistenz haben, ins Heim geht, dann kostet Sie dies das Fünf- und Sechsfache pro Jahr. Es ist traurig, daß wir behinderte Menschen Ihnen, meine Damen und Herren, ständig den Kostenfaktor vorrechnen müssen und beweisen müssen, daß wir, wenn wir zu Hause leben, billiger sind.


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Meine Damen und Herren! Es ist das Selbstbestimmungsrecht aller behinderten Menschen, daß sie zu Hause leben dürfen. Und Sie, meine Damen und Herren, sind verantwortlich, die fundamentalen Rahmenbedingungen dafür sicherzustellen (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte einige Entschließungsanträge einbringen und einen Abänderungsantrag. Diesen Abänderungsantrag muß ich, weil er sehr umfassend ist, verlesen, und das möchte ich jetzt tun.

Ich habe heute schon darüber gesprochen, daß die Weiterversicherung von nahen Angehörigen oder pflegenden Angehörigen ab der Stufe 5 einfach unrealistisch ist. Es muß mindestens auch die Stufe 4 mit einbezogen sein, weil in der Stufe 4 immerhin Betreuung im Umfang von 180 Stunden zu leisten ist. Ich glaube, auch in dieser Stufe ist es sehr wohl berechtigt, eine Weiter- oder Selbstversicherung mit Übernahme der Kosten durch den Bund sicherzustellen.

Zu den pflegenden Angehörigen. Es steht in den Erläuterungen, wer pflegende Angehörige sind. Da werden einmal alle im Rahmen der Verwandtschaft, also Mutter, Vater, Stiefkind, Stieftochter, Geschwister und so weiter aufgezählt. Und dann kommt ein Bereich, da heißt es: nahe Angehörige. Daraus lese ich Ihnen jetzt vor:

"... sowie nicht verwandte, andersgeschlechtliche Personen, die mit der pflegebedürftigen Person in außerehelicher Gemeinschaft leben, wobei außereheliche Verwandtschaft der ehelichen gleichgestellt ist."

So, und jetzt meine Frage dazu: Herr Minister! Wenn ich mich heute entschließe, mit meiner langjährigen Freundin in einer Wohngemeinschaft zusammenzuleben und diese meine Assistenz übernehmen würde, dann darf sie das nicht – sie ist nämlich gleichgeschlechtlich. Heißt das konkret, daß ich zwar mit meiner Freundin zusammenziehen kann, mir aber nur der Mann meiner Freundin assistieren darf und nur er als im Sinne des Gesetzes verwandt anerkannt werden würde, meine Freundin aber nicht?

Herr Minister! Sie wissen ganz genau, daß speziell im Rahmen der Assistenz, wo es wirklich bis an den Intimstbereich jedes einzelnen geht, behinderte Menschen verdammt noch einmal das Recht haben müssen, sich ihre Pflegepersonen selbst auszusuchen – unabhängig davon, ob sie gleich- oder andersgeschlechtlich sind! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Dr. Brinek. ) Dieses Recht kann niemand verweigern – auch nicht per Gesetz. Deshalb fordere ich Sie auf, Herr Minister, den Begriff "nahe Angehörige" nicht nur in den Erläuterungen festzuschreiben, sondern in das Gesetz aufzunehmen.

Ich möchte jetzt meinen Abänderungsantrag verlesen, der wie folgt lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Haidlmayr, Öllinger, Freunde und Freundinnen betreffend das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997 – ASRÄG 1997

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage (886 der Beilagen) wird geändert wie folgt:

1. Änderung im Artikel 5 (Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977)

Im § 15 wird die neue lit. c wie folgt geändert:

"c) einen nahen Angehörigen (eine nahe Angehörige) mit Anspruch auf Pflegegeld in der Höhe der Stufe 4, 5, 6 oder 7 gemäß § 5 des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze in häuslicher Umgebung gepflegt hat und gemäß § 77 Abs. 6 ASVG oder § 28 Abs. 6 BSVG oder § 33 Abs. 9 GSVG in der Pensionsversicherung weiter versichert war und"

2. Änderung im Artikel 7 (54. Novelle zum ASVG):


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§ 77 Abs. 6 wird wie folgt geändert:

Im ersten Satz wird der Ausdruck "Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 5, 6 oder 7" durch den Ausdruck "Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 4, 5, 6 oder 7" ersetzt.

Der Absatz 6 wird außerdem wie folgt ergänzt:

"Als nahe Angehörige sind folgende Personen anzusehen: der Ehegatte (die Ehegattin) und Personen, die mit der pflegebedürftigen Person in gerader Linie oder bis zum vierten Grad der Seitenlinie verwandt oder verschwägert sind, ferner Wahl-, Stief- und Pflegekinder, Wahl-, Stief- und Pflegeeltern sowie nicht verwandte Personen, die mit der pflegebedürftigen Person in außerehelicher Gemeinschaft leben, wobei außereheliche Gemeinschaft der ehelichen gleichgestellt ist."

3. Änderung im Artikel 8 (Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz):

Im Abschnitt I wird in § 33 der neue Abs. 9 wie folgt geändert:

Im ersten Satz wird der Ausdruck "Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 5, 6 oder 7" durch den Ausdruck "Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 4, 5, 6 oder 7" ersetzt.

4. Änderung im Artikel 10 (Bauern-Sozialversicherungsgesetz):

Im Abschnitt I wird im § 28 der neue Abs. 6 wie folgt geändert:

Im ersten Satz wird der Ausdruck "Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 5, 6 oder 7" durch den Ausdruck "Anspruch auf Pflegegeld in der Höhe der Stufe 4, 5, 6 oder 7" ersetzt.

*****

Weiters bringe ich drei ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Kollegin Haidlmayr! Ihre Redezeit ist leider erschöpft. Ich habe bereits etwas Überziehung zugelassen. Ich würde vielleicht bitten, daß die folgenden beiden Anträge von der nächsten Rednerin Ihrer Fraktion, der Frau Abgeordneten Dr. Petrovic, eingebracht werden.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (fortsetzend): Ich habe sie bereits begründet und kann sie deshalb gleich selbst einbringen.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bitte, wenn es kurz ist: ja.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (fortsetzend): Ich habe es bereits begründet, es geht konkret um die geringfügige Beschäftigung ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Kollegin! Wenn Sie bitte den Text der Geschäftsordnung gemäß vorlesen. Es genügt, wenn Sie die Zeilen, die den Beschluß betreffen, vorlesen. – Bitte.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (fortsetzend): Ich bringe nun folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten in das Sozialversicherungssystem

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Parlament so rechtzeitig eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die sicherstellt, daß oben angeführte Mehraufwendungen zur Gänze lastenfrei für die Betroffenen sind und eine Abstimmung im Parlament noch vor Inkrafttreten des Sozialrechts-Änderungsgesetzes möglich ist. Sollte aus zeitlichen Gründen die Beschlußfassung nicht mehr vor Jahresende möglich sein, sind die Sozialversicherungsbeiträge für geringfügig Beschäftigte im Rahmen der persönlichen Assistenz erst nach Inkrafttreten einer Kostenübernahmeregelung aus Mitteln der öffentlichen Hand fällig.

*****

Der zweite Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend die Schaffung der Möglichkeit der begünstigten Selbstversicherung zur Pensionsversicherung für pflegende Angehörige

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Ministerin für Soziales und Gesundheit wird aufgefordert, bis Jahresende 1997 die Möglichkeit der begünstigten Selbstversicherung zur Pensionsversicherung für pflegende Angehörige legistisch vorzubereiten.

*****

Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die drei eben verlesenen Anträge sind ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.44

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der Sozialpolitik kommt in allen Staaten eine besondere Bedeutung zu. Nicht nur deshalb, weil es um Versorgung geht, sondern auch deshalb, weil es um die Finanzierung geht. Bei sozialen Gesetzen sind auch immer die notwendigen Emotionen dabei, weil doch jedes Gesetz in das Leben, in die Lebensplanung und die Lebensführung der Menschen eingreift. Dazu kommt, daß man gerade in diesem Bereich auch auf alle Veränderungen in der Wirtschaft und in der Gesellschaft Bezug nehmen muß.

Heute wurde mehrmals gesagt, daß es unverständlich sei, daß wir so viele Sozialgesetznovellen haben. Ich halte dem entgegen: Gerade deshalb sind unsere Sozialgesetze von besonderer Qualität, weil wir nämlich auf all diese Veränderungen rechtzeitig Bezug genommen haben; und so auch heute. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es gibt Faktoren wie längere Arbeitszeit, es gibt Faktoren wie längere Lebenserwartung; das ist absolut positiv, und wir können uns darüber nur freuen. Dem stehen natürlich auch andere Entwicklungen gegenüber, zum Beispiel eine langsamere oder eine weniger produktive Wirtschaftsentwicklung. Veränderungsdiskussionen zu den Sozialgesetzen gibt es in ganz Europa. Sie können es den Zeitungen entnehmen, man kann jeden Tag sehr viel Interessantes herauslesen.

Es gibt aber nicht nur Faktoren, sondern es gibt auch Fakten. Ich verstehe deshalb nicht, warum heute hier von Armut gesprochen wurde. Armut gibt es, aber nicht aufgrund der Sozialgesetzgebung. Armut, glaube ich, kann man auch dahin gehend argumentieren, daß man sagt, durch die


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Sozialgesetze ist eine gute Versorgung gegeben. Gerade in den letzten zehn Jahren sind die Pensionen in Österreich um 25,1 Prozent gestiegen und somit stärker angepaßt worden, als die Inflationsrate es vorgab. Die Ausgleichszulagenrichtsätze stiegen um 68,8 Prozent. Das ist eine Leistung meiner Partei, der Österreichischen Volkspartei, die sich in diesem Zusammenhang besonders bemüht hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Klar ist, daß wir ein leistungsstarkes System haben, Sie wissen, das sind etwa 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, und klar ist auch, daß die Sozialgesetze und die Sozialleistungen nur dann abgesichert sind, wenn Arbeit und Wertschöpfung gegeben sind. Ohne diese Voraussetzung können wir Gesetze machen, soviel wir wollen, wir werden nicht ans Ziel kommen.

Es gibt in Österreich heute etwas mehr als drei Millionen Beschäftigte, soviel wie noch nie zuvor. Wir haben aber auch bereits annähernd zwei Millionen in der Alterssicherung, und diese Entwicklung verengt sich, deshalb müssen wir darauf Bezug nehmen. In der Folge ist ein Auseinanderlaufen der einzelnen Systeme klar erkennbar. Aus diesem Grund hat man Umbaumaßnahmen gefordert, Harmonisierungen wurden eingefordert – nicht nur von Professor Rürup, der als Experte beigezogen wurde, sondern auch von vielen anderen; ich glaube, von den Bürgern insgesamt.

Grundelemente unseres Sozialsystems wie Umlageverfahren, Generationenvertrag, die heute auch hier mehrmals angezweifelt wurden, sind absolut gut. Ich glaube, die Diskussion hat gezeigt, daß es in Wirklichkeit dazu keine Alternativen gibt. Oder wollen Sie wirklich das Kapitaldeckungsverfahren mit allen Risken der Kapitalwirtschaft? Wollen Sie das wirklich haben, wo der Einzelbürger vielleicht an einem Tag mehr gewinnen kann, aber am anderen Tag wesentlich mehr verlieren kann? – Ich gebe dem meine Zustimmung nicht, denn ich glaube, daß das keinen Sinn macht. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Die Regierung hat zu Zielen gefunden und zwar: kein Eingriff in bestehende Leistungen, Abschlagsregelungen für Früheintritte, Harmonisierung der Systeme und Abfederung von sozialen Härtefällen. Es gab ein starkes Medieninteresse, die Bürger waren teilweise durch manch unnötige Erklärung verunsichert. Die Experten-Hearings waren sehr wichtig. Wir hörten sehr viele gute Vorschläge. Ich persönlich darf aber sagen, daß ich kaum viele neue Erkenntnisse erfahren habe. Eigentlich war es im großen und ganzen eine Bejahung dessen, was ohnehin schon klar war, nur mit einigen Korrekturvorzeigemodellen.

Die Verantwortungsträger waren bei dieser Entwicklung total gefordert. Es waren harte Verhandlungen, es gab auch entbehrliche Verhaltensmaßnahmen oder Verhaltenssituationen einzelner Interessengruppen, das soll man auch heute ganz klar sagen. Es wurde aber eine Lösung gefunden. Ich glaube, daß die Verhandler unter stärkster Belastung standen und durchgehalten haben. Dafür sollten wir ihnen unsere Anerkennung aussprechen, Frau Bundesministerin Hostasch genauso wie Herrn Minister Molterer und Minister Bartenstein, Dr. Feurstein und Frau Reitsamer. Sie haben Großartiges geleistet!

Sehr viele meinen, das, was geschaffen wurde, sei zum einen sozial zu hart. – Ich bitte Sie, welche Vorschläge gibt es, die anders und trotzdem zielführend wären? Man müßte ja auch die Zustimmung bekommen.

Die anderen meinen, viel zu wenige Veränderungen wären enthalten. Der Vertrauensschutz ist etwas Wichtiges, und diesen wollten wir unter keinen Umständen strapazieren. Es mußte in allem eine Konsensfähigkeit gefunden werden.

Meine Damen und Herren! Wir wissen doch, daß Lösungen nicht einfach sind. Erinnern wir uns an vergangenen Mittwoch: Mag. Schweitzer stand am Rednerpult und sagte: Was Sie machen, ist alles nichts! Mein Obmann wird kommen, und er wird Ihnen ein Pensionskonzept vorlegen! – Wir haben es gehört. Es war eine allgemeine Formulierung, es waren pauschale Feststellungen, es waren keine brauchbaren Vorschläge. Deshalb hat "F" wieder einmal gebürgt für "frei von guten Vorschlägen". (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Bezugnehmend auf die Hinweise, die wir heute sowohl von Herrn Gaugg als auch von Herrn Dr. Kier gehört haben, der insbesondere meinte, die Liberalen wollen ein System, das die Pensionen in diesem Land lange sichert, kann ich nur korrigieren beziehungsweise verbessern: Wir wollen ein System, das die Pensionen in diesem Lande immer sichert. – Das ist unser Ziel und kein anderes! (Beifall bei der ÖVP.)

Dieses zweite Sozialrechts-Änderungsgesetz findet unsere Zustimmung (Abg. Mag. Schweitzer: Wollen schon!), obwohl wir nicht alle Erwartungen erfüllen konnten und obwohl nicht alle Fragen gelöst werden konnten.

Herr Hofrat Guggenberger, wenn Sie auch gesagt haben: Na ja, die Selbständigen haben nur 500 Millionen aufzubringen – bitte, das ist ein gewaltiger Betrag! Das müssen Sie einmal den Gruppen klarmachen, und da muß auch eine Zustimmung gegeben werden, gerade meine Gruppe betreffend, in einer Zeit, in der wir enorme Belastungen und Schwierigkeiten zu bewältigen haben. Wir haben es getan – im Interesse dieses Landes, im Interesse des Zustandekommens eines vernünftigen Kompromisses, und ich glaube, wir haben deshalb eine wahre große Tat vollbracht. (Beifall bei der ÖVP.)

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Diese Gesetzesvorlage nimmt natürlich auch auf Veränderungen Bezug, und sosehr diese alle schon mehrmals diskutiert wurden, scheinen mir doch einige Dinge besonders wesentlich.

Zum ersten die Dehnung des Durchrechnungszeitraumes von 15 auf 18 Jahre in den Regelsystemen und die Einführung eines Durchrechnungszeitraumes im öffentlichen Dienst. Daß es diesbezüglich Konflikte gegeben hat, ist keine Frage, aber bitte denken wir doch daran, daß wir sehr zielorientiert erst im Jahre 2003 beginnen und diese Maßnahmen bis zum Jahr 2020 führen. Ich halte sie deshalb für zumutbar, weil viele der Betroffenen damit ihre Lebensplanung noch entsprechend gestalten können. Und ich möchte auch sagen, daß wir im öffentlichen Dienst – Dr. Stummvoll hat am Mittwoch den Antrag eingebracht – dafür auch den Pensionssicherungsbeitrag als Gegenmaßnahme haben auslaufen lassen. Darum meine ich, die soziale Dimension ist gegeben, und deswegen können wir das auch herzeigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben heute einen Abänderungsantrag vorgelegt, in dem auch die Vergleichsbemessungsgrundlage aufgezeigt wird. Wir wollen die Anhebung der Ausgleichszulagenrichtsätze und damit verbunden eine Absenkung bei der Anrechnung beim fiktiven Ausgedinge – ein Ewigthema, das Sie kennen. Wir haben die Anrechnung der Kindererziehungszeiten ab dem Jahr 2000 sehr positiv geregelt, und ich möchte auch sagen, daß die Einbeziehung aller Erwerbstätigkeiten wichtig und richtig, nur für uns etwas schmerzlich ist.

Wir haben die beitragsfreie Mitversicherungseigenschaft verloren, wir müssen die Mehrfachversicherung hinnehmen und haben deshalb Kompensationsmaßnahmen gebraucht. Ich bin froh und dankbar, daß uns gerade in dieser schwierigen Situation sehr viele verstanden haben und daß wir auch dazu eine Zustimmung erhalten, denn Doppelbelastung und hohe Tarife sind wahrlich nicht vertretbar. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich freue mich auch, daß das Betriebshilfegesetz von uns derart verbessert werden konnte, daß wir das Wochengeld auf 300 S täglich anheben können und ab nun die Dynamisierung einführen. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) – Was Sie verlangen, ist ein Wunsch an das Christkind, meine Damen und Herren! Nur wer die Veränderung ... (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Das ist ein Wunsch an das Christkind (Abg. Dr. Khol: An das sie nicht glauben!), an das Sie nicht glauben! Nur, wer die Veränderungen der Zeit erkennt, der sichert auch die Zukunft. Das war unser Postulat, dafür haben wir gearbeitet, und ich freue mich, daß wir diesen Erfolg erringen konnten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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95. Sitzung / Seite 81

13.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 9 Minuten. – Bitte.

13.53

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben vor vier Jahren eine Pensionsreform erlebt – das war die 51. ASVG-Novelle –, die uns damals die Nettoanpassung mit jährlichen Verschlechterungen bei den Pensionen beschert hat. Man hat damals gesagt, die Pensionen seien weit über die Jahrtausendwende hinaus gesichert. Man hat damals die Berechnung weg von den letzten zehn Jahren im ASVG-Bereich hin zu den besten 15 Jahren festgelegt. Man hat bei den Beamten seinerzeit den Letztbezug als Grundlage beibehalten und jetzt, nach nur vier Jahren, haben wir die nächste Pensionsreform zu behandeln, die unser Bundeskanzler als die größte Systemumstellung der letzten 30 Jahre bezeichnet hat. Ich hingegen behaupte, daß dieses Pensionspapier, das uns jetzt zur Beratung vorliegt, den Namen "Reform" eigentlich gar nicht verdient.

Der Ablauf der Ausschußberatungen in diesem Haus war ein großes Chaos, geprägt vom Mißtrauen zwischen den Regierungsfraktionen SPÖ und ÖVP und den überforderten Sozialpartnern, die immer wieder im Ausschuß darauf gewartet haben, daß eine Nachricht von außerhalb des Hauses, wo die eigentlichen Verhandlungen geführt wurden, in dieses Haus kommt, damit die Abstimmungsmaschinerie hier läuft.

Wir haben an vier Tagen nichts anderes getan, als zu spät zu beginnen, die Sitzung zu unterbrechen, wir bekamen immer wieder Abänderungsanträge und Ausschußfeststellungen vorgelegt, und dann wurde wiederum vertagt. Am 3. November tagten zur gleichen Zeit der Finanzausschuß, in dem die Beamtenmaterie behandelt wurde, und der Sozialausschuß, in dem die ASVG-Materie behandelt wurde, und es kam wieder zu keiner Einigung. Und schließlich und endlich, am 4. November um 20.15 Uhr, als Herr Nürnberger von den Verhandlungen zurückgekommen ist, hatten diese Pflanzerei und Verzögerungstaktik endlich ein Ende. Den Regierungsfraktionen ist schon jede Argumentation ausgegangen, wie sie diese Verhandlungen noch mehr in die Länge ziehen könnten, weil sie einfach nicht abstimmen durften (Abg. Silhavy: Wir haben unsere Beiträge geleistet! Wo waren Sie, Herr Kollege?), solange die Sozialpartner ihren Sanktus nicht dazu gegeben hatten.

Aber ich frage mich: Wo ist die Gesetzgebung? (Abg. Silhavy: Wir haben unsere Anträge eingebracht, Herr Kollege! Wo sind Ihre?) Hier im Haus oder woanders? Ist sie bei den Sozialpartnern oder hier im Haus? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Anhaltende Zwischenrufe der Abg. Silhavy. ) Da können wir uns ja dieses Haus sparen. Wofür sitzen wir dann in den Ausschüssen? – Das ist die Tatsache.

Frau Kollegin Silhavy! Sie waren ja selbst im Ausschuß. Sie sind dort gesessen und haben nicht gewußt, was tun. Sie haben dort die Daumen gedreht und haben gewartet, bis Herr Kollege Nürnberger kam. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Geprägt war diese gesamte Debatte in den letzten fünf Monaten von Gruppenegoismen, die einfach keine vernünftige Reform zulassen. Man ist zwei Schritte nach vor gegangen, um wieder einen Schritt zurück zu tun. Der Bundesregierung bleibt jetzt im Prinzip nichts anderes übrig als eine gewisse Restlverwertung des Ganzen. Fünf Monate hat man gebraucht, um uns und der Bevölkerung Österreichs jetzt irgendeinen Murks zu präsentieren.

Und daß die Pensionsreform nicht das Gelbe vom Ei ist, auch wenn heute hier in diesem Haus immer wieder von den Koalitionsparteien verkündet wird, daß sie das einzig Wahre sei, erfahren Sie, wenn Sie die "Oberösterreichischen Nachrichten" von heute lesen. Da heißt es: Die Pensionsreform treibt die Bürger zur Privatvorsorge. (Abg. Silhavy: Die "F" mit ihrem Drei-Säulen-Modell!)

Wir haben immer wieder betont, wir brauchen in Österreich ein Drei-Säulen-Modell. Richtig, Frau Silhavy. Nehmen Sie sich bitte die Zeit, Frau Silhavy, und lesen Sie dieses Drei-Säulen-Modell einmal wirklich konkret durch (Abg. Silhavy: Ich habe es da!) , dann werden Sie feststellen (Abg. Silhavy: Ich werde in meinem Redebeitrag dazu Stellung nehmen!) , daß die erste Säule, die staatliche Vorsorge, auf einem Umlagemodell beruht und nicht auf einem Kapitaldeckungssystem. (Abg. Silhavy: Ich werde erklären, wie "sozial" das ist!) Auf dem Kapital


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deckungssystem beruhen die zweite und die dritte Säule. Das ist einmal die Tatsache. Das sagen wir jetzt schon seit dreizehn Jahren, aber Sie liegen auf Ihren Ohren und sind nicht in der Lage, die Pensionsregelung dahin gehend umzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mir ist natürlich klar, daß Sie das irgendwann einmal nach der Jahrtausendwende ohnehin umstellen werden. Sie werden es machen müssen, Sie werden einen anderen Namen dafür finden, aber genau dieses System, das wir heute vorschlagen, das werden Sie dann umsetzen. Ich bin überzeugt davon. Es führt kein Weg daran vorbei! (Abg. Silhavy: Wenn es finanzierbar ist! Nicht so wie Sie!)

Es ist finanzierbar. Unser System ist finanzierbar (Abg. Silhavy: Nicht einmal Ihre Experten konnten das rechnen!) und auch sozial ausgewogen. Es sieht keine Höchstbemessungsgrundlage vor, sodaß der, der mehr verdient, auch mehr einzahlt, nämlich für den, der weniger verdient. (Anhaltende Zwischenrufe der Abg. Silhavy. )

Frau Kollegin Silhavy, Sie können Gift darauf nehmen, daß ich mich dafür einsetzen werde, daß die Grundvorsorge für jeden, der ein geringes Einkommen hat, ausreicht, damit er seinen Lebensabend auch bestreiten kann, andernfalls wäre ich für ein solches System auch nicht zu haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Aber dann rechnen Sie es wenigstens einmal!)

Ich gebe Ihnen in einem Punkt recht, Frau Kollegin Silhavy: Man hat bei dieser Reform eine Tür aufgestoßen, und zwar ist das ist die Durchrechnung bei den Beamten. Das ist das einzige, mehr ist es nicht. Die Flucht in die Frühpensionen wird weiterhin anhalten. Wir hatten im Juni des letzten Jahres 182 000 Frühpensionisten. Im Juni 1997, hatten wir bereits 205 000. Die Tendenz ist weiter steigend, denn die Leute werden dazu getrieben, früher in Pension zu gehen, damit sie eine höhere Pension bekommen. Das ist die Tatsache.

Es ist keine Ausgewogenheit zwischen Jung und Alt festzustellen, außerdem ist eine zu geringe Berücksichtigung des Frauenproblems festzustellen. Die Verlierer bei dieser Pensionsreform sind die Jungen, die bleiben auf der Strecke. Die Alten, die verhandelt haben – wie der Hofrat Dohr oder Neugebauer –, die haben sich’s in diesem Fall gerichtet nach dem Motto "Hinter uns die Sintflut! Was geht uns das an, was die anderen später einmal haben?" Sie sind die Gewinner. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die unter 40jährigen zahlen auf jeden Fall die Zeche dafür. Der Status Quo der über 50jährigen wurde konserviert. Pensionsreformen sollten aber meiner Meinung nach nicht nur für die Alten, sondern auch für die unter 40jährigen gemacht werden. (Abg. Silhavy: Das ist richtig! Da müßten Sie für diesen Vorschlag sein!) Pensionspolitik sollte immer alle Generationen und Lebenszyklen im Auge haben. Außerdem muß es zu vernünftigen Übergangsregelungen kommen.

Man spricht immer wieder von Harmonisierung. Zu einem kleinen Teil, das gebe ich zu, ist Ihnen diese gelungen, aber das große Ziel war die völlige Harmonisierung der Pensionsversicherungssysteme. Es mutet wie ein Witz an, wenn bei den ASVG-Versicherten der Durchrechnungszeitraum verlängert werden muß, den die Arbeiter und Angestellten schon ewig haben, nur um einen Durchrechnungszeitraum bei den Beamten einzuführen. Harmonisierung bedeutet für mich, Ungerechtigkeiten und Privilegien zwischen und innerhalb der verschiedenen Alterssicherungssysteme zu beseitigen, vor allem deshalb, weil sie von jenen finanziert werden, die diese Vorteile nicht in Anspruch nehmen können.

Keine falsche Solidarität mit Inhabern von Privilegien, meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder weiß, wie die Privilegienritter uns hier ausgetrickst haben. Es wird systematisch kurz vor der Pension befördert, damit die Betreffenden eine höhere Pension bekommen. Die Arbeit auf diesem höheren Posten wird oft gar nicht mehr verrichtet, weil der Betreffende Resturlaub konsumiert oder sich im Krankenstand befindet, bevor er in Pension geht. Es ist herrschende Praxis, daß etwa ein 50jähriger Lehrer, der berufsunfähig ist, pensionsrechtlich wie ein 60jähriger behandelt wird. Im ASVG-Bereich gibt es so etwas nicht. Hier gibt es nur Ungereimtheiten.


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Ich würde mir eine solche Praxis selbstverständlich für jeden Erwerbstätigen wünschen, wenn das durchführbar wäre. Aber wer soll das bezahlen? Wo gibt es das in der Privatwirtschaft?

Die Privilegien in der Nationalbank, in den Kammern, in den Sozialversicherungsanstalten und in den Verbundgesellschaften bleiben weiterhin bestehen. (Abg. Silhavy: Das wird erst um 15 Uhr behandelt!) Dort genießt man die Vorteile aus der Privatwirtschaft und aus dem öffentlichen Dienst: 80 Prozent des Letztbezuges als Pension, Abfertigungsansprüche, die oftmals über die Regelungen des Angestelltengesetzes hinausgehen, Jubiläumsgelder, Stromdeputate, und, und, und. Das ist weiterhin alles möglich – und zwar mit den Geldern der braven Erwerbstätigen in Österreich, die das mit ihren Steuergeldern finanzieren, diese Vorteile aber nicht lukrieren können!

Sehr geehrte Damen und Herren! Über eine Pensionsreform, die diesen Namen auch verdient, werden wir uns in den nächsten drei Jahren sicherlich wieder unterhalten, weil die Finanzierung des Pensionssystems längerfristig keineswegs gesichert ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.03

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist genau die menschliche Qualität der "F", wenn Sie sich so am Rednerpult verhalten. Ich habe von Ihnen noch nie etwas Konstruktives gehört. Im Gegenteil! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Wie Sie mit den Familien umgehen, wie Sie mit den Frauen umgehen, wie Sie mit den Behinderten umgehen, wie Sie mit den Bäuerinnen umgehen, daran sieht man Ihre menschliche Qualität!) Sie reden nur davon, aber Sie wissen gar nicht, was Sie damit meinen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute über das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz diskutieren, so muß vorerst einmal gesagt werden, daß dieses das Ziel verfolgen soll, eine solidarische Umverteilung zwischen den Generationen, zwischen Kranken und Gesunden, zwischen Beschäftigten und Arbeitslosen, zwischen Menschen mit niedrigem und Menschen mit hohem Einkommen zu ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ. – Weiterer Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold. ) – Vielleicht hören Sie einmal zu!

Es kann nicht das Ziel einer Gesellschaft sein, Abstände zu vergrößern, sondern die vorhandenen Mittel sollen auf möglichst viele Menschen umverteilt werden. Und ich glaube, daß uns das auch wirklich gelungen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Als Arbeitnehmervertreterin möchte ich einmal festhalten, daß besonders wichtig in diesem Gesetz ist, daß nun auch die geringfügig Beschäftigten in die Sozialversicherung mit einbezogen werden. Ursprünglich war die Geringfügigkeit vorgesehen, um unkompliziert ein wenig dazuverdienen zu können, doch das wurde zunehmend von den Unternehmern mißbraucht, um das System der sozialen Absicherung zu umgehen. Geringfügig Beschäftigte sind bisher für Unternehmer beliebte Arbeitskräfte gewesen, da sie jederzeit austauschbar sind. Sie sind billige Arbeitskräfte ohne Sicherheiten. Die geringfügig Beschäftigten können sich aber auch keine eigene Existenz aufbauen, und im Alter droht ihnen ein Leben in Armut, obwohl sie immer gearbeitet haben.

Es wurden immer mehr Vollzeitarbeitsplätze durch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ersetzt. Wir haben derzeit in Österreich zirka 175 000 geringfügig beschäftigte Menschen, und es sind auch immer mehr jene betroffen, die ihren Lebensunterhalt alleine bestreiten müssen. Durch dieses Gesetz wird auch diese Gruppe in die Sozialversicherung mit einbezogen. Das bedeutet, daß auch sie einen eigenen Pensionsanspruch sowie einen eigenständigen Schutz in der Krankenversicherung haben.

Es wurde in der letzten Zeit sehr viel über die Möglichkeit einer eigenen Pensionsvorsorge gesprochen. Wie soll das aber bei einer geringfügigen Beschäftigung mit 3 740 S möglich sein?


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Ende Juli hatten wir in Österreich zirka 123 000 Frauen und über 47 000 Männer mit einer geringfügigen Beschäftigung. Darum, meine Damen und Herren, ist es wichtig, daß durch die Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten in die Sozialversicherung auch einer Spaltung des Arbeitsmarktes in Versicherte und Nichtversicherte entgegengewirkt wurde.

Meine Damen und Herren! Als Arbeitnehmervertreterin ist auch der Arbeitnehmerschutz ein großes Anliegen für mich. Es ist wichtig, daß die Ausgaben für den Bereich der Arbeitsinspektion für das Jahr 1998 um 17 184 Millionen Schilling zum Schutz der Arbeitnehmer erhöht wurden. Das ist vor allem für die Klein- und Mittelbetriebe wichtig, wo ja 50 Prozent der Beschäftigten tätig sind. Leider aber finden in jenen Betrieben die Sicherheit und der Gesundheitsschutz noch immer nicht genügende Beachtung. (Abg. Böhacker: Das ist aber schon eine grobe Unterstellung der Wirtschaft gegenüber! Können Sie das beweisen?) Vorsorgemaßnahmen kosten weniger als die Folgekosten, welche aufgrund von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten entstehen – ganz abgesehen vom Leid und von den Schmerzen, welche durch präventive Maßnahmen vermieden werden können.

Meine Damen und Herren! Sowohl die Änderung des Arbeits- und Sozialrechts als auch die für die Wahrung des Arbeitnehmerschutzes zur Verfügung gestellten Mittel sind richtig und wichtig und entsprechen einer sozialdemokratischen Gesinnung. Das ist der Unterschied zwischen uns und Ihnen, meine Herren Abgeordneten von der "F"! (Beifall bei der SPÖ.)

14.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Blünegger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 9 Minuten. – Bitte.

14.09

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren Abgeordneten! Ich glaube, das, was Frau Abgeordnete Bauer uns Freiheitlichen vorwirft, nämlich daß wir kein soziales Verständnis hätten (Abg. Sophie Bauer: Nein, das habt ihr sicher nicht! Ihr wißt gar nicht, was das heißt!), das ist sicherlich nicht richtig, und es ist ihrer auch nicht würdig, so etwas zu uns Freiheitlichen zu sagen, die wir mit sozialem Gut wirklich sehr human und richtig umgehen. Das möchte ich nur richtiggestellt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber ich sehe es ja an dieser Pensionsreform, wie großspurig die Ankündigungen von Ihnen wie auch von der Regierung getätigt worden sind und was dann letztlich davon übriggeblieben ist.

Das Wort "Reform" können Sie dafür eigentlich gar nicht verwenden, denn Sie haben ja nicht einmal den Mut gehabt, an diesem System wirklich etwas zu verändern. Aber eines sei dazu angemerkt, meine sehr geschätzten Damen und Herren: Je länger die Umstellung vom Umlageverfahren auf ein teilweises Kapitaldeckungsverfahren hinausgeschoben wird, und je länger man nicht auf ein Drei-Säulen-Modell wie jenes der Freiheitlichen zurückgreift, umso unsozialer und ungerechter wird dieses jetzige System.

Durch diese jetzt von der Regierung gesetzten Maßnahmen wird erstens das Pensionschaos weiter verschärft und zweitens der "Dilettantnus" der Regierung weiter verlängert. (Abg. Reitsamer: Ja, ja, der "Dilettantnus"!) Eines werde ich als freiheitlicher Arbeitnehmervertreter sicherlich nicht tun, werte Damen und Herren Abgeordnete: Ich werde mich nicht am Ausspielen der ASVG- gegen die Beamtenpensionen beteiligen. Das würde nur eine Verschlechterung des ganzen Systems bedeuten.

Ich möchte aber auf die Aussage, die der Präsident der Tiroler Arbeiterkammer, Fritz Dinkhauser, gestern getätigt hat, eingehen. Sie ist heute in der Zeitung "Die Presse" zu lesen. Ich möchte ihn zitieren und dabei auch gleich feststellen, daß es wirklich so ist, wie er sagt: "Die jetzige Pensionsreform ist eine reine Geldbeschaffungsaktion!" – Das sagt der Präsident der Tiroler Arbeiterkammer und ÖAAB-Spitzenfunktionär Fritz Dinkhauser. Er sagt dann weiter: "Eine Pensionsreform liegt eigentlich gar nicht vor, es handelt sich vielmehr um eine reine Geldbeschaffungsaktion für das Bundesbudget durch Leistungskürzungen. Die Pensionsdiskussion


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wird in wenigen Jahren wieder aufflammen." (Abg. Böhacker: Wer hat das gesagt? Ein Freiheitlicher?)  – Nein, nein, das ist der ÖAAB-Spitzenfunktionär! (Rufe bei den Freiheitlichen: Aha!)

Wir werden ja heute sehen, wie sich die ÖAAB-Fraktion in diesem Haus bei der Abstimmung verhalten wird, aber wahrscheinlich werden Sie das alles mittragen. Und Präsident Dinkhauser wird dann weiterhin sagen können, daß seine ÖAAB-Fraktion immer umfällt. Ich glaube, das ist genau das, was wir heute hier miterleben werden. Die eigenen Funktionäre des ÖAAB bestätigen, daß das keine Pensionsreform ist, sondern eine reine Geldbeschaffungsaktion. Und Sie wollen so etwas noch decken! (Zwischenruf des Abg. Dkfm. Mühlbachler. ) – Kollege Mühlbachler, du kannst dich nachher zu Wort melden. Ich werde schauen, ob du diese Geldbeschaffungsaktion auch mittragen kannst. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Böhacker: Die Doppelbödigkeit der ÖVP!) Das ist sicher die Doppelbödigkeit der ÖVP!

Dennoch akzeptiere ich diesen Vertrag nicht, den der Staat mit den Beamten geschlossen hat, denn man kann nur etwas ändern, wenn man einen Zeitpunkt festlegt, zu dem ein neues System zu greifen beginnt. Und das ist unter anderem sicherlich auch nicht der Fall.

Kollege Dr. Feurstein hat ja heute auch seinen Präsidenten der Vorarlberger Arbeiterkammer zitiert, der eigentlich gesagt hat, er möchte dieses System auch verändern. Er hat ja unter anderem gesagt, daß diese Betriebspensionen in verschiedener Art eingeführt werden sollen, daß es da zu Änderungen kommen soll. Und heute lobt Feurstein sogar eine Idee dieses Präsidenten aus Vorarlberg, der unter anderem verlangt hat, daß die Abfertigung, die 4 Prozent des Einkommens ausmacht, in einem neuen Modell für die Betriebspensionen zu verwenden ist. Mir ist es an und für sich egal, wer diese Idee einbringt, wenn der Betreffende nicht von Haus aus sagt, daß es seine Idee ist, denn diese Idee haben wir schon im Jahr 1990 in der Tiroler Arbeiterkammer in einem Antrag formuliert. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber ich bin froh, wenn das übernommen wird und daß freiheitliche Ideen so weit greifen, daß sie der ÖAAB wieder einmal übernimmt.

Ich möchte jetzt aus diesem Antrag zitieren, damit das auch im Protokoll festgehalten ist. Es handelt sich um einen Antrag betreffend Novellierung des Abfertigungsgesetzes, den die freiheitlichen Arbeitnehmer in der Tiroler Vollversammlung der Arbeiterkammer eingebracht haben, aber schon im Jahr 1990, am 18. April. Einen weiteren diesbezüglichen Antrag haben wir am 4. November 1993 eingebracht. Diesen Antrag möchte ich nur mit folgenden Worten zitieren: die Einzahlung in eine Pensionskasse oder auf ein Treuhandkonto. – Diese Ideen haben wir Freiheitliche schon lange gehabt. Daher ist es hoch an der Zeit, daß der ÖAAB diese Idee übernimmt und auch einmal in diesem Hohen Haus zu einem Gesetz zum Wohle aller Arbeitnehmer und ihrer Pensionen werden läßt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Nürnberger hat ja in seiner Wortmeldung unter anderem auch bestätigt, daß die Ge-werkschaft sehr viel bei dieser Pensionsreform mitgearbeitet hat. (Abg. Reitsamer: Das ist ja etwas Negatives!) Das ist nichts Negatives. Ich bin ja unter anderem auch ein Gewerkschafter, und zwar schon über 40 Jahre in der Gewerkschaft Metall, Bergbau, Energie als Funktionär tätig. Warum ich den Kollegen Nürnberger in seiner Argumentation nicht verstehen kann, ist, daß er sich hier heraußen zu sagen traut, welchen Erfolg die Sozialdemokraten bei den Eisenbahnerwahlen gehabt haben. Den politischen Druck, dem die Eisenbahner in ihrer Organisation ausgesetzt sind, den, Kollege Riepl, kann ich nur bestätigen, weil sie es mir sagen. Dieser politische Druck wird von den Sozialdemokraten ausgeübt: Wenn ich nicht zur Wahl gehe, dann verliere ich sogar meinen Arbeitsplatz!, heißt es. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Heftiger Widerspruch bei der SPÖ.)

Das ist ein ganz entscheidender Punkt: daß sich heute die Menschen dort nicht einmal so frei bewegen können, daß sie von ihrem Wahlrecht entsprechend Gebrauch machen können. (Abg. Seidinger: Armselig! – Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Aber das werde ich Kollegen Nürnberger persönlich sagen, denn wir verstehen uns als Gewerkschafter, aber das parteipolitische Denken, das bei den Österreichischen Bundesbahnen noch immer herrscht, kann ich hier in diesem Haus nur bestätigen. (Abg. Hums: Die haben geheim gewählt! – Abg. Seidinger: Nirgends ist dort ein "F" droben gestanden! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Meine Redezeit ist leider schon zu Ende, deshalb kann ich nur noch eines sagen: Die Menschen haben das Vertrauen in diese Regierung verloren, denn sie hat ihre Versprechungen nicht nur einmal gebrochen, sondern schon oft, und sie bricht sie immer wieder. Wir werden diesem Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz sicherlich keine Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.18

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist müßig, immer auf die Vorredner zu replizieren, denn diese vorgefaßten Meinungen sind fast bei jedem Thema relevant und werden immer wieder strapaziert.

Ich habe die Debatte sehr genau verfolgt und festgestellt, daß einige Damen und Herren verschiedener Fraktionen gemeint haben, in dieser Pensionsreform beziehungsweise in den heutigen Beschlüssen gäbe es nichts Zukunftsweisendes, das sei alles nur Makulatur, auf keinen Fall wäre viel Positives darin zu finden, und gibt es doch etwas, dann muß das zerpflückt werden. Ich möchte nur ein paar Punkte anführen, die, so glaube ich, gravierend sind, und gerade jene Damen und Herren Vorredner, die sich in diese Richtung geäußert haben, bitten, zuzuhören, damit sie erkennen können, daß diese Maßnahmen von großer Bedeutung sind.

Was die Anrechnung von Kindererziehungszeiten betrifft, habe ich wirklich oft das Gefühl, daß jene, die vielleicht noch nicht so lange in diesem Hohen Haus sind, gar nicht abschätzen können, was dieser Schritt bedeutet hat, Kindererziehungszeiten anzurechnen, denn bislang sind soziale Belohnungen immer nur an außerhäuslichen Erwerb geknüpft gewesen. Dieser weitere Schritt und die Dynamisierung sind nun einmal eine wirklich tolle Sache, natürlich aber auch Abfederungsmaßnahmen zur Pensionsreform.

Das zweite ist die begünstigte Weiterversicherung für Pflegepersonen. Unser Motiv, das zu fordern, war eigentlich ein ganz einfaches, nämlich Familie leben lassen zu können.

Wir glauben immer noch, daß Personen, die krank sind, lieber von ihren Angehörigen in den eigenen vier Wänden gepflegt werden und die Angehörigen dies auch gerne tun. Es ist positiv, daß nun ein Ausgleich geschaffen und berufstätigen Personen die Möglichkeit geboten wird, ihre Berufslaufbahn zu unterbrechen, um kranke Angehörige ab einer gewissen Pflegestufe, nämlich Pflegestufe 5, zu pflegen. Pflegestufe 5 ist eine höhere Pflegestufe. Es ist wahrscheinlich unmöglich, daß diese Personen wieder gesund werden, aber dennoch wünsche ich es ihnen. Gerade in dieser schwierigen Zeit ist es notwendig, sich diesen kranken Angehörigen zu widmen. Somit wird nicht nur Dienst in der Familie, also an Familienangehörigen, geleistet, sondern letztendlich auch an der Gesellschaft. Wenn dies durch einen Angehörigen erfolgt, ist es auch wesentlich billiger.

In diesem Falle geht es vor allem um die Grundidee. Man sollte sich jetzt nicht darüber aufregen, daß man seinen eigenen Arbeitnehmerbeitrag zahlen muß. Mich empört das zutiefst, weil man nicht verstanden hat, wie richtungsweisend eigentlich diese Maßnahme ist und welch günstige Möglichkeit geboten wird.

Auch die Möglichkeit der selbständigen Versicherung ist sicher für viele Frauen und auch im Bereich der geringfügig Beschäftigten von großer Relevanz. Sie wissen ja, daß wir da gewisse Sorgen gehabt haben, daß Frauen jetzt ihren Arbeitsplatz verlieren könnten. Es wird vielleicht auch so sein.

Aber, Frau Bundesministerin, ich stehe auch nicht an, zu sagen, daß Sie eine Bitte und einen Antrag, den wir gestellt haben, gehört und in die selbe Richtung mitgedacht haben. Es gibt jetzt die Möglichkeit, über vorgelagerte Vereine oder extramurale Dienste Haus- und Heimservice über die Arbeitsmarktförderung anzubieten. Wir bezeichnen dies als Dienstleistungsscheck; das


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ist nur ein Titel für den Verrechnungsvorgang. Diese Möglichkeit haben wir jetzt, und wir nehmen sie gerne in Anspruch, denn wir glauben, daß man viele der geringfügig Beschäftigten in diesem Bereich auffangen und auch zu einer Anstellung bringen kann. Dankbar nehmen dies jene Frauen an – diese melden sich bereits, nachdem sie gelesen haben, daß es das gibt –, denen einige Jahre für die Pension fehlen, denn diese Regelung gibt ihnen die Möglichkeit, doch noch zu einer Pensionsversorgung zu kommen. Es ist eines unser ganz wesentlichen Ziele, den Frauen die Möglichkeit zu geben, zu einer eigenständigen Pension, aber auch zu einer besseren – das widerspricht sich nicht, sondern bedingt einander – Alterssicherung zu kommen. Diesbezüglich, muß ich sagen, stellt dieses Paket, das wir heute beschließen, absolut eine Sensation dar. Es bringt einen weiteren Ausbau unserer Eckpunkte, hat aber auch eine Dimension für die Zukunft und eine ganz starke positive Frauenausrichtung. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Ausführungen der Frau Kollegin Haidlmayr haben mich nur in einem Absatz beeindruckt. Ich gebe ihr recht hinsichtlich der Formulierung, die nicht im Gesetzestext, sondern in den Erläuterungen enthalten ist: "sowie nicht verwandte, andersgeschlechtliche Personen". Ich glaube nicht, daß das so gewollt ist. Ich bekenne mich absolut dazu, daß auch die Pflege von kranken Gleichgeschlechtlichen möglich sein sollte. In diesem Falle müßte man die Geschlechtszuweisung, glaube ich, eliminieren. AIDS-Kranke oder auch andere pflegen einander oft aufopfernd. Auch diesen Personen muß es ermöglicht werden, zu einem Versicherungsschutz zu kommen. Ich glaube nicht, daß diese Einschränkung bewußt aufgenommen wurde. Wir Frauen treten dafür ein – es muß wahrscheinlich kein diesbezüglicher Beschluß im Plenum gefaßt werden –, daß eine andere Formulierung gewählt wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

14.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Haller. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.24

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Familienminister Bartenstein hat heute die Pensionsreform, die ja der Hauptbestandteil dieses Sozialrechts-Änderungsgesetzes ist, als die große Reform bezeichnet, und einer meiner Vorredner, nämlich Kollege Donabauer, der leider jetzt nicht mehr hier ist, hat sie als große Tat bezeichnet.

Nun, die große Koalition ist ja dazu angetreten – man hat das immer so definiert –, gemeinsam die großen österreichischen Probleme zu lösen. Daß das im Bereich der Pensionsreform, die heute hier beschlossen werden soll, nicht der Fall ist, das sagen ja nicht nur wir Freiheitlichen, sondern das sagt die ganze Opposition. Das sagen auch Experten und Interessenvertretungen.

Ein kleiner Rückblick: Bereits im Jahr 1988 hat der damalige Bundeskanzler Vranitzky angekündigt, daß eine große Pensionsreform vor dem Abschluß stünde. Beschlossen wurde diese Reform dann am 21. April 1993. Das ist aber keine Reform in dem Sinn geworden, sondern höchstens ein Reförmchen, das ja nur dazu gedient hat, neue Inkassomaßnahmen fürs Budget vorzusehen. Denn was hat das gebracht? – Erinnern wir uns: die Nettoanpassung für die Pensionisten, die den Pensionisten seitdem jährlich 1,3 Milliarden Schilling abzwackt, die Ausweitung des Bemessungszeitraumes von zehn auf 15 Jahre und eine Gleitpensionsregelung, die einfach nicht angenommen wurde.

Jetzt haben wir 1997. Wir blicken auf zehn versäumte Jahre zurück. Effiziente Reformschritte wurden nicht gesetzt. Wir reparieren jetzt wieder ein marodes System, und das nur ungenügend, statt zumindest dem Vorhaben des von Regierungsseite eingesetzten Gutachters Rürup zu folgen, geschweige denn mutig neue Wege zu gehen, wie wir Freiheitlichen sie vorschlagen, zukunftsträchtige Wege, die endlich auch mehr Selbstentscheidung in bezug auf die Altersabsicherung für den Österreicher und die Österreicherin bringen würden. Aber mündige Bürger hat diese österreichische Regierung ja noch nie haben wollen.

Wir Freiheitlichen haben im Rahmen des Sozialrechts-Änderungsgesetzes Abänderungsanträge eingebracht, und zwar zu Änderungen, die uns zwar insgesamt als positiv erscheinen, aber zu


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wenig weit gehen, nämlich in bezug auf das fiktive Ausgedinge, die Erhöhung der Bemessungsgrundlage für Kindererziehungszeiten, die allgemeine Bemessungsgrundlage, eine erweiterte Anwendung der begünstigten Versicherung für Pflegende, eine Valorisierung der eingefrorenen Leistungen und eine pensionsrechtliche Sicherstellung bei Bildungskarenz. Das sind die Inhalte unseres bereits eingebrachten Abänderungsantrages.

Es tut mir wirklich leid, daß jetzt Kollege Donabauer nicht da ist, aber zumindest die Kollegin Horngacher ist gekommen. Minister Bartenstein hat nämlich gesagt, im Rahmen dieser Reform würden auch schwammige Formulierungen beseitigt. Statt dessen wurden allerdings – muß ich dazusagen – neue geschaffen. Kollege Donabauer hat davon gesprochen, daß es nicht nur Faktoren, sondern auch Fakten gibt. Ich muß jetzt die Bauernvertreter der ÖVP wirklich genau fragen: Wie ist das jetzt mit dem Selbstbehalt für die Bauern, dessen Aufhebung man versprochen hat? Ich habe der Rede des Kollegen Donabauer ganz genau zugehört. Er hat das nicht gesagt.

Ich habe den Gesetzentwurf, der uns vorliegt, und auch die Abänderungsanträge noch einmal genau angeschaut. In diesem Gesetzentwurf und in den Abänderungsanträgen steht nichts davon, daß der Selbstbehalt für Bauern und Bäuerinnen fällt. (Abg. Schwarzenberger: Die 50 S per Krankenschein sind Selbstbehalt!) Natürlich, Sie haben noch ein bißchen Zeit, dies bis zum 1.7.1998 zu korrigieren. Aber wenn Sie hinausgehen und sagen, daß das im Rahmen dieser Reform fällt, dann muß ich sagen, daß das einfach nicht richtig ist, weil das nicht definitiv in diesem Gesetz enthalten ist.

Es kommt allerdings etwas anderes, und zwar im Bereich der Bäuerinnen: die Wochengelderhöhung. Wir Freiheitlichen haben insgesamt vier diesbezügliche Anträge eingebracht. Antrag 416/A steht heute auch zur Diskussion. Wir haben immer eine Erhöhung auf 400 S beantragt. Es soll jetzt eine Erhöhung auf 300 S kommen. Das geht uns natürlich zu wenig weit. Es ist aber ein Schritt in die richtige Richtung. Trotzdem glaube ich, daß es letztlich die Hartnäckigkeit der Freiheitlichen war, die sehr maßgebend dazu beigetragen hat, daß zumindest diese Erhöhung auf 300 S für Österreichs Bäuerinnen möglich gewesen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weiters: In der 51. ASVG-Novelle im Jahr 1993 hat man die Anrechnung der Kindererziehungszeiten beschlossen, die meine Vorrednerin, Kollegin Bauer, als besonders geglückt bezeichnet hat, obwohl damals die Bemessungsgrundlage nur 5 800 S war. Dies war auch nicht pensionsbegründend, wovon gerade Bäuerinnen besonders betroffen waren.

Nun bekennt man sich endlich dazu, die Bemessungsgrundlage ein bißchen zu erhöhen. (Abg. Schwarzenberger: Bei uns war sie pensionsbegründend! Ich kenne viele Bäuerinnen, die mit zehn Kindern und einem Jahr Arbeitszeit eine Pension bekommen!)  – Ich bin am Wort, Herr Kollege Schwarzenberger, Sie können sich später zu Wort melden. – Nun kommt eine Erhöhung, die de facto 30 S pro Monat bringt. Das ist sicher in Ordnung, aber es ist natürlich immer noch viel zu wenig. Und es ist nicht einzusehen, daß man auch jetzt nur von einer Bemessungsgrundlage, die im Bereich des Existenzminimums liegt, ausgeht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man beläßt es wieder dabei, daß es keine Pensionsbegründung gibt. Die Überlappung bei den Kindererziehungszeiten bleibt. Das sind Dinge, die wir Freiheitlichen seit der 51. ASVG-Novelle einfordern, und wir werden das auch ganz beharrlich weiter tun.

Nächster Punkt: Pflegegeld. Seit Beginn der Debatte über die Einführung des Pflegegeldes haben wir Freiheitlichen eine vereinfachte Möglichkeit gefordert, Pflegepersonen sozialversicherungsrechtlich abzusichern. Das wurde vom damaligen Bundesminister Hesoun versprochen, und auch Frauenministerin Dohnal hat das ganz explizit gefordert. Nun – nach sechs Jahren, wohlgemerkt! – ist man dabei, dieses Versprechen zumindest in kleinen Ansätzen einzulösen. Man bietet jetzt die Möglichkeit der Selbstversicherung ab Pflegestufe 5. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Natürlich, wir haben ja auch immer eine begünstigte gefordert. Das ist schon in Ordnung.


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Frau Kollegin Silhavy, Sie sind vielleicht in diesem Bereich nicht so praxisbezogen wie ich. Ich weiß es. Ich weiß, daß eine Einstufung in Pflegestufe 5 bei Pfleglingen, die man zu Hause hat, in der Praxis nur auf dem Klagsweg zu erreichen ist. Und dann frage ich Sie: Was tut man in der Übergangszeit? Muß man wirklich die Pfleglinge zuerst in ein Pflegeheim bringen, um die Einstufung in Pflegestufe 5 schneller zu erreichen, um dann die begünstigte Möglichkeit in Anspruch nehmen zu können, denn vorher bekommt man sie ja nicht? (Abg. Gatterer: Das stimmt aber nicht!) Das ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, ja. Aber er bringt in der Praxis ganz, ganz wenig an Verbesserungen. Lassen Sie sich das bitte von mir sagen. Das tut mir leid. Wir werden darauf beharren und auch immer wieder verlangen, daß dieser Bereich und auch der Personenkreis, der diese Begünstigung in Anspruch nehmen können soll, ausgeweitet wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber was ich bei dieser ganzen Gesetzgebung um diese Budgetbegleitgesetze wirklich für unverantwortlich halte, ist, daß man ein weiteres Mal immer mehr und mehr an Bürokratie schafft. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Vergleichsruhegenußzulage im Beamtenbereich und die adäquaten Nachbesserungen im ASVG-Bereich, die dazu führen werden – ich habe mir das bestätigen lassen, Herr Kollege Seidinger –, daß man in Zukunft alle Pensionen doppelt wird berechnen müssen, bevor man sich entscheiden kann. Ich weiß nicht, ob das im Sinne des Erfinders ist und ob man berechnet hat, was das letztlich an Mehrkosten und an Ausweitung des Bürokratiemonsters in Österreich mit sich bringen wird. Ich finde es unverantwortlich.

Ich finde es auch unverantwortlich, wenn von seiten der Regierungsmitglieder immer wieder behauptet wird, daß man jetzt alle Erwerbstätigen in die Sozialversicherungspflicht genommen hat. Das stimmt einfach nicht. Man hat natürlich wieder Ausnahmen geschaffen. Man hat es sich wieder gerichtet. Von den sogenannten ehrenamtlichen Funktionären in leitenden Funktionen – so in etwa 2 000 soll es in Österreich geben –, die auch Pensionsansprüche haben, wird man auch in Zukunft keine Sozialversicherungsbeiträge kassieren. Ist das im Sinne des Erfinders? – Ich glaube schon, wenn ich mir die Vorgangsweise der Regierung vor Augen führe.

Noch ein letztes Wort an Sie, Frau Bundesministerin. Sie haben in Ihrer Rede vom 21.4.1993 uns Freiheitlichen gleich eingangs Ahnungslosigkeit, Ewiggestrigkeit und Polemik – das wortwörtlich – vorgeworfen. Heute wird gerade an den angeführten Beispielen, wo wir Freiheitlichen seit Jahren tätig sind und wo Sie jetzt endlich Bereitschaft zeigen, kleine Schritte in die richtige Richtung zu setzen, klar, daß diese Regierung ja doch immer wieder Schritt für Schritt, und Gott sei Dank immer mehr, den freiheitlichen Vorstellungen Folge leisten muß, allerdings mit einer gewissen Zeitverzögerung. Das tut uns leid für die betroffenen Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich kann in diesem Sinne nur hoffen, daß der Bürger das immer mehr erkennen und beim nächsten Mal dann auch die richtige Partei wählen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.36

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hums. – Bitte.

14.36

Abgeordneter Franz Hums (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein so hochstehendes und so viele Bereiche umfassendes Sozialsystem wie unseres wird immer wieder Anpassungen, Adjustierungen brauchen, keine Frage.

Wenn wir daher erst 1993 – und dieser Vorwurf kommt immer wieder – eine große Reform mit neuen Grundsätzen gemacht haben, dann muß ich sagen, daß niemand behauptet hat, daß es nicht weitere Adjustierungen geben wird. 1993 wurde vom damaligen Sozialminister und der heutigen Ministerin und damaligen Sozialsprecherin erklärt, daß mit diesen Reformen von 1993, die viele Verbesserungen gebracht haben, wie beispielsweise die Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten, daß mit diesem Reformwerk unser Pensionssystem in den Grundsätzen bis weit ins nächste Jahrtausend gesichert sein wird. Ich sehe also nicht, wo irgend etwas davon zurückzunehmen wäre. Denn die heutige Reform bringt wieder eine Reihe von neuen richtigen und notwendigen Grundsätzen, beispielsweise die Einbeziehung aller Erwerbseinkommen.


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Aber bedenken Sie: Wo schlägt sich denn das, daß wir 1993 gesagt haben, diese Grundsätze halten bis weit ins nächste Jahrtausend, damit, daß wir jetzt eine Reform setzen, die erst im Jahre 2020 endgültig wirksam werden wird? (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Und noch einmal: Niemand wird hier je so vermessen sein und behaupten, ab jetzt gibt es keine neuen Reformen mehr. Es müssen immer Anpassungen an die Wirtschaftssysteme, an neue Arbeitsformen und, und, und erfolgen. Aber die Grundsätze, die neu gefunden werden, wirken eben permanent weiter.

Einer dieser Grundsätze ist eben ... (Abg. Aumayr: Daß Ihre Pensionen gesichert sind, Herr Exminister, ist klar!) Meine Pension? Ich habe keine Politikerpension, wenn Sie das vielleicht beruhigt. Das ist keine Frage.

Aber die Aussage zur Qualität unseres Systems geht ja unter. Der Experte Rürup, der so oft mit Recht zitiert wird, weil wir ihn im Vorjahr beschäftigt haben ... (Abg. Aumayr: Die ÖBB ist ausgenommen!) Die ÖBB waren schon lange vor allen in diesen Bereichen drinnen! – Professor Rürup – das geht ja immer wieder unter – hat erklärt, daß unser Sozialsystem eines der besten der Welt ist, daß unser Sozialsystem heute qualitativ leistungsfähig und auch in Zukunft qualitativ haltbar ist. (Abg. Meisinger: Auch das teuerste ist!) Das dürfte immer wieder untergegangen sein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn Sie mit mir ein bißchen darauf zurückblicken, wie sicher unser System ist, dann werden Sie erkennen: Seit 1985 wurden im ASVG-Bereich die Beitragssätze für Arbeitnehmer nicht erhöht, obwohl inzwischen die Lebenserwartung erfreulicherweise gestiegen ist, obwohl wir eine Reihe von Verbesserungen durchgeführt haben, obwohl wir die Pensionen weit über der Inflationsrate angehoben haben und obwohl wir seit 1990 gerade die niedrigsten Pensionen, die sogenannten Ausgleichszulagenrichtsätze, weit über der Inflationsrate erhöht haben.

Was hat sich bisher bei den Bundeszuschüssen ergeben? – 1970 hat der Bundeszuschuß im ASVG-Bereich 22,9 Prozent betragen, 1996 13,2 Prozent. Das System ist sicher, nur muß es mit den neuen und adäquaten Grundsätzen auch für die Zukunft adjustiert werden. Ich möchte hier nicht allzu weit ausholen, aber einer dieser Grundsätze schlägt sich mit vielen Grundsätzen, die Sie im vorigen Jahr immer wieder gebracht haben. Wir haben erklärt, wir glauben, daß die hohe Qualität unseres Sozialsystems in Österreich praktisch allen Erwerbstätigen zugute kommen soll. Wir waren daher seit 1995 die einzigen, die heftig angegriffen wurden, weil wir erklärt haben, wir brauchen ein neues System, in dem alle Einkommen aus Erwerbstätigkeit in die soziale Sicherheit einbezogen werden. (Abg. Dr. Haider: Geldbeschaffung und Zukunftsbelastung, sagt Rürup!)

Herr Dr. Haider! Wenn wir das nicht gemacht hätten, hätte es immer mehr dazu geführt – weil man die einzelnen Erwerbstätigkeiten nicht mehr so genau zuordnen kann (Abg. Dr. Haider: Jetzt kriegt ihr etwas in die Kassen, und später wißt ihr nicht mehr, wie ihr es zurückzahlen sollt!) , dies hat ja schon begonnen – , daß Unternehmer immer mehr Arbeitnehmer nur dann angestellt hätten, wenn sie Verträge ohne Sozialversicherungspflicht abgeschlossen hätten. Das war der Beginn! Das haben wir abzustellen begonnen! (Beifall bei der SPÖ.)

Auch wenn die jungen Leute vielleicht glauben, sie könnten ohne Sozialversicherung netto ein bißchen mehr verdienen, ist doch zu sagen, daß sehr rasch der Zeitpunkt kommt, an dem sie erkennen, daß ihnen die soziale Sicherheit fehlt. Somit ist das ein ganz entscheidender Schritt (Abg. Dr. Haider: Dreimal zahlen, einmal kriegen! – Abg. Koppler in Richtung des Abg. Dr. Haider: Innerlich gibst du ihm ohnehin recht!) , ein Schritt, der heiß diskutiert war. Inzwischen bin ich froh darüber – und andere Staaten, wie beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland, beneiden uns darum –, daß wir hier in so rascher Zeit weitere Fortschritte erreicht haben. (Abg. Meisinger: Das sind andere Systeme!)

Eines ist klar: Zu Beginn war uns das – da danke ich meinen früheren Mitarbeitern im Sozialministerium – nur unter ungeheuren Schwierigkeiten möglich. Aber wir haben von Beginn an erklärt: Ziel ist es, Einkommen aus allen Erwerbstätigkeiten in eine Versicherung zu bringen. (Abg. Dr. Haider: Wir haben verschiedene Ansichten!) Damals hat es aber auch von unserem


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Koalitionspartner vehemente Widerstände gegeben. Damals war es nur zulässig, bei den Werkverträgen die dienstnehmerähnlichen einzubeziehen; also kaum formulierbar. Diese Einschränkungen haben zu etlichen Problemen geführt.

Ich bin allen Kollegen in unserer Fraktion und im Ministerium, die die Reform mitgetragen haben, dankbar, denn hätten wir sie damals zurückgezogen, dann wäre heute dieser weitere Schritt mit Sicherheit nicht möglich. Wenn Minister Bartenstein heute erklärt hat, vor einem halben Jahr hätte er sich noch nicht vorstellen können, daß man alle Erwerbstätigkeiten – da gibt es sicher noch weitere Schritte, die notwendig sind – einbezieht, daß man die geringfügig Beschäftigten, die Schwächsten in der sozialen Kette, mit der Chance bedenkt, daß sie einbezogen werden, dann glaube ich ihm – ja, im Sozialministerium ist Minister Bartenstein fast Staatssekretär –, daß er das vor einem halben Jahr nicht geglaubt hätte. (Abg. Dr. Puttinger: Doppelfunktion! – Abg. Dr. Haider: Das war hochmütig!) Er war damals einer derjenigen, die das heftigst angegriffen haben.

Heute möchte ich nochmals allen danken, die das mitgetragen haben, vor allem den Mitarbeitern im Sozialministerium. Ein ganz wichtiger Schritt! (Beifall bei der SPÖ.)

Da war die Frage: Gehen wir den Weg, daß wir sagen, wir reduzieren die Arbeitskosten dadurch, daß wir die Sozialversicherung reduzieren, oder gehen wir den Weg, daß wir allen Österreichern, die erwerbstätig sind, und allen anderen eine möglichst gute soziale Absicherung bieten? – Wir haben uns für den sozialdemokratischen Weg entschieden. Dafür bin ich allen, die mitgearbeitet haben, dankbar, übrigens auch Herrn Kollegen Feurstein, der oft im Gegensatz – das darf ich jetzt sagen – zu seiner Partei auch schon früher für diese Linie eingetreten ist. Herzlichen Dank an alle! (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Niemand wird Ihnen heute versprechen können, daß das die letzte Reform gewesen ist. Ich gratuliere aber meiner Nachfolgerin sehr herzlich dazu, daß sie in so kurzer Zeit dieses Werk – und zwar im Einvernehmen mit den Gewerkschaften, mit den Vertretern der Bauern, der Selbständigen und so weiter – entscheidungsreif ins Parlament gebracht hat.

Im nächsten Jahrtausend – damit sich niemand schreckt, sage ich das jetzt als meine persönliche Meinung; das nächste Jahrtausend ist nicht so weit weg – wird es aber sicher notwendig sein, neuerlich über die Finanzierungssysteme nachzudenken, darüber, wie wir von der stetig steigenden Wertschöpfung auch ohne Belastung der Lohnnebenkosten einen höheren Anteil dieser Wertschöpfungssteigerungen für die soziale Sicherheit zur Verfügung stellen können.

Ich glaube, niemand wird bestreiten, daß einer dieser Wege – aber zusätzlich zu einer starken gesetzlichen Sozialversicherung – eine betriebliche und auch sonstige Vorsorge ist, aber zusätzlich! Nur sollte sich ja niemand verleiten lassen, den Weg zu gehen – ein Vorschlag, den ich heute bereits mehrfach gehört habe –, das gute System, das wir haben, umzurüsten – das heißt: nicht zusätzlich, sondern umrüsten.

Es ist absurd, wenn ununterbrochen behauptet wird – ich verstehe schon, daß das ein Versicherungsdirektor glaubt und behauptet –, für die staatliche Pensionsvorsorge sei kein Geld da und darum müßten sich alle privat versichern. Ich glaube nicht, daß das gratis ist. Daher meine ich nach wie vor: Denken wir darüber nach, wie wir auch in Zukunft höhere Anteile der Wertschöpfung in unser gutes Sozialsystem, in das Pensions- und Gesundheitssystem, zum Wohle aller einbringen können! Ich bin überzeugt davon, daß das auch gelingen wird.

Herzlichen Dank und nochmals herzliche Gratulation an die Sozialpartner, an die Ministerin und alle Mitarbeiter, die das in so kurzer Zeit zustande gebracht haben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Meisinger. 9 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.


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14.46

Abgeordneter Josef Meisinger (Freiheitliche): Herr Abgeordneter Hums hat hier von dieser Stelle aus unser Sozialsystem als das beste bezeichnet, er hat dabei ganz vergessen, daß wir auch das teuerste System haben, an dem auch durch das meiste an Proporz mitgenascht wird. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wenn Herr Abgeordneter Nürnberger heute das Ergebnis der ÖBB-Personalvertretungswahl als großen Sieg hervorgehoben hat – 80 oder über 80 Prozent (Abg. Parnigoni: 85 Prozent!)  –, so ist dies, so meine ich, das Ergebnis und ein Zeichen einer totalitären Struktur. (Ruf bei der SPÖ: Märchenstunde! – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Dr. Nowotny: Ein Experte!) Ja, lachen Sie nur! Die Eisenbahner können davon ein anderes Lied singen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Denn sie sind diejenigen, die die Suppe auslöffeln müssen, die Sie ihnen eingebrockt haben.

Es zeugt aber auch von einer bestimmten Art der Unternehmenskultur, bei der Druck auf Andersdenkende ausgeübt wird. Es ist ja kein Wunder, daß sich der Gewerkschaftliche Linksblock in diesem Umfeld besonders wohl fühlt. Das Ergebnis hat es gezeigt: Die beiden Gruppen – der Linksblock und der sozialistische Gewerkschaftsflügel – sind einander doch sehr ähnlich. (Ironische Heiterkeit des Abg. Koppler. ) Ja, lach nur, Koppler! Du weißt, daß dieses System in der ehemals Verstaatlichten genauso gehandhabt wurde. Ich möchte dir den Spiegel vorhalten, dann wird dir das Lachen vergehen. Da schaut nämlich ein Ungeheuer heraus! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Heiterkeit und Buhrufe bei der SPÖ.)

Wenn Herr Abgeordneter Nürnberger weiters von weitreichender Harmonisierung spricht, so hat er sicher gemeint (Abg. Koppler: Na was?) , daß in weiten Bereichen der Erwerbstätigen jetzt Sozialversicherung bezahlt werden soll. Er hat nur dabei wieder vergessen, daß es eine ganze Menge von Ausnahmen gibt. (Abg. Koppler: Im totalitären Betrieb!) Ja, ja, ich weiß schon, das geht dir ein bißchen unter die Haut, aber erforsche einmal dein Gewissen! (Abg. Marizzi: Wer hat das Bier bezahlt?)

Wenn diese Ungerechtigkeiten so weit gehen, daß Einkommen wieder nicht sozialversicherungspflichtig und ausgenommen sind – so wie die von Vorstandsdirektoren von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, von Stiftungsverbänden und Administrativpensionisten –, dann, muß ich sagen, ist die Einbeziehung aller Erwerbstätigen immer noch nicht gegeben. (Abg. Koppler: Sag einmal "wir Freiheitlichen", damit alle hören, daß du ein Freiheitlicher bist!) So manche würden sich freuen, wenn du nicht immer sagen würdest, daß du ein Sozialist bist! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit des Abg. Koppler. )

Außerdem gäbe es für die Einbeziehung von Einkommen in die Sozialversicherung bessere Ansätze, als sie bis jetzt wahrgenommen worden sind, zum Beispiel die Einbeziehung von Einkommen aus der Vermietung von Liegenschaften. Dies würde dann auch die Lohnkosten entlasten.

Außerdem wird mit einer Verordnungsermächtigung eine weitere Ausnahmemöglichkeit für pauschalierte Aufwandsentschädigungen für Beschäftigte in Sport und Kultur und für Lehrende an geförderten Erwachsenenbildungseinrichtungen wie dem WIFI und dem BFI – also wieder im trauten Proporz – geschaffen.

Herr Abgeordneter Gaugg hat schon klar zum Ausdruck gebracht, daß man hier sehr rasch Regelungen gefunden und Frau Abgeordnete Konrad schon in diese Ausnahmebestimmungen mit hineingenommen hat. Eine Gleichstellung der Erwachsenenbildung auf breiter Ebene – ob gefördert oder privat – ist leider nicht gelungen.

Es ist auch nicht zu den gerechten Abschlüssen gekommen, von denen Herr Abgeordneter Nürnberger gesprochen hat. Er mag bei den über 50jährigen recht haben, aber die 40jährigen und die Teilzeitbeschäftigten, die ab dem Jahr 2005 das erste Mal richtig zur Kasse gebeten werden, hat er wohl schon wieder übersehen.

Wenn Arbeiterkammerpräsident Dinkhauser von einer reinen Geldbeschaffungsaktion spricht, hat er sicher nicht unrecht. Jetzt, nach dieser Abstimmung, spricht auch der Regierungsexperte Dr. Rürup nicht mehr so über sein Konzept, wie er es früher vorgestellt hat, sondern er sagt nun,


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daß der große Wirbel der Sozialpartner und der Regierung eben keine nachhaltige Pensionsreform ermöglicht hat und bestenfalls der Jugend – den 20- bis 40jährigen – Belastungen aufgebürdet werden. In Wahrheit schiebt man die Pensionsreform vor sich her. Die Probleme werden wahrscheinlich die nächsten Generationen zu bewältigen haben.

Wenn aber auch Herr Abgeordneter Öllinger von Systemlosigkeit, unsolidarischen Handlungen und Perspektivlosigkeit spricht, kann ich ihm in diesem Fall recht geben. Es ist so, daß die Reform – wie Frau Abgeordnete Haller gesagt hat – ein Flickwerk ist und nicht mehr. Wenn Herr Abgeordneter Öllinger von dem Umlagesystem spricht, das eine Streuung im Ausmaß von eins zu 25 aufweist, während von der Regierung dieses System als Allheilmittel der Pensionssicherung hingestellt wird, dann muß ich sagen, es ist einfach nicht zeitgemäß. Das Umlageverfahren sollte teilweise aufgelöst und eben das Drei-Säulen-Modell der Freiheitlichen ernst genommen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die erste Säule bleibt weiterhin eine staatliche Vorsorge im Umlageverfahren. (Abg. Silhavy: Wer finanziert die erste Säule, Herr Kollege Meisinger?) Die zweite Säule sichert im Kapitaldeckungsverfahren die betriebliche Vorsorge ab, und die dritte Säule ist in erster Linie ohnehin als Lebensstandardabsicherung für etwas besser Verdienende gedacht. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Daß dieses Modell nicht so schlecht sein kann, zeigt die Schweiz, die schon jahrelang ganz gute Erfahrungen damit gemacht hat. (Abg. Silhavy: Der Westenthaler!) Deutschland führt dieses Mehrsäulensystem jetzt ebenfalls ein. Auch Herr Bundesminister Bartenstein und Herr Abgeordneter Feurstein, aber auch ÖAAB-Obmann Fasslabend haben dieses Pensionsmodell schon in sich aufgenommen. Es wäre höchste Zeit, daß sich auch die Sozialisten dieses Modell genauer anschauen.

Weiters liegt der Bundesbeitrag zur Sicherung der Pension zurzeit bei 27 Prozent. Sogar in den Nachkriegsjahren war es dem Staat möglich, ein Drittel des Pensionsaufwandes, also über 30 Prozent, zu tragen. Nur jetzt – nach jahrzehntelanger sozialistisch dominierter Regierung – ist es nicht mehr möglich. Das ist wieder ein typisches Markenzeichen dieser Bundesregierung.

Die Bundesarbeiterkammer, aber auch die Arbeiterkammer Oberösterreich sprechen davon, daß das Ganze in weiten Teilen eine reine Geldbeschaffungsaktion ist, daß nur Geld zum Stopfen von Budgetlöchern verwendet wird, daß dieses Defizitgeschäft mit Hilfe der Arbeiterkammer und des ÖGB jetzt schlagend wird. Äußerst unsozial findet die oberösterreichische Arbeiterkammer außerdem das Einfrieren des Karenzgeldes.

Die Armutsgrenze wird dadurch noch mehr ausgeweitet. Der Bundesbeitrag für die ASVG-Pensionisten ist mit 12 Prozent der ausbezahlten Pensionen bedeutend niedriger als jener anderer Berufsgruppen. Er sinkt laufend. Im Jahre 1988 betrug er 5,3 Prozent der Bundesausgaben, und jetzt, im Jahre 1997, soll er nur noch 2,7 Prozent ausmachen.

Geschätzte Damen und Herren! Meine Redezeit ist leider vorbei. (Abg. Silhavy: Seine Zeit ist abgelaufen!) Ich hätte dir, lieber Freund Koppler, und auch Herrn Abgeordneten Nürnberger noch einiges zu sagen.

Zum Schluß vielleicht noch folgendes: Frau Abgeordnete Reitsamer hat von Solidarität gesprochen. Es wäre vernünftig, die Gehaltspyramide der Politiker einmal unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten. (Abg. Silhavy: Um 15 Uhr! – Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Schwarzenberger vor. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß um 15 Uhr die Behandlung eines Dringlichen Antrages aufzurufen ist. – Bitte.

14.56

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Frau Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wenn Abgeordneter Meisinger wieder darüber klagt, daß die Armut weiter ausgeweitet wird – auch mit dieser Pensionsreform –, dann muß ich ihn hier eines Besseren belehren.


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In der gestrigen Ausgabe des "Standard" ist die Schlagzeile zu finden: Die Senioren leben heute besser denn je zuvor. – In diesem Artikel wird dargestellt, daß in den letzten zehn Jahren, seit die ÖVP in der Regierung ist, der Ausgleichszulagenrichtsatz um 58,6 Prozent gesteigert werden konnte, während der Lebenshaltungskostenindex um 25,1 Prozent gestiegen ist. Die Senioren mußten im Jahre 1966 58,6 Prozent ihrer Pension für die Ernährung ausgeben, im Jahre 1996 waren es nur mehr 32 Prozent. Es ist also eine Verbesserung des Lebensstandards eingetreten. Das sind die Fakten, die nicht wegzudiskutieren sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch in der Sozialpolitik gilt natürlich der Grundsatz, daß sie die Kunst des Möglichen ist, denn alles muß ja finanziert werden. Es muß Gruppen geben, die die Beiträge, die dann verteilt werden können, liefern.

Wir haben auch in der Landwirtschaft ein sehr rundes Paket ausverhandelt. Wir haben die Sommermonate genützt, um langanstehende Forderungen zumindest auch teilweise miteinzubauen. Es gibt in der Landwirtschaft mit Einführung der Bauernpension bereits ein Zwei-Säulen-System, nämlich die betriebliche Absicherung mit dem Ausgedinge und die finanzielle Absicherung über die Pension. Deshalb bin ich froh, daß wir hier auch einen Schritt setzen konnten, daß das fiktive Ausgedinge von 35 auf 30 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes abgesenkt werden kann. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.) Diese Maßnahme bringt den ärmsten Pensionisten immerhin 220 Millionen Schilling im Jahr und bedeutet für Ausgleichszulagenbezieher in der Landwirtschaft, daß sie ab kommendem Jahr monatlich, und zwar 14mal im Jahr, um 1 000 S mehr bekommen als noch im heurigen Jahr. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein weiterer Bereich ist die Mutterschaftsbetriebshilfe, die immerhin von 250 auf 300 S aufgestockt werden konnte. (Abg. Aumayr: Sind Sie zufrieden damit?) Wir hätten natürlich höhere Wünsche gehabt, aber immerhin ist es ein Kompromiß. Frau Abgeordnete Aumayr, Sie kennen sich leider in diesen Dingen einfach nicht aus. Aber das ist immerhin ein Betrag von 34 000 S pro Geburt, er wird von bisher 28 000 S auf 34 000 S aufgestockt. (Abg. Aumayr: Sind Sie zufrieden damit?) Acht Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt werden pro Tag 300 S gewährt, das heißt, die Bäuerin kann 34 000 S pro Geburt aus dieser Mutterschaftsbetriebshilfe bekommen.

In der Krankenversicherung ist es möglich, daß wir mit einem Sachleistungsvertrag mit der Gebietskrankenkasse in Zukunft zu den Gebühren der Gebietskrankenkasse die Arztrechnungen versorgen können. Die Aufhebung der Subsidiarität war sicher schmerzlich (weitere Zwischenrufe der Abg. Aumayr ) , aber es war uns klar, daß die Subsidiarität nicht mehr zu halten war.

Es gab einen Entschließungsantrag vom 2. Oktober 1996 betreffend Weiterentwicklung der Sozialversicherung, dem auch die Freiheitliche Partei zugestimmt hat. Er ist einstimmig angenommen worden. In diesem wurde verlangt, daß sämtliches Erwerbseinkommen in Zukunft sozialversicherungspflichtig ist.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Angesichts der vorgeschrittenen Zeit und der nun folgenden Unterbrechung möchte ich nur noch feststellen: Die Politik ist dazu da, Angst zu nehmen und nicht, um sie zu schüren! Das sollte vor allem der Opposition ins Stammbuch geschrieben werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.00


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Ich unterbreche nunmehr, um 15 Uhr, die Verhandlungen über den Punkt 1 der Tagesordnung, damit wir, wie angekündigt, mit der Behandlung des Dringlichen Antrages nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung um 15 Uhr beginnen können.

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen betreffend Harmonisierung der Pensionssysteme (628/A) (E)


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 628/A (E). Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

"Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, bis Ende Dezember 1997 einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine vollständige Beseitigung der gegenwärtigen ungerechtfertigten Pensionsprivilegien der Politiker sowie eine Harmonisierung der Pensionssysteme für Bedienstete der OeNB, der Sozialversicherungsträger und der gesetzlichen Interessenvertretungen mit den Regelungen des ASVG vorsieht."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Stadler gemeldet. – Bitte sehr.

15.01

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Hohes Haus! Der in Behandlung stehende Dringliche Antrag meiner Fraktion richtet sich an den Bundeskanzler. Zwar richtet sich der Antragstext selbst an die Bundesregierung, es sei aber darauf verwiesen – dies spielte auch gestern eine Rolle –, daß der Bundeskanzler als zuständiges Regierungsmitglied aufgrund seiner Koordinierungs- und Richtlinienkompetenz in der Bundesregierung die gesamte Bundesregierung im Hause vertreten muß.

Ich entnehme der Rednerliste, daß im Zuge der Debatte offensichtlich geplant ist, daß Frau Bundesministerin Eleonora Hostasch den Bundeskanzler vertritt. Ich möchte dazu anmerken, daß sie weder eine Richtlinien- noch eine Koordinierungskompetenz für die gesamte Bundesregierung hat. (Bundesministerin Hostasch deutet auf den neben ihr sitzenden Staatssekretär Dr. Wittmann. )

Die Frau Bundesministerin deutet mir. Nunmehr sehe ich, daß, entgegen der Rednerliste – ich habe hier die Rednerliste, Sie müssen das mit Ihrer Fraktion ausmachen, Frau Bundesminister –, offensichtlich auf den Herrn Staatssekretär als Vertreter des Bundeskanzlers verwiesen wird. Ich muß dezidiert darauf hinweisen, daß der Staatssekretär nach der Verfassung und nach dem Bundesministeriengesetz keine Befugnis hat, den Bundeskanzler in Sachen Richtlinien- und Koordinierungskompetenzen zu vertreten, sondern daß dies eine Aufgabe des Vizekanzlers als Vertreter des Bundeskanzlers ist.

Herr Präsident! Ich erinnere daran, daß die gleiche Frage von Ihnen gestern in der Weise behandelt wurde, daß der Herr Bundeskanzler als zuständiges Regierungsmitglied bei der Behandlung des Dringlichen Antrages der liberalen Fraktion betreffend Neugestaltung der Familienförderung selbstverständlich teilgenommen hat und von Ihnen hiezu eigens noch die Enunzierung der Frühstunden berichtigt wurde.

Ich verweise weiters darauf, daß in der Sitzung des Nationalrates vom 20. September 1996 als Präzedenzfall vom damals Vorsitz führenden Präsidenten Dr. Neisser in dieser strittigen Frage eine eindeutige Festlegung getroffen wurde.

Ich ersuche daher, falls der Herr Bundeskanzler nicht an der Sitzung teilnimmt, den Herrn Vizekanzler ins Haus zu berufen. Falls auch der Vizekanzler nicht geneigt ist, an der Sitzung teilzunehmen, ersuche ich um die Durchführung einer Präsidialsitzung, die sich mit dieser Frage befaßt, da sie von einer sehr grundlegenden und für die Oppositionsfraktionen herausragenden Bedeutung ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegen mir zwar noch weitere Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung vor, aber wir können das Problem vielleicht abkürzen, wenn folgendes klargestellt wird:

1. Für diesen Dringlichen Antrag ist der Bundeskanzler zuständig.

2. Nach den Bestimmungen der Bundesverfassung ist der Staatssekretär zur parlamentarischen Vertretung berechtigt und befähigt. (Abg. Mag. Stadler: Aber nicht in Sachen Richtlinienkompetenz!)

3. Ich werde Frau Bundesministerin Hostasch zu einer Stellungnahme zum Antrag nicht das Wort erteilen. Sie kann sich, wenn sie es wünscht, im Zuge der weiteren Debatte zu Wort melden.

4. Die Herbeiholung des Herrn Vizekanzlers würde nicht mir obliegen, sondern eines Beschlusses des Hauses bedürfen.

So sehe ich die Dinge.

Kollege Khol verzichtet auf eine Wortmeldung, Kollege Kostelka verzichtet auch.

Ich gestatte ausnahmsweise eine zweite Wortmeldung, obwohl die Geschäftsordnung besagt, daß eine Debatte nur zulässig ist, wenn ein Beschluß gefaßt wird. Aber ich will am Beginn dieser Sitzung nicht so streng sein. – Kollege Stadler, noch einmal bitte.

15.04

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Das ist kein Debattenbeitrag. Ich repliziere ausdrücklich auf das, was Sie eben festgehalten haben, und stelle dies ausdrücklich in Abrede. (Abg. Dr. Nowotny: Das ist eine Debatte!)

Es ist nicht die Kompetenz des Staatssekretärs, aufgrund der Kompetenz als Koordinierungs- und Richtlinienbefugter etwa den Vorsitz im Ministerrat zu führen, und Sie werden mir auch keine diesbezügliche Bestimmung im Bundesministeriengesetz zeigen können. (Abg. Dr. Nowotny: Es geht um die parlamentarische Vertretung!) Dies würde nämlich bedeuten, daß der Herr Staatssekretär im Vertretungsfalle die vollen Kompetenzen eines Bundeskanzlers für die gesamte Bundesregierung hätte. Dies ist nicht der Fall.

Hiezu kennt unsere Bundesverfassung ausdrücklich die Funktion eines Vizekanzlers, es sei denn, die Österreichische Volkspartei hat auf diesbezügliche verfassungsmäßige Kompetenzen bereits verzichtet und damit den Herrn Vizekanzler in seinen Kompetenzen geschmälert.

Herr Präsident! Um eben diese Frage zu klären, ersuche ich nun mit Nachdruck um Durchführung einer Präsidialsitzung. (Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. )

15.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bleibe bei der Praxis, daß in einem solchen Fall jede Fraktion zu Wort kommt, wenn sie das wünscht. 

Herr Abgeordneter Khol, bitte.

15.05

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verweise auf Artikel 78 der Bundesverfassung: "Den Bundesministern können zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung Staatssekretäre beigegeben werden." (Abg. Dr. Nowotny: Na eben! – Abg. Leikam: Das sollten Sie eigentlich wissen!) Das heißt also, daß der Bundeskanzler hier im Haus durch den Staatssekretär vertreten ist. (Abg. Dr. Haider: Aber nicht für die gesamte Bundesregierung! – Abg. Dr. Nowotny: Verfassung lesen! – Abg. Mag. Stadler: Im Gegensatz zu Ihnen kann ich sie


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95. Sitzung / Seite 97

auch deuten! Sie können nur lesen, aber nicht deuten!) Der Vizekanzler ist nur dann zur Vertretung berufen, wenn der Bundeskanzler verhindert beziehungsweise im Ausland ist.

15.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kostelka.

15.06

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Es rächt sich offensichtlich, wenn man Anträge nicht genau formuliert.

Dieser Antrag richtet sich auf die Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfes im Bezügebereich. Zur Vollziehung des Bezügebereiches ist nach dem Bezügebegrenzungsgesetz ausschließlich und nur der Bundeskanzler berufen. Ihn in dieser Funktion zu vertreten ist wiederum ausschließliche Aufgabe des zuständigen Staatssekretärs. Daher ist die Beantwortung entweder durch den Bundeskanzler oder den ihm beigegebenen Staatssekretär zwingend geboten. Ich bitte daher, entsprechend der Verfassung und der Geschäftsordnung in die Debatte einzugehen. (Abg. Dr. Nowotny: Jawohl! – Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Da es offenbar weitere Wortmeldungen gibt, unterbreite ich dem Nationalrat die Frage, ob er eine Debatte in dieser Angelegenheit zu führen wünscht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, über diese Geschäftsordnungsfrage eine Debatte durchzuführen, um ein Zeichen. (Abg. Dr. Haider – in Richtung Liberales Forum und Grüne –: Opposition! Was ist mit euch?)  – Das ist die Minderheit , daher findet keine Debatte statt.

Die Bundesverfassung ist meines Erachtens nicht in dem Sinne zu lesen, daß Staatssekretäre in zwei verschiedenen Funktionen den Bundeskanzler parlamentarisch vertreten können, nämlich solche, wo es möglich ist, und solche, wo es nicht möglich ist.

Wir gelangen daher nun zum Dringlichen Antrag, wozu Herr Abgeordneter Mag. Stadler als Erstunterzeichner mit einer Redezeit von 20 Minuten das Wort erhält. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Nowotny: Das war alles?)

15.08

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Richtig einzuschätzendes Alter ego des Bundeskanzlers! Das ist nämlich der, der da oben sitzt, der überhaupt keine Kompetenzen hat, aber mit präsidialer Ermächtigung dazu befugt wird, die gesamte Bundesregierung zu vertreten, obwohl das in der Verfassung ganz anders geregelt ist! (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Nowotny und Mag. Guggenberger. ) Meine Damen und Herren! Ich habe mich immer gefragt, warum Herr Fischer so sehr auf eine 800 000 S-Gehaltserhöhung aus ist. Heute weiß ich es: Damit kann die Verfassung gebeugt werden. Das ist der Lohn dafür! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Präsident! Ich werde Ihnen nachweisen, daß das, was Ihr Klubobmann heute gerade zum besten gegeben hat, nicht mit dem übereinstimmt, was Präsident Neisser bereits in der Sitzung vom 20. September 1996 enunziert hat, nämlich daß sich ... (Einige Abgeordnete der SPÖ schicken sich an, den Saal zu verlassen. – Abg. Dr. Haider: Ja! Geht hinaus! – Abg. Ing. Reichhold: Geht hinaus! – Zwischenruf des Abg. Leikam.  – Anhaltende Zwischenrufe.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich bitte um Ruhe! Herr Abgeordneter Stadler hat das Recht, gehört zu werden. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend): Es ist ein Wunder, daß Sie mir das nicht auch noch streitig machen, Herr Präsident. Ich danke Ihnen herzlich dafür.

Herr Präsident! Wie Sie ganz genau wissen, wurde damals festgelegt, daß die Bundesregierung, wenn sie in einem Dringlichen Antrag als Adressat genannt ist, nicht insgesamt zu erschei


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nen hat, sondern ausschließlich auch im Parlament durch den in der Bundesregierung vorhandenen Vertreter repräsentiert werden kann. Das ist der Bundeskanzler – und sonst niemand! Stellvertreter des Bundeskanzlers – auch wenn Herr Khol heute darauf verzichtet hat – ist der Herr Vizekanzler und sonst auch niemand! So lautet die Regelung nach unserer Bundesverfassung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Heute schickt man uns also einen Staatssekretär, während es gestern noch ganz anders war – das mag auch in einem gewissen persönlichen Verhältnis begründet sein. Gestern wurde die Verfassung vom Herrn Präsidenten beachtet, heute wird sie gebeugt. Ich halte diesen Vorwurf in aller Vehemenz aufrecht, Herr Präsident. (Abg. Schwemlein: Unerhört! – Zwischenruf der Abg. Steibl. )

Meine Damen und Herren! Unerhört ist es, daß dieser Präsident sich nur darum kümmert, ob er als "Anstandswauwau" irgendwelche Verbalinjurien im Haus zu ahnden hat, aber nicht darum, wie die Rechte dieses Hauses geschützt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Eine schwache Rede!)

Das, was Sie von den Oppositionsfraktionen heute geliefert haben, war ein Jammerbild. Weil Frau Schmidt nicht anwesend war, haben die Liberalen nicht gewußt, ob sie zustimmen dürfen oder nicht. Die Grünen haben sich zaghaft erhoben, wußten aber nicht so recht, ob sie bei der Abstimmung sitzen oder stehen sollen. (Abg. Dr. Khol: Darum sind Sie so aufgeregt!) Das ist eine "Opposition"! Das ist keine Opposition, das sind Appendix-Parteien der Sozialisten – und sonst gar nichts. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hochverehrtes Alter ego unseres Bundeskanzlers! (Abg. Dr. Nowotny: Sie sind das Alter ego des Herrn Haider! – Beifall des Abg. Schwemlein. ) Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Professor! Sie könnten sich glücklich schätzen, wenn Sie das Alter ego unseres Bundesparteiobmannes sein dürften. Dazu werden Sie es aber wegen Ihrer mangelhaften Verfassungskenntnisse nie bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Mag. Guggenberger.  – Abg. Dr. Nowotny: Das war eine Frechheit!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ruster Regierungsbeschlüssen hat das Original dieses Alter ego noch verkündet, er wolle dem Haus im Herbst eine Regierungsvorlage vorlegen, in der alle  – ich betone das, es ist in einer APA-Aussendung vom 11. Juni nachzulesen – Pensionssysteme harmonisiert werden sollen.

Meine Damen und Herren! Was sind nun "alle Pensionssysteme"? Betrachten wir ASVG- und Beamtenregelung als alle Pensionssysteme? Ich rufe es immer wieder in Erinnerung! Wir stellen fest, daß die politische Kaste in diese Harmonisierung nicht einbezogen ist. Die politische Kaste hat es sich entgegen den Ankündigungen des Herrn Bundeskanzlers im Juni gerichtet. Ich stelle fest, daß es für die politische Kaste weder Durchrechnungszeiträume noch Ruhensbestimmungen gibt. Die vorhandenen Ruhensbestimmungen, nämlich 180 000 S beziehungsweise 160 000 S, sind ein Hohn angesichts der Einkommenslage der österreichischen Bevölkerung.

Meine Damen und Herren! Ich stelle weiters fest, daß im Privilegienparadies dieser Republik schlechthin, in der Oesterreichischen Nationalbank, von einer Harmonisierung überhaupt keine Rede sein kann. Dort wird weiter kassiert. Man ist privilegiert und immer noch der Meinung, daß man sich nicht an die allgemeinen Harmonisierungsvorgaben dieser Republik zu halten hat. Das gleiche gilt für den Sozialversicherungs- und den Kammerbereich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! In diesem Saal sitzt ein Haufen von "Kämmerern", die davon profitieren, daß nicht, wie der Herr Bundeskanzler, das Original des heutigen Alter ego, vollmundig verkündet hat, harmonisiert wird. Es ist keine Rede davon, daß die Pension des Herrn Stummvoll harmonisiert wird. Er ist "etwas Besseres" als die Mehrzahl der Bürger, die ihn wählen sollen. Sie wählen ihn ohnehin nicht mehr, zumindest zunehmend weniger. Das wissen wir ohnehin! (Abg. Dr. Stummvoll: Das werden wir erst sehen!)

Das werden wir sehen. (Abg. Dr. Stummvoll: Aber ob Sie noch gewählt werden, weiß ich nicht!) Herr Stummvoll! Ich werde es noch, und zwar sehr bald, erleben, daß Sie vom Wähler aus


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diesem Haus hinausrationalisiert werden! Glauben Sie mir das. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Steibl: Das glaube ich nicht!) Sie glauben mit jeder Faser Ihres Kämmererdaseins, daß Sie besser als der Normalbürger sind. (Abg. Dr. Fekter: Besser als Sie ist er noch allemal!)

So schaut Ihre Bezügeregelung aus! So schauen Ihre Pensionsregelungen aus! Sie sind der Auffassung, Sie seien etwas Besseres. Die anderen haben mit ihren Zwangsmitgliedsbeiträgen und mit ihrer Steuerleistung zu bezahlen. Ich werde Ihnen das im Laufe der Debatte noch beweisen. Es ist weder für die Angestellten der Kammern und Sozialversicherungsträger noch für jene der Nationalbank die Rede von Durchrechnungszeiträumen oder Ruhensbestimmungen, auch nicht bei der politischen Kaste.

Meine Damen und Herren! Soviel zur Ernsthaftigkeit der vollmundigen Ankündigung von Bundeskanzler Klima, der sich heute gar nicht ins Hohe Haus traut. Das ist nämlich der wahre Grund. Er hat Angst davor, mit seinen eigenen Aussagen konfrontiert zu werden. (Zwischenruf der Abg. Dr. Karlsson. )

Was sagen Sie, gnädige Frau da hinten? Sie haben auch einen Debattenbeitrag einzubringen? Sie gehören auch zu jenen, die von diesem politischen Kastensystem profitieren, und zwar in unglaublicher Weise. Ihre Pension ist gesichert, während die Pension jedes anderen Normalbürgers beschnitten und gekürzt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Amon, der nun ganz blaß hinten sitzen muß und vom Parteiausschluß bedroht ist, sagt nichts anderes, als daß das Zukunftsdiebstahl ist. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Lachen Sie Ihren Kollegen Amon nicht so aus. Einmal hat er sich etwas getraut! Sie brauchen ihn nicht gleich auszulachen, nur weil er ein bißchen Mut gezeigt hat. (Abg. Steibl: Merken Sie nicht, daß wir über Sie lachen?) Er hat gesagt, das, was diese Regierung betreibe, sei Zukunftsdiebstahl. (Zwischenruf.) Natürlich schauen wir uns das an.

Wir wollen seinen Mut nicht überstrapazieren! Er war schon öfters groß in der Ankündigung und dann ganz winzig in der Tat. Aber wir honorieren, daß er erkannt hat, daß das, was diese Regierung betreibt, Zukunftsdiebstahl ist. Und schon wird er von seiner eigenen Partei mit einem Parteiausschluß bedroht.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kopf, der im Moment abwesend ist, hat sich gestern laut Abgeordnetem Feurstein dazu entschlossen, dieser Regelung nicht zuzustimmen. Das haben Sie gestern gesagt. Oder stimmt das heute schon wieder nicht mehr? (Abg. Scheibner: Der Feurstein hat es auch gesagt!) Er selbst hat es auch noch gesagt. Wir werden also sehen, was von der Ankündigung der Österreichischen Volkspartei zu halten ist, denn beide haben erkannt, daß das nicht geht. Es geht nicht mehr, daß die politische Kaste in die Taschen der Bürger greift, ihnen die Pensionen kürzt, sich selbst aber vorher, und zwar wenige Wochen vorher, jedes Pensionsprivileg sichert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich hätte zu gerne vom Original dessen, der heute auf der Regierungsbank sitzt, gewußt, was er mit seiner Million macht. Er hat Angst davor, daß wir ihn fragen. Er hat gesagt, daß er sich eine Million als Bezugshöhe genehmigt hat. (Abg. Schwemlein: Blanker Unsinn!) "Blanker Unsinn", sagt Herr Schwemlein. Er hat sich einen Mehrfachbezug genehmigt, damit er sein Haus fertigbauen kann, während jeder normale Österreicher nicht weiß, wie er sein Haus finanzieren soll. Das ist der Herr Schwemlein! Herr Schwemlein! Haben Sie ein Problem? (Abg. Schwemlein: Nein!) Nein? Das glaube ich, denn Sie haben Mehrfachbezüge und eine gesicherte Pension, während der normale Bürger keine gesicherte Pension hat! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Das ist falsch!)

Sie greifen in seine Taschen, um Ihr Haus fertigzubauen, während jeder Normalbürger schauen muß, wo er bleibt, wenn er sich ein Eigenheim errichten will. Das sind die Genossen des ausgehenden 20. Jahrhunderts, fein angezogen, nobel und der Meinung, sie seien etwas Besseres. Man richtet es sich, und der normale Arbeiter soll das bezahlen. Das sind die Nobelsozialisten des ausgehenden 20. Jahrhunderts!

Wo ist die Million? Können Sie mir erklären, wo der Herr Bundeskanzler seine Million versteckt? Er hat angekündigt, die Million sozialen Zwecken zukommen zu lassen. (Zwischenruf des Abg. Koppler. ) Ich warte schon auf den Kollegen Cap, er wird es uns vielleicht erklären.


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Wo ist die Million? Monatlich eine Million müßte in den Taschen der von der Regierung durch Sozialdemontage bedrohten Bürger landen. Ist das richtig? Er hat das angekündigt.

Wo ist die Million? Wenn er nicht weiß, wohin damit, dann stellen wir ihm unseren Sozialfonds unter notarieller Aufsicht zur Verfügung! (Abg. Schwemlein: Der ist sehr "erfolgreich", überhaupt im Burgenland!)

Meine Damen und Herren! Dieser Fonds ist erstens kontrollierbar, zweitens transparent und drittens unter notarieller Aufsicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ein Privilegienritter wie Sie könnte dort nie hineingreifen! Das ist ein Fonds, der nicht für Sie geschaffen wäre.

Daher würde mich interessieren, ob das Original dessen, der heute auf der Regierungsbank sitzt, Scham empfindet, wenn er Müttern, die durch längere Durchrechnungszeiträume empfindliche Pensionskürzungen – glauben Sie mir, denen tut jeder Hunderter weh – in Kauf nehmen müssen, die Hand schüttelt und sich als der große Sicherer der Sozialleistungen geriert, gleichzeitig aber sich selbst jedes Privileg und eine Million, von der niemand weiß, wo sie ist, noch dazu gesichert hat.

Ihre Genossen in Vorarlberg haben das gleiche wie wir Freiheitlichen verlangt. Nun, da Sie sich plötzlich mit der ÖVP in einer Kassiererkoalition sehen, sehen Sie plötzlich nichts mehr von Ihren früheren Wünschen. Nun sind Sie plötzlich an Bord der Österreichischen Volkspartei, die beim Kassieren, also wenn es ums Geld ging, immer schon die Nase vorne hatte. Das sieht man im Bereich der Kammern, der OeNB und bei den Sozialversicherungsanstalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Um Kollegen Haselsteiner wieder Gelegenheit zu geben, sich wie gestern hier beim Rednerpult völlig zu echauffieren (Abg. Dr. Karlsson: Was ist mit Strutz?)  – es war ein hervorragender Auftritt, noch ein paar solche Auftritte und Ihre eigene Parteivorsitzende schmeißt Sie aus der Partei hinaus –, möchte ich Sie daran erinnern, daß es doch eine Abfertigungsregelung im Bezügebegrenzungsgesetz gibt. Herr Haselsteiner bemüht sich, zu sagen, daß es keine Abfertigung mehr gibt, als ob er das selbst ausverhandelt hätte.

In § 6 steht bis heute eine Abfertigungsregelung. Jedem Bürger in Österreich versucht man weiszumachen, die politische Kaste hätte auf irgendeinen Schilling verzichtet. (Zwischenruf des Abg. Koppler. ) Bis heute aber gibt es die Bezugsfortzahlung im Bezügebegrenzungsgesetz. Die ÖVP behauptet, das sei keine Abfertigung mehr, da sie nicht mehr so steuerbegünstigt behandelt wird wie früher.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Es bleibt eine Abfertigung! Sie heißt nur jetzt "Bezugsfortzahlung". Letztlich sind es aber für jemanden, der sagt, er habe noch keinen Job, wieder zwölf Monatsgehälter. Nachdem er zwölf Monate lang kassiert hat, hat er dann einen Job! (Abg. Schwarzenberger: Warum verzichtet Schnell in Salzburg nicht auf die Bezugsfortzahlung, obwohl er abgewählt wurde?)

Herr Kollege Schwarzenberger! Es ist sinnlos. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. ) Herr Kollege Schwarzenberger! Auch wenn Sie mir Ihr Ohr leihen, ist es sinnlos, Ihnen das zu erläutern. Es ist sinnlos, weil Sie in Ihrer Indolenz (Abg. Schwemlein: Georg! Leih ihm dein Ohr nicht! Du kriegst es nicht zurück!) offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen können, daß es nicht nur ÖVPler gibt, die eben beim Kassieren gleich die ersten sein wollen, sondern daß es auch noch ein paar anständige Leute in dieser Republik gibt – nicht aus Ihrer Partei –, die nicht alles für Geld machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber weil ich gerade bei der ÖVP bin ...


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(Abg. Schwarzenberger: Warum verzichtet Schnell nicht, obwohl er abgewählt worden ist?) Erklären Sie mir, Herr Oberkämmerer Schwarzenberger, wieso die Wirtschaftskammer 200 Millionen Schilling aus der Exportförderung abzweigt

 

(Abg. Schwarzenberger: Ich bin nicht von der Wirtschaftskammer!) , in den Pensionsfonds hineinsteckt und der Wirtschaft damit 200 Millionen Schilling entzieht. Anschließend wollte man sie sich beim Finanzminister wieder holen. Oder stimmt das nicht? (Abg. Dr. Stummvoll: Nein, es stimmt nicht!)

Es stimmt nicht? – Dann werde ich Ihnen ... (Abg. Dr. Stummvoll: Das habe ich schon hundertmal vorgebracht!) Ja, das weiß ich. Aber Sie können es auch 101mal darbringen, es wird das Protokoll dennoch nicht entkräften. Das Protokoll der Bundeswirtschaftskammer, Prüfbericht 1991, sagt aus, Herr Kollege Stummvoll: Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen ... (Abg. Dr. Stummvoll: Das haben wir schon dreimal gehört!) Sie haben es schon dreimal gehört und haben es noch immer nicht begriffen? – Sie sind wirklich schwer von Begriff! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen: 200 Millionen Schilling haben Sie aus der Exportförderung abgezweigt – und dann verlangen Sie, daß diese 200 Millionen Schilling von der Bundesregierung aus dem Säckel des Steuerzahlers wieder an Sie refundiert werden sollen. Das ist eine "nette" Firma! 200 Millionen Schilling von der Exportförderung in den Pensionstopf, damit die Privilegien gesichert sind – und dann gehen wir zum Steuerzahler und holen uns die 200 Millionen wieder herein!

Weil wir gerade bei Ihnen waren, Herr Kollege Schwarzenberger: Erklären Sie mir auch, wie die Partei des Schwemlein ... (Abg. Schwarzböck steht zwischen den Sitzreihen der Freiheitlichen und spricht mit einigen Abgeordneten.) Was regt er sich so auf? – Herr Schwarzböck! Was regen Sie sich so auf? Sind Sie ertappt worden, wieder einmal ertappt worden? (Abg. Schwarzenberger: Nein, er hat euch ertappt!)  – Offensichtlich wieder einmal ertappt worden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Erklären Sie mir, wie es kommt, daß die Schwemlein-Partei in Salzburg beim "JOUR fixe" mit dem Landeshauptmann am 18. März auf der Besprechungsliste ganz oben stehen hat: "Personelle Besetzungen bis zum Jahr 2000". "JOUR fixe" mit dem Landeshauptmann von der ÖVP – da geht es dann zur Sache. Da wird analysiert: "Von den 38 Spitzenpositionen" bei den Abteilungsleitern und Fachabteilungsleitern "werden von uns" – gemeint ist die Schwemlein-Partei, die SPÖ – lediglich "6 besetzt, das sind 16 %". (Zwischenruf der Abg. Dr. Karlsson. )

Bei den Referatsleitern sind es gar nur 17 von 126. "Das sind 13 Prozent", schreibt der Herr Buchleitner larmoyant. Bei den Bezirkshauptmannschaften: "Von 75 Führungspositionen verfügen wir über 9 Positionen. Das sind" gar nur "12 Prozent". Das muß sich selbstverständlich erhöhen.

Damit Sie auch entsprechend dicke Möglichkeiten zur Abfindung bei Reisekosten haben, soll der Topf für die Erstattung von Reisekosten um 50 000 S aufgestockt werden. Aber weil das "nicht reicht", wie es da heißt, kommt der "Vorschlag ÖAAB" – das ist doch Ihre Partei, wenn ich mich nicht irre, Herr Schwarzenberger? Nicken Sie beifällig? – Jawohl, Ihre Partei: "100 000 Schilling". Die SPÖ findet, das ist immer noch zuwenig, weil das für sie "nur 27 000 Schilling" ausmachen würde, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: 100 000 S hat der Schnell für nicht geleistete Überstunden bestätigt!)

Sie sind beim Kassieren dabei, das ist das Entscheidende! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie langen im Verein mit Rot schamlos zu und bürden dem Bürger jede Belastung auf, die Sie notwendig haben, um weiterhin Ihr System der Kassierer und Abkassierer aufrechterhalten zu können. (Abg. Schwarzenberger: 100 000 S sind bei Schnell für nicht geleistete Überstunden bestätigt worden!) Meine Damen und Herren! Das ist das Problem, das diese Koalition hat: Nichts ist zu sehen von Objektivierung der Postenvergabe!

Meine Damen und Herren! Wo ist jetzt die Schwemlein-Partei mit der Frau Konrad? Wo ist die Frau Konrad? Wo ist die "Madame halbe/halbe"? – Das war ja der Gipfelpunkt der letzten Woche, wie ÖVP und SPÖ eine ehemalige Ministerin versorgen wollten! Ich nehme an, das geschah über Auftrag (in Richtung Staatssekretär Dr. Wittmann) des Originals des Alter ego, das heute hier sitzt, meine Damen und Herren, über Auftrag des Bundeskanzlers, der vorher noch einen Fünf-Punkte-Katalog verabschiedet hat nach dem tragischen Selbstmord ...

 


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(Abg. Schwemlein  – in Richtung Abg. Schwarzenberger  –: Leih mir dein Ohr, hat er gesagt! Sie bekommen es nicht mehr zurück!)

Herr Kollege Schwemlein! Wenn Sie den tragischen Selbstmord des Herrn Praschak immer noch lustig finden, dann wissen wir, was wir von Ihrem Charakter zu halten haben. (Abg. Schwemlein: Das ist eine Dampfplauderei, was Sie hier aufführen!)

Nach dem tragischen Selbstmord des Herrn Praschak sagte der Bundeskanzler: Wir haben einen freiwilligen Ehrenkodex eingeführt, daß so etwas nicht mehr vorkommen kann. – Das war am 7. Mai 1997. Er sagte, er lädt alle Parteien ein, diesen Ehrenkodex mit zu übernehmen und ihn zu unterstützen. (Zwischenruf des Abg. Marizzi. )

Jetzt werde ich Ihnen sagen, wie ernst wir diesen Ehrenkodex genommen haben. Wir Freiheitlichen haben in der Steiermark zweimal nachgewiesen, daß dieser Ehrenkodex von Ihnen nicht eingehalten wird, während wir ihn eingehalten haben. Daher nämlich ist die Frau Konrad nicht zu dem Versorgungsjob gekommen, den Sie mit der Österreichischen Volkspartei bereits ausverhandelt hatten. (Beifall bei den Freiheitlichen.) 812 000 S hätten es nach dieser Postenschacherei für die Frau Konrad pro Jahr sein sollen. 812 000 S!

Meine Damen und Herren! 58 000 S brutto monatlich hätten es sein sollen für eine Tätigkeit, von der bisher niemand erklären konnte, was das eigentlich sein soll. Niemand konnte erklären, was die Frau Konrad in der Steiermark hätte machen sollen, sodaß sogar Ihnen geneigte Genossinnen und Genossen Ihnen in der einen oder anderen Tageszeitung vorgeworfen haben, daß das stümperhafte Schacherei ist, meine Damen und Herren von der SPÖ, stümperhafte Schacherei im Verein mit der Österreichischen Volkspartei! 58 000 S aus einem Versorgungsposten für die Frau Konrad, weil man sie in der Regierung nicht mehr brauchen konnte!

Ich frage mich: Wenn die Frau Konrad schon so wichtig ist – warum löst sie dann nicht einen Gewerbeschein, geht zur BAWAG, wo sie vielleicht noch einen Rest an Bonität hat, und macht das, was jeder andere Bürger machen auch muß: nämlich wirtschaftlich eigenes Risiko zu tragen? Warum tut sie das nicht, wenn sie so gut ist, wie sie behauptet, und wenn ihre Tätigkeit so notwendig ist? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, möchte ich dem Hohen Haus referieren, daß zu diesen 58 000 S und den 115 000 S für die Tätigkeit als Nationalratsabgeordnete auch noch ein Pensionsanspruch von insgesamt zirka 78 000 S hinzukommt, den die Frau Bundesminister außer Dienst und "Madame halbe/halbe" Helga Konrad bereits erworben hat.

Meine Damen und Herren! So richtet man sich’s! Der Normalbürger wird zur Kasse gebeten, dem Normalbürger schneidet man hinein – aber bei sich selbst ist man großzügig und will sich jedes Privileg sichern, das es in dieser Republik zu verteilen gibt.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Aus diesem Grund glaubt dem Original des Alter ego, das heute hier sitzt, nämlich dem Herrn Bundeskanzler Klima kein Mensch mehr ein Wort. Man kann ihn auch nicht mehr ernst nehmen. Er hat in einem Jahr fertiggebracht, wofür der Herr Vranitzky zehn Jahre gebraucht hat: daß ihn nämlich nur mehr die albanische Mafia ernst nimmt. Sonst nimmt ihn niemand mehr ernst, meine Damen und Herren! (Abg. Schwemlein: Na, na, na!) Der Herr Klima hat das in einem Jahr geschafft. In einem Jahr hat er alle Versprechungen und alle Ankündigungen gebrochen. Er hat nichts umgesetzt, meine Damen und Herren! Er hat versagt. Richten Sie ihm das aus, Herr Staatssekretär: Er hat versagt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär! Bei Ihnen hat man nie die Hoffnung gehabt, daß von Ihnen eine Leistung zu erwarten ist. Aber Ihr Bundeskanzler hat den Mund so voll genommen. Er wurde von den Zeitungen hochgejubelt, und nun hat er versagt. Er hat auf der ganzen Linie versagt und ist daher die politische Enttäuschung des Jahres 1997, weshalb ich ihm kein langes politisches Leben in dieser Bundesregierung mehr voraussagen möchte. Denn selbst die Genossen haben mittlerweile erkannt, daß man ihn nicht mehr herzeigen kann. Man kann ihn ja nicht einmal mehr vor den Nationalrat lassen, weil er dort wahrscheinlich die peinlichsten Auskünfte geben müßte

 


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über sein eigenes Gehalt, über seine Privilegien und über die Nichteinhaltung seiner eigenen Versprechungen.

Von den Lehrlingen, die Ihnen auch egal sind ... (Abg. Schwemlein: Ich glaube, Sie sind besser ein Dobermann als ein Prophet!) Ich weiß es, auch die Lehrlinge interessieren den Herrn Schwemlein nicht. Sein zweites Gehalt war für ihn wichtig. – Von den Lehrlingen über die Pensionsharmonisierung bis hin zur Zukunftssicherung: nichts eingehalten! Null Ergebnis! Ein Rückzug auf der gesamten Linie, Versagen auf der gesamten Linie! Eine einzige Enttäuschung ist dieser Viktor Klima, sonst gar nichts, meine Damen und Herren! (Abg. Schwemlein: Jetzt reicht’s!)

Darin hat der Kollege Amon recht (Abg. Schwemlein: Redezeit!) : Das ist Zukunftsdiebstahl. Herr Kollege Amon!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend): Herr Kollege Amon! Ich lade Sie ein, unseren Antrag über ein zukunftsweisendes Drei-Säulen-Modell zu unterstützen und unseren Antrag über die Beseitigung von Politikerprivilegien, wie er heute als Dringlicher Antrag vorliegt, ebenfalls mit zu unterstützen. (Abg. Schwemlein: Na ganz bestimmt nicht!) Das wäre ein Akt des politischen Muts. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme zum Gegenstand des Antrags hat sich der Herr Staatssekretär zu Wort gemeldet.

Nach § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung soll die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten, Herr Staatssekretär. – Bitte.

15.28

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Eingangs möchte ich zu den Anwürfen, die hier auch in meine Richtung gekommen sind, kurz persönlich Stellung nehmen.

Daß es den Durchrechnungszeitraum für Politiker nun nicht gäbe, ist schlichtweg falsch. Ich werde ausschließlich über eine ASVG-Regelung mit Pensionskassenregelung verfügen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwemlein: So ist es!)

Ich bin also kein Nutznießer eines politischen Kastensystems, wie Sie es bezeichnet haben. Aber ich möchte gerne auf Ihre eigenen Reihen verweisen. (Abg. Böhacker: Keine Polemik von der Regierungsbank!) Denn wenn ich höre, daß Ihr Bundesobmann Dr. Jörg Haider mit einer Pension von 160 000 S nach Hause geht (Oh!- und Pfui!-Rufe bei der SPÖ) , dann ist das meiner Ansicht nach eine Sache, die in diesem Zusammenhang durchaus erwähnt gehört, wenn man auf der anderen Seite sehr wohl ASVG-Regelungen für Politiker einführt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich darf nochmals darauf verweisen, daß der österreichische Nationalrat vor dem Sommer eine radikale Neuregelung sämtlicher Politikerpensionen beschlossen hat. Diese Regelung wurde nicht nur von Politikern selbst gemacht, sondern es wurde – um eben diese Zweifel auszuschließen – eine unabhängige Expertenkommission eingesetzt, die einen Vorschlag auszuarbeiten hatte. Ich darf daran erinnern, daß diese Expertenkommission unter dem Vorsitz des Präsidenten des Rechnungshofes, Dr. Franz Fiedler, stand. Mitglieder der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, der Rechtsanwaltskammer und viele andere Experten gehörten dieser Kommission an.

Der Vorschlag, den diese Kommission ausarbeitete, wurde in radikaler Weise umgesetzt und im Rahmen der Neuregelung von vier Parteien dieses Hauses beschlossen. Die vier Parteien haben sich über eine Bezügereform 1997 geeinigt, die folgende Punkte aufweist:

1. Politikerbezüge werden vom Beamtenschema abgekoppelt.

 


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2. Vorrückungen entfallen.

3. Es gebührt nur noch ein einheitlicher Bezug.

4. Anpassung der Bezüge aufgrund der allgemeinen Lohnentwicklung.

5. Einkommenspyramide.

6. Abschaffung der Politikerpensionen – Politiker verbleiben in ihrem jeweiligen Pensionssystem.

7. Abschaffung der Abfertigungen.

8. Detaillierter Einkommensbericht über wirtschaftliche und politische Einkommen.

9. Abschaffung der arbeitslosen Einkommen im Verfassungsgerichtshof.

10. 7 000 S monatliche Zahlung an den Dienstgeber für die Privatnutzung des Dienstwagens.

11. Unvereinbarkeit für Abgeordnete in Hoheitsfunktionen.

12. Veröffentlichung einer Lobbyisten-Liste.

13. Obergrenzen für Nationalbank, Sozialversicherung und Kammern.

14. Obergrenzen für Einkommen aus öffentlichen Kassen.

15. Obergrenzen für Länder- und Gemeindebezüge.

16. Abgeltung der Reisekosten durch ein Entfernungszonen-Modell.

Sie sehen, daß es sich dabei um eine umfassende Reform handelt, die alle Punkte umfaßt und dazu geführt hat, daß es in Zukunft einen Durchrechnungszeitraum für Politiker geben wird.

Sehr geehrte Damen und Herren (der Redner wendet sich in Richtung Freiheitliche), darüber hinaus möchte ich diese Gelegenheit wahrnehmen, Ihnen die Höhe Ihrer Pensionsbeiträge beziehungsweise Pensionssicherungsbeiträge in Erinnerung zu rufen. Im Nationalrat, im Bundesrat sowie im EU-Parlament betragen die Pensionsbeiträge für die Freiheitliche Partei von 1. Jänner 1995 an 18,49 Prozent, die Pensionssicherungsbeiträge variieren zwischen 1,5 und 5,61 Prozent.

Der guten Ordnung halber möchte ich auch die Beiträge für oberste Organe erwähnen. Die Pensionsbeiträge belaufen sich für Regierungsmitglieder von 1. Jänner 1995 an auf 21,49 Prozent, die jeweiligen Pensionssicherungsbeiträge variieren zwischen 1,5 und 5,61 Prozent.

Weiters zitiere ich in diesem Zusammenhang das Gutachten des Verfassungsdienstes vom 18. Februar 1997, das wie folgt lautet: Die Kommission hat im Hinblick auf ihre weitgehenden Reformvorschläge vor allem des Pensionsrechts dementsprechend auch angeraten, Übergangsregelungen zumindest für jene aktiven Politiker vorzusehen, die bereits nach geltendem Recht Anwartschaften erworben und hierfür auch zum Teil nicht unbeträchtliche Beiträge entrichtet haben. Denkbar erschien es der Kommission in diesem Zusammenhang, alle vorgeschlagenen Änderungen nur für die erstmals in die Politik Eintretenden zur Anwendung kommen zu lassen, während auf die bereits aktiven Politiker weiterhin geltendes Recht zur Anwendung käme. Dabei wurde darauf hingewiesen, daß eine sukzessive Umsetzung auf die neue Rechtslage zur Folge hätte, daß dies eine relativ lange Zeit in Anspruch nehmen würde. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist zu diesem Vorschlag der Kommission zu sagen, daß diese Vorgangsweise völlig im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen stünde und keine eigene Verfassungsbestimmung dafür erforderlich wäre.

Hohes Haus! Die in der Antragsbegründung mehrfach aufgestellte Behauptung, daß es für ASVG-Versicherte durch die Neuerungen des Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1997 zu massiven Pensionskürzungen kommen werde, ist nicht zutreffend, weil die Verrin


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gerung der Nettoersatzrate nur sehr maßvoll und sozial ausgewogen sowie in längeren Fristen wirksam wird und durch die Einkommensentwicklung keineswegs eine Kürzung künftiger Pensionen zu erwarten ist, sondern ein Gleichbleiben des derzeitigen realen Pensionsniveaus. Im ASVG wurden die Möglichkeiten der Gleitpensionen ausgeweitet.

Über diese Regelung sowie auch über viele andere wichtige Neuregelungen in diesem Haus zu diskutieren, hatten Sie ja heute schon Gelegenheit. Diese Diskussion wird nach dem vorliegenden Dringlichen Antrag fortgesetzt werden.

Hohes Haus! Es ist darauf hinzuweisen, daß die Kammern und Sozialversicherungsträger hinsichtlich des Pensionsversicherungsrechtes voll unter die Regelungen des ASVG fallen. Es ist aber richtig, daß in diesen Bereichen Zusatzregelungen in Form von Betriebspensionen bestehen, wie das auch in Ihrem Drei-Säulen-Modell vorgesehen ist. Betriebspensionsregelungen bestehen nicht nur in den Kammern und Sozialversicherungsträgern, sondern auch in zahlreichen anderen Unternehmen.

Für die Zuschußpension muß von Arbeitnehmern der Arbeiterkammern neben dem Pensionsbeitrag nach dem ASVG auch ein nach dem Einkommen gestaffelter Pensionsbeitrag gezahlt werden. Der Vollständigkeit halber weise ich auf die Höhe der Beiträge hin. Sie betragen über der Höchstbeitragsgrundlage 7,25 Prozent beziehungsweise von der doppelten Höchstbeitragsgrundlage an 8 Prozent und werden in den nächsten zwei Jahren auf bis zu 10 Prozent ansteigen.

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die Betriebspensionsregelungen in den Kammern und Sozialversicherungsträgern in den letzten Jahren grundlegenden Veränderungen in Richtung Leistungskürzungen für künftige Pensionisten unterworfen waren. Diese Veränderungen können in verfassungskonformer Weise nicht durch Gesetz, sondern nur jeweils durch entsprechende kollektive Rechtsnorm oder sonstige Rechtsnorm – meistens im Einzelvertrag – vorgenommen werden.

Die Oesterreichische Nationalbank hat – wie andere Banken auch – ein eigenes Pensionssystem. Durch Reformen in den letzten Jahren wurden – wie mir mitgeteilt worden ist – bei der Pensionskasse der Oesterreichischen Nationalbank bereits wesentliche Einsparungen erzielt, vor allem durch Einführung zweiprozentiger Pensionsbeiträge ohne Höchstbemessung in Altverträgen beziehungsweise zehneinhalbprozentiger Pensionsbeiträge in Neuverträgen seit April 1993. Das Pensionsantrittsalter wurde mit 60 Lebensjahren beziehungsweise mit 40 Dienstjahren festgelegt.

Unter Bezugnahme auf die Entschließung Nr. E 58 vom 15. Mai 1997 wird durch das kommende Nationalbankgesetz sichergestellt werden, daß neu eintretende Bedienstete nur eine um eine Pensionskasse ergänzte ASVG-Pension erhalten. Bei den Regelungen in der Oesterreichischen Nationalbank ist wohl darauf zu achten, daß sich die dienst- und pensionsrechtlichen Rahmenbedingungen an den Standards anderer Banken orientieren, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, daß im Hinblick auf die Anforderungen der zukünftigen Wirtschafts- und Währungsunion ein gut ausgebildetes Personal zur Verfügung stehen soll, und auch zu dem Zweck, die Aufgaben in der nationalen wie auch in der internationalen Währungspolitik im Interesse Österreichs optimal erfüllen zu können.

Hohes Haus! Der heutige Beschluß über die Pensionsreform ist eine Grundsatzentscheidung im besten Sinn des Wortes. Sie trägt sicherlich zu mehr Gerechtigkeit und zu einer Harmonisierung bei. Die Reform, die heute auf der Tagesordnung steht, wird dazu führen, daß diejenigen, die mehr haben, mehr zu diesen Reformen beitragen als Personen, die weniger haben. Die Bundesregierung hat sich die soziale Ausgewogenheit, die Harmonisierung und ein gutes Stück Zukunftssicherung der Jugendlichen zum Anliegen gemacht und deswegen diese Pensionsreform umgesetzt. Diese Ziele werden mit dem Beschluß vom Mittwoch und – in Fortsetzung dazu – mit dem heutigen Beschluß erreicht werden. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Stellungnahme.


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Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Es ist bekannt, daß kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf. Die Gesamtredezeit jeder Fraktion beträgt 25 Minuten.

Als erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Haider. – Bitte.

15.39

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Herrn Staatssekretär dafür dankbar, daß er in seiner Rede gemeint hat, es seien Bezugskürzungen erfolgt und die Privilegien seien abgebaut worden. Nunmehr muß er dem Hohen Haus allerdings auch erklären, wie es dann dazu kommt, daß im Budget 1998 allein für die Bezüge der Politiker Mehraufwendungen in der Höhe von 45 Millionen Schilling ausgewiesen sind. Das ist durchaus ein erklärungsbedürftiger Sachverhalt. Dasselbe gilt für die Regierungsmitglieder, bei denen eine Erhöhung gegeben ist.

Oder wie würden Sie uns erklären, warum – wenn es eine Durchrechnung für die Regierungsmitglieder gibt – laut Gesetz etwa für den Herrn Bundeskanzler Mag. Klima die Berechnungsformel gilt: Grundlage seiner Pensionsberechnung ist die doppelte Bemessungsgrundlage des höchsten Sektionschefgehalts, IX/6 mal 2, mal 55 Prozent?

Das heißt, er hat zum heutigen Tag keine Minute Durchrechnung, sondern er hat, obwohl er erst seit 1992 auf der Regierungsbank sitzt, bis zum heutigen Tag bereits eine Pension von 90 000 S in der Tasche. Das hätte er bei einem Durchrechnungszeitraum sicherlich nicht.

Erklären Sie mir, warum die Frau Hostasch, die erst seit dem 26. Jänner 1997, seit diesem Jahr also, da ist, von der Höchstbemessungsgrundlage, vom Letztgehalt des Sektionschefs, IX/6, ihre Pension bemessen bekommt, wenn es einen Durchrechnungszeitraum gibt! Sie sitzt erst seit einigen Monaten in der Regierung.

Erklären Sie uns, warum der Herr Minister Edlinger, der seit dem 26. Jänner da ist, bereits jetzt vom Höchstgehalt des Sektionschefs bemessen eine Pension von 133 000 S bekommt! Erklären Sie uns das bitte! (Abg. Mag. Maier: Das stimmt ja nicht!) Na freilich stimmt das! Sie haben leider das Gesetz nicht gelesen.

Es sind zwei Klassen von Politikern geschaffen worden (Beifall bei den Freiheitlichen): Die, die neu kommen, werden nach einem anderen Reglement behandelt als die, die schon länger hier sitzen. Für letztere gelten die privilegierenden Regelungen. Das ist der Punkt, warum wir Sie auffordern, diesbezüglich eine Veränderung vorzunehmen. Alle, die verhandelt haben, die Khols, die Kostelkas, haben für sich verhandelt, sie haben gesagt: Wir verzichten auf keinen Schilling Pension, daher gilt für uns die alte Regelung, für die Jungen soll es eben einen Durchrechnungszeitraum geben.

Das gleiche haben Sie jetzt beim ASVG und bei den Beamten gemacht. Die Alten haben es sich gerichtet, und was die Jungen betrifft, so steht es in den Sternen, was für sie herauskommen wird. Das, meine Damen und Herren, ist die Realität! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Schwarzböck weiß ja noch gar nichts von seinem Glück, daß er selber dazugehört. Sie sind auch kein Fall für einen Durchrechnungszeitraum. Sie lächeln so locker, denn Sie haben heute schon einen "Fünfziger" Pension in der Tasche als Bauernvertreter – bei einer Durchschnittspension in der Landwirtschaft von 7 000 S, bei den Bäuerinnen von 4 600 S. Das müssen Sie Ihren Leuten erklären, daß für sie alle eine Durchrechnung gilt, aber für Sie als großer Bauernvertreter nicht, Herr Kollege. Das sind die Dinge, die wir Ihnen sagen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da gibt es also zwei Klassen von Bürgern, und es ist ja bezeichnend, wer sich da zu Wort gemeldet hat. Heute kommt der Kollege Cap zu Wort, ein typischer Berufspolitiker, der sein Leben lang noch nie etwas gearbeitet hat (lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ) , der nur Abgeordneter gespielt hat, der noch nie einen Beruf ausgeübt hat, der nur Abgeordneter gespielt hat! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)


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95. Sitzung / Seite 107

Cap verteidigt natürlich dieses System, meine Damen und Herren, weil er lebt ausschließlich von der Politik. Ausschließlich von der Politik! (Zwischenruf des Abg. Dr. Cap. ) Na ja, ich bin zumindest noch ein Unternehmer, lieber Kollege, zum Unterschied zu Ihrer Dauertätigkeit in der Politik. Ich brauche sie nicht, meine Damen und Herren, daher kann ich hier auch eine offene Diskussion führen. Das kann man nur tun, wenn man unabhängig genug ist, um nicht ins Schlepptau der Privilegienritter dieser Republik zu kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Diese Unabhängigkeit ist Goldes wert, damit man nicht als Pflichtverteidiger da herausgehen muß. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Kollege Cap hat keinen Beruf. Er soll uns sagen, welchen Beruf er hat! Er ist, seit er sein Studium beendet hat, nur Politiker, und darüber hinaus wird er schauen, daß er möglichst bald in Frühpension geht. Das, meine Damen und Herren, ist die Realität, mit der wir uns auseinanderzusetzen haben! Daher sage ich Ihnen, Sie schaffen ein Zweiklassensystem in diesem Staat. (Abg. Kopf weist ein Papier vor.) Das ist schön, wenn sich ein ÖVP-Abgeordneter darüber aufregt, daß es Erbschaft in diesem Lande gibt. Sie müssen nur erklären, daß Sie dagegen sind. Erklären Sie den Bauern, daß sie ihre Höfe nicht mehr vererben dürfen! Erklären Sie den Waldbesitzern, daß sie nichts mehr vererben dürfen! – Das ist eine Einstellung! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist euer Agrarkommunismus und Herz-Jesu-Sozialismus, mit dem ihr versucht, eure Stimmen zu halten, meine lieben Freunde, aber damit seid ihr schon lange untergegangen! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben allen Österreichern ein Sparpaket verordnet, in der Regierung hingegen haben Sie die Bezüge erhöht. Der Herr Bundeskanzler Klima bekommt 1 Million Schilling mehr Gehalt – mit allen anderen Konsequenzen. Jetzt ist die Rede von einem Fonds, in den das eingezahlt wird. Den haben Sie schon 1990 versprochen. Der Herr Cap soll uns erklären, was aus der Idee Marizzi – Cap geworden ist, einen Fonds für die Mehrfachbezüge, für die Multifunktionäre einzurichten! Nicht einen Schilling haben Sie bisher in den Fonds einbezahlt, nicht einmal haben Sie in der Öffentlichkeit Rechnung darüber gelegt, was mit diesem Fonds passiert ist. Es würde mich sehr interessieren, Herr Kollege Cap, was tatsächlich passiert ist. Wo ist denn der Notar, der die Offenlegung macht, so wie bei unserem Sozialfonds, den Sie immer wieder kritisiert haben? (Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Marizzi: Beim Schweitzer!) Wo ist der Notar, der die Offenlegung macht?

Sie sagen: Wir machen ein Pensionssystem. – Bei einem ASVG-Versicherten zahlt heute der Staat im Schnitt 17 000 S an Bundeszuschuß, bei der Landwirtschaft zahlt er 74 000 S dazu, bei den Gewerblichen zahlt er über 90 000 S dazu, aber bei den Politikern, meine Damen und Herren, zahlt er über 600 000 S dazu! Und jetzt frage ich Sie, ob Sie es als Sozialdemokraten wirklich vertreten können, daß Sie für einen großen Teil der Politiker dieses Hohen Hauses – und ich schließe mich da gar nicht aus, für mich gilt das genauso – privilegierende Regelungen geschaffen haben, Regelungen, die nicht mehr vertretbar sind. Wenn man Volksvertreter sein will, sollte man den Mut haben, zu sagen: Wir wollen auf der gleichen Basis wie das von uns vertretene Volk behandelt werden! – Das wäre die schönere Regelung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir dürfen ja nicht einmal auf diese Privilegien verzichten. Wir haben das letzte Mal einen Antrag gestellt, daß man eine gesetzliche Regelung für einen freiwilligen Verzicht auf derartige Privilegien schaffen sollte. Das haben Sie alle in einer namentlichen Abstimmung abgelehnt. Sie alle haben gesagt: Nur keinen Verzicht, das dürfen wir ja nicht einführen, weil da könnte der Druck der Öffentlichkeit so groß werden, daß wir auf etwas verzichten müssen! Schaffen Sie doch eine Regelung, damit man auf diese Dinge verzichten kann, anstatt unsere freiheitlichen Politiker unter Druck zu setzen, wie den Kollegen Lugger in Tirol, dem man gesagt hat: Für dich machen wir einen solchen Stichtag, daß du als Landesrat nicht mehr die Pension erreichst, aber wenn du beim Bezügegesetz mit Rot und Schwarz mitstimmst, dann wählen wir für dich einen solchen Stichtag, daß du noch eine Landesratspension bekommst. (Abg. Mag. Stadler: Das ist die ÖVP!) Das ist eure Einstellung, meine Damen und Herren! Das ist die Art und Weise, wie mit der Bevölkerung umgegangen wird! (Abg. Mag. Guggenberger: Mit dem Herrn Lugger ...?!) Überall macht ihr es!


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95. Sitzung / Seite 108

Lieber Kollege! Bei den Werbungskosten ist es das gleiche. Werbungskosten werden abgeschafft; alle Werbungskosten eines Gewerbetreibenden müssen nachgewiesen werden. Für einen Politiker gibt es eine Regelung, die besagt, daß das gar nicht überprüft werden darf. Von Parkbänken bis zu Weihnachtsgeschenken darf der Politiker alles absetzen; ich habe den Erlaß hier. Das ist schon wieder eine Ungleichbehandlung von Bevölkerung und Politikern. Ihr wißt ja gar nicht, in welcher Weise ihr letztlich die Bürger vor den Kopf stoßt, in einer Zeit, wo ihr ihnen mit Sparpaketen, mit Pensionskürzungen das Leben sauer macht.

Daher mein Appell: Schaffen wir gemeinsam eine Regelung, mit der wir uns auf die gleiche Grundlage stellen wie die Bevölkerung, mit der das, was wir der Bevölkerung zumuten, auch für uns gilt! Dann wäre ich einverstanden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Schaffen wir eine solche Regelung aber auch für jene Politiker, die schon lange dabei sind. Ich bin bereit, das zu machen, und ich hoffe, auch die Kollegen Khol und Kostelka, und ich hoffe, auch Herr Präsident Fischer und Herr Klima. Für den "kleinen" Staatssekretär, der erst seit ein paar Wochen da ist, gilt schon das neue Pensionssystem, aber die Arrivierten, die es sich richten konnten in diesem Lande, bekommen satte Pensionen – plus Zusatzmöglichkeiten. Es sind keine Ruhensbestimmungen für Politiker vorgesehen. Kein Politiker wird Zusatzbestimmungen gegen sich gelten lassen müssen, kein Politiker muß eine Prüfung durch das Finanzamt gewärtigen, was seine Werbungskosten betrifft. Das alles bedeutet eine Ungleichbehandlung gegenüber ... (Widerspruch des Abg. Koppler. ) Na selbstverständlich! Da ist der Erlaß (ein Schriftstück vorweisend) , Herr Kollege, das ist der Erlaß, und darin steht: Eine Angemessenheitsprüfung ist grundsätzlich bei Politikern nicht vorgesehen. – Das ist Ihr Erlaß, meine Damen und Herren, der vom 4. Juli 1997 stammt, also jüngsten Datums ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): Sie brauchen also nur unserem Antrag zuzustimmen und eine entsprechende Gesetzesvorlage zu präsentieren, wodurch für uns die gleiche Grundlage gilt wie für die Bevölkerung, die wir hier vertreten wollen. Damit wären wir Freiheitlichen absolut einverstanden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol gemeldet. Ich bitte, die Bestimmungen exakt zu beachten: zuerst der zu berichtigende und dann der tatsächliche Sachverhalt.

15.49

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Ich berichtige zwei Äußerungen des Abgeordneten Stadler. Erstens stellte er fest, daß die Politiker keine Ruhensbestimmungen hätten. – Dem stelle ich das Teilpensionsgesetz entgegen, das wir diese Woche beschlossen haben (Abg. Schwarzenberger: Die FPÖ hat es aber abgelehnt!) , Begriffsbestimmungen, § 1 Z 4, Erwerbseinkommen: "c) die Bezüge der ... im § 1 des Bundesbezügegesetzes, ... im § 1 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre ergehenden landesgesetzlichen Vorschriften ..." werden alle zum Erwerbseinkommen gerechnet und bedeuten, daß in Zukunft (anhaltende Zwischenrufe des Abg. Mag.  Stadler ) so wie bisher neben einer Pension aus dem Gewerbepensionsrecht, aus dem Bauernpensionsrecht und aus dem Angestelltenpensionsrecht auch die ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, die Interpretation ist nicht Bestandteil der Berichtigung! Haben Sie noch einen zweiten Punkt?

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (fortsetzend): Der zweite Punkt ist die Durchrechnung. Da gilt der § 12 des neuen Bezügegesetzes, wonach für alle, die am 1. Jänner 1999 noch nicht zehn Jahre nach dem alten System Beiträge geleistet haben, das ASVG als Pensionsversicherung gilt und daher die Durchrechnung in voller Gänze Anwendung findet. (Abg. Mag. Stadler. Seit wann sind Sie da, Herr Khol?)


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95. Sitzung / Seite 109

Ich habe dann noch eine tatsächliche Berichtigung für den Abgeordneten Haider. Die Werbungskosten für Politiker werden auf Punkt und Beistrich genauso abgerechnet wie für andere Berufsgruppen. Auch bei den anderen Werbungskosten wird die Höhe der Belege genau berechnet, aber die ... (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Sie trifft das nicht, Sie haben es sich gerichtet! – Abg. Dr. Haider – ein Blatt Papier vorweisend –: Da ist der Erlaß!)

15.51


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95. Sitzung / Seite 110

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Die Redezeit ist beendet, sie ist mit 2 Minuten exakt einzuhalten.

Es liegt mir eine weitere tatsächliche Berichtigung des Herrn Abgeordneten König vor. Bitte zuerst um den zu berichtigenden Sachverhalt und dann um den tatsächlichen Sachverhalt.

15.52

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Klubobmann Stadler hat in seiner Rede behauptet, es gäbe auch nach der Neuregelung weiterhin Abfertigungen für Politiker. – Das ist unrichtig. Eine Abfertigung gebührt bei Beendigung des Dienstverhältnisses in einem Betrag, sie ist steuerbegünstigt, und sie gebührt unabhängig davon, ob man ein neues Dienstverhältnis im Anschluß daran sofort antreten kann oder nicht. (Abg. Mag. Stadler: § 6 Bezügegesetz!) Eine Gehaltsfortzahlung, wie es im neuen Gesetz steht, ist keine Abfertigung (Abg. Ing. Reichhold: Fauler Kompromiß!) , sie gebührt nicht in einem Betrag, sondern als Überbrückungshilfe nur für jene Monate, in denen der Betreffende keinen Beruf ausübt, und ist mit dem vollen Steuersatz zu versteuern.

Die Behauptung, den Politikern gebühre auch nach der Neuregelung eine Abfertigung, ist daher tatsachenwidrig. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.53


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95. Sitzung / Seite 111

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Es liegt mir ein Verlangen des Herrn Abgeordneten Schwemlein auf eine tatsächliche Berichtigung vor. Es gelten die gleichen Regeln. – Bitte.

15.53

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Stadler hat in seinen Ausführungen behauptet, ich würde ein ungerechtfertigtes Einkommen beziehen. – Das ist falsch. (Abg. Mag. Stadler: Doppelbezieher waren Sie!) Ich bin mit 26,04 Prozent beschäftigt und bekomme klarerweise auch 26,04 Prozent meiner Arbeitsleistung als Gehalt ausbezahlt. Daher war seine Ausführung falsch. (Beifall bei der SPÖ.)

15.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir ein Verlangen des Herrn Abgeordneten Gradwohl auf tatsächliche Berichtigung vor. (Abg. Dietachmayr: Ich frage mich überhaupt, was da richtig war an den Ausführungen vom Stadler!)

15.54

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Stadler hat in seiner Rede unrichtigerweise behauptet, daß es bei Politikerpensionen weiterhin keinen Durchrechnungszeitraum gibt.

Ich berichtige ihn tatsächlich: Die Politikerpensionen wurden mit den Beschlüssen, die er zitiert hat, abgeschafft, und alle, die versichert sind, können in Zukunft in ihr Versicherungssystem, ASVG oder sonstiges, einzahlen. (Abg. Mag. Stadler: Abgeschafft sind sie überhaupt nicht worden!) Herr Abgeordneter Stadler, es dürfte sogar Ihnen nicht entgangen sein, daß im ASVG Durchrechnungszeiträume bestehen.

Des weiteren, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich den Herrn Abgeordneten Haider, trotz seiner Aufregung, in folgender Form berichtigen: Er hat gegenüber meiner Fraktion und auch mir gegenüber mehrmals das Wort "eure" verwendet und damit den Eindruck vermittelt, als wir wären per du.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, das ist keine tatsächliche Berichtigung, Herr Abgeordneter. Haben Sie einen dritten Punkt?

Abgeordneter Heinz Gradwohl (fortsetzend): Ich möchte aber nicht per du sein mit dem Herrn Abgeordneten Haider! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Abg. Dr. Khol. – Abg. Reitsamer: Darauf legen wir großen Wert! Das ist eine Ehrabschneidung!)

15.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich lasse jetzt noch eine weitere tatsächliche Berichtigung zu, weil es noch eine große Anzahl davon gibt, und ich werde alle anderen, so wie wir das ... (Abg. Dr. Haider: Ist eh klar! Wenn die Freiheitlichen die Möglichkeit haben, dann geht es auf einmal nicht mehr!)

Wenn das unter diesem Gesichtspunkt gesehen wird, Herr Dr. Haider, dann widerrufe ich diese Ankündigung. Es werden jetzt alle tatsächlichen Berichtigungen zugelassen. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Nächste tatsächliche Berichtigung: Frau Abgeordnete Dr. Hlavac.

15.56

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Herr Abgeordneter Stadler hat behauptet, daß Frau Abgeordnete Konrad einen Anspruch auf eine Ministerpension erworben hat. Das ist unrichtig. (Abg. Mag. Stadler: Nicht auf Ministerpension! 78 000 S hat sie, wenn Sie es genau wissen wollen!)

Frau Abgeordnete Konrad war nur ungefähr eineinhalb Jahre Ministerin, sie erfüllt daher nicht die rechtlichen Voraussetzungen, auch nicht in Anrechnung ihrer Nationalratszeiten.

Es ist also falsch, was hier von Herrn Stadler behauptet wurde. Frau Dr. Konrad hat keinen Anspruch auf Ministerpension erworben, und sie wird auch keine Ministerpension bekommen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grabner: Eine Unwahrheit nach der anderen!)

15.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste tatsächliche Berichtigung: Herr Abgeordneter Maier.

15.57

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Stadler hat behauptet, der Herr Bundeskanzler hätte sich 1 Million Schilling selbst genehmigt und behalte diesen Betrag für sich. Damit hat er wieder einmal den Herrn Bundeskanzler, so wie andere Mitglieder dieses Hauses, denunziert. (Widerspruch bei den Freiheitlichen.) Ich berichtige:

Erstens: Das Bezügebegrenzungsgesetz, Herr Abgeordneter Stadler, wurde vom Parlament und nicht vom Herrn Bundeskanzler beschlossen. (Abg. Dr. Haider: Er hat es sich nicht selbst genehmigt, sondern genehmigen lassen! – Abg. Rossmann: Von Ihnen!)

Zweitens: Sie haben von 1 Million Schilling gesprochen. Tatsächlich sind es 300 000 S jährlich, und das ist deutlich weniger, als die Bezügekommission vorgeschlagen hat. (Abg. Mag. Stadler: Sie haben ja gar nicht gewußt, was Sie beschlossen haben!)

Und drittens, Herr Abgeordneter Stadler: Es wurden bereits alle Veranlassungen getroffen, damit dieser Betrag sozialen Zwecken zugewiesen wird.

Ich berichtige weiters den Herrn Abgeordneten Haider. Herr Abgeordneter Haider hat behauptet, Bundesminister Edlinger würde bereits Anspruch auf eine Bundesministerpension haben. Ich berichtige: Er hat Anspruch auf eine Pension als Finanzstadtrat der Gemeinde Wien. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Die ist noch höher! Die ist sogar höher!)

15.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das nächste Verlangen auf tatsächliche Berichtigung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Stummvoll vor. – Bitte sehr. (Abg. Dr. Khol: Da muß man ununterbrochen berichtigen bei soviel Unwahrheit! Wenn der Dobermann einmal bellt, muß man fünfmal berichtigen!)

15.59

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Klubobmann Stadler hat hier – ich glaube, zum dritten oder vierten Mal – behauptet, die Wirtschaftskammer Österreich hätte zweckwidrig 200 Millionen Schilling an Mitteln der Exportförderung für Pensionszwecke verwendet.

Wahr ist vielmehr, daß aus den Mitteln der Außenwirtschaftsfinanzierung natürlich auch der gesamte Personal- und Pensionsaufwand der Außenhandelsdelegierten zu finanzieren ist. Aufgrund einer Kritik des Rechnungshofes, daß die Pensionsrücklage zu gering dotiert wird, haben wir um 200 Millionen Schilling aufgestockt. (Beifall bei der ÖVP.)

16.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das nächste Verlangen auf tatsächliche Berichtigung liegt von Herrn Abgeordneten Van der Bellen vor. – Bitte.

16.00

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Haider hat gemeint, daß es bei den Werbungskosten von Politikern keine Angemessenheitsprüfung gäbe, bei anderen Einkunftsarten hingegen sehr wohl.

Das ist unrichtig, Herr Dr. Haider. Das österreichische Einkommensteuerrecht kennt grundsätzlich keine Angemessenheitsprüfung, von ganz wenigen Ausnahmen wie Perserteppichen und so weiter abgesehen. (Abg. Dr. Haider: Nein, nein! Bei den Unternehmern gibt es diese Angemessenheitsprüfung!) Auch im Unternehmensbereich gibt es, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – Perserteppiche (Abg. Mag. Stadler: Kfz!) , Kfz und so weiter, das ist richtig (Abg. Mag. Stadler: Aha!) – , keine Angemessenheitsprüfung. Ob ein Unternehmer sich einen teuren Schreibtisch kauft oder einen billigen – das zu überprüfen, ist nicht Sache des Finanzamtes.

In diesem Sinne, und nur in diesem Sinne, gibt es auch bei Politikerwerbungskosten keine Angemessenheitsprüfung. (Beifall bei den Grünen, bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)

16.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es ist eine persönliche Erwiderung verlangt worden, und ich lese Ihnen vor, was wir in der Präsidialkonferenz einvernehmlich festgelegt haben:

"Bei persönlichen Erwiderungen auf tatsächliche Berichtigungen soll so vorgegangen werden, daß die erforderliche persönliche Einbeziehung eines Abgeordneten, der sich zu einer persönlichen Erwiderung melden will, im zweiten Teil der tatsächlichen Berichtigung, also bei Darlegung des berichtigten Sachverhaltes, erfolgt sein muß. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist eine persönliche Erwiderung nicht möglich." (Ruf: Eine persönliche Erwiderung wird nicht verlangt! – Abg. Mag. Guggenberger: Der Haider soll das studieren! Er soll lieber da studieren und nicht in Harvard! – Weitere Zwischenrufe.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Cap. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten.

16.01

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Hohes Haus! Ich möchte gleich zum Abgeordneten Haider feststellen: Natürlich gibt es verschiedene Kategorien in der Politik, aber es scheint auch zwei Kategorien von Berufspolitikern zu geben. Es gibt da nämlich einen, der einen reichen Onkel hat, den andere Berufspolitiker nicht vorweisen können, und das ist nicht ganz unerheblich für seine soziale Situation, wenn er so tut, als ob er der Sprecher der Entrechteten und Verarmten wäre. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol . – Abg. Dr. Khol: Der Haider ist desertiert! –


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95. Sitzung / Seite 112

Abg. Ing. Reichhold: Brauchen Sie Brillen, Herr Dr. Khol? – Abg. Dr. Graf: Haben Sie keinen reichen Onkel, Kollege Cap?)

Aber ich möchte den Abgeordneten Haider berichtigen. Er hat am 31. Oktober 1997 – ich mache das angesichts der Wortmeldungen von Stadler und Haider – in Linz in einer Rede gesagt: "Wir sind nicht mehr die pubertierenden Lümmel in der letzten Bank." (Oje-Rufe bei der SPÖ.) Also "pubertierend" stimmt sicher nicht mehr. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Er sollte das Wort durch "richtig" ersetzen, denn ich glaube, das ist die beste Beschreibung dessen, was Sie heute getan haben.

Dann haben Sie noch einer Zeitung gegenüber gesagt: "Unsere Sturm- und Drangzeit ist vorbei. Wir haben uns auf die Leistung für dieses Land zu konzentrieren." (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ihr heutiger Auftritt war wieder einmal keine Leistung für dieses Land und keine Leistung für Österreich. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Ing. Reichhold: Ihr Verhalten ist es nicht! Ihr Verhalten ist keine Leistung!)

Jetzt möchte ich noch sagen, warum es eigentlich sinnlos ist, mit Ihnen überhaupt über diese ganze Frage der Bezüge, der Pensionsharmonisierung, der Einkommen zu diskutieren. (Abg. Dr. Graf: Ja bitte!) Es hat am ersten Parlamentstag in dieser Woche eine tatsächliche Berichtigung des Abgeordneten Maier gegeben, in der er nachgewiesen hat, daß er einmal ein Bezieher einer ASVG-Pension sein wird; er hat auch die Zahl genannt. (Abg. Dr. Graf: Er hat auch nachgewiesen, daß der Edlinger eine höhere Pension kriegt!) Und dann gab es einen Zwischenruf vom Abgeordneten Gaugg, der sagte: jeder Schilling zuviel!

Wenn man diese Geisteshaltung hat, dann brauchen wir nicht mehr über Politikereinkommen zu diskutieren, dann geht es Ihnen auch gar nicht mehr um Politikereinkommen, sondern dann ist das nur mehr ein Instrument, um zu entwürdigen, um abzuwerten und alle Institutionen schlechtzumachen. Dahinter steckt eine politische Strategie.

Ausgerechnet dieser Gaugg macht diesen Zwischenruf, dieser Gaugg, der sattsam bekannt ist aus Kärnten, als er als Vizebürgermeister und Stadtwerke-Referent auch noch in die Bank für Kärnten und Steiermark zurückkehren wollte, weil ihm das alles zuwenig war. (Mißfallensrufe bei SPÖ und ÖVP.) Er hat gemeint, das sei eine Diskriminierung von Mandataren, daß man da nicht zurückgehen darf. Darauf sagte dann einer von der Bank: Ein Mitarbeiter, der sein Butterbrot von beiden Seiten beschmiert, ist für uns untragbar. (Abg. Leikam: Das war sein Chef!) Na ja, wenn ich Sie so ansehe, Herr Gaugg, glaube ich, es ist Ihnen bis jetzt erfolgreich gelungen, Ihr Brot von beiden Seiten mit Butter zu beschmieren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler  – auf die Reihen der SPÖ weisend –: Schauen Sie bei dem und bei dem und bei dem! Herr Kollege Cap, ich glaube Sie sollten nicht den Gaugg kritisieren! Schauen Sie in Ihren eigenen Reihen, wie das ist mit dem Butterbrot!)

Der "berühmte" Fraktionsobmann Strutz sprach von "Berufsverbot für politisch engagierte Arbeitnehmer". Den gibt es auch nicht mehr, der hat bei irgendeiner Privilegienlösung mitgestimmt. – Also unterhalten Sie sich lieber mit dem ehemaligen Klubobmann im Kärntner Landtag! (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Koppler! Wie ist das mit dem Butterbrot?)

Nun gehen wir zum nächsten Punkt über. Da hat es nämlich einen Zwischenruf gegeben, in dem der Abgeordnete Haider dementiert hat, er hätte Anspruch auf eine Pension von 166 000 S. Was mich einmal interessiert, weil Sie gerade dazwischenflunkern: Wer ist jetzt eigentlich der geschäftsführende Klubobmann? Ich meine bezügerechtlich? Arbeiten Sie um Gottes Lohn? (Abg. Mag. Stadler: Nein!) Ist es bei Ihnen umsonst? Macht es der Haider, damit er die Klubobmann-Pension auch bekommt neben der Landeshauptmann-Pension? (Abg. Leikam: Er darf nur arbeiten!) Dann verstehe ich das, dann hat er offensichtlich einen Zorn auf uns, weil das ja gedeckelt ist. Denn dann würden ihm 244 000 S zustehen, aber so sind es nur 166 000 S, die ihm zustehen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Das ist die Wahrheit! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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95. Sitzung / Seite 113

Wenn ich so durch die blauen Reihen schaue, fehlen mir zwei. Wo ist der Harald Ofner? Frage an den Ofner – vielleicht kann das stellvertretend für ihn jemand beantworten –: Bezieht er neben seinem Abgeordnetenbezug auch die Ministerpension? (Abg. Dr. Haider: Voll verzichtet!) Ist es so? Ja oder nein? Wo ist der Ofner? Warum sitzt er nicht da? Sie haben ihn heute aus dem Verkehr gezogen, damit er nicht antworten kann. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Kümmern Sie sich um Österreich, nicht um den Ofner!)

Zweite Frage an den nicht anwesenden Holger Bauer. Wo ist er? (Widerspruch bei


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95. Sitzung / Seite 114

den Freiheitlichen.) Hier ist er. (Abg. Aumayr: Kaufen Sie sich eine Brille!) Werden Sie einen Antrag stellen für die Abgeordneten-Pension, Staatssekretäre-Pension? Werden Sie diesen Antrag stellen? Kommen Sie heraus und beantworten Sie diese Frage! Einen Anspruch darauf haben Sie.

Und weil da einige so lachen und weil wir schon darüber diskutieren: Ich glaube, es gibt noch zwei Kategorien, nämlich innerhalb der FPÖ-Fraktion. Da gibt es die Einkommensmillionäre in Ihren Reihen. Der Rechtsanwalt Krüger zum Beispiel – sicher kein armer Schlucker; die Frau Abgeordnete Povysil – keine arme Schluckerin; der Abgeordnete Salzl – kein armer Schlucker; der Abgeordnete Pumberger – schon gar kein armer Schlucker. (Zwischenrufe bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.) Einkommensmillionäre sind das, denen die ASVG-Pensionsdebatte doch Wurscht sein kann. Sie können sich doch alles über das Steuerrecht gestalten. Sie können Vermögensbildung betreiben, Privatpensionen abschließen – bis zum Exzeß. Das ist die Wahrheit! So sehen die "Volksvertreter der kleinen Leute" aus. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist ja kein öffentliches Einkommen! – Abg. Aumayr: Muß man sich genieren für einen Beruf?)

Vielleicht schenkt mir doch der Multimillionär Haider langsam sein Ohr, denn als ich sein Buch zur Hand nahm (Abg. Dr. Haider: Bravo! Bravo!) und auf Seite 176 den Titel "Steuerparadies für Privilegienritter" sah, dachte ich, da kommt jetzt ein Absatz mit Selbstkritik, in dem Haider sagt: Ich habe gesündigt. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler  – das genannte Buch in die Höhe haltend –: Ein hervorragendes Buch! Wann haben Sie so etwas publiziert?) Denn um 13 725 S bekam der "Saubermann der Nation", schreibt Worm, ein ganzes Tal im Wert von 165 ... (Abg. Mag. Stadler: Ein hervorragendes Buch!) Das glaube ich, da lache ich auch, wenn ich ein Tal im Wert von 165 Millionen habe! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Einen Onkel müßte man haben! – Haider hat ihn. (Neuerliche Heiterkeit bei der SPÖ.) Dazu kommt noch: Vom Fruchtgenußwert wurden noch 8 Prozent Grunderwerbsteuer einbehalten. Das macht weitere 426 000 S aus. Und dann schreibt Worm: "Haider bekam das Bärental um eine knappe halbe Million geschenkt." Welcher ASVG-Rentner hat bisher um eine halbe Million Schilling ein Bärental bekommen? (Abg. Dr. Haider: Ich! – Abg. Mag. Stadler: Der Vranitzky! Der hat einen arisierten Betrieb bekommen! Die Firma "Normalia"! Das ist ein arisierter Betrieb!)

Daher fordere ich jetzt folgendes: Ich habe bislang immer gesagt: Weg mit dem § 18 Einkommensteuergesetz, dieser außerbetrieblichen Versorgungsrente! Das ist nämlich ein Steuerprivileg, bei dem er so gut abschneidet, der gute Jörg Haider mit seinem Supereinkommen als Klubobmann. (Abg. Mag. Stadler: Die Firma "Normalia" des Vranitzky ist ein arisierter Betrieb!) Aber jetzt sage ich nein, nicht das allein ist es. Ich fordere die Öffnung des Bärentales, damit in Zukunft endlich anständige Österreicher dort spazierengehen können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Ins Bärental kann jeder hineingehen, Herr Cap! Ich war schon dort!)

Ich wollte es nicht tun, aber ich tue es wieder: Dieses Proporz-Manifest, das damals in Kärnten stattgefunden hat, dieses Proporz-Manifest – man muß sich das auf der Zunge zergehen lassen, denn das beschreibt Ihren Handlungsspielraum im Nationalrat ja auch – beginnt damit – ich muß leider zitieren –:

"Die Abgeordneten der FPÖ-Kärnten wählen ÖVP-Obmann Christof Zernatto auf drei Jahre zum Landeshauptmann und erhalten die Option, nach Ablauf von drei Jahren einen Neuwahlantrag im Kärntner Landtag einzubringen, zu dessen Unterstützung sich die ÖVP-Kärnten ausdrücklich verpflichtet." (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie steigern sich da so hinein! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Da wird bestimmt, wie das freigewählte Mandat auszuüben ist. Die Abgeordneten der FPÖ Kärnten haben so abzustimmen! Schluß! Aus! Punkt! Das ist Ihre Geisteshaltung!

Daher: Sie haben zu jubeln, wenn der Millionär Haider hier spricht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Jetzt glaub’ ich schön langsam, Sie sind neidisch, Herr Cap! Wir können ja nichts dafür, daß Sie nicht so einen Onkel haben!) Sie haben zu jubeln, wenn er sagt, Sie sind nichts wert, Sie sind hier alle überbezahlt. Sie haben zu jubeln, wenn diese Wertbestimmung hier stattfindet aufgrund des Befehls Ihres Häuptlings. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Schauen Sie lieber, daß Sie auch so einen Onkel finden! Wir können ja nichts dafür, daß Sie nicht so einen Onkel haben! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Zwingen Sie mich nicht, noch weiter zu zitieren. Da stehen ja Ungeheuerlichkeiten drinnen, das ist unbeschreiblich! Da vergeht Ihnen die Stimme.

Die "Sendung des Landeshauptmannes" im ORF wird neugestaltet und steht auch dem Landeshauptmann-Stellvertreter der FPÖ zur Verfügung, dem, der immer sagt: Politischer ORF! Hier interveniert die Politik! Das können wir nicht zulassen! – Aber dann will er dort reden, wenn es ihm paßt, und sagen, was er will. Ja, er soll sagen, was er will – aber nicht im ORF! Im privaten Fernsehen soll er es künftig sagen: nach Markt und Nachfrage!

Daher schließe ich (Beifall und Zwischenrufe bei Abgeordneten der Freiheitlichen), davor aber folgendes: Wissen Sie, was ich glaube? – Ich glaube, wenn ein alter Weggefährte folgende Prophezeiung gemacht hat, dann sollte man dem nichts hinzufügen, denn der alte Weggefährte wird es wohl wissen: "Ich" sagte Steger (Abg. Dr. Haider: Der Steger schon wieder!) , "habe ihm" – dem Haider – "prophezeit: Du wirst ein laut krähender Gockel auf der Spitze des größten Misthaufens der Republik sein und wirst es 20 Jahre lang bleiben." – Das ist die Rache der Geschichte! (Abg. Dr. Haider: Bravo! – Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Abg. Mag. Gabriela Moser. )

16.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Stadler gemeldet. Ich bitte, zuerst den zu berichtigenden Sachverhalt und dann den tatsächlichen zu formulieren. – Bitte sehr.

16.12

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Abgeordneter Cap hat soeben tatsachenwidrig behauptet, ich hätte einen Bezug als geschäftsführender Klubobmann. Das ist unrichtig. (Abg. Leikam: Er hat Sie gefragt! Er hat es nicht behauptet! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Ich beziehe ausschließlich das Gehalt als "gewöhnlicher" Nationalratsabgeordneter, weil ich nicht zu jener Kaste der Bezieher gehöre, die nur dann eine Tätigkeit erbringen, wenn auch der Gulden stimmt.

Zweitens hat Herr Abgeordneter Cap tatsachenwidrig behauptet, Kollege Ofner würde sich wegen der Bezügedebatte heute nicht im Haus befinden. Tatsächlich ist er bei der Österreichischen Richtertagung, die derzeit stattfindet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Haider gemeldet. Es gelten die gleichen Bestimmungen. – Bitte sehr. (Abg. Koppler: Bärental! Ich möchte da spazierengehen!)

16.13

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Cap hat behauptet, ich hätte einen Anspruch auf Landeshauptmann-Pension und Klubobmann-Pension. Das ist unrichtig, denn das gibt es nicht. (Abg. Dr. Kostelka: Was haben Sie dann für eine Pension?  – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Zweitens hat Herr Abgeordneter Cap behauptet, das Bärental sei nicht geöffnet. Das ist unrichtig. Als Nationalratsabgeordneter müßte er erstens wissen, daß es ein Gesetz gibt, das die Öffnung des Waldes vorsieht. (Abg. Mag. Stadler: Ein Verfassungsgesetz!) Zweitens müßte er wissen, daß es inzwischen eine gut asphaltierte Straße von 8 Kilometern Länge ins Bärental gibt. Auch ein Gasthaus steht zur Verfügung. (Abg. Koppler: Unerlaubte Werbung!) Und sofern er nicht immer nur ohne Misthaufen vor dem Parlament krähen will, werde ich ihm auch den Misthaufen zur Verfügung stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Wurmitzer. Er hat das Wort. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die nächste Klubreise muß ins Bärental gehen! Wir werden Sie dort willkommen heißen!)

16.14

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Es ist eine besondere Pikanterie, wenn der Berufspolitiker par excellence einem anderen vorwirft, Berufspolitiker zu sein. (Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold. )

Ich habe mir das angesehen: Dr. Haider ist nach Kärnten gekommen und hat als Scheinmitarbeiter der Firma Kostmann zuerst ein arbeitsloses Einkommen bezogen und war dann in weiterer Folge ununterbrochen als politischer Mandatar beziehungsweise als Landesparteisekretär tätig und hat nie eine andere Berufsstelle gesehen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Auf der einen Seite ist er Großgrundbesitzer und Unternehmer, auf der anderen Seite hat er nie ein Unternehmen geführt! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Ihre moralische Entrüstung ist so arg, daß sie sich selbst schon wieder verdächtig macht. Das, was Sie heute hier machen, ist das größte Täuschungsmanöver (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch sowie anhaltende Zwischenrufe des Abg. Ing. Reichhold. ) und das größte Ablenkungsmanöver, das ich je in diesem Hause erlebt habe. (Beifall bei der ÖVP.) Dahinter steht ein begnadeter Täuscher, ich möchte sogar sagen, der begnadetste Täuscher, der derzeit die politische Bühne Österreichs bevölkert. (Abg. Dr. Graf: Der Wurmitzer ist das!) Nur wahr ist es nicht, was er sagt.

Ich habe mir Ihre Anfrage angeschaut: Sie ist mit Halbwahrheiten gespickt. Die volle Wahrheit ist nämlich etwas ganz anderes: Sie haben den Eindruck zu erwecken versucht, daß Sie nicht im selben Boot säßen mit den anderen Abgeordneten in diesem Haus. Herr Dr. Haider und alle, die Sie in dieser Fraktion sitzen: Wir sitzen im gleichen Boot! (Abg. Ing. Reichhold: Da haben Sie nicht aufgepaßt bei seiner Rede! – Abg. Dr. Haider  – in Richtung des Abg. Dr. Cap –: Sepp, ich lade dich ein ins Bärental! Wie ist es Sepp? Bist du bereit?)

Ich habe auch nachgesehen, wie es mit Ihren Bezügen aussieht, Herr Dr. Haider: Sie verdienen derzeit 180 000 S pro Monat; Ihre Präsenz ist 25 Prozent. Wenn man das hochrechnet, verdienen Sie 720 000 S. Das ist ein Faktum! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Abg. Schaffenrath.  – Lebhafte Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Er redet aber viel mehr als Sie!)

Es ist auch auffallend, daß Sie bei der Anführung der Klubobleute nur den Präsidenten Fischer, den Klubobmann Dr. Kostelka und den Klubobmann Andreas Khol anführen. Haben Sie vergessen, daß es auch einen Klubobmann Dr. Haider gibt, daß es auch eine Präsidentin Dr. Schmidt gibt, von freiheitlichen Gnaden (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er redet noch mehr als sie!), und daß diese auch zu diesem Boot gehören, wenn man es komplett darstellt? (Abg. Aumayr: Das Gesetz haben aber Sie gemacht!)

Sie haben hier von 291 Namen gesprochen. Ich habe mir diese 291 Namen einmal in bezug auf Ihre Partei durchgesehen und in Erinnerung gerufen. Ich möchte Ihnen einige Namen derer nennen, die zu diesen 291 Personen gehören: Da ist ein Dr. Tassilo Broesigke, da ist ein Dr. Dillersberger, da ist ein Hermann Eigruber, da ist ein Alexander Götz, da ist ein Walter


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Grabher-Meyer, da ist ein Norbert Gugerbauer, der genau zehn Jahre und einen Tag hier gedient hat (Abg. Dr. Haider: Den habt ihr vertrieben!) und in den letzten Jahren überhaupt keine Rede mehr gehalten und die Zeit hier ersessen hat. Das sind die "Prachtstücke", die Sie vorzuweisen haben!

Aber es kommt noch viel besser: Da ist ein Hanreich Georg, in dieser Liste findet sich ein Hochsteiner Heinz. Dieser Heinz Hochsteiner war zwei Jahre in diesem Haus (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider ) und ist heute als Pensionist dieses Hauses Bürgermeister der Gemeinde Weitensfeld. Heute springt er wieder über alle Zäune. Aber er ist Pensionist dieses Hohen Hauses mit zwei Jahren Dienstzeit. (Abg. Dr. Khol: Unglaublich! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Da ist ein Huber Alois, da ist ein Helmuth Josseck (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist ja unglaublich!) , da ist ein Wilhelm Kindl, ein Herbert Kraus, ein Mahnert Klaus, ein Othmar Meißl, ein Melter Werner, ein Gerulf Murer. Auch dazu möchte ich die Zahlen nennen, damit Sie über Ihre Leute Bescheid wissen. Gerulf Murer: Bezug als Abgeordneter 44 000 S, als Staatssekretär 106 000 S, das sind insgesamt 150 000 S.

Allein diese Zahlen und diese Namen, die ich hier nenne, sprechen Ihnen die Berechtigung und das Pouvoir ab, über dieses Haus derart drüberzufahren. Das muß man einmal deutlich sagen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Dr. Haider! Weil ich Sie so gut kenne, wie keiner hier im Haus (Abg. Rossmann: Ha, ha ha!) , darf ich Ihnen attestieren: Ihre Moral währt nur so lange, bis Sie selbst an der Kasse sind! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte das nicht nur behaupten, sondern auch beweisen. (Abg. Dr. Haider: Beispiel Kärnten!) Als Haider als Landeshauptmann angetreten ist, hat er als ersten Schritt seine persönlichen Verfügungsmittel von 500 000 S auf 3,5 Millionen Schilling erhöht: versiebenfacht! (Empörte Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Wahrscheinlich war das das Geld aus der Privatschatulle. Ich habe aber nachgeschaut: Es war im Landesbudget, es waren Steuermittel! (Abg. Dr. Khol: Spesenritter! – "Pfui"-Rufe bei SPÖ und ÖVP.) Das sind die Fakten!

Auch der größte Dienstwagen war nicht gut genug für Sie. Sie haben sich einen BMW der Siebener-Klasse leisten müssen (Abg. Dr. Haider: Aber gebraucht, lieber Freund!) , und als das Bundeskanzleramt Einspruch erhoben hat, haben Sie einen gebrauchten gekauft, aber es mußte ein Siebener sein. (Abg. Dr. Haider: Ja, billig!) Das sind die Fakten. So schaut das also aus. (Abg. Dr. Khol: Und jetzt der Porsche!)

Jetzt wird hier ein ganz anderer Eindruck zu erwecken versucht, und es ist daher höchste Zeit, daß man Ihnen die Maske abnimmt. (Ironische Heiterkeit bei der FPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Da gehören aber Männer dazu, nicht Sie!) Darum geht es, und deshalb erwähne ich diese Dinge hier. (Abg. Mag. Stadler: Herr Wurmitzer, da gehören Männer dazu, nicht Sie! ) Sie haben gegen die Fakten kein Argument, Herr Abgeordneter Stadler. (Abg. Mag. Stadler: Herr Wurmitzer, da gehören Männer dazu, nicht Sie!) Das ist also ganz klar. Bleiben Sie bei Ihrer Meinung! Sie ist gut genug für Sie! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Mag. Posch: Er soll eine tatsächliche Berichtigung machen! – Abg. Dr. Haider: Kommt schon! Wieso hast du bei der Pension zugestimmt? Großer Mauler!)

Noch ein Beispiel aus dieser Zeit: Ich war dabei, als Sie im Kärntner Landtag gesagt haben, im "Dritten Reich" hätte man eine "ordentliche Beschäftigungspolitik" gemacht, besser als Rot und Schwarz in Wien das zusammenbringen. – Auch das haben Sie uns zugemutet, und das ist viel, viel mehr als andere Fakten, die hier noch aufzuzählen wären.

In Kärnten hat sich nichts geändert. Es gibt eine Bezügeregelung im Landtag, und die Freiheitlichen schreien Zeter und Mordio dagegen: Das ist ein Eingriff in die Kassen der Steuerzahler! Und siehe da, in dritter Lesung stimmt die freiheitliche Fraktion geschlossen zu. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Ruf bei den Freiheitlichen: Da wird sich der Zernatto aber nicht freuen!)


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Sie haben alle Mühe zu erklären, daß das vielleicht nur eine politische Panne war. Da war der Wille stärker, und der Wille war der Vater des Gedankens in Ihrer Fraktion. Das sind die Fakten. (Abg. Dr. Graf: Sie finden diese Bezügeregelung in Kärnten auch schlecht?)

Weil wir gerade von Spesenrittern reden: Ich kann mich nicht daran erinnern, daß ein anderer Abgeordneter dieses Hauses gezwungen gewesen wäre, seine Reisekosten als EU-Abgeordneter zurückzuzahlen, als der freiheitliche Abgeordnete Ing. Matthias Reichhold. Er war der einzige, der das Privileg genossen hat, zurückzahlen zu dürfen. So wird hier umgegangen! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie dürften sehr neidisch sein! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Vermutlich berichtigt Reichhold, daß das nicht stimmt!)

Wenn es für die Freiheitliche Partei sehr eng wird, ist man auch bereit, Schweigegeld oder Kopfgeld zu zahlen. Schweigegeld wurde im Fall Candussi/Haider gezahlt, als der Vertrag zwischen Candussi und Haider aufgehoben wurde. Kopfgeld wurde gezahlt, als man den Bundesratssitz des Kollegen Schiffrer, eines hochverdienten Ehrenmannes, für Gernot Rumpold gebraucht hat. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was ist das für eine Ausdrucksweise? Woher kommen Sie eigentlich?) Das schlimmste ist, daß Rumpold uns wörtlich gesagt hat, daß das "übliche Praxis" ist. (Abg. Rosemarie Bauer: Bei der FPÖ! – Abg. Kopf: In welcher Partei ist das üblich?) Es ist übliche Praxis, daß man 50 000 S für ein Bundesratsmandat auf den Tisch legt. Das ist ungeheuerlich, aber das ist die Praxis der FPÖ! (Abg. Dr. Khol: Schau, schau! Wasser predigen und Wein trinken!)

Das ist die Situation, in der Sie von der FPÖ sich befinden. Solange Sie so agieren, haben Sie überhaupt keine moralische Berechtigung, anderen einen Spiegel vorzuhalten. Sie haben genug bei sich zu tun. Fangen Sie bei sich an!

Auch das jüngste Beispiel in Salzburg zeigt es wieder: Da wurde erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik ein Landesrat abgewählt. Als er befragt wurde, ob er auf seine Entgeltfortzahlungen als Landesrat verzichtet, hat er gesagt: Kommt überhaupt nicht in Frage, ich habe einen gesetzlichen Anspruch darauf! (Abg. Dr. Khol: Wasser predigen und Wein trinken! – Abg. Dr. Stummvoll: Das ist eine echte Nehmerpartie!)

Das jüngste Beispiel kommt aus Tirol: Dort hatte Abgeordneter Siegfried Dillersberger fünf Jahre lang ein Stromdeputat in der Höhe von 50 Prozent der Stromkosten bezogen. Er war erst nach fünf Jahren – auf intensives Drängen! – bereit, darauf zu verzichten. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Und der Wenzel in Oberösterreich? Wie war denn das?) Damit Sie das alles durchsetzen können, wollen Sie in Österreich eine Systemveränderung herbeiführen. – Wir werden dieses System der "Dritten Republik", das Sie anstreben, nicht mittragen. Das kann ich Ihnen garantieren! (Lebhafter Beifall bei der ÖVP.)

16.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Trattner zu Wort gemeldet.

16.24

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Wurmitzer hat behauptet, Herr Dr. Haider hätte ein Einkommen von 180 000 S im Monat aus seiner Tätigkeit als Politiker. – Das ist unrichtig! (Abg. Dr. Khol: Er hat viel mehr! – Heiterkeit bei der ÖVP.)

Richtig ist vielmehr, daß es bei den Freiheitlichen eine Bezügebegrenzung auf 60 000 S netto gibt. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Sämtliche Bezüge über 60 000 S werden von Herrn Dr. Haider an einen Sozialfonds abgeführt. (Neuerliche ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Koppler: Das glaubt Ihnen doch niemand! – Gegenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Dieser Sozialfonds steht unter notarieller Aufsicht; sämtliche Ein- und Auszahlungen werden über das Konto dieses Notars durchgeführt. Allein in den ersten sechs Monaten 1997 sind aus diesem Sozialfonds zirka 700 000 S für in Not geratene Bürger ausbezahlt worden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Weiters hat Herr Abgeordneter Wurmitzer behauptet, Herr Dr. Dillersberger hätte ein Stromdeputat in der Größenordnung von 50 Prozent bezogen. – Richtig ist, Herr Abgeordneter Wurmitzer, daß Herr Dr. Dillersberger im Jahre 1982 als Bürgermeister von Kufstein diesen Bezug für aktive Mandatare – eine 50prozentige Ermäßigung – abgeschafft hat. (Zwischenruf des Abg. Wurmitzer. ) Der Antrag betreffend Pensionisten, die länger als 18 Jahre als Gemeinderat tätig waren, hat aufgrund der Ablehnung von SPÖ- und ÖVP-Mandataren keine Mehrheit gefunden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wurmitzer: Eine persönliche Erwiderung, Herr Präsident!)

16.25


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Herr Abgeordneter! Was ich vorhin über die persönliche Erwiderung gesagt habe, gilt auch in diesem Fall: Es besteht keine Möglichkeit für eine persönliche Erwiderung. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wurmitzer hat Schaum vor dem Mund! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Haigermoser gemeldet. Ich mache auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam.

16.26

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Abgeordneter Wurmitzer hat behauptet, Schnell würde auf seine Gehaltsfortzahlungen nicht verzichten. – Dies ist unrichtig, meine Damen und Herren! (Abg. Fink: Das hat er nicht gesagt!)

Richtig ist vielmehr, daß Schnell als neuer Klubobmann – selbst wenn er wollte – gar keine Fortsetzung der Zahlungen in Anspruch nehmen könnte. Darüber hinaus will er diese Fortsetzung der Zahlungen auch gar nicht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Daher ist die Behauptung des Herrn Kollegen Wurmitzer falsch, unrichtig und unwahr! Der Wahrheit die Ehre zu geben, Herr Kollege Wurmitzer, auf den demokratiepolitischen Skandal der ... (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Dies ist keine tatsächliche Berichtigung mehr!

Die nächste tatsächliche Berichtigung liegt vor von Herrn Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold. – Bitte.

16.27

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Wurmitzer hat behauptet, Herr Candussi hätte "Schweigegeld" bezogen.

Ich berichtige, das ist unwahr, denn: Jener Journalist, der das behauptet hat, ist ordnungsgemäß von einem Gericht verurteilt worden und mußte diese Behauptung zurückziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rosemarie Bauer: Was heißt "ordnungsgemäß"? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Wurmitzer behauptete weiters, daß unter Landeshauptmann Dr. Jörg Haider die Verfügungsmittel von 500 000 S auf 3,5 Millionen Schilling erhöht worden seien. – Ich stelle richtig: In der Zeit des Landeshauptmannes Dr. Haider wurden die Verfügungsmittel seines Vorgängers von 9 Millionen Schilling auf 3,5 Millionen Schilling gekürzt, und die 3,5 Millionen Schilling wurden auf den Landeshauptmann und auf seine Stellvertreter aufgeteilt. Der Landeshauptmann hatte 1,5 Millionen Schilling, seine beiden Stellvertreter je 1 Million Schilling. – Ich hoffe, daß Sie das endlich zur Kenntnis nehmen!

Der dritte Punkt sind die angeblichen Reisekosten, die ich "zurückzahlen" mußte, als ich im Europaparlament war. – Herr Abgeordneter Wurmitzer, ich berichtige: Ich mußte nicht einen Schilling der Reisekosten zurückzahlen. Es dauert aber das Wirtschaftsjahr der Europäischen Union von Juli bis Juli eines Jahres. Ich scheidete im Jänner aus (Rufe: Schied!) , ich schied im Jänner aus und hatte daher – gemäß den Bestimmungen der Europäischen Union – anteilsmäßig die Sekretariatszulagen zurückzuzahlen. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Haider gemeldet. Ich bitte, den zu berichtigenden und den tatsächlichen Sachverhalt vorzutragen.

16.30

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wurmitzer hat behauptet, ich hätte – mit Ausnahme einer "Scheintätigkeit" im Jahre 1976 – noch nie beruflich gearbeitet. – Das ist unrichtig!

Ich habe bereits während meines Studiums, beginnend mit dem Jahre 1972 als Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht gearbeitet, bis 1976 war ich dann in der Privatwirtschaft, und seit 1986 bin ich selbständiger Unternehmer, und zwar Land- und Forstwirt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.)

16.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. Er hat das Wort. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

16.30

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren Berufspolitiker, lieber Unternehmerkollege Haider! (Heiterkeit. – Ruf: Bauer ist er!) Unternehmer sind Unternehmer!

Wollen wir versuchen, noch einmal eine sachliche Debatte über ein Thema abzuhalten, das durchaus der Mühe wert ist, nochmals beleuchtet zu werden: Ich muß sagen, ich sehe den Zeitpunkt durchaus ein, denn an einem Tag, an dem Eingriffe in Pensionsrechte für Tausende beschlossen werden, sollte man als Politiker selbstkritisch mit den eigenen Beschlüssen beziehungsweise der eigenen Situation umgehen.

Ich darf daher festhalten, daß wir seit 1. August 1997 – ich gebe zu: spät aber doch – ein vernünftiges, vertretbares, drittvergleichsfähiges Bezügemodell für Politiker in diesem Land haben. Ich bekenne mich dazu, und zwar sowohl hinsichtlich der Höhe als auch hinsichtlich der Abfertigungsregelung beziehungsweise der Entgeltfortzahlungsregelung. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )  – Ich habe schon so oft versucht, Herr Stadler, Ihnen den Unterschied zu erklären, aber Sie sind nicht lernfähig, das ist Ihr Problem. (Abg. Kiss: Er versteht es nicht!) Ich bekenne mich zum Pensionskassenmodell, zur Pflichtversicherung, und ich bekenne mich auch zur Symmetrie der Bezüge zueinander, einschließlich des Bezuges des Herrn Bundeskanzlers.

Ich bedauere, daß der Herr Bundeskanzler nicht mehr Selbstverständnis für seinen Beruf und für seine verantwortungsvolle Stellung aufbringt, sodaß er dazu bewogen wurde oder sich dazu entschlossen hat, auf einen Teil dieses Bezuges – unter Anführungszeichen – zu "verzichten", um damit ein – nach meiner Interpretation – nur nach außen wirkendes Zeichen zu geben, das in die falsche Richtung geht. Wenn er diesen Bundeskanzlerbezug nicht wert ist, dann soll er zurücktreten. Aber wenn er ihn wert ist, dann soll er ihn nehmen – und er braucht nichts zu spenden! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Dr. Graf: Ist er es wert?) Das ist Ihre Beurteilung. (Abg. Dr. Graf: Ich habe nur gefragt: Ist er das wert?) Geben Sie doch Ruhe, Herrschaft Sakrament! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Seien Sie doch nicht so nervös!) Ich bin nicht nervös, aber er ist so lästig! Wenn die Frage wenigstens gescheit wäre! (Heiterkeit und Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Graf: Eine Frage kann niemals dumm sein, nur die Antwort!)

Meine Damen und Herren! Herr Dr. Haider hat ja hier selbst anerkannt, daß diese Politik sowohl im ASVG als auch bei den Beamten und bei den Politikern ... (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Meine Damen und Herren von der "F"! Ich würde gerne auf Ihre Argumente einzugehen versuchen, aber Sie machen es einem wirklich schwer; ich will mich jedoch der Beschimpfung der FPÖ nicht anschließen. (Abg. Mag. Stadler: Worüber man nicht reden kann, darüber muß man schweigen!) Geh’n S’, hören S’ auf!


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95. Sitzung / Seite 120

Herr Haider sagt, es gibt Eingriffe bei den ASVG-Pensionisten, bei den Beamten und bei den Politikern, die darauf hinauslaufen, daß die Jungen sozusagen diskriminiert werden und die Alten ihre Privilegien behalten. Das ist ja im Prinzip seine Grundaussage gewesen, zumindest einer der markanten Sätze.

Ich bin ja schon zufrieden oder dankbar, daß wenigstens klargestellt wird, daß wir ein Sachproblem haben, das alle drei Berufsgruppen – die ASVG-Versicherten, die Beamten und die Politiker – betrifft und das lautet: Wie schauen die Möglichkeiten von gerechtfertigten Eingriffen in bestehende Verhältnisse aus, und wie steht es mit dem Vertrauensgrundsatz?

Meine Damen und Herren! Wir haben bei dieser Politikerrunde viele Nächte lang auch heftig darüber debattiert und gestritten, was zumutbar ist, wann der Vertrauensgrundsatz tatsächlich erschüttert ist. Wann ist es denn ein "wohlerworbenes Recht"? Und wann ist der bestehende Vertrag und das bestehende Dienst- oder Pensionsverhältnis unantastbar?

Das wird immer eine Frage bleiben, die eines großen Fingerspitzengefühls bedarf. Man wird nie eine klare und sozusagen selbstverständliche logische Linie finden. Wir werden uns in dieser Frage auch immer schwertun.

Ich glaube aber auch, daß wir eines feststellen müssen: Vielleicht haben wir es uns, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, bei diesen Verhandlungen etwas zu leicht gemacht. Vielleicht haben wir doch allzuviel Scheu vor diesen bestehenden Rechten, vor den "wohlerworbenen Rechten" oder, wie hier interpretiert wird, vor den Privilegien gezeigt. Das mag möglich sein. Vielleicht werden wir diese Debatte wieder aufnehmen müssen.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß es ein allzu starkes Auseinanderklaffen in den Ruhebezügen von Bürgern ein und desselben Landes nicht geben darf, wenn wir diese Gesellschaft nicht spalten wollen. Ich glaube, daß wir wirklich erkennen und auch anerkennen müssen, daß die Differenz zwischen einer ASVG-Pension mit 28 000 S im Höchstmaß und 180 000 S und mehr für andere diesem Anspruch nicht gerecht wird – und nicht gerecht werden kann. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich glaube daher, meine Damen und Herren, ohne daß wir Neid schüren, ohne daß wir den einen gegen den anderen ausspielen wollen, ohne daß wir das Gesprächsklima zusätzlich durch Verbalinjurien hier noch belasten, daß wir dieses Thema aufgreifen und nicht warten sollten.

Natürlich, Herr Klubobmann Kostelka, wissen wir, daß es noch viele, viele Bereiche gibt, in denen es Privilegien gibt, die immer mit denselben Argumenten verteidigt werden: "wohlerworbene Rechte" und "Eingriff in bestehende Verträge". Wenn wir uns in wenigen Tagen zu einem Konsilium zusammensetzen, um eine dieser Gruppen wieder zu beraten und zu hören, welche Fortschritte es beispielsweise in bezug auf die Pensionsprivilegien der Nationalbank gibt, dann bin ich unter anderem darauf gespannt, wie weit es den Direktoriumsmitgliedern und dem Herrn Präsidenten durch mühevolle Einzelverhandlungen gelungen ist, diese Symmetrie, die wir uns gewünscht haben, herzustellen. Wir haben uns schon damals darauf verständigt, daß wir dann, wenn diese Symmetrie nicht ausreicht, auch darüber beraten werden, von diesem Haus aus notwendige Weichenstellungen vorzunehmen. Und dabei, meine Damen und Herren, sollten wir bleiben.

Wir sollten ein Signal setzen, wir sollten ein Zeichen geben und sagen, daß wir wissen, wie empfindlich der Rechtsstaat reagiert, wie schnell er angegriffen, wie schnell das Vertrauen erschüttert ist. Daher glauben wir, daß der Vertrauensgrundsatz ein wirklich wichtiges und zu verteidigendes Gut ist. Wir sollten aber auch sagen, daß die reflexartige Verteidigung hinter dem Vertrauensgrundsatz nicht ausreicht, wenn berechtigte Zweifel daran bestehen, ob die hier gewährten Rechte "wohlerworben" sind, ob sie tatsächlich der Verhältnismäßigkeit mit anderen entsprechen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich möchte noch eine Bemerkung machen, weil mir das ein Anliegen ist: Ich glaube, das, was sich zurzeit in den Ländern abspielt, Herr Klubobmann Khol, ist genau das, was ich prophezeit habe. Du wirst dich vielleicht daran erinnern: Ich habe dir prophezeit, wenn wir die Regelung so


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95. Sitzung / Seite 121

vornehmen, wie wir sie vorgenommen haben, nämlich die Verantwortung der Eigeneinstufung der Länder diesen selbst zu überlassen, wird keiner 100 Prozent nehmen – das wird sich niemand trauen –, aber keiner wird unter 80 Prozent gehen. Wenn aber das Land Kärnten 80 Prozent in Anspruch nimmt, dann muß ich sagen, ist das ein Mißbrauch dieses Gesetzes. Es entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers. Ich bitte dich und auch Sie, Herr Kollege Kostelka, hier tätig zu werden. Du weißt, Andreas (in Richtung des Abg. Dr. Khol) , daß wir diese Möglichkeit haben. Wir haben lange genug darüber diskutiert. Das entspricht nicht dem, was wir vereinbart haben und was Wille des Gesetzgebers ist. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Darauf hast du gewartet, daß er 10 Prozent runtergehen wird!)

16.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. Er hat das Wort.

16.40

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es gibt in diesem Antrag einige Zahlen, einige Daten, die es wert sind, darüber zu diskutieren.

Meine Damen und Herren! Kollege Haselsteiner hat schon darauf hingewiesen, daß wir im Zusammenhang mit den Verhandlungen über die Politikerpyramide sehr wohl auch über die Politikerpensionen gesprochen haben. Meiner Ansicht nach ist das, was wir für die Politiker und Politikerinnen mit Wirksamkeit ab 1. August 1997 beschlossen haben, nicht nur korrekt, sondern im Zusammenhang mit dem Abbau von Privilegien sogar beispielgebend.

Wir haben auch darüber diskutiert, wie man mit den Altpensionen umgeht, von denen es auch innerhalb der ÖVP, der FPÖ und der SPÖ zahlreiche gibt. Die FPÖ hat damals, im Jahre 1983, bei diesem Beschluß mitgestimmt. Diese Gesetze wurden seinerzeit mit den Stimmen der FPÖ beschlossen und sind wirksam.

Meine Damen und Herren! Können wir aber in dieser Debatte seriös darüber diskutieren, wenn der Antragsteller hier herausgeht und sagt, ein Kollege von ihm hätte sein Lebtag nie gearbeitet, mit dem Zusatz: Er war ja nur Politiker!?

Meine Damen und Herren! Wenn die Arbeit des Politikers nichts mehr wert ist, dann hat es wenig Sinn, mit jenen darüber zu diskutieren, die meinen, es sei überflüssig, über Politikereinkommen zu reden, es sei immer zuviel. Jeder Schilling sei zuviel, wie das der "NAZI"-Buchstabierer Gaugg formuliert hat.

Meine Damen und Herren! Diese Vorgangsweise ist bedauerlich, denn sie ermöglicht – und das sage ich mit allem Nachdruck zu Ihnen, Herr Kollege Kostelka und Herr Kollege Khol –, daß Sie nach wie vor in ganz wichtigen Bereichen zu wenig Mut aufbringen können und dürfen. Denn der Gegner hat offensichtlich nicht vor, tatsächliche Änderungen herbeizuführen, sondern lediglich, zu verunglimpfen, zu demütigen, herunterzumachen und zu desavouieren.

Ich halte es für eine Ungeheuerlichkeit, wie etwa Kollege Cap angegriffen wurde. Ich kritisiere zwar die Politik des Kollegen Cap in weiten Bereichen ebenfalls, aber ich finde, daß seine Arbeit auch die Arbeit eines Volksvertreters, eines Sozialdemokraten ist, der für dieses Land sehr wohl etwas geleistet hat und dafür sein Gehalt bezieht. Es war nicht zulässig, was da gesagt wurde. Kollege Cap! Verzeih mir, daß ich für dich Position beziehe. Es fällt mir ohnedies nicht leicht, aber im Zusammenhang mit diesen Angriffen kann ich nicht zusehen, welch merkwürdiger Vorgang hier passiert.

Meine Damen und Herren! Wir amüsieren uns hier sehr gut. Die Ausführungen des Herrn Wurmitzer waren ja auch ausgezeichnet. Das Gelächter des Kollegen Haider trägt noch dazu bei. Er freut sich auch noch, wenn er hier angegriffen wird, weil er dann herausgehen und berichtigen kann. Ob das dann stimmt oder nicht, ist völlig unerheblich. Es interessiert in diesem Land auch offensichtlich nur wenige Menschen tatsächlich, was passiert, denn Kollege Haider und Kollege Stadler können mit dem Porsche durch das Land fahren oder mit dem Hubschrauber quer durch das Land fliegen, hin zu den "kleinen, anständigen Menschen", und


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können den Rest der Republik heruntermachen, diskreditieren, beschimpfen und alles mögliche. Es ändert sich nichts.

Selbst wenn dem Haider vorzuwerfen wäre, daß er ein Steuerhinterzieher ist, selbst wenn dem Haider nachzusagen wäre, daß er ein Betrüger ist: Das alles würde an den Menschen abgleiten, meine Damen und Herren, weil hier eine ganz andere Dimension aufgemacht worden ist, deren Gefahr wir offensichtlich übersehen.

Meine Damen und Herren! Man könnte das, was die FPÖ sagt und was sie will, doch nur daran messen, ob sie auch dann glaubwürdig ist, wenn sie selbst in die Verlegenheit kommt, in dieser Republik mitzugestalten.

Ich kann mich daran erinnern, daß die FPÖ einen Vorschlag zur Politikerpyramide gemacht hat. Dieser Vorschlag wurde aber relativ rasch wieder zurückgezogen, nachdem sich herausgestellt hat, daß das für manche eine satte Erhöhung bedeuten würde. (Abg. Dr. Khol: Für alle!)

Dann kam das ganz plumpe, einfache Modell der 120 000 S. Damit das auch populistisch wirkt, wurde das gleich auf den Nettobetrag heruntergerechnet, also auf "nur" 60 000 S. Das kann natürlich ein Politiker verlangen, der mit dem Porsche und der Erbschaft eines riesigen Tales im Hintergrund durch das Land reist.

Meine Damen und Herren! In unserem Land ist es zulässig, so viel zu erben. Es ist zulässig, reich zu sein. Es ist zulässig, ein Millionär oder Milliardär zu sein. (Abg. Dr. Haselsteiner: Danke!) Ist es aber andererseits unanständig, wenn das höchste Amt in diesem Land so bezahlt wird, wie wir es mit dieser Politikerpyramide beschlossen haben? Ist es unanständig, daß dieses Amt in dieser Dimension bezahlt wird, wenn es gleichzeitig zulässig ist, daß in Österreich zum Beispiel Zahnärzte, Chirurgen – ich will sie nicht heruntermachen! – und viele andere weit mehr verdienen, während andere Menschen mit 4 000, 5 000, 6 000 S im Monat auskommen müssen?!

Herr Kollege Haider! Sie wären ernstzunehmen, wenn Sie tatsächlich diese Ungerechtigkeiten in unserem Land anprangern würden. Aber Sie haben ausschließlich die Politiker im Visier, also ausschließlich jene Personen, die den Anspruch haben, das Allgemeine zu betreiben, und die andererseits dem allgemeinen Anspruch gerecht werden müssen.

Ich gebe Ihnen recht: Das Sein bestimmt das Bewußtsein. Natürlich sind jene, die persönlich betroffen sind, bei Verhandlungen immer schwer belastet. Sie sind oft in der Verlegenheit, nicht hart genug zu verhandeln. Daher ist es gut, daß es eine Opposition in diesem Haus gibt.

Aber welchen Grund hat ein Haider, belastet zu sein oder unbelastet zu sein? – Es gibt keinen derartigen Grund für einen Politiker mit Millionen im Hintergrund, mit einem Porsche im Hintergrund, mit einem riesigen Gut im Hintergrund, mit einem riesigen Haus im Hintergrund. Er kann Politik machen nach Herzenslust, er kann auch nicht Politik machen. Er kann diese Republik so lange mit Füßen treten, bis alle Menschen glauben, Politik ist etwas Schmutziges – und nur etwas Schmutziges. Das ist nicht zulässig, und das werden wir nicht zulassen! (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Kollege Cap ist schon darauf eingegangen: Sie haben manchmal die Gelegenheit, Herr Kollege Haider, in diesem Land Verantwortung zu übernehmen oder sind an der Schwelle dazu. Einmal waren Sie Landeshauptmann, aber dann wurden Sie wegen eines Ausspruches abgewählt, der in ganz Europa für Aufregung gesorgt hat.

Sie waren nach einer Wahl wieder an der Schwelle zur Macht und haben dann Verhandlungen geführt. Aber in diesen Verhandlungen waren die Packeleien, das Ausmachen von Posten, noch radikaler, noch konsequenter, noch genauer, noch dezidierter, bis in den letzten Punkt hinein, bis in den letzten Posten hinein. Sogar die Direktorenposten in den Schulen wurden ausverhandelt, Herr Haider und Herr Kollege Trattner! (Die Abgeordneten Dr. Haider und Mag. Trattner sind in ein Gespräch vertieft.) Ich weiß, das interessiert Sie nicht!


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Der Landesschulratspräsident wurde ausgehandelt, der Intendant wurde ausgehandelt, die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der KELAG wurden ausgehandelt, alles wurde für die Freiheitlichen und ihren Partner ausgehandelt, um in Kärnten die Macht zu übernehmen. (Abg. Dr. Stummvoll: Unglaublich!) Das droht uns, wenn Sie an der Macht sind. Das war die "Reifeprüfung", die Sie abgelegt haben, die zeigt, wie Sie vorgehen, wenn Sie an der Schwelle zur Macht stehen.

Meine Damen und Herren! Noch ein Satz zu diesem Vorfall in Graz. Sie haben angeführt, Herr Kollege Stadler, daß für die Frau Abgeordnete Konrad ein Posten geschaffen wurde. Ich halte die diesbezügliche Vorgangsweise der SPÖ für nicht klug, für falsch und letztendlich auch für demokratieschädlich. Ich sage aber dazu, daß es auch nicht so sein kann, daß ein Politiker automatisch keinen Posten im öffentlichen Dienst oder im öffentlichnahen Bereich haben darf. Und ich muß Ihnen sagen, Herr Kollege Haider: Sie haben überhaupt nie Scheu oder Scham gezeigt, wenn Sie Zugriff auf Posten hatten. Daher ist es völlig unzumutbar, daß von Ihrer Seite diesbezüglich Kritik kommt.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Ihr Kollege Schmid in der Steiermark hat gesagt: Warum will man denn der Frau Konrad einen Posten geben? Sie ist doch ohnedies im Parlament hundertprozentig engagiert. – Ich sehe da aber viele von Ihnen, die ihren Job im Parlament nicht zu 100 Prozent ausfüllen, die nebenbei die "bescheidenen" Tätigkeiten von Millionären, von Chirurgen, von Steuerberatern, von Rechtsanwälten und von allem möglichen ausüben. Aber Ihr Kollege Schmid in der Steiermark macht damit Politik und erzählt, der Posten hier sei ein Fulltime-Job, daneben könne man doch keine andere Tätigkeit ausüben, deshalb sei es unzulässig, daß Frau Konrad für diesen Posten gewählt wird.

Und zu Ihnen von der ÖVP (Abg. Rosemarie Bauer: Endlich!) sage ich nur eines: Es ist eine merkwürdige Art der Vertragstreue, zuerst zu sagen: Wir wollen die Frau Konrad auf diesen Posten setzen!, dann aber diesen Vertrag zu brechen. Das mag möglicherweise kurzfristig klug gewesen sein. Aber entweder war es falsch, wie Sie vorgegangen sind, dann sollten Sie Ihre Reihen durchsehen und feststellen, wie viele Politiker und Politikerinnen in Ihren Reihen auf Beamtenposten oder beamtennahen Posten sitzen. Und dann sollten Sie Ihre Position neu überdenken. Denken Sie etwa an Ihre Kollegin Ridi Steibl! (Abg. Mag. Stadler: Wabl! Warum waren die Grünen in der Steiermark gegen den Konrad-Posten?!)

Zu Recht waren sie dagegen, weil er ausgeschrieben hätte werden müssen, weil ein korrektes Verfahren gemacht hätte werden sollen. Selbstverständlich waren auch wir dagegen, weil diese Art des Vorgehens falsch war. Aber es hätte trotzdem Frau Konrad dafür in Frage kommen können. Gegen diese Vermischung wehre ich mich.

Ich gebe zu, ich war gegen die Besetzung dieser Art, und ich werde auch in Zukunft gegen Besetzungen dieser Art sein, aber man kann nicht mit zweierlei Maß messen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Andreas Wabl (fortsetzend): Herr Präsident! Mein Schlußsatz lautet: Es war leider wenig mit der FPÖ zu diskutieren. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Haigermoser: Du hast ja 10 Minuten Zeit gehabt!)

16.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reinhart Gaugg. Er hat das Wort. (Ruf: "NAZI"-Buchstabierer!)

16.50

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Der Politiker der alten Kaste, Wabl, scheint noch immer nicht zu wissen, wer in Österreich über die Stärke politischer Parteien entscheidet. Das geschieht in Österreich Gott sei Dank nicht nach dem Willen der Grünen, sondern nach dem Willen der Wähler. Sie und Ihre Partei sind gerade auf dem besten Wege, abgewählt zu werden, wie wir neuesten Umfragen entnehmen können. (Zwischenruf des Abg. Wabl .) Da können Sie soviel den Kopf schütteln


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und herumkläffen, wie Sie wollen: Herr Dr. Haider und die Freiheitlichen sind in Österreich seit zehn Jahren in der Gunst des Wählers unaufhaltsam immer stärker geworden – und das stört Sie. Das stört Sie ganz gewaltig! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber da gibt es den Herrn Haselsteiner, der immer ein Korrektiv, einen Moralapostel, den Oberlehrmeister und Gescheiten spielen will. Ich behaupte (Abg. Dr. Haselsteiner: Sie können behaupten, was Sie wollen!) , daß kein einziger Abgeordneter den österreichischen Steuerzahler so viel Geld gekostet hat wie Sie, Herr Haselsteiner! (Abg. Mag. Stadler: Jawohl! – Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben überall, bei Magdalen, beim Goldeck, bei Landeshaftungen et cetera Steuermillionen in unendlicher Höhe in Anspruch genommen, wofür der einzelne Arbeitnehmer aufkommen mußte! Das ist Ihre Politik! Sie haben seinerzeit ein Konkursunternehmen übernommen, sind aber heute angeblich Milliardär. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Bravo!) Erzählen Sie einmal den österreichischen Arbeitnehmern, wie das alles so locker geht!

Kollege Haselsteiner! Sie wohnen meines Wissens auch in Südtirol. (Abg. Dr. Haselsteiner: Sie wissen nicht alles! Dort ist es genauso schön wie im Bärental!) Das ist wirklich interessant! Sie sind Abgeordneter im Parlament in Österreich, wohnen aber in Südtirol. Wahrscheinlich holen Sie dort Ihre Informationen. Ich kann Ihnen nur raten: Seien Sie in der Frage des Umgangs mit Steuergeldern sehr vorsichtig! Immerhin sind in Kärnten all diese Dinge wie Pabst, Frühbauer und Co. mit Ihrer Mithilfe passiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum Herrn Abgeordneten Wurmitzer, der bei Haselsteiner und Magdalen auch applaudiert hat. Ich frage mich nur eines: Hast du hier als Lehrer, als Klubobmann in Ruhe der ÖVP in Kärnten, an deren Abstieg du maßgeblichen Anteil hast, an deren maßgeblichem Mandatverlust du mitbeteiligt warst (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer ) , hast du hier als Bürgermeister oder als Abgeordneter gesprochen? – Ich weiß es nicht, bei dir kenne ich mich nicht aus. (Abg. Dr. Maitz: Als Buchstabierer! – Abg. Schwemlein: Er wird sich als Buchstabierer zu Wort gemeldet haben!)

Zu dir kann ich nur sagen: Deine Anwesenheit hier herinnen – die körperliche – mag aufgrund der Sitzreihe zwar eine etwas höhere sein als die unseres Bundesparteiobmannes Dr. Jörg Haider, aber die geistige Anwesenheit ist bei dir nicht meßbar. (Lebhafter Protest bei ÖVP und SPÖ.) Das, was du heute von dir gegeben hast, war einfach unerträglich. Wenn die Kärntner das erst wissen, dann brauchst du gar nicht mehr einzureisen, dann bekommst du ein Einreiseverbot. Soviel Dummheit hören wir nämlich relativ selten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Direkt gelechzt hat 1989 die ÖVP in Kärnten nach einer Koalition mit der FPÖ! Ich wiederhole: Sie hat direkt danach gelechzt. Kollege Wurmitzer! Ich sage dir noch einmal: Ich bereue jede Minute, in der wir gemeinsam in einer Koalition in Kärnten waren. Das sage ich dir in aller Deutlichkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Und die Grünen und die Liberalen spielen überall mit: beim Postenschacher, bei den Versorgungsposten und so weiter. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Unruhe im Saal.) Ihr seid bei den Privilegien mit dabei, in der Bezügefrage, überall. Da hat die "Viererbande" wieder zugeschlagen: alle geschlossen gegen die Freiheitlichen. (Abg. Wabl: Sie sind nicht ganz dicht!)

Vranitzky kassiert im Monat von der Bank 300 000 S, Androsch bekommt 170 000 S und klagt jetzt die Republik Österreich auf die Ministerpension. – Bei all dem schauen Sie zu. Auch wenn bei den ÖBB die Zahl der Vorstandsdirektoren aufgestockt wird, und und und. Es ist immer das gleiche Lied. Aber die Lernfähigkeit von Rot und Schwarz, von Grün und Liberal ist gleich null, sonst würdet ihr endlich einmal überreißen, daß es hoch an der Zeit wäre, Maßnahmen zu setzen, spürbare Änderungen in der Frage der Politikereinkommen durchzuführen, anstatt eine Zweiklassengesellschaft aufzubauen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Reitsamer und Dr. Maitz . – Abg. Wabl: Buchstabieren lernen!)

Gerade Sie, der sich wahrscheinlich viel in Drittländern aufhält, wissen doch um die dortige Situation. Diese Schere, die sich dort auftut, wird auch bei uns entstehen: Die Reichen werden


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reicher und die vielen Armen werden ärmer werden. Diesen Weg wollen wir Freiheitlichen nicht beschreiten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir treten für gerechte Einkommen für gerechte Leistungen ein, und zwar sollen diese Leistungen auch für alle meßbar und nachvollziehbar sein. Als etwa eine Abgeordnete hier Frau Konrad verteidigt hat, war das nicht der Fall. Die Frau Konrad wird mit dem Argument verteidigt, daß sie keine Ministerpension bekommt. Dann soll man aber bitte ehrlicherweise dazusagen, wie sonst man nach nur dreieinhalb Jahren Tätigkeit zu einer Pension von 73 000 S (Abg. Mag. Stadler: 78 000!) oder 78 000 S im Monat kommt. Das möchte die österreichische Bevölkerung einmal erklärt haben! (Abg. Schwemlein: Das stimmt ja nicht! Das ist bereits tatsächlich berichtigt worden! Buchstabierer!)

Ich bin nach den bisherigen Redebeiträgen, in denen teilweise Einsicht gezeigt wurde, eigentlich davon überzeugt, daß eine breite Zustimmung zu unserem Antrag erfolgen wird. Andererseits ist aber natürlich politische Gerechtigkeit für die österreichische Bevölkerung gerade von Rot und Schwarz nicht zu erwarten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Schreiner. Er hat das Wort.

16.56

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! – Herr Staatssekretär, ich möchte mich mit Ihren Ausführungen beschäftigen, die Sie im Rahmen der Beantwortung dieses Dringlichen Antrages dargelegt haben. Sie meinten sinngemäß, bei der Nationalbank wäre ohnehin alles in Ordnung, Pensionsbeiträge von Dienstnehmern würden eingeführt, und ab 1993 würden diese Pensionsbeiträge sprudeln.

Herr Staatssekretär! Die Realität sieht anders aus. Ich habe hier den "Geschäftsbericht 1996" der Oesterreichischen Nationalbank. In der Gewinn- und Verlustrechnung sind hier Ruhe- und Versorgegenüsse an Dienstnehmer von 903 Millionen Schilling verzeichnet. Die Beiträge der Dienstnehmer, die einzahlen, betragen aber lediglich 15 Millionen Schilling. Das sind nur 1,6 Prozent! – Herr Staatssekretär! Jeder "normale" ASVGler bezahlt 12,6 Prozent an Pensionsbeiträgen. Nennen Sie das Harmonisierung? Nennen Sie das einen Harmonisierungsschritt, der seit 1993 angeblich von der Nationalbank gesetzt wird? – Nein, Herr Staatssekretär, das ist es nicht.

Sie haben auch gesagt, es gebe eine Symmetrie der Pensionssysteme. Diese Symmetrie der Pensionssysteme ist aber überhaupt nicht erkennbar. Bei der Nationalbank gibt es noch keine Durchrechnung und keine Ruhensbestimmungen. Die Pensionsbemessungsgrundlage sind 80 Prozent beziehungsweise 85 Prozent des Letztbezuges.

Herr Staatssekretär! Ich erinnere Sie an einen früheren Entschließungsantrag der Kollegen Kostelka und Khol, in dem es hieß:

"Der Nationalrat wolle beschließen: Der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, dem Nationalrat eine Novellierung des Notenbankgesetzes vorzulegen, die vorsieht, daß ab 1. Juli für neueintretende Mitarbeiter der Nationalbank das Pensionsrecht des ASVG anzuwenden ist, wobei die ASVG-Pension durch eine Pensionskassa zu ergänzen wäre."

Was ist bis jetzt geschehen, Herr Staatssekretär? – Gar nichts! Wir haben heute eine Situation, die diesem Entschließungsantrag in keiner Weise Rechnung trägt.

Herr Staatssekretär! Was mich bei diesem Nationalbank-Pensionsprivileg am meisten aufregt, ist folgender Umstand. Der Gewinn der Notenbank wird einerseits durch Ruhe- und Versorgegenüsse geschmälert, auf der anderen Seite gibt es eine Rückstellung, eine Pensionsreserve in Höhe von 23 Milliarden Schilling, einen allgemeinen Reservefonds in Höhe von 19 Milliarden, freie Reserven von 28 Milliarden, Reserven für valutarische Kursdifferenzen in Höhe von 36 Milliarden und so weiter.


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Es wäre daher hoch an der Zeit, daß diese Pensionsreserve, die anscheinend nicht mehr gebraucht wird – denn sie ist im Jahre 1996 genauso gebildet worden wie im Jahre 1995; sie ist also nicht abgebaut worden –, endlich dem Budget zugeführt wird, um Steuern zu senken, um Arbeitnehmer zu entlasten, um ganz einfach die Einkommens- und Unternehmenssteuerbelastung in Österreich zurückzunehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das wäre ein Vorschlag von uns Freiheitlichen, der nachweisbar alleine aus dem Jahresabschluß der Oesterreichischen Notenbank hervorgeht.

Herr Staatssekretär! Mir geht es bei dieser ganzen Debatte um folgende Frage – der Vertrauensgrundsatz zwischen Pensionisten und den Verantwortlichen in Regierung und Parlament, daß sie darauf vertrauen können, daß Vereinbarungen eingehalten werden, besteht ja zu Recht –: Gibt es aber einen solchen Vertrauensgrundsatz zwischen ASVG-Pensionisten beziehungsweise Personen, die einmal eine ASVG-Pension bekommen werden, und diesem Haus? Können diese Personen darauf vertrauen, daß ihre berechtigten zukünftigen Einkommen nicht radikal geschmälert werden, während gleichzeitig Privilegien aufrechterhalten werden? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben es Ihnen in der heutigen Debatte bereits gesagt: Es gibt eine eklatante Ungleichbehandlung gegenüber den nunmehrigen ASVG-Versicherten einerseits und der Kaste der Politiker und der Kaste der Beamten und Bediensteten der Oesterreichischen Nationalbank, der Sozialversicherungsträger und der Kammern andererseits.

Herr Kollege Stummvoll! Mit dem Geld, mit dem die innerbetrieblichen Pensionskassen der Kammern aufgefüllt werden, könnte man auch etwas anderes machen! Man könnte zum Beispiel die Beiträge für die Unternehmer senken. Das wäre auch eine Möglichkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen.) So würde man auch eine Gleichstellung erreichen! Das gleiche gilt für die Nationalbank und für die Sozialversicherungsträger. Herr Staatssekretär! Ein solche Politik würden wir uns vorstellen, wenn man schon von Harmonisierung der Pensionssysteme spricht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.02

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebe ich noch bekannt, daß mir der Antrag der Frau Abgeordneten Stoisits und des Herrn Abgeordneten Hans-Helmut Moser vorliegt, einen Untersuchungsausschuß zur Prüfung der Verantwortlichkeit von Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit der freien Ausreise der Täter betreffend den Mord an dem damaligen Vorsitzenden der DPK-I Dr. Abdul Rahman Ghassemlou und seiner zwei Vertrauten nach § 33 der Geschäftsordnung einzusetzen.

Die Durchführung einer Debatte wurde nicht beantragt.

Die Abstimmung über diesen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses findet nach Erledigung der Tagesordnung statt.

*****

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haigermoser. Die restliche Redezeit in dieser Debatte beträgt 4 Minuten. – Bitte.

17.03

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Stummvoll hat mich animiert, mich kurz zu Wort zu melden.

Kollege Wabl! Wir sprechen über die Bedürftigen in diesem Land, etwa über einen 62jährigen Tischlermeister, welcher nach 40 Jahren Selbständigkeit und nach 47 Erwerbsjahren eine Pension von 8 846,50 S bekommt. Meine Damen und Herren! Andererseits gibt es aber in der Bun


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deswirtschaftskammer Privilegien, zum Beispiel jene 57jährige Mitarbeiterin, die aus den Töpfen der Gewerbetreibenden, der Zwangsmitglieder, 7 Millionen Schilling Pension auf die Hand bekommt. – Mit solchen Dingen sind wir nicht einverstanden! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Es fehlen in diesem Bereich 15 Milliarden Schilling – 15 Milliarden, meine Damen und Herren! – an Pensionsrücklagen, die man hätte bilden müssen, aufgrund dieser Pensionsprivilegien in der Bundeswirtschaftskammer.

Wer ehrlichen Herzens bei den ASVG-Pensionisten einspart und kürzt, der müßte zuerst vor seiner eigenen Tür kehren, bevor er Kritik an anderen übt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt hiezu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 628/A (E) der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen betreffend Harmonisierung der Pensionssysteme.

Wer für diesen Antrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist abgelehnt.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 2841/AB

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr kommen wir zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Inneres mit der Ordnungszahl 2841/AB.

Die Anfragebeantwortung ist bereits im Saal verteilt worden. Eine Verlesung durch den Schriftführer ist daher nicht notwendig.

Wir beginnen sogleich mit der Debatte.

Ich mache darauf aufmerksam, daß nach § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf. Dem Erstredner steht eine Redezeit von 10 Minuten zu. 10 Minuten sind ebenso eine Empfehlung für die Mitglieder der Bundesregierung und der Staatssekretäre.

Frau Abgeordnete Dr. Schmidt, ich erteile Ihnen als Erstantragstellerin das Wort. Sie haben eine Redezeit von 10 Minuten. – Bitte.

17.06

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Als das Hohe Haus vor der Sommerpause mit der Vorlage betreffend Rasterfahndung und Lauschangriff befaßt war, haben wir Liberalen auf einen Fragebogen hingewiesen, der im Burgenland ausgegeben wird, in welchem verschiedene Fragen an die Bevölkerung gestellt werden, die wir als massiven Eingriff in die private Rechtssphäre empfinden. (Zwischenruf des Abg. Kiss. ) Die Bevölkerung setzt sich aus einzelnen Bürgerinnen und Bürgern zusammen, wie Sie wissen sollten. Wenn Sie jetzt auch schon ein kollektives Denken haben, dann war mir das bislang unbekannt. Jetzt weiß ich es!

Wir haben jedenfalls damals darauf hingewiesen, daß gerade ein solcher Fragebogen geeignet ist, im Vorfeld der Rasterfahndung eine Richtung vorzugeben, die ich als eine polizeistaatliche beziehungsweise als eine überwachungsstaatliche empfinde, was für mich dasselbe ist. Wir haben daher den Herrn Bundesminister für Inneres gefragt, was er denn dazu sagt, daß in diesem Fragebogen zum Beispiel gefragt wird, welche gesellschaftlichen Betätigungen eine Bürgerin oder ein Bürger in einer Gemeinde haben. In dem Fragebogen findet sich unter anderem die Frage, ob jemand kulturelle, sportliche oder und soziale Betätigungen setzt, und wenn ja, welche. Vor allem wird auch die Frage betreffend politische Betätigung, und wenn ja, welche, gestellt.


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Der Herr Bundesminister hat von der Regierungsbank aus folgendermaßen geantwortet – ich zitiere aus dem Nationalratsprotokoll vom 10. Juli 1997 –:

"Dieser Fragebogen, den Sie zitiert haben – ich kenne ihn nicht –, ist gesetzwidrig. Es gibt aus dem Jahre 1995 einen Bescheid des Innenministeriums an die Landesregierung des Burgenlandes. Wenn dieser nicht eingehalten wird, dann bin ich der erste, der mit Ihnen gemeinsam dagegen vorgeht."

Es hat mich sehr beruhigt, daß der Herr Bundesminister gemeint hat, er wäre bereit, gegen einen solchen Fragebogen – und ich habe das zitiert, was ich jetzt wieder zitiert habe – vorzugehen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Bravoruf des Abg. Mag. Barmüller. )

Wir haben dann, um das auch sicherzustellen, eine Anfrage an den Herrn Bundesminister gerichtet. Diese ist Gegenstand der jetzigen Debatte. Wir haben in dieser Anfrage 14 Fragen gestellt. Frage 11 lautete:

"Wann werden Sie gegen den noch immer in burgenländischen Gemeinden ausgegebenen und nunmehr sogar verschärften Fragebogen vorgehen?" – Verschärft wurde der Fragebogen gegenüber einem Fragebogen, der schon im Jahre 1994 Gegenstand der Debatte dieses Hohen Hauses war.

Der Herr Bundesminister hat insgesamt geantwortet, daß "das Wählerevidenzgesetz nur dann eine rechtliche Grundlage bietet, wenn er" – nämlich der Fragebogen – "in Zweifelsfällen eingesetzt wird. Ein routinemäßiger Einsatz wäre unzulässig; hiefür ist das Formular nicht geschaffen worden." – Ferner schreibt der Herr Bundesminister, daß kein Anlaß bestehe, gegen diesen Fragebogen vorzugehen, weil er eben nur zur Abklärung von Zweifelsfragen im Einzelfall dient.

Wir haben ihm damals gesagt, daß dieser Fragebogen an viele Bürgerinnen und Bürger ausgegeben wird. – Er antwortete darauf, daß ihm bislang kein Umstand bekanntgeworden ist, aus dem sich ergäbe, daß die mit dem Amt der Burgenländischen Landesregierung im Jahre 1994 getroffene Feststellung – nämlich die Feststellung, daß dieser Fragebogen nicht allgemein zur Anwendung kommen soll – in irgendeiner Weise keine Gültigkeit mehr hätte.

Herr Bundesminister! Mich beunruhigt dabei, daß Sie unsere Einwände nicht zum Anlaß genommen haben, mit der burgenländischen Landesregierung Kontakt aufzunehmen und zu fragen, wie denn tatsächlich mit diesem Fragebogen umgegangen wird, sondern Sie haben schlicht und einfach gesagt: Uns ist kein Umstand bekanntgeworden. – Ist der Zweifel, der hier vom Rednerpult aus geäußert wird, für Sie kein Anlaß, einmal ein Gespräch mit der burgenländischen Landesregierung zu suchen und zu fragen, wie denn dieser Einsatz erfolgt und warum der Fragebogen in dieser Weise gegenüber einem bereits im Jahre 1994 ausgegebenen verschärft wurde? Ich meine, daß Sie diesfalls die Latte Ihrer politischen Verantwortung bemerkenswert niedrig legen, und ich frage mich, ob es Ihnen möglicherweise ganz recht ist, daß man die Bürgerinnen und Bürger einfach daran gewöhnt, daß sie zunehmend Daten aus ihrer Intimspähre beziehungsweise aus ihrem Privatleben bekanntgeben. Vielleicht ist Ihnen dieser Gewöhnungseffekt durchaus recht, damit Sie immer mehr Daten von den Bürgerinnen und Bürgern einfordern können!

Im Jahre 1994 gab es nämlich einen ähnlichen Fragebogen, den wir hier zur Debatte gestellt haben. Mit diesem wurde damals abgefragt, an wie vielen Tagen pro Woche denn jemand seine Unterkunft bewohnt und welche gesellschaftlichen Kontakte jemand in seiner Gemeinde hat und welche kulturelle Betätigung er setzt, und es wurde auch nach der Art der Kontakte und der kulturellen Betätigung – zum Beispiel Besuch kultureller Veranstaltungen, lokaler Vereine und ähnliches mehr – gefragt. All das hat Sie offenbar nicht nur nicht beunruhigt, sondern diese Debatte im Hohen Hause, in welcher seinerzeit Minister Löschnak geantwortet hat, hat dazu geführt, daß dieser Fragebogen sogar noch verschärft wurde. Innenminister Löschnak hat damals auf die Frage nach diesem Fragebogen geantwortet, daß die gesetzmäßige Ermittlung personenbezogener Daten als wünschenswerte Aufgabenerfüllung und nicht als Überwachung der Bürger gesehen wird.


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95. Sitzung / Seite 129

Wenn ich mir vor Augen führe, daß wir versucht haben, in diesem Zusammenhang Sensibilität zu wecken für den Eingriff in die Intimsphäre, und das Ergebnis dieses Versuchs war, daß man diese Fragebögen noch weiter differenziert hat bis hin zur Frage nach der politischen Betätigung – und das wurde nicht nur gemacht, sondern Sie decken das jetzt auch noch! –, dann frage ich mich wirklich. Wo wollen Sie die Grenzen ziehen? Wie weit wollen Sie noch eintreten in die Beobachtung der Bürgerinnen und Bürger und Daten speichern? Meine Befürchtung aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ist, daß Sie in einem nächsten Schritt tatsächlich den "gläsernen Menschen" schaffen werden, was dann wirklich mit Fragebögen, Gesetzen und ähnlichem zu belegen sein wird.

Das bestätigt sich für mich auch, wenn ich mir die Antwort des Landeshauptmannes des Burgenlandes anschaue. Denn auch diesen haben wir gefragt, wie er diesen Fragebogen beurteilt und ob er es wirklich für notwendig hält, die politische Betätigung von Bürgern in ihren Gemeinden auflisten zu lassen, um dann gegebenenfalls auch einschlägige Konsequenzen daraus zu ziehen. – Und auch der Herr Landeshauptmann sagt, daß es "eine unerläßliche Pflicht der Gemeinden" sei, all diese Punkte und insbesondere die politische Betätigung zu erheben, denn die "politische Betätigung ist neben der kulturellen, sportlichen und sozialen Betätigung eines der Elemente der gesellschaftlichen Lebensverhältnisse". Das sei für die Gemeinden von Belang und von diesen auch tatsächlich zu erheben.

Der Herr Landeshauptmann sagt also ungefähr dasselbe wie Sie. Er sagt:, daß dieses ",Erhebungsblatt‘ zur Verfügung gestellt" wurde; es bestehe jedoch "keine Verpflichtung für die Gemeinden, dieses Erhebungsblatt zu verwenden". Allerdings sei es die "unerläßliche Pflicht" der Gemeinden, jedenfalls die genannten Punkte zu erheben. Wahrscheinlich soll das nicht auf diesem Erhebungsblatt erfolgen, aber die Sache selbst müssen sie erheben.

Wenn Sie ein solches Bewußtsein in der Bevölkerung schaffen, wenn Sie die Latte immer tiefer legen, dann darf es Sie auch nicht wundern, wenn es zu gesetzwidrigen Überwachungen kommt, wie das etwa erst kürzlich in Leoben passiert ist, wo Videokameras rechtswidrig installiert wurden – ungenügend zwar, weil sich die Leute technisch nicht auskennen! –, mit welchen harmlose Religionsgemeinschaften überprüft werden sollen. Dann darf man sich auch nicht darüber wundern, daß – wie im Sommer dieses Jahres bekannt wurde –, im Grauen Haus rechtswidrigerweise U-Häftlinge beobachtet und abgehört wurden, und das sogar mit richterlicher Genehmigung. Dann darf man sich nicht darüber wundern, daß das gleiche auch im Gefangenenhaus Stein passiert ist. Und dann darf man sich nicht wundern, wenn es Gesetzesvorlagen wie die von der ÖVP gibt, gemäß welchen dem Geheimdienst des Bundesheeres Lauschangriff und Rasterfahndung ermöglicht werden sollen, und zwar ohne richterliche Genehmigung! (Abg. Dr. Gredler: Genau!)

Herr Bundesminister! In Anbetracht dessen sage ich, daß es den Ruf und die Warnung "Wehret den Anfängen!" gar nicht mehr gibt und geben kann. Denn es ist schon zu spät. Der Anfang ist gemacht worden. Wir können jetzt nur mehr – und das läge in Ihrer Verantwortung – Grenzen ziehen. Und aus diesem Grunde, Herr Bundesminister, können wir uns mit Ihrer Anfragebeantwortung nicht zufriedengeben. Daher fordere ich Sie auf, ein Gespräch mit dem Landeshauptmann darüber zu führen, der noch dazu ein Parteifreund von Ihnen ist, einzuschreiten und zu bewirken, daß derartige Fragebögen in Zukunft keine Verwendung mehr finden! (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die Redezeit der folgenden Rednerinnen und Redner beträgt ab nun 5 Minuten.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

17.16

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich bin froh darüber, daß es seit dem Jahre 1996 auch im Burgenland möglich ist, unter bestimmten Voraussetzungen an mehreren Wohnsitzen das Wahlrecht auszuüben, zumal


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es zweifellos eine Reihe von Menschen gibt, die berechtigtes Interesse daran haben, dies zu tun.

Frau Abgeordnete Schmidt! Mit dem Erhebungsbogen, von dem Sie sprechen, wird lediglich die Absicht verfolgt, objektive Kriterien zu schaffen, um sachlich und gerecht entscheiden zu können, ob ein Wahlrecht an einem weiteren Wohnsitz begründet werden kann. – Diese Absicht in Zusammenhang mit Rasterfahndung und Menschenrechtsverletzung zu bringen, ist wohl sehr übertrieben! Als Bürgermeister einer burgenländischen Gemeinde kenne ich die diesbezügliche Praxis und weiß, daß diese Erhebungsbögen, von denen Sie sprechen, in den meisten Gemeinden nicht beziehungsweise äußerst selten angewandt werden. (Abg. Dr. Schmidt: Dann schaffen Sie sie ab! – Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser. ) Lassen Sie mich bitte zu Ende reden!

Es ist in den meist sehr kleinen Gemeinden des Burgenlandes nicht notwendig, mit diesem Fragebogen zu operieren, weil die Personen ohnedies bekannt sind und auch ohne diesen Bogen beurteilt werden können. Wenn der Fragebogen herangezogen wird, dann sicherlich als allerletztes Mittel, um die Wohnsitzqualität zu eruieren. Außerdem steht die Ausfüllung dieses Bogens jedem frei, es wird und wurde keinerlei Zwang dazu ausgeübt. Und es wurde auch von keiner Stelle die Verwendung dieses Fragebogens angeordnet. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Dr. Schmidt. )

Ich gebe zu, daß dieses Formular vielleicht ein bißchen übereifrig erstellt wurde und in manchen Bereichen übers Ziel schießt.

Wenn Sie den Punkt 14 ansprechen, dann kann ich Ihnen sagen, daß wir kein Problem damit haben, diesen Punkt, wenn es sein soll, zu streichen. Wir sind gerne bereit, über Änderungen zu reden, zumal das auch im Interesse der Bürger liegt, die kein Interesse daran haben, von möglichst vielen Stellen mit möglichst vielen Daten registriert zu werden. Ich kann mir auch gut vorstellen, dieses Thema mit zwei Kriterien abzuschließen: Es soll entschieden werden, ob es sich um einen tatsächlichen Wohnsitz handelt, und zum anderen sollte der so oft erwähnte "mündige Bürger" auch selbst entscheiden können, ob er an diesem Wohnsitz wählen will oder nicht. (Abg. Dr. Schmidt: Er wird vom Bürgermeister unter Druck gesetzt, er kann nicht selbst entscheiden! Das ist das Grundübel, das wir beheben wollen!) Der Wähler kann das meiner Meinung nach, wenn er will, sehr wohl entscheiden.

Wir haben auch bei der letzten Gemeinderatswahl im Burgenland wieder feststellen können, daß die Kriterien, die angewandt werden, immer sehr politisch gesehen beziehungsweise politisch ausgelegt werden. Daher ist es durchaus auch in unserem Interesse, daß diese Kriterien nicht zur Anwendung gebracht werden, sondern eine andere Praxis dazu gefunden wird. Wir werden nicht nur heute zu diesem Thema reden, sondern wir werden wahrscheinlich in absehbarer Zeit wieder darüber sprechen, nämlich dann, wenn es um die nächste Volkszählung geht, denn dabei wird es wieder um substantielle Fragen für die Gemeinden und insbesondere um die Gemeindefinanzierung gehen. Wir kennen das von der letzten Volkszählung: Menschen wurden damals auch in sehr unangenehme Situationen gebracht. Und ich bin überzeugt davon, daß es, wenn es keine Änderung gibt, auch bei der nächsten Volkszählung, die bevorsteht, wieder der Fall sein wird, daß die Menschen an ihren verschiedenen Wohnsitzen unter Druck gesetzt werden, den Hauptwohnsitz zu begründen. Daher ist es aus meiner Sicht auch denkbar, daß eine finanzielle Bewertung zwischen Hauptwohnsitz und Zweitwohnsitz vorgenommen wird, weil es letztlich ohnedies nur ums Geld geht. Und wenn beides finanziell abgegolten werden kann in verschiedenen Verhältnissen, dann wird dieses Diskussion wahrscheinlich auch beendet sein.

Ich glaube, daß Sie in der konkreten Sache mit Kanonen auf Spatzen schießen! Ich finde keine Grundlage für die heutige Diskussion. Wenn es allerdings darum geht, im Interesse der Menschen eine bessere Regelung zu treffen, dann sind wir mit dabei, dann hat diese Besprechung vielleicht auch einen Sinn gehabt. Ich glaube aber, daß Ihre politische Situation im Burgenland durch die heutige Besprechung keine Veränderung erfahren wird! (Beifall bei der SPÖ.)

17.21


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95. Sitzung / Seite 131

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Steindl. 5 Minuten Redezeit. – Bitte. (Abg. Hans Helmut Moser: Er ist auch ein Bespitzler!)

17.21

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! "Einziger Skandal", "Ungeheuerlichkeit", "unglaublich", "pannonische Schnüffler": Das sind die Ausdrücke, die Sie verwendet haben und die im Zusammenhang mit diesem Erhebungsblatt im Zuge der Gemeinderatswahlen gefallen sind.

Worum geht es eigentlich? – Ich möchte das von zwei Aspekten her beleuchten, zunächst vom rechtlichen her: Frau Kollegin Schmidt, gemäß Art. 117 Abs. 2 B-VG besteht die Möglichkeit, daß der Landesgesetzgeber auch Staatsbürgern das Wahlrecht zugesteht, die nicht ihren Hauptwohnsitz in dieser Gemeinde haben, aber ihren weiteren ordentlichen Wohnsitz. In diesem Punkt sind wir, glaube ich, d’accord.

Von diesem Recht hat der Landesgesetzgeber im Burgenland Gebrauch gemacht. Es können auch Personen wählen, die zwei von vier Kriterien erfüllen. Diese vier Kriterien sind: der wirtschaftliche, der gesellschaftliche, der berufliche und der familiäre Lebensmittelpunkt. Und die Beurteilung dieser Kriterien ist nur möglich, wenn es eine Sachverhaltsdarstellung über die Lebensverhältnisse gibt.

In diesem Zusammenhang gibt es sogar ein Erkenntnis des Verfassunggerichtshofes aus dem Jahre 1975, das besagt, daß die Behörde sogar bei der Wohnsitzfeststellung gesetzwidrig handelt, wenn sie diesen Sachverhalt ohne ausreichende Erklärung darstellt. Daher wurde dieser Fragebogen entwickelt, und es steht, wie mein Vorredner schon gesagt hat, jedem frei, diesen Fragebogen zu beantworten – oder auch nicht. (Zwischenruf der Abg. Dr. Schmidt. ) In diesem Fragebogen mit lediglich 15 oder 16 Fragen dient die Frage 14 dazu, daß man seinen gesellschaftlichen Lebensmittelpunkt klar definieren kann, und unter anderem wird dabei auch nach der politischen Betätigung gefragt.

Ich möchte noch etwas sagen: Diese Daten werden nicht gespeichert, sondern sie sind nur eine Hilfe für die Feststellung, wer wahlberechtigt ist.

Jetzt komme ich zur gesellschaftspolitischen Durchleuchtung: Frau Kollegin Schmidt, 30 000 Burgenländerinnen und Burgenländer leben in Wien als Studenten oder als Arbeitnehmer die ganze Woche über von ihrer Familie getrennt, und viele sind in Wien aus Gründen der Erlangung des Wiener Parkpickerls hauptgemeldet, früher gab es auch das Problem der Fremdpatientenregelungen, sprich: der Aufnahme in Wiener Spitäler, und so weiter und so fort. Auf der anderen Seite gibt es sehr viele, die ihren Zweitwohnsitz im Burgenland haben, jedoch keine gesellschaftliche Bindung an die jeweilige Gemeinde haben, sondern diesen Wohnsitz nur aus touristischen Zwecken gewählt haben. Und genau darum geht es, Frau Kollegin Schmidt: Es soll zwischen diesen Personengruppen im Zusammenhang mit einer Wahl abgegrenzt werden können. Dafür wurde dieses Instrumentarium, das von Ihnen angeprangert wurde, geschaffen! (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. )

Worum geht es Ihnen eigentlich? (Abg. Dr. Schmidt: Es geht uns um Grundrechte! – Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner. ) Sie wollen ganz einfach – und das ist nicht zum Lachen, Herr Kollege Haselsteiner! – das Wahlrecht von 30 000 Burgenländerinnen und Burgenländer verhindern! Das muß gesagt werden: Das ist Ihre Intention – und um nichts anderes geht es Ihnen! (Beifall bei der ÖVP.) Es geht Ihnen um bewußte Täuschung beziehungsweise um Skandalisierung, so unter dem Motto: Irgend etwas wird schon hängenbleiben!

Sie wissen ganz genau, daß zum Beispiel politische Vorlieben laut Gesetz ausdrücklich vom Verrastern ausgeschlossen sind. Sie verwechseln Birnen mit Äpfeln, wenn Sie diesen Fragebogen mit der Rasterfahndung in Verbindung bringen wollen! Es ist Ihre Intention, den "pannonischen Polizeibespitzelungsstaat" zu suggerieren! Dabei geht es letztendlich nur darum, vielen


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95. Sitzung / Seite 132

Burgenländerinnen und Burgenländern auch in Zukunft die Möglichkeit zu geben, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

17.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Salzl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.26

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist bewußt, daß die Verknüpfung von Daten problematisch ist und daß eine mißbräuchliche Verwendung persönlicher Daten auf alle Fälle unterbunden werden muß.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich habe diesen Fragebogen hier, und am Beginn dieses Fragebogens seht: Dieser Fragebogen dient ausschließlich zur Feststellung des Wohnsitzes, und zwar im Hinblick auf die jeweilige Wahlberechtigung der betreffenden Person.

Weiters ist es ein Faktum, daß es – das wurde heute hier nicht erwähnt – einen Erlaß der burgenländischen Landesregierung vom 10. Juni 1997, also relativ neuen Datums, gibt, in welchem genau darauf hingewiesen wird, daß in allen Fällen, in denen die Verwendung eines derartigen Bogens nicht notwendig ist, auf diesen verzichtet werden soll.

Irgendwo muß allerdings die Beurteilung vorgenommen werden, ob der Betreffende wirklich die vier Kriterien erfüllt, nämlich tatsächlich seine wirtschaftlichen, beruflichen, gesellschaftlichen oder sozialen Interessen in jener Gemeinde hat, denn schlußendlich will er ja dort auch wählen. Ansonsten käme es genau dazu, was in manchen Gemeinden schon des öfteren durchgespielt wurde, nämlich daß sich kurz vor dem Stichtag für die jeweilige Wahl 30, 40 oder 50 Personen, die mit der jeweiligen Gemeinde überhaupt nichts zu tun haben, dort kurzfristig anmelden, dann dort das Wahlrecht ausüben und sich ein paar Monate nach der Wahl wieder abmelden. (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser. )

Herr Moser! Sie verstehen davon nichts, weil Sie mit der Vollziehung derartiger Dinge nie konfrontiert waren! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie sind immer auf einem geschützten Arbeitsplatz gesessen und hatten mit so etwas überhaupt nichts am Hut! Das ist ein Faktum! (Abg. Hans Helmut Moser: Ich bin genauso wie du im kommunalpolitischen Bereich tätig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Tatsache ist, daß eine Beurteilung vorgenommen werden muß, wenn der Burgenländische Landtag zur Überzeugung kommt – übrigens ist das nicht meine Überzeugung –, daß man das Wahlrecht generell öffnen sollte. Denn dadurch wird dem politischen Mißbrauch Tür und Tor geöffnet. Auf diese Weise werden nicht nur Gruppierungen, die dann manipulativ eingreifen können, sondern auch nicht korrekten Bürgermeistern Tür und Tor geöffnet. Ich sage das ganz bewußt, denn es hat im Burgenland vor der Wahl tatsächlich Nebenwohnsitzanmeldungen in einem Riesenausmaß gegeben. (Abg. Mag. Steindl: Zum Beispiel in Trausdorf!) Da sind auf einmal in Badeseegemeinden Badehütten als "Nebenwohnsitze" deklariert worden. Da sind auf einmal 150 bis 200 Wahlberechtigte mehr in der Wählerevidenz aufgeschienen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um das im Einzelfall unterbinden zu können ... (Abg. Dr. Schmidt: Bei euch heiligt auch immer der Zweck die Mittel!) Das ist nicht wahr! Um derartigen Mißbrauch im Einzelfall unterbinden zu können, gibt es diesen Fragebogen, der übrigens kaum jemals Verwendung findet, sondern auf den Gemeindeämtern liegenbleibt und von der Gemeindewahlbehörde nur unter Umständen in die Beurteilung miteinbezogen werden kann. (Zwischenruf der Abg. Dr. Schmidt. )

Frau Schmidt, ich sage Ihnen: Ich habe nur zu einem ganz geringen Prozentsatz von diesen Fragebögen Gebrauch machen müssen. Es haben lediglich zwei Personen in der gesamten Gemeinde Halbthurn mit über 1 700 Wahlberechtigten freiwillig diesen Fragebogen ausgefüllt, weil sie zu einem Zeitpunkt in die Gemeinde gezogen sind, zu dem einfach noch nicht beurteilbar war, ob diese Personen wirklich hier zur Wahl gehen wollen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da wird wirklich, wie bereits gesagt wurde, mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Ich bin gerne bereit, über die Modalitäten dieses Fragebogens zu reden. Man kann diesen Fragebogen auch abschaffen, dagegen habe ich auch nichts, aber dann muß gewährleistet sein (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen) , daß die betroffenen Personen von der Wahlbehörde vorgeladen werden können und dort persönlich Auskunft geben müssen. (Präsident Dr. Neisser gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Ich bin schon beim Schlußsatz, Herr Präsident. – Nur: Im Endeffekt ist ja nichts dabei. Ich bin auch gerne bereit – und das ist rechtlich möglich –, jedem dieser Personen nach Beurteilung diesen Fragebogen wieder zurückzugeben. Er muß ja nirgends aufgehoben werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Kier ist der nächste Redner. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Ofner: Volker, sag einfach: Er hat recht!, und du bist aus der Affäre!)

17.32

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wurden in dieser Debatte von den Kollegen aus dem Burgenland – auch aus der Betroffenheit des Bürgermeisteramtes heraus verständlich – ein paar bemerkenswerte Feststellungen getroffen, zum Beispiel die Feststellung, daß die Daten nicht gespeichert werden. Diese Feststellung ist kühn, denn wenn man diese Daten wirklich zur Überprüfung eines bestimmten Sachverhaltes, der ja auf Dauer erheblich bleibt, braucht, dann muß man diese Sachverhaltserhebung aufheben, sonst kann nämlich nachher jemand kommen und sagen, man habe es nicht überprüft (Abg. Mag. Steindl: Das stimmt auch nicht! Sie haben keine Kenntnis davon!) , wenn man das nur kurz erhebt, wenn das nur ein flüchtiger Vorgang ist und man das dann wieder wegwirft. Man muß es also aufheben. (Abg. Mag. Steindl: Solch ein Blödsinn!) Aber wenn man sich dabei moderner Büroorganisationsmittel bedienen, dann wird das wahrscheinlich eine EDV sein, außer im Burgenland gibt es keine EDV, aber das glaube ich nicht, denn das Burgenland ist nicht so rückständig, wie Sie es uns hier weismachen wollen. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Hier von diesem Pult aus zu sagen, es sei eine bewußte Täuschung, wenn sich meine Klubobfrau Sorgen wegen eines Fragebogens macht, ist sehr merkwürdig. Ich unterstelle demjenigen, der das Thematisieren eines solchen Fragebogens als eine bewußte Täuschung bezeichnet, daß er möglicherweise bei seinen Argumenten nicht ganz beim Stimmigen bleibt. Wenn es in einem Lande möglich ist, daß ein Erhebungsblatt dieser Art (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe) , das vom Betroffenen selbst ausgefüllt werden soll – Kollege Kiss hat gesagt, nur manche müssen das machen (Abg. Kiss: Nein, das habe ich nicht gesagt! Der einzelne Bürger!), es wird nicht an alle ausgeteilt –, auch von einer anderen Auskunftsperson, sozusagen fremdbestimmt, ausgefüllt werden kann, und außerdem vorgesehen ist, daß es auch durch die Gemeinde direkt ausgefüllt werden kann, indem der Gemeindebeamte offenbar aus eigener Wahrnehmung heraus hinschreibt, wie sich der betreffende Wahlberechtigungswerber politisch betätigt (Abg. Mag. Steindl: Er muß es beurteilen!) , also sozusagen auch vom Hörensagen ausgefüllt werden darf, so muß ich sagen: Das ist ja genaugenommen noch ärger! Das heißt also, es gibt Erhebungsblätter, die nicht einmal vom Betroffenen freigezeichnet werden müssen, sondern da kann irgend jemand, zum Beispiel ein Gemeindebeamter, der unterschreiben muß ... (Abg. Kiss: Jeder Wahlberechtigte hat mit persönlicher Unterschrift zu bezeugen, ob die Angaben stimmen oder nicht!) Da steht nicht "Unterschrift des Betroffenen", sondern "Unterschrift". (Abg. Kiss: Unterschrift des Betroffenen! Natürlich!) Ja, gut. (Abg. Kiss: Also bitte!) Also dann muß es der Betroffene unterschreiben. Aber es gibt auch die Möglichkeit, daß es die Gemeinde direkt ausfüllt und daß es das Gemeindeorgan unterschreibt. Das macht die Sache keineswegs besser.

Herr Bundesminister! Wenn Sie in Ihrer Anfragebeantwortung meinen, es bestehe kein Anlaß zur Beunruhigung, weil es Absprachen gibt (Abg. Mag. Steindl: Sie schießen mit Kanonen auf Störche!) , die gewährleisten, daß das im Burgenland nicht zweckwidrig verwendet wir, dann muß ich sagen: Auf Absprachen ist ein Rechtsstaat nicht gut gegründet, auf Absprachen, die


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dann vom betroffenen Gemeindeorgan nach Gutdünken eingehalten werden können oder nicht. Keinem der Vorredner hier, die Bürgermeister aus dem Burgenland sind, würde ich jemals unterstellen, daß Sie das höchstpersönlich mißbräuchlich verwenden, aber der Fragebogen eignet sich dafür. Das ist das Problem! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ein Fragebogen, der sich für Mißbrauch eignet, ist kein guter Fragebogen. (Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Kiss: Wie der "liberale" Schelm denkt, so spricht er!) Herr Kollege Kiss! Was auf dem Fragebogen nicht erhoben wird, ist interessanterweise das Religionsbekenntnis. (Abg. Kiss: Wie der Kollege Kier denkt, so spricht er!) Möglicherweise hätten Sie sonst früher entdeckt, daß Ihr Parteikollege in Ihrer Gemeinde Scientologe ist. – Das nur zum Nachdenken! Oder war es, weil er als Apotheker schon so lange ortsansässig ist, nicht vorgesehen, daß er den Fragebogen ausfüllt? (Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Herr Kollege Kiss! Wenn Sie da dauernd undiszipliniert dazwischenrufen, beweisen Sie durch Ihre Aufgeregtheit nur, daß wir den Finger in die richtige Wunde gelegt haben. Sonst würden Sie sich nicht so aufregen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Uns geht es um die Bürger und nicht um Sie, Herr Kiss. Ein wichtiger Aspekt! Wenn der Schußwaffengebrauch auch nur über Absprachen geregelt wäre, wären Sie dann auch zufrieden? Höchstpersönliche Daten in einer so sorglosen Form zu erheben, ist nicht gerade beruhigend.

Eine letzte Feststellung in diesem Zusammenhang: Wenn der Herr Bundesminister in seiner Anfragebeantwortung ausführt, daß es die richterliche Kontrolle verhindere, daß solche Dinge für die Rasterfahndung verwendet werden können, dann muß ich dazu sagen: Da lachen ja die Hühner! Denn: Solche Daten sind selbstverständlich verrasterungsfähig. Wenn Sie das bestreiten, Herr Kiss, dann empfehle ich Ihnen den Besuch eines EDV-Kurses für Anfänger. (Abg. Kiss: Wer bestreitet das?) Dort werden Sie lernen, was man mit relationalen Datenbanken machen kann. Eine moderne Gemeinde wird hoffentlich nicht nur bei Zettelchen hängenbleiben, die sie dann später wegschmeißt. Sie können noch so sehr lachen, Herr Kiss! (Abg. Kiss: Nein, ich lache nicht, ich ärgere mich!) Sie entlarven sich mit diesem Lachen, und das zeigt Ihre wirkliche Haltung zu Menschenrechten deutlicher als manches andere, Herr Kollege Kiss. – Danke sehr. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Kiss: Ich ärgere mich über diese permanente Unterstellung!)

17.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits zu Wort gemeldet. – Bitte.

17.38

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzter Kollege Kiss, das würde ich nicht auf mir sitzen lassen, was Herr Dr. Kier vorhin gesagt hat. (Abg. Kiss: Ich habe es ihm schon gesagt!) Ich würde nicht auf mir sitzen lassen, wenn jemand sagt: Das ist etwas, das sich an Bürger wendet und nicht an Sie!, denn du bist auch allemal noch Bürger des Burgenlandes. (Abg. Dr. Kier: Bürgermeister! – Abg. Kiss: Bürgermeister von 1977 bis 1990!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Initiative des Liberalen Forums, eine Besprechung dieser Anfragebeantwortung heute hier zu machen und den Herrn Bundesminister, der sich hoffentlich noch zu Wort melden wird, hierher zu bitten, um mit uns darüber zu diskutieren, begrüße ich wärmstens – aber nicht sosehr, um das auf der Ebene beziehungsweise in der Qualität einer pannonischen Posse abzuhandeln – manchmal bekommt man den Eindruck, daß es das ist –, sondern ob des ernsthaften Hintergrundes.

Daß das im Burgenland passiert ist, halte ich für einen Zufall, weil dort zum damaligen Zeitpunkt Wahlen bevorstanden, als das aufgekommen ist. Das hätte auch in Vorarlberg, in Kärnten oder sonstwo passieren können. Aber das ist das Gefährliche! Das ist der ernsthafte Hintergrund dieser Auseinandersetzung beziehungsweise dieses Diskurses, der sich jetzt schon über Monate hinzieht. Sie schreiben in Ihrer Anfragebeantwortung ja richtig: "...anläßlich der Diskussion um die automationsunterstützte Verknüpfung von Daten entstanden ist".


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95. Sitzung / Seite 135

Das ist es, worum es geht! Es geht nicht darum, ob sich Bürgermeister auf den Schlips getreten fühlen ob der Frage, die sie Gemeindebürgern stellen. Es geht nicht um die Frage, ob sich daraus in der Folge ergeben könnte, daß Tausende Wählerinnen und Wähler bewußt ausgeschlossen werden, sondern es geht um die Frage, ob es in Zukunft sanktionslos möglich sein darf, daß solche Vorgangsweisen neuerlich Platz greifen.

Darf es möglich sein, daß Fragen über höchstpersönliche, sensible Daten an Bürger gestellt werden und diese Daten dann EDV-mäßig erfaßt werden? Es stellt sich da nicht die Frage, ob das zum Zwecke der Eintragung in eine Wählerevidenz erfolgt oder ob das einem anderen Zweck dient, sondern es geht darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß so etwas nicht sein darf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen nicht, daß Bürger und Bürgerinnen – das ist in unser aller Sinn, nicht nur in meinem persönlichen oder im Sinne der Grünen – mit Fragen dieser Art, die ihre intimste, private Sphäre betreffen, legal, das heißt, nicht rechtswidrig, belästigt werden dürfen. Das ist es, Herr Bundesminister, worum es geht!

Herr Bundesminister! Die Angst der Bürger und Bürgerinnen vor dem Überwachungsstaat, davor, daß Daten, die erhoben werden, EDV-mäßig erfaßt werden, ist berechtigt. Ob Daten mit einem Fragebogen oder in der Weise erhoben werden, daß man Fragen stellt und sie schriftlich festhält, ist eigentlich unerheblich. Entscheidend ist, ob es zu einer EDV-mäßigen Erfassung der Daten kommt und was dann mit diesen Daten passiert.

Daß ein Gemeindeorgan, daß jeder Bürgermeister das Recht hat, in einer mündlichen Befragung einem Menschen, der in die Wählerevidenz aufgenommen werden will, Fragen zu stellen, steht außer Zweifel. (Abg. Mag. Steindl: Wo ist der Unterschied?) Was allerdings danach mit diesen Antworten geschieht, wo sie gespeichert werden, wem aller sie zur Verfügung gestellt werden können, zu welchen Zweck man sich dann dieser Daten bedient, das ist es, was uns interessiert. (Abg. Mag. Steindl: Wo ist der Unterschied?) Ich will niemandem das Recht nehmen, im Burgenland wählen zu dürfen. Aber ich möchte niemandem das Recht geben, solch sensible Daten zu erfassen – nicht einmal einem pannonischen Bürgermeister! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kiss. )

17.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zum Schluß dieser Debatte hat sich noch Herr Bundesminister Mag. Schlögl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister. (Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Grünen.)

Ich bitte, dem Herrn Minister zuzuhören! Vielleicht werden dann manche Zwischendiskussionen überflüssig werden. – Herr Minister, bitte. (Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Grünen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Herr Minister, haben Sie den Mut, zu beginnen! (Heiterkeit.)

17.43

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich wollte nur die Damen und Herren durch meine Ausführungen nicht stören.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Schmidt! Ich war mir nicht ganz sicher, in welche Richtung Ihre Anfrage geht, und ich habe mich deshalb mit dieser Materie sehr umfangreich beschäftigt. Ich habe auch versucht, gemeinsam mit meinen Mitarbeitern, mit den Beamten des Innenressorts, eine Rechtfertigung für die Vorgangsweise, die von mir seit dem 10. Juli gewählt worden ist, darzulegen. Ich bin gerne bereit, Ihnen diese Rechtfertigung nachher zu geben, denn in dieser Debatte kann ich mich allerdings nur ganz kurz mit dieser Materie auseinandersetzen.

Ich bin überzeugt davon, daß – entgegen einer derartigen Behauptung – das Liberale Forum hier nicht skandalisieren will, sondern ich glaube, daß das Liberale Forum befürchtet, daß im Zusammenhang mit der Erhebung und dem Sammeln von Daten mittels dieses Fragebogens mangelndes Grundrechtsbewußtsein vorhanden ist, und zwar bei der burgenländischen Landes


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regierung, bei den verantwortlichen Politikern, aber auch bei mir als derzeitigem Innenminister, weil ich da nicht handle.

Andererseits besteht seitens der Frau Abgeordneten Stoisits die Angst, daß das wieder ein Schritt in Richtung Überwachungsstaat ist. (Abg. Dr. Schmidt: Auch bei mir!) Beide Bedenken möchte ich sehr ernst nehmen. Ich gebe Ihnen auch recht, daß wir, da Sie mich am 10. Juli sozusagen am falschen Fuß getroffen haben, weil ich über die ganze Angelegenheit, nämlich anläßlich der Debatte über Lauschangriff und Rasterfahndung am 10. Juli in keiner Weise informiert gewesen bin und mir auch dessen nicht bewußt war, daß dieser Fragebogen überhaupt existiert. Ich nehme auch Ihre Kritik ernst, wenn Sie meinen, daß den von Ihrer Sicht aus berechtigten Bedenken zuwenig Rechnung getragen, ein zu geringer Stellenwert beigemessen wurde.

Ich möchte mich jetzt nicht rechtfertigen, sondern möchte Ihnen zwei Dinge sagen. Erstens: Ich nehme diese heutige Debatte natürlich zum Anlaß, diese Bedenken jetzt intensiver zu behandeln und mich mehr damit auseinanderzusetzen, als das bisher der Fall war. Zweitens möchte ich aber auch sagen, daß ich diese Sache schon anders sehe als Sie und daß ich mich der Meinung, die hier von den burgenländischen Bürgermeistern vertreten wurde, anschließe. Denn: Nach meinem Informationsstand und auch nach dem, was mir heute in zwei Gesprächen mit dem Landeshauptmann versichert worden ist, geht es bei diesem Fragebogen ausschließlich darum, festzustellen, ob jemand ein zusätzliches – ich betone: ein zusätzliches! – Wahlrecht im Burgenland bekommen soll oder nicht. (Abg. Kiss: Zum Beispiel die Kollegin Stoisits in Stinatz!)

Wenn man sich damit auseinandersetzt – ich glaube, daß das notwendig ist –, dann soll man sich prinzipiell auch mit der Frage auseinandersetzen, wie es überhaupt mit dem Wahlrecht in Österreich aussieht, dann soll man die Frage stellen: Ist es gerechtfertigt, daß es in manchen Bundesländern die Möglichkeit gibt, daß man in mehreren Gemeinden wählt, daß man unter Umständen an ein und demselben Tag bei Gemeinderatswahlen in zehn Gemeinden wählt, nur deshalb, weil man es sich leisten kann, mehrere Wohnsitze zu haben? Ist es gerechtfertigt, daß es Leute gibt, die in Wien, in Niederösterreich und womöglich auch noch im Burgenland den Landtag wählen und damit indirekt die Zusammensetzung des Bundesrates mit beeinflussen? (Abg. Dr. Schmidt: Warum nicht?) Ich glaube, diese Debatte sollten wir auch führen. (Abg. Dr. Schmidt: Ja!) Das halte ich für notwendig und wichtig.

Ich glaube, daß die Bedenken, die geäußert wurden, sehr ernst zu nehmen sind. Ich schlage Ihnen folgende Vorgangsweise vor: Es soll zu einem klärenden Gespräch kommen. Nicht nur zwischen dem Landeshauptmann des Burgenlandes und mir soll es ein solches Gespräch geben, sondern auch Sie als Kritikerin sollten – ich bitte Sie darum (Abg. Dr. Schmidt: Danke!)  – an diesem Gespräch teilnehmen. Ich gebe Ihnen recht, daß der Fragebogen nicht das beste Mittel ist, um das, was die Burgenländer berechtigterweise feststellen wollen, zu erheben, nämlich, ob ein berechtigter Anspruch auf ein Wahlrecht besteht oder nicht. (Abg. Hans Helmut Moser  – ein Schriftstück in die Höhe haltend – : In Niederösterreich hat man das! ) Ich gebe Ihnen recht, daß das nicht das adäquate Mittel ist.

Versuchen wir also, gemeinsam eine Lösung zu finden, um diesen Fragebogen abzuschaffen! Versuchen wir aber auch, gemeinsam eine Lösung zu finden, um zu einem objektivierten Verfahren zu kommen, im Rahmen dessen geklärt werden soll, ob jemand ein zusätzliches Wahlrecht in diesem Bundesland haben darf oder nicht!

Wenn wir uns darin finden können, dann bin ich der Meinung, daß wir mit dieser heutigen neuerlichen Diskussion zur Anfragebeantwortung einen Schritt weitergekommen sind. Ich biete Ihnen das an, verbunden mit der Selbstkritik, daß ich möglicherweise Ihre Äußerungen am 10. Juli und die danach stattgefundene Anfragebeantwortung zuwenig ernst genommen habe, und würde bitten, daß wir in dieser Weise vorgehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Schmidt: Danke!)

17.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist somit geschlossen.


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95. Sitzung / Seite 137

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme jetzt die Verhandlungen zum Punkt 1 der Tagesordnung, Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997, wieder auf.

Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 9 Minuten. – Bitte.

17.48

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich spanne den Bogen wieder zurück zum Sozialrecht, und zwar ganz an den Beginn der Debatte. Ich kann mich daran erinnern, ich habe es noch in den Ohren: Frau Reitsamer hat quasi zum Grundsatz ihrer Debatte den Satz erhoben, wir müssen für jene eintreten, die es sich nicht richten können. – Frau Kollegin Reitsamer! Ich sehe Ihr Bedürfnis schon ein – nicht Ihr persönliches Bedürfnis, sondern das Ihrer Partei –, diese Pensionsreform und überhaupt das gesamte Sozialversicherungsrecht zu rechtfertigen und als großartige Leistung darzustellen. Aber ich glaube, ein bißchen sollte man schon auf dem Boden der Realität auch bei dieser Beweihräucherung bleiben. Sie haben die Realität völlig verlassen, wenn Sie sagen, Sie hätten ein System geschaffen, das jene berücksichtigt, die es sich nicht richten können.

Ich erinnere Sie daran, wie viele Menschen es gibt, die in Pflegestufe 3 oder 4 sind, deren Pflegepersonen aber nicht die Möglichkeit eingeräumt wurde, eine günstige Versicherung für die Pflegenden zu beanspruchen. Diese Leute hat man völlig im Regen stehen lassen, und sie gehören nicht zu denen, die es sich richten können, Frau Abgeordnete Reitsamer! Das wissen Sie auch ganz genau. Man hätte diese Leute unterstützen müssen. – Sie nicken jetzt zustimmend. Deshalb glaube ich, daß es falsch ist, jetzt ununterbrochen darzustellen, was nicht alles mit dieser Reform geschaffen worden sei.

Erst ab der Pflegestufe 5 kommt man in den Genuß der begünstigten Versicherungsmöglichkeit. Sie dürfen aber nicht vergessen, daß bereits bei der Pflegestufe 4 ein Pflegeaufwand von 180 Stunden die Grundlage für die Pflegevorsorge ist. Das heißt also, die Pflege dieser Person entspricht einer Ganztagsbeschäftigung. Und da gestehen Sie nicht zu, daß man nach besonderen günstigen Voraussetzungen versichert wird! (Abg. Reitsamer: Wir haben zehn Jahre gepflegt ohne Geld!) Ich glaube, man muß immer wieder aufzeigen, daß es bei all diesen Änderungen ein großer Mangel ist, daß sie an den Kleinen, also an jenen, die es wirklich notwendig haben, vorbeigehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wo da der Quantensprung in der Sozialpolitik ist, Frau Abgeordnete Reitsamer und Frau Ministerin Hostasch, das müssen Sie mir erklären, und zwar detailliert erklären. Denn man kann aus dem, was hier vorgesehen ist, den Quantensprung nicht herauslesen.

Wo die Gerechtigkeit ist, auf die Sie sich immer wieder berufen, Frau Ministerin Hostasch, auf die sich Herr Bundeskanzler Klima dauernd beruft, das müssen Sie mir ebenfalls erklären. Denn insbesondere mit der Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten in die Sozialversicherungspflicht haben Sie für viele sozial Schwache wieder eine neue Belastung geschaffen. Viele Arme, Behinderte zum Beispiel sind Arbeitgeber von geringfügig Beschäftigten. Das ist schon mehrfach in dieser Debatte angeschnitten worden. Für diese armen Arbeitgeber sind neue finanzielle Belastungen geschaffen worden.

Frau Ministerin Hostasch! Sie haben heute gemeint, mit der Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten in das allgemeine Sozialversicherungssystem wollten Sie "Wettbewerbsvorteile ausschalten". – Ein Behinderter als Arbeitgeber ist doch nicht im Verbund der Wettbewerbsgemeinschaft, der sich irgendwo besserstellen kann. Wenn Sie schon die geringfügig Beschäftigten einbeziehen, dann hätten Sie zumindest für die Behinderten eine Ausnahmeregelung schaffen müssen. Das wäre unbedingt notwendig gewesen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Ministerin! Sie haben zwar heute abgestritten, daß Sie "abcashen" wollten, aber es liegt der fatale Verdacht vor, daß Sie manche Bestimmungen deshalb geschaffen haben, um "abzucashen", um im Augenblick Geld für die marode Sozialversicherung, für die marode Pensions


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95. Sitzung / Seite 138

versicherungsanstalt zu bekommen. Mit der Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten schaffen Sie wieder Anwartschaften, und Sie werden wahrscheinlich diese Anwartschaften nicht erfüllen können. Denn wir haben schon von Experten gehört, daß dieses Pensionssystem, das Sie uns jetzt als die große Systemreform präsentiert haben, wieder nicht lange halten wird. Gerade von den Leuten, die jetzt als geringfügig Beschäftigte arbeiten, sind sehr viele jung, die einmal dastehen werden und eine Pension in Anspruch nehmen wollen. Aber es wird nichts da sein, weil Sie "abgecasht" haben zu der Zeit, als diese eingezahlt haben. Und dann, wenn es ums Auszahlen geht, wird nichts mehr vorhanden sein.

Was ist Gerechtigkeit? – Daß heute "abgecasht" wird? (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Hören Sie mir doch auf mit dieser Art von "Gerechtigkeit"! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler Klima kann Ihnen vielleicht erzählen, daß dieses Pensionssystem gerecht ist – uns kann er das nicht erzählen, weil wir nämlich genug Fachkenntnisse haben, um das zu durchschauen, was Sie hier uns präsentiert haben, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es ist wirklich unangenehm, wie Sie sich selbst beweihräuchern, und ich finde, diese Selbstbeweihräucherung ist auch unpassend. Auch das, was Sie heute wieder über die Frauen erzählt haben, Frau Ministerin Hostasch, ist nicht passend. Sie haben gesagt, wir haben wieder etwas für die Frauen getan, indem wir ihnen jetzt die Möglichkeit gegeben haben, daß sie sich selbst versichern oder die begünstigte Versicherung ab der Pflegestufe 5 in Anspruch nehmen können.

Ich habe Ihnen gerade erklärt, daß diejenigen, die in Wirklichkeit einen 180-Stunden-Job für einen Behinderten machen, wieder nicht drinnen sind – und das sind hauptsächlich Frauen. Warum schleichen Sie sich um jene Frauen herum, die diesen 180-Stunden-Job machen, die ihre behinderten Angehörigen pflegen, sehr geehrte Frau Ministerin? – Glauben Sie, daß die Mutter oder die Ehefrau von einem Behinderten, der 180 Stunden an Pflegeleistungen braucht, noch irgendeine Möglichkeit hat, arbeiten zu gehen? – Gerade solche Personen wären darauf angewiesen, eine solche begünstigte Versicherung zu bekommen. Und erzählen Sie mir nicht, daß Sie für diese Frauen etwas getan haben! Ich persönlich kann es nicht mehr hören, und ich bin überzeugt davon, die Frauen auch nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wo ist Ihre Solidarität mit den Frauen? Wo ist Ihre vielzitierte Gerechtigkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren? Warum sind Sie diesen Frauen gegenüber nicht solidarisch, die wirklich eine der schwersten Aufgaben in dieser Republik haben?

Herr Bundeskanzler Klima sagt, es ist mehr Gerechtigkeit für sozial Schwache geschaffen worden. Das sind Worthülsen, die überhaupt keinen Niederschlag in den Bestimmungen haben, die Sie geschaffen haben. Ich finde, es ist wirklich widerlich, daß Sie ununterbrochen so tun, als ob Sie jetzt die große soziale Tat, den großen Quantensprung in der Sozialversicherung gemacht hätten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie kurzsichtig Ihre ganze Sozialpolitik ist, die Sie insbesondere im Pensionsrecht machen, zeigt auch die Tatsache, daß Sie nach wie vor starrsinnig darauf beharren, daß das Umlagesystem das einzig richtige ist. Sie beharren darauf, daß dieses System, das 1955 in Österreich eingeführt wurde, auch das System der Zukunft ist, obwohl Ihnen alle Experten sagen, daß dieses System ganz einfach nicht mehr durchzuhalten sein wird. Ich verstehe das nicht. Sie lassen sich die teuersten Experten kommen, und dann handeln Sie aber absolut konträr. Was bringt das? – Entweder bestellen Sie überhaupt keine Experten, dann ersparen wir uns wenigstens das Geld – oder Sie befolgen das, was die Experten sagen, denn dann hätten wir auch ein besseres System für die Zukunft.

Sie aber haben sich auf diese Variante eingeschworen, daß Sie mit einem Pensionssystem aus dem Jahre 1955 weiterwursteln. Alle vier oder fünf Jahre machen Sie eine "Jahrhundertreform", und dann wollen Sie der Bevölkerung weismachen, daß jetzt die Pensionen gesichert seien. Niemand wird es Ihnen mehr glauben! Die gröbste Schuld tragen Sie den Jungen gegenüber, die glauben, daß sie einmal eine Pension erhalten werden – und in Wirklichkeit dann vor der Tatsache stehen werden, daß sie, wenn sie alt sind, überhaupt keine Altersversorgung haben. Das ist Ihr größter Fehler! Ich glaube, daß Sie das bald zu spüren bekommen werden, denn die


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jungen Leute durchschauen schön langsam Ihre Politik der Kurzsichtigkeit, des "Abcashens" und des Versäumens der großen Gelegenheiten, eine Reform für die Zukunft zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

17.59

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Frau Dr. Partik-Pablé, im Gegensatz zu manch anderen Rednern Ihrer Fraktion glaube ich Ihnen Ihre Sorge um die Situation der behinderten Menschen in Österreich. Aber auf eines darf ich Sie schon hinweisen: Das Pflegegeld in Österreich ist auf Initiative der Sozialdemokratischen Partei eingeführt worden und nicht auf Initiative Ihrer Partei. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Petition ist bei mir eingebracht worden!) Sie sollten auf jeden Fall einmal daran denken, welche Leistungen dadurch vollbracht worden sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich gebe zu, daß es natürlich schöner wäre, wenn man die begünstigte Selbstversicherung bereits bei einer tieferen Pflegestufe hätte ansetzen können. Aber warum können Sie diese Leistung nicht einmal als einen ersten positiven Schritt beurteilen, warum müssen Sie alle positiven Leistungen sofort miesmachen? – Frau Dr. Partik-Pablé! Da wird auch Ihre Ernsthaftigkeit von mir etwas angezweifelt. (Abg. Dietachmayr: Sie hört nicht einmal mehr zu!) – Natürlich hört sie nicht mehr zu; auch das ist ein Fehler. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Hören Sie zu, weil Sie haben einen Nachholbedarf!) Kommunikation beruht auf beidem: reden und auch zuhören können.

Frau Dr. Partik-Pablé! Noch ein zweiter Punkt: Sie haben die Geringfügigkeit und die 180-Stunden-Pflege angesprochen. Frau Dr. Partik-Pablé! Wenn Sie das den Frauen gegenüber ungerecht finden, dann frage ich Sie: Finden Sie es den Frauen gegenüber nicht ungerecht, daß Sie ihnen zumuten, 180 Stunden pro Woche für 3 740 S zu arbeiten? Man müßte überhaupt einmal das Thema Geringfügigkeit und Leistungsentlohnung von Frauen ansprechen. Ich glaube, da wäre der erste Ansatzpunkt und der erste Kritikpunkt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Entlohnen Sie das einmal, was geleistet wird!)

Die Tatsache, daß Frauen im Alter nicht ohne Versicherungszeiten dastehen, sondern selbst bei geringfügiger Beschäftigung, weil sie manchmal keine andere Möglichkeit haben, sich versichern können, in die Versicherung mit dem Opting-in-Modell eintreten können, jetzt mieszumachen, das finde ich nicht in Ordnung, und das finde ich nicht fair. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben auch etwas anderes nicht erwähnt, Frau Dr. Partik-Pablé, nämlich jene Maßnahmen im arbeitsmarktpolitischen Bereich, die überwiegend der Beschäftigung und auch den Frauen zugute kommen. Ich denke zum Beispiel an die Teilzeitmöglichkeit, die für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von über 50 Jahren geschaffen wurde, aber auch speziell für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Betreuungspflichten. Finden Sie nicht, daß das eine Maßnahme ist für Menschen, die Behinderte oder kleine Kinder zu betreuen haben, vor allem für Frauen, die meistens diese Arbeit leisten? – Frau Dr. Partik-Pablé! Ein wenig Objektivität wäre Ihnen recht gut angestanden. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Kollegin Bauer ist in ihrem Debattenbeitrag schon auf die Problematik der geringfügigen Beschäftigung eingegangen und hat die Lösung, die angestrebt wird, auch besonders hervorgehoben. Ich möchte nur in Anbetracht des Debattenbeitrages des Kollegen Haselsteiner etwas sagen: Frau Bundesministerin! Wir werden genau beobachten müssen, wie die Wirkung ist. Wenn sich Kollege Haselsteiner als Unternehmer hier herstellt und mehr oder weniger von Umgehungsmöglichkeiten spricht, wenn er meint, daß Unternehmer dieses Angebot recht gerne annehmen, sozusagen auf Kosten der Arbeitnehmer einzusparen, dann denke ich, daß wir hier wirklich gefordert sind.

Herr Kollege Öllinger! Ihnen traue ich Kenntnisse der Materie zu, und ich will Ihnen diese auch nicht absprechen. Ich habe auch Verständnis dafür, daß, solange noch nicht entschieden ist, wer Bundessprecher der Grünen wird, man sich vielleicht verbal etwas dokumentieren will. Aber heute haben Sie sich bezüglich der geringfügigen Beschäftigung in ein Argumentationslabyrinth


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begeben. Sie haben auf der einen Seite gesagt, es muß die Pflichtversicherung für alle geben, und auf der anderen Seite gemeint, sie darf vielleicht doch nicht für alle sein. Das war ein rednerischer Irrlauf, den Sie da vollführt haben. Ich möchte Sie nur darauf hinweisen. (Abg. Öllinger: Das haben Sie falsch verstanden!)  – Gut, wir werden das vielleicht später noch einmal ausdiskutieren, aber im Grunde genommen ist es so zum Ausdruck gekommen.

Herr Kollege Haupt hat ein Drei-Säulen-Modell angesprochen. Dieses zielt darauf ab, daß die Arbeitgeber entlastet werden und die Arbeitnehmer alle Kosten zu tragen haben. Das ist die typische Politik der FPÖ, wie sie immer wieder angewendet wird, das hat schon Methode; Kollege Cap hat es Ihnen auch schon gesagt. Herr Kollege Gaugg sitzt noch immer in Ihren Reihen, obwohl er seine Buchstabierung noch immer nicht zurückgenommen hat, und traut sich skandalöserweise noch hier an das Rednerpult. (Abg. Dr. Graf: Das bestimmen nicht Sie, wer hier reden darf!) Dieser Herr Gaugg, der jetzt der Vertreter der neuen freiheitlichen Gewerkschaft sein will, schreibt folgenden Brief: Sehr geehrte Unternehmerin! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sehr geehrter Unternehmer! – Vielleicht gebe ich Ihnen dann eine Kopie davon, meine Damen und Herren von der FPÖ, damit Sie wissen, welche Interessenvertretung Sie machen. – Die FGÖ – ich nehme an, das sollen die freiheitlichen Gewerkschafter Österreichs sein – vertritt alle arbeitenden Menschen, also auch Sie und Ihre Interessen, für die wir auch im Parlament immer wieder großes Verständnis aufbringen.

Also für die Unternehmer bringen Sie das große Verständnis auf. (Abg. Dr. Graf: Haben Sie kein Verständnis für Unternehmer?) Sogar Ihre Gewerkschaft verkündet das überall groß. Und das ist der Unterschied: Sie stellen sich hierher und reden von den "kleinen Männern" – übrigens immer nur von den Männern, das ist auch sehr bezeichnend für Ihre Partei. (Beifall bei der SPÖ.) Aber in Wirklichkeit vertreten Sie hier beinhart Unternehmerinteressen, Interessen der Millionäre, die es sich leisten und richten können. Diese Suppe, die Sie den österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einkochen wollen, können diese gar nicht mehr auslöffeln, denn wenn sie an Sie glauben, dann sind sie längst ausgerutscht. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich abschließend festhalten: Es waren harte und langwierige Verhandlungen, aber dennoch ist es aufgrund dieser Verhandlungen gelungen, die Regierungsvorlage betreffend das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz so weiterzuentwickeln, daß es tatsächlich eine Reform geworden ist, die Zukunftsperspektiven für die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beinhaltet. (Beifall bei der SPÖ.)

18.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. Beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen.

18.05

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Meine Vorrednerin, Frau Abgeordnete Silhavy, hat in ihrer Rede gesagt, das Pflegegeld sei auf Initiative der SPÖ zustande gekommen. (Abg. Silhavy: Sind Sie in der Regierung gesessen?) Ich berichtige: Im Jahr 1986 hat der Zivilinvalidenverband 60 000 Unterschriften für eine Petition gesammelt. Diese Petition ist bei mir eingebracht worden. (Abg. Silhavy: Das habe ich nicht abgestritten!) Ich habe diese Petition weitergeleitet. Die Initiative, daß das Pflegegeld geschaffen wird, ist von mir ausgegangen und nicht von der SPÖ. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Madl zu Wort. 9 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.06

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundesminister, Sie haben in Ihrer heutigen Rede, in der Sie das vorliegende Pensionspaket verteidigt haben, einen komplett konträren Ausspruch getätigt.


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Sie haben nämlich gesagt, aufgrund der demographischen Situation sei dieses Pensionspaket entstanden. (Bundesministerin Hostasch: Auch! Unter anderem!) – Na gut, auch.

Frau Bundesminister! Aber gerade die demographische Situation in Österreich macht uns klar, daß das derzeitige Pensionssystem, das rein nur auf das Umlageverfahren aufgebaut ist, in Zukunft gar nicht finanzierbar ist. Ich werde es Ihnen gleich beweisen. Sehen wir uns die Entwicklung von 1965 bis 1996 an. 1965 kamen auf je 1 000 Beitragszahler 417 Pensionisten. 1988 waren es schon 601. Das heißt, 601 Pensionisten wurden von 1 000 Beitragszahlern finanziert. 1996 waren es schon 616, Frau Bundesminister! Das ist die Demographie! Auf 1 000 Beschäftigte kommen jetzt schon 616 Pensionisten, und die Tendenz ist weiterhin steigend.

Frau Bundesminister! Darum muß man sich überlegen, ob das System, das jahrelang gut gegriffen hat, nicht seit den letzten 10, 15 Jahren unfinanzierbar geworden ist. 1991 hat sich der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen mit dieser alarmierenden Entwicklung beschäftigt und festgestellt, daß eine Weiterführung des Systems zu immensen Beitrags- und Steuererhöhungen führen wird. Das hat er schon damals, 1991, gesagt. Ich glaube, spätestens zu diesem Zeitpunkt – also damals, 1991, als diese Studie herauskam – hätte man sich überlegen müssen, ob man sich nicht doch zu einer grundlegenden Reform entschließen sollte, um die Pensionen auch in Zukunft sichern zu können. Das war damals, 1991. Da wäre noch Gelegenheit gewesen, für die nächsten 10, 15 Jahre vorzusorgen. Aber genau das Gegenteil ist geschehen, das Flickwerk der Pensionsreformen wurde fortgesetzt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

1984, 1988, 1993 und 1995 hatten wir sogenannte Pensionsreformen, bei denen man uns jedesmal versprochen hat: Das wird eine Pensionsreform sein, die halten wird, die zukünftigen Generationen auch ihre Pensionen sichern wird. Nichts war es damit! Von einer Reform zur anderen sind nur Verschlechterungen für die zukünftigen Pensionisten und die bereits in Pension Befindlichen eingetreten. Sie können sich gar nicht mehr erinnern. Ich sage Ihnen jetzt gleich, was sich seit dem Jahre 1984 für die Pensionisten und für die Anspruchsberechtigten geändert hat, Herr Kollege Koppler! Aber Sie interessiert das nicht. Sie haben eine fixe Pension als Gewerkschafter und als Betriebsrat im Sackel, und alles andere, was die Bevölkerung betrifft – das habe ich Ihnen schon einmal gesagt –, interessiert Sie überhaupt nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Koppler. ) Sie fahren mit einem dicken Mercedes vor, lassen sich die Tür öffnen und lassen Linz Linz sein; nicht wahr, Herr Kollege Koppler? (Abg. Koppler: Ist schon in Ordnung!)

Erinnern wir uns: Was hat sich seit 1984 geändert? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist peinlich!) – Das ist peinlich! Wenn die VOESTler sehen würden, wie sich ihr Betriebsrat hier in Wien aufführt, würden sie wahrscheinlich die Türen weit öffnen, damit er in Wien bleibt, und wahrscheinlich in Linz ein Einreiseverbot für ihn erwirken. (Zwischenruf des Abg. Koppler. )

Aber ich komme jetzt zum Thema zurück. Sie können mich nicht dabei stoppen, daß ich Ihnen sage, was sich seit 1984 bei den Pensionen für die Pensionsberechtigten, für die schon Anwartschaft Erworbenen geändert hat. Sie wissen das gar nicht mehr.

Es ist eine Ausweitung der Bemessungszeiträume von ursprünglich fünf Jahren auf 15 und nunmehr 18 Jahre beschlossen worden. Fünf Jahre waren es damals nur! Es hat eine Absenkung der Pensionsprozente gegeben. Es hat vor kurzem einen Wegfall der Anrechnung von Schul- und Studienzeiten gegeben. All das war erschwerend. Das sind genau jene Punkte, bei denen man gesagt hat: Dort müssen wir einsparen, und dann ist das Pensionssystem gesichert. (Abg. Dr. Feurstein: Das wollten Sie ja!) – Herr Kollege Feurstein! Das ist immer mit derselben Prämisse gekommen, wie ein Perpetuum mobile. Von einer Reform zur anderen wurde immer wieder ein Schnittchen "abgeschlagen". (Zwischenruf des Abg. Dietachmayr. )

Die Nettoanpassung war etwas Besonderes, mit der Nettoanpassung hat man sogar in bestehende Pensionen eingegriffen, Herr Kollege! Inklusive letztendlich der Aussetzung der Pensionsanpassung im vorigen Jahr, 1997, sind das alles Maßnahmen gewesen, von denen Sie gesagt haben, das werde die Zukunft sichern.


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Was haben wir heute? – Schon wieder eine neue Reform! Also waren diese Schritte, die wir damals gesetzt haben, doch nicht so gut. Vielleicht hätte man doch schon Reformen durchführen sollen, indem man gesagt hätte, das Pensionssystem gehört grundlegend geändert, weil sich eben, Frau Bundesminister, die Demographie geändert hat. Man hätte das schon berücksichtigen müssen. Selbst heute, da man weiß, wie sich die Bevölkerung in den nächsten 20 Jahren entwickeln wird, ist man noch immer nicht bereit, wenigstens einmal ein anderes System in Erwägung zu ziehen. Taube Ohren, Frau Bundesminister, haben Sie gegenüber Experten, die sagen, daß der letzte Augenblick schon fast vorbei ist, um für unsere Jugend beispielsweise das Pensionssystem zu sichern, daß ein Umdenken einsetzen muß, daß eben das derzeitige Umlagensystem unfinanzierbar sein wird und daß es massive Steuererhöhungen und auch massive Beitragserhöhungen geben wird, wenn das System so beibehalten wird.

Ich glaube Ihnen schon, Frau Bundesminister, daß Sie diesen Experten gegenüber taube Ohren haben, denn Sie haben Ihre Schäfchen schon ins Trockene gebracht, wie man so schön sagt. (Abg. Kiss: Wer hat Ihnen das geschrieben?)

Was Österreich braucht, ist meiner Meinung nach nicht noch eine weitere Pensionsreform, wie sie hier im Stückwerk vor uns liegt, sondern Österreich braucht ein faires, ein sozial ausgewogenes und auf einen Zeitraum von 30 bis 40 Jahren angelegtes Konzept, meine Damen und Herren (Beifall bei den Freiheitlichen), das auch den heute 20jährigen eine realistische Perspektive für ihre Altersversorgung zusichert.

Ich sage Ihnen eines: Das freiheitliche Konzept mit den drei Säulen ist ein gutes Konzept. Ich verstehe Sie einfach nicht. Wenn Sie hören, daß das Drei-Säulen-Modell von den Freiheitlichen ist, schotten Sie sich total ab. Da denken Sie nicht mehr mit. Sie ziehen es in den Schmutz, obwohl viele Experten, auch in Deutschland, bemerken, daß es ohne dieses Drei-Säulen-Modell in der nächsten Zukunft gar nicht gehen wird. (Abg. Kiss: Erklären Sie uns das!) – Aber Ihnen ist das egal. Sie machen die Ohren zu. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie belasten lieber die Bevölkerung, Herr Kollege! Sie lassen die Jugend im Regen stehen, bevor Sie anfangen, über ein Konzept, das in den Grundzügen tatsächlich wunderbar ist, nachzudenken, es zu diskutieren und weiterzuentwickeln.

Der Beweis dafür, meine Damen und Herren, daß die Bevölkerung, speziell die jugendliche Bevölkerung, in die Arbeit der Bundesregierung und auch in die Arbeit der Abgeordneten von SPÖ und ÖVP, nämlich bezüglich der Altersversorgung, kein Vertrauen mehr hat, ist der sprunghafte Anstieg von Versicherungsverträgen für die private Eigenvorsorge. Fragen Sie einmal einen Versicherungsvertreter! Diese machen jetzt das beste Geschäft. Die Jugendlichen zwischen 25 und 35 Jahren sind alle bereit, mit einer privaten eigenen Rentenversicherung vorzusorgen. Gehen Sie heute auf die Straße, meine Damen und Herren, und fragen Sie einen Versicherungsvertreter! Dieser bekommt Provision, er "casht ab". Er ist unheimlich froh und sagt: Die sollen nur so weitermachen, das ist mein bestes Geschäft, denn die jungen Leute haben kein Vertrauen mehr. (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Sie haben der Bundesregierung das Vertrauen versagt, weil sie nicht mehr glauben, daß sie selbst, die heute 25- bis 35jährigen, eine gesicherte Pension vor Augen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen eines: Die Bevölkerung hat völlig recht, daß sie dieser Bundesregierung und dieser SPÖ-ÖVP-Koalition das Vertrauen versagt hat! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Koppler hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter, beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

18.15

Abgeordneter Erhard Koppler (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Graf: Stimmt es, daß ein Mercedes teurer als ein Porsche ist?) Frau Abgeordnete Madl hat behauptet, ich bekäme eine Pension als Mitarbeiter der VOEST sowie als Gewerkschafter. Ich berichtige tatsächlich, daß ich als VOEST-Mitarbeiter eine nor


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male ASVG-Pension und keine Pension als Gewerkschafter oder als Betriebsrat bekomme. Ich bekomme auch keine Politikerpension. Außerdem, Frau Abgeordnete Madl, fahre ich keinen Mercedes. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Madl: Jetzt nicht mehr!)

18.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Gatterer zu Wort. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.16

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich war heute während der ganzen Debatte anwesend und habe all Ihren Kollegen zugehört. Daß Sie das neue Pensionsmodell kritisieren, ist mir klar. Die Opposition soll bekanntlich nicht Milch geben, sondern meckern.

Aber trotzdem hätte mich interessiert, was denn das Drei-Säulen-Modell ist. Frau Kollegin Madl war nicht bereit, es uns zu erklären. (Abg. Kiss: Ich habe sie eindringlich gefragt!) Sagen Sie doch einfach, Sie haben kein Modell und dieses gefällt Ihnen nicht. – Aber seien Sie wenigstens ehrlich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben aber für uns gedacht, was das sein kann. Wir wissen jetzt, was das freiheitliche Drei-Säulen-Modell ist: MVGA – Miesmachen, Verunsichern, Gegeneinander-Ausspielen. Ich glaube, wir wissen jetzt, was es ist. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Frau Kollegin Madl hat gesagt, es gehe auch den aktiven Pensionisten viel schlechter. Dazu möchte ich doch einiges bemerken: Die Unkenrufe finden in den Realitäten in Österreich keinen Widerhall, denn das Niveau der sozialen Sicherheit in Österreich ist im Vergleich zu dem aller anderen westlichen Industriestaaten sehr hoch. Der Anteil unserer Sozialausgaben liegt immerhin bei 30 Prozent. Ich glaube, das ist sehr hoch, und auch da liegt Österreich im internationalen Vergleich im oberen Feld. In Westeuropa liegen nur die skandinavischen Länder, die Niederlande, Frankreich und Deutschland etwas höher – von den außereuropäischen Industrieländern ganz zu schweigen, diese bleiben in ihrer Leistung weit zurück.

Der größte Anteil dieses Sozialbudgets entfällt im Grunde auf das Pensionssicherungssystem – schauen Sie sich das an –: für Vorsorge im Alter 38 Prozent, für Hinterbliebenenvorsorge 11 Prozent, für Invalidität 8 Prozent und zur Abdeckung des Krankheitsrisikos immerhin 25 Prozent. Da bekanntlich Krankheit und Behinderung im Alter zunehmen, heißt das, daß im Grunde 80 Prozent des Sozialbudgets in etwa mit dem Altersprozeß in Zusammenhang zu bringen sind und das Alter betreffen.

Wir haben heute in Österreich über 1 Million Menschen, die Senioren sind. Immerhin jeder dritte Haushalt in Österreich ist ein Seniorenhaushalt. Diese Haushalte konnten wesentliche Zugewinne in ihren Pensionen erfahren. Gerade den Ärmsten der Pensionisten steht heute um zwei Drittel mehr Geld zur Verfügung als noch 1966. Ich glaube, in dieser Debatte muß man das auch sagen. Senioren mußten 1966 noch immerhin 58 Prozent ihrer Pension, also fast zwei Drittel ihrer Pension, für Nahrungsmittel ausgeben. Heute ist es nicht einmal mehr ein Drittel. Ich glaube, man muß auch sagen, daß der Lebensstandard der Pensionisten ganz im Gegensatz zur Behauptung der freiheitlichen Fraktion in Österreich sehr hoch ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich weiß, Lebensqualität und Lebensstandard lassen sich im Grunde nicht nur an Geräten messen. Aber man nimmt diesen Indikator immer wieder, um zu bewerten, wie hoch der Lebensstandard ist: Immerhin haben 81 Prozent der Senioren ein Telefon, 90 Prozent einen Farbfernseher, und 33 Prozent verfügen noch über ein eigenes Auto.

Die jetzige Situation der Pensionisten ist sehr gut, und es wird sich an dieser Situation nichts ändern. Es wurde aber heute schon einige Male gesagt, daß die längere Dauer der Ausbildung, der frühere Eintritt in die Pension und auch die höhere Lebenserwartung einen Handlungsbedarf ergeben. Das darf nicht heißen, Probleme auf die nächste und übernächste Generation abzuschieben.


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95. Sitzung / Seite 144

Ich wünsche mir persönlich, daß bei unseren nächsten Entscheidungen die Tatsache, daß die jungen Menschen mehr zu berücksichtigen sind, mehr im Vordergrund steht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich glaube, die Abgeordneten aller Fraktionen in diesem Haus sind dafür verantwortlich, ob in Zukunft der Generationenvertrag halten wird. Dieser Verantwortung sollen wir uns bewußt sein. Es gibt einige sehr positive Punkte, das ist zum Beispiel die verbesserte Anrechnung der Kindererziehung. Kollegin Partik-Pablé sagt immer, es müßte noch mehr und noch besser sein. – Das können wir uns immer vorstellen. Auch die Frauen wünschen sich das, aber man hat gesehen, mit der Anerkennung der Kindererziehungszeiten für die Pension ist ein erster Schritt gemacht worden, und jetzt können wir das etwas aufbessern.

Ich denke, das wird auch beim Pflegegeld so sein. Natürlich können wir uns vorstellen, daß es das ab Stufe 4 gibt, daß es das für alle gibt, nicht nur für Personen, die weiterversichert werden. Ich glaube aber, man muß auch anerkennen, daß das jetzt möglich gemacht wird und daß das ein sehr positiver Schritt ist.

Ich kann mich noch erinnern, wir haben vor kurzem über das Pflegegeld diskutiert, zum Beispiel über die Anfechtbarkeit der Pflegestufe. Wir haben Schritt für Schritt sehr viel erreicht. Wir können in Zukunft generell Pflegepersonen günstiger versichern, denn das ist auch ein Wunsch von uns – nicht nur für Menschen und vor allem Frauen, die sich weiterversichern.

Es gibt viele weitere positive Punkte, wie etwa die Bildungskarenz. Ich glaube auch, daß im Endeffekt die Einbeziehung der Frauen mit niedrigem Einkommen sehr wichtig ist. Wenn Kollegin Partik-Pablé das im Behindertenbereich kritisiert hat, dann muß ich aus meiner Erfahrung sagen, daß viele Frauen zu mir kommen, sich beklagen und sagen: Mein ganzes Leben lang habe ich Pflege geleistet, und jetzt bin ich alt und habe selbst keine Altersabsicherung.

Ich glaube, man muß auch jenen, die pflegen – nicht nur den zu Pflegenden, sondern auch jenen, die pflegen –, eine faire Chance geben, sich eine eigene Alterssicherung und eine eigene Altersvorsorge zu schaffen. Auch diesen Bereich sehe ich sehr positiv. Wir haben sicher größere Wünsche gehabt als das, was realisiert worden ist, aber ich glaube, im Bereich des Möglichen – und Politik ist bekanntlich die Kunst des Möglichen – ist es ein sehr gutes Gesetz. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste hat sich Frau Abgeordnete Dr. Pittermann zu Wort gemeldet. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.23

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Im Hinblick auf unsere Jugend muß ich als Mutter dreier Kinder zukunftsorientiert denken. Daher müssen wir dieser Gesetzesvorlage zustimmen, wollen wir Pensionen und Sozialleistungen weiterhin sichern.

Die wichtigsten Voraussetzungen sind Vollbeschäftigung und der politische Wille zum Sozialstaat Österreich. (Beifall bei der SPÖ.) Es war unser Wunsch und Ziel, alle Erwerbstätigen sozial zu versichern. Neben den geringfügig Beschäftigten müssen künftig 41 000 beitragsfrei in der Landwirtschaft tätige Mitversicherte sowie rund 76 000 Nebenerwerbsbauern ihre Sozialversicherungsbeiträge in die Bauernversicherung einzahlen.

Da die Bauernkrankenversicherung als einzige mit beachtlichen staatlichen Subventionen ausgestattet ist und die Bauernpensionen diejenigen mit den höchsten staatlichen Zuschüssen sind, ist dies gerecht. (Zwischenruf des Abg. Wenitsch. ) Die Bauernkrankenversicherung hat mehr zahlende Mitglieder – allerdings jene als Leistungsempfänger, die vorher beitragsfrei mitversichert waren.

Wenn ich § 128 dieses Gesetzes richtig verstanden habe, würden die Nebenerwerbsbauern Beiträge zahlen, ihre Leistungen aber bei der früheren Krankenversicherung in Anspruch nehmen.


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95. Sitzung / Seite 145

Der Wegfall der Subsidiarität tritt für zukünftige Anspruchsberechtigte im nächsten Jahr in Kraft, für die anderen ab 2000 langsam einschleifend über einen Zeitraum von über zehn Jahren.

Erst vor wenigen Wochen erfuhr die Österreichische Ärztekammer von gravierenden Veränderungen für sie. Ich möchte Ihnen aus einem Brief der Bauern-Versicherungsanstalt an die Österreichische Ärztekammer vorlesen:

"Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern ersucht daher die Österreichische Ärztekammer im Hinblick auf die vorhin gemachten Ausführungen,

erstens einer Verlängerung der mit 31. Dezember 1996 ausgelaufenen Honorarordnung jedenfalls für das Jahr 1997 zuzustimmen, wobei bis Ende November 1997 vertraglich festgelegt werden müßte, wie es ab 1. Jänner 1998 weitergehen soll;

zweitens von einer Vertragskündigung vom 30. Juni 1997 Anstand zu nehmen, damit nicht die geltende Honorarordnung und das geltende Leistungssystem, zu dem sich die Sozialversicherungsanstalt der Bauern bekennt, in die öffentliche und politische Kritik gezogen wird;

drittens Verhandlungen über eine Reform des Labor-Katalogs und der Labor-Tarife aufzunehmen. Dies sollte nach Tunlichkeit gemeinsam mit den anderen Sonderversicherungsträgern gemacht werden.

In Erwartung Ihrer geschätzten Antwort, in der Hoffnung, daß Sie diesen Vorschlägen die Zustimmung erteilen können und damit einen wesentlichen Beitrag zum Weiterbestand des geltenden Systems der Leistungserbringung der ärztlichen Hilfe in der Bauern-Krankenversicherung leisten, verbleiben wir

der leitende Angestellte Dr. Kandlhofer

der Obmann Donabauer."

Als Sozialdemokratin trete ich für ein Sachleistungsprinzip ohne Selbstbehalt ein, sowohl bei der Kranken- wie auch bei der Pflegegeldversicherung.

Meine Damen und Herren! Die Ärzte haben nicht wie Wegelagerer Verträge mit höheren Tarifen als im ASVG erpreßt, sondern diese wurden ausverhandelt. Wer beklagt, daß dies kaum rechtens ist, gesteht ein, daß bewußt weder Versicherungsbeiträge noch Steuergelder sparsam verwaltet wurden.

Meine Damen und Herren! Man benötigte damals Ärzte in bevölkerungsärmeren Gegenden, in denen zu Bedingungen der Großstadt keine ausreichende Existenzsicherung vorhanden gewesen wäre. Daher kam es zu diesen Vertragsabschlüssen. (Zwischenruf des Abg. Schwarzböck. )

Jetzt gibt es ein Überangebot an Ärzten, sodaß man über eine Gesetzesänderung Verträge abändert. (Abg. Ing. Reichhold: Warum geben Sie nicht zu, daß das zu hoch war? Geben Sie zu, daß das zu hoch war!) – Ja, aber dann muß man verhandeln.

Die Ausgaben der Bauern-Krankenkasse für ärztliche Leistungen hielten sich seit Jahren konstant bei zirka 20 Prozent. Sie haben auch weiter in dem Brief geschrieben:

"Es bleibt abzuwarten, ob bei einer Aufhebung der Subsidiarität der Bauern-Krankenversicherung das derzeit geltende, wie wir meinen, moderne System der Bauern-Krankenversicherung weiter aufrechterhalten werden kann."

Ich glaube eher, Sie haben die 250 Millionen, die zur Erhöhung der Eigenleistung für die Pensionsversicherung nötig sind, auf die Ärzte übergewälzt. Ist Ähnliches auch im GSVG-Bereich geplant, wo die Krankenversicherungsbeiträge gekürzt wurden?


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95. Sitzung / Seite 146

Mit Vertragspartnern sollte man rechtzeitig das Gespräch suchen, denn wenn das Beispiel Schule macht, mit Gesetzesänderungen Vertragsänderungen herbeizuführen, sind Verträge nicht einmal das Papier wert, auf dem sie geschrieben sind.

Ich bekenne mich zur Sozialpartnerschaft, nur sollten mit allen Interessenvertretungen, die durch ein Gesetz betroffen sind, rechtzeitig Verhandlungen aufgenommen werden. (Demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Gredler. )

Ich habe gehofft, daß kammereigene Pensionsfonds in die gesetzliche Pensions- und Krankenversicherung übergeleitet werden. Ich kenne als Beitragszahlende und als Kammerrätin Wohlfahrtsfonds gut. Ich bezweifle, ob meine Generation und Jüngere je eine adäquate Pension erhalten. Die Beitragshöhe ist zusätzlich zur gesetzlichen Sozialversicherung zu groß und existenzgefährdend. Aufsichtsbehörden sehen sich nur zur Überprüfung der Gesetzeskonformität und nicht der Wirtschaftlichkeit veranlaßt. Bleiben wir bei den kammereigenen Pensionsfonds, muß der Aufsichtsbehörde eine größere Verantwortung, nämlich auch in bezug auf die Wirtschaftlichkeit, zukommen.

Die kammereigenen Pensionsfonds machen mich aufgeschlossen für rechtzeitige, wenn auch schmerzhafte Reformen. Für die Zukunft hoffe ich auf eine Überleitung der Kammerpensionen in Sozialversicherungspensionen, denn die Vernunft spricht für größere Riskengemeinschaften. Ausgeschlossen sind bei der Finanzierung der Selbständigen- und Bauernpensionen Kreditaufnahmen, laut Erläuterungen zu dieser Regierungsvorlage. Kammereigene Pensionsfonds dürfen Kredite aufnehmen. Durch Kreditaufnahme der Pensionsfonds werden junge Erwerbstätige massiv belastet, Reformen sowie Leistungseinschränkungen durch die bessere Liquidität aufgeschoben.

Daher ein hundertprozentiges Ja zur gesetzlichen Sozialversicherung, tiefstes Mißtrauen gegenüber allen Experimenten wie Pensionskassen, dritten Säulen, Versicherungen, Betriebskassen, bei denen die Absicherungen relativ gering sind und fast alle Risken beim Versicherten liegen.

Ich bin überzeugt davon, daß es "Jahrhundertgesetze" für Pensionen nicht geben kann, sondern daß immer wieder an Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklungen angepaßt werden muß.

Zuletzt zu den Rezeptgebühren. Sie sind sicherlich hoch. Bei Mindesteinkommen und chronischen Erkrankungen gibt es Rezeptgebührenbefreiungen. Wenn nicht Bagatellmedikamente selbst gekauft werden und das Horten von Medikamenten für den Müll vermieden wird, fehlt uns dieses Geld zum Erhalten unserer medizinischen Versorgung. Daher Nein zum Aussetzen der Rezeptgebührenerhöhung!

Ich bedanke mich bei der Frau Bundesministerin sowie allen Beamten und jenen zähen Verhandlern, die dieses Gesetzesvorhaben fertiggestellt haben.

Ich wünsche mir einen anderen Stil beim Umgang miteinander und mit dem Vertragspartner Ärzte. Ich begrüße, daß fast alle Erwerbstätigen selbst sozialversichert sind, daß entscheidende Verbesserungen für Frauen aufgenommen wurden, daß längere Erwerbstätigkeit bei späterem Pensionsantritt ermöglicht wird, daß man letztendlich den Konsens mit den Sozialpartnern fand und keine Türen zuschlug, wie es von manchen Medien gewünscht wurde, daß wir zu Einschnitten bereit waren, um die Zukunft und unseren Sozialstaat Österreich zu sichern. (Beifall bei der SPÖ.)

18.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Donabauer hat eine tatsächliche Berichtigung begehrt. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen.

18.31

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Bei den vielen Dingen, die man hier diskutieren könnte, muß ich zwei Aussagen richtigstellen beziehungsweise tatsächlich berichtigen.


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Zum ersten: Der Vertrag wurde nicht per Gesetz beendet, sondern die Ärztekammer hat "freundlicherweise" am 22. Oktober den Vertrag mit 27. Oktober für beendet erklärt. Das mußten wir zur Kenntnis nehmen. Tut mir leid!

Zweitens: Die 250 Millionen, die wir aufbringen müssen, erhalten wir dadurch, daß wir in der PV den Beitragssatz von 13,5 auf 14 Prozent erhöhen – das bringt 175 Millionen – und daß wir die Mindestbeitragsgrundlage der kleinen bäuerlichen Betriebe zuerst von 40 000 S auf 45 000 S und dann ab 2000 auf 50 000 S anheben – das bringt weitere 75 Millionen durch Belastung der Bauern. Das ist ein eigener Bereich der Pensionsversicherung, die Krankenversicherung ist ein anderer Bereich.

Ich möchte auch gerne mit den Ärzten reden. Ich warte nur auf einen Termin. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wurmitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

18.32

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte das Thema "Pensionsreform" ein bißchen aus der Sicht eines älteren Menschen beziehungsweise aus der Sicht der älteren Generation beleuchten.

Wir sollten als Volksvertreter nicht vergessen, daß neben all den Kostenfaktoren und den Berechnungen, den mathematischen Formeln, dieses Problem eine zutiefst menschliche Dimension hat. Es geht hier um Schicksale, es geht hier um Menschen, es geht hier um die ältere Generation. Und der Unterschied zwischen den Jüngeren und den Älteren ist, daß die älteren Menschen nicht mehr die Chance haben, wesentliche Faktoren ihres Lebens zu ändern. Und so gesehen, möchte ich sagen, sollten wir eigentlich froh sein, daß die Menschen älter werden, daß sie länger gesund bleiben, daß sie die Chance haben, ein längeres Leben zu führen.

Das höchste Gut, das wir Menschen besitzen, ist das Leben. Und jene Generation, die demnächst in Pension geht oder bereits in Pension gegangen ist, hat als erste ein Leben lang Pensionsbeiträge voll durchgezahlt. Die Generationen vorher haben sehr wohl durch das Umlageverfahren Leistungen der Jüngeren in Anspruch genommen. Aber jetzt kommt jene Generation in Pension, die ein Leben lang durchgezahlt hat.

Die Menschen betrachten das Pensionssystem als gesellschaftlich organisierte Form des Sparens. Es muß bei dieser allgemeinen Form des Sparens drei Grundsätze geben, und diese möchte ich nennen:

Der erste ist der sogenannte Vertrauensgrundsatz. Das heißt, jeder Ältere muß wissen, daß bestehende Pensionen unangetastet bleiben, weil er nämlich rückwirkend, wie ich schon erwähnte, keine Möglichkeit hat, die Faktoren, die dafür maßgebend sind, zu ändern.

Wenn man die Situation in Österreich dahin gehend beleuchtet, daß bei nur etwa 7,5 Prozent private Versicherungen bestehen und nur etwa 9 Prozent über eine betriebliche Pensionsleistung verfügen können, dann erkennt man, daß deutlich mehr als 90 Prozent auf die staatliche Pension angewiesen sind wie auf das tägliche Brot. Und das macht deren Bedeutung so schlagend für unsere Bevölkerung.

Die zweite Bedingung ist der Grundsatz der Wertsicherung. Ich freue mich, daß ich persönlich an den Verhandlungen mit teilnehmen durfte, bei denen die ASVG-Pensionen für das Jahr 1998 festgelegt wurden. Es ist gelungen, trotz der angespannten budgetären Lage einen Gesamterhöhungsrahmen von 1,5 Prozent sicherzustellen. Im gleichen Zeitraum beträgt die Inflationsrate 1,2 Prozent. Das heißt, es gibt eine nominelle Erhöhung, aber auch eine reale Erhöhung.


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Was besonders erfreulich ist: daß es für die Ausgleichszulagenempfänger einen Fixbetrag von 430 Millionen Schilling in diesem Budget gibt, der wirklich nach sozialen Kriterien vergeben werden kann. Insgesamt macht die Erhöhung eine Summe von 3,9 Milliarden Schilling aus. Daraus ersieht man die gewaltige Anstrengung, die diese Regierung, aber auch der österreichische Steuerzahler, der dieses Geld bereitstellen muß, unternimmt, um den älteren Menschen eine Wertsicherung zu gewährleisten.

Die dritte Bedingung, die notwendig ist, ist eine Zukunftssicherung. Dabei sieht man, daß Österreich nicht allein ist mit dem Zwang, eine Pensionsreform durchzuführen. Ich habe mir heute die Daten aus Deutschland genau angeschaut. Deutschland hat die Möglichkeit, entweder die Pensionsbeiträge um 49 Prozent anzuheben oder die Leistungen um 42 Prozent zu senken oder pro Kopf um 10,6 Jahre länger arbeiten zu lassen. Heute habe ich den Medien entnommen, daß Deutschland den Weg wählt, die Beiträge auf 21 Prozent anzuheben. Also es werden gewaltige Leistungen von der Bevölkerung verlangt.

Österreich geht hier einen guten Mittelweg. Diese Pensionsreform ist ein Kompromiß – das sage ich an die Adresse der Opposition.

Kollege Haupt hat heute hier gemeint, das Umlageverfahren sei ein Verfahren von der Hand in den Mund. Kollege Haupt! Ich erlaube mir die Frage ... (Abg. Meisinger: Nein, er hat zitiert!) Er hat zitiert; ja, er hat es hier festgestellt. Er hat sich mit dieser Feststellung identifiziert. Ich erlaube mir, die Frage zu stellen: Welche Chance hatte Österreich 1945? Wo waren die Rücklagen und die Kapitaldeckungen aus den vergangenen sieben Jahren, also von 1938 bis 1945, mit denen man 1945 die Pensionen hätte zahlen können? – Diese waren nicht da, und Österreich hatte gar keine andere Chance. Daher stehen wir zu dieser Form der Finanzierung, und unsere Arbeit und der Fleiß der österreichischen Bevölkerung sind die Garantie, daß die Pensionen auch in Zukunft bezahlt werden können. (Beifall bei der ÖVP.)

18.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Seidinger. Gleichfalls 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie haben das Wort.

18.38

Abgeordneter Winfried Seidinger (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht wiederholen, was die Vorredner von meiner Fraktion und auch von der ÖVP zu dieser Pensionsreform gesagt haben. Aber ich glaube, das Bekenntnis dazu ist von beiden Koalitionsparteien gegeben. Wir stehen nicht an, den Verhandlern, an der Spitze auch den Ministern, dafür Dank zu sagen, daß es zu diesem Ergebnis kommen konnte. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Rasinger. )

Lassen Sie mich aber auch in der ehrgeizigen Frist von 6 Minuten ein paar grundsätzliche Dinge sagen, weil immer wieder das Drei-Säulen-Modell moniert wird und weil immer wieder die Schweiz als großes Beispiel herangezogen wird. Worin besteht dieses Schweizer Modell? – Die erste Säule: beitragsfinanzierte Altersgrundsicherung, unabhängig von der Dauer. Diese ist sehr gering. Die zweite Säule ist eine betriebliche Altersversorgung. Diese ist nach dem Kapitaldeckungsverfahren aufgebaut und abhängig von Dauer und Einkommen. Und die dritte Säule ist die freiwillige private Altersvorsorge, auch nach dem Kapitaldeckungsverfahren aufgebaut (Beifall sowie Ruf des Abg. Dr. Graf: Sehr gut!) und nur von den einbezahlten Beträgen abhängig. – Sie haben keinen Grund zum Klatschen; ich komme auf euch schon noch zu sprechen, wartet nur! (Abg. Gaugg: So verlangt es der Schröder in Deutschland!) Der hat wieder etwas anderes vorgeschlagen. Er hat eine Wertschöpfung in der dritten Säule drinnen gehabt; diese ist bei euch nicht drinnen. (Abg. Gaugg: Wir können über alles reden, nur nicht über das Umlageverfahren, denn das ist gut! – Zwischenruf bei der SPÖ.)  – Nein, ich gehe ohnehin nicht darauf ein, es zahlt sich nicht aus.

Die Erfahrungen mit dem Schweizer Modell: Kleinverdiener und Teilzeitbeschäftigte sind eindeutig benachteiligt. Die Dienstgeberbeiträge sind gering. Besserverdiener sind bevorzugt. Sonderleistungen gibt es für leitende Angestellte. Und die Dienstgeberbeiträge sind höher.


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Wie schaut es beim Dienstgeberwechsel aus? – Die Freizügigkeit ist beschränkt, denn nur Bruchteile der angesparten Beiträge in den Pensionskassen werden mitgenommen. Das heißt also, der Dienstnehmer erleidet Verluste, die jährlich zwischen 3 und 11,5 Milliarden Franken ausmachen. Das sind fundierte Zahlen nach zehn Jahren Erfahrung in der Schweiz.

Die älteren Beschäftigten werden benachteiligt, denn der Dienstgeberbeitrag für einen 25jährigen macht 3,5 Prozent aus, für einen 55jährigen hingegen 9 Prozent. Zeigen Sie mir den Dienstgeber, der dann noch einen 55jährigen aufnimmt!

Noch ein weiterer Punkt aus der Schweiz: Veranlagung des akkumulierten Kapitals. Es gibt eine Bindung immenser Geldsummen. 1995 waren es bereits 70 Prozent des Schweizer Bruttoinlandsproduktes. Hochgerechnet werden es im Jahr 2010 150 Prozent sein. Schon mit einem Drittel dieser zweiten Säule könnten die Schweizer Pensionskassen die Aktienmehrheit aller an den Schweizer Börsen notierten Aktiengesellschaften aufkaufen. Erhöhung von Liegenschaften, Preisen, Mieten – man spricht von einer Mieten-Rentenschere. Sie kennen das alles! (Zwischenruf des Abg. Gaugg. )  – Herr Kollege Gaugg, Sie brauchen sich gar nicht zu alterieren.

Noch etwas, bitte: Die Verwaltungskosten der zweiten Säule sind 20mal höher als bei der staatlichen Versicherung. Hören Sie sich das an! Die Erfahrung mit der dritten Säule: ein massiver Steuerausfall. Die Beiträge sind natürlich steuermindernd, so wie Sie es auch verlangen; das versteht sich ja. Gemeinden und Kantone leiden unter Milliardenausfällen von Steuern. Wer zahlt das wieder? Wer ist wieder der Benachteiligte? – Hier kommt es wieder dazu, daß derjenige mit niedrigem Einkommen die Steuerermäßigung bei den Besserverdienenden zu bezahlen hat. (Abg. Dr. Graf: Zu Beginn habe ich geglaubt, Sie haben es verstanden!)

Nehmen Sie einmal das Beispiel einer Verkäuferin (Abg. Dr. Graf: Meinen Sie die "Konsum"-Verkäuferinnen?) , einer Arbeiterin in der Textilindustrie oder einer Teilzeitbeschäftigten her und versuchen Sie sich auszurechnen, was für die zweite und dritte Säule übrigbleibt. (Abg. Gaugg: Seidinger! Reden wir über den "Konsum"!)  – Ich komme schon noch auf euch zu sprechen, wartet nur ein bisserl!

Wie schaut denn das Modell der "F" überhaupt aus? (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Keppelmüller, in Richtung Freiheitliche: Ihr habt Probleme mit dem Zuhören!) Ihr wollt immer nur hier herausgehen und austeilen, aber wenn ihr euch einer sachlichen Diskussion stellen sollt, dann ist es vorbei. Das kennen wir schon bei euch! (Beifall bei der SPÖ.)

Abgesehen davon, daß nach eurem Pensionskassenmodell dann auch noch eine staatliche Garantie verlangt wird; darüber rede ich gar nicht. Auch nicht von der vierten Säule, wonach es keinerlei Ruhensbestimmungen gibt. Diese fordern Sie bei allen anderen ein, für euch gibt es das aber nicht.

Ich nehme ein Papier von euch zur Hand. Erste Säule: Grundpension von rund 11 000 S. Und diese Grundpension wird ohne Höchstbeitragsgrundlage durch gleichmäßige Beiträge aller Erwerbstätigen in der Höhe von 8,5 Prozent finanziert. Statt 23 Prozent nur 8,5 Prozent! (Abg. Dr. Graf: Ist doch gut, oder?) Ja, toll! Nur: Bei diesen 8,5 Prozent finde ich keinen Hundertstel- oder Tausendstelprozentanteil von einem Dienstgeberbeitrag. Ich finde nichts dergleichen drinnen, lauter Dienstnehmerbeiträge! (Abg. Madl: Jeder Erwerbstätige!) Hört mir doch auf! Die fehlenden, nicht bezahlten Dienstgeberbeiträge, wenn ich sie herunterrechne, würden dazu führen, daß derjenige, der ohnedies viel Geld hat und mehr einzahlen kann, dann auch noch steuerlich sehr viel daraus resultierend herausholen könnte.

Und zur vierten Säule: Das Wort stammt nicht von mir, sondern Generaldirektor Wetscherek von der PVAng. hat gesagt, das ganze sei nichts anderes als eine Sozialisierung des Börsenrisikos. (Abg. Dr. Graf: Na klar, der will sich ja nicht wegrationalisieren!)

Sehr geehrte Damen und Herren! In Chile ist man so weit, daß nach dem dortigen Pensionssystem schon so viele in Pensionskassen einbezahlt haben, daß diese gar nicht mehr wissen, wohin mit dem Geld. Der Krieg der Versicherungsanstalten ist in Chile so weit gegangen, daß je


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300 Versicherten einer dafür zuständig ist, Mitglieder abzuwerben. Ist das ein Zukunftsmodell, für das Sie sich hergeben würden?

Es wäre schön – und ich würde Sie darum bitten –, wenn man in sachlicher Diskussion etwas austragen könnte, wenn man in sachlicher Diskussion auch etwas erlegen könnte. (Abg. Dr. Graf: Herr Kollege Seidinger! Im Ausschuß werden wir uns darüber unterhalten!) Darum sage ich das ja heute schon.

Noch ein Beispiel: Japan. Japan hat Kapitalstöcke angesammelt und muß diese abschmelzen zu einem Kurswert, der weit unter dem liegt, was eingezahlt worden ist. Das ist eine Geldvernichtung par excellence. Der Nikkei-Index ist in den letzten zehn Jahren um 50 Prozent gesunken! Sagt Ihnen das gar nichts?

Ich würde Sie einladen und bitten, mit der Demographie, die Sie auch immer wieder ins Spiel bringen, aufzuhören und sich zur Ökonomie unseres gesetzlichen Pensionssystems zu bekennen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Rasinger das Wort. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.45

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich habe heute erst der letzten Nummer der "Sozialen Sicherheit" folgende Tabelle betreffend Lebensstandardsicherung entnommen (der Redner weist eine Tabelle vor) : Sie können es selbst sehen: Hier liegt Amerika, hier liegt Österreich. Österreich hat gemeinsam mit Island, Italien und Israel die höchste Säule bei der sogenannten Nettoersatzquote für einen alleinstehenden qualifizierten Arbeitnehmer. Im Vergleich dazu Amerika: 19 Prozent. Österreich: 73 bis 87 Prozent.

Eine zweite Tabelle – das ist sehr interessant nachzulesen – zeigt, daß die Frauen in den letzten paar Jahren bei der Nettoersatzquote deutlich zugelegt haben. Ich glaube, das ist auch ein Grund, auf unser Pensionssystem stolz zu sein.

So wie Jörg Haider bin ich auch oft in Amerika. Ich war auch schon in Harvard. Aber zuletzt war ich in Washington. Das war hochinteressant! Durch den Jetlag konnte ich nicht schlafen und war schon um 6 Uhr früh joggen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Gredler. ) Auch das tue ich. Und es war erschütternd für mich, zu sehen, daß 200 Meter – 200 Meter! – vom Weißen Haus entfernt zirka zehn Leute auf Parkbänken geschlafen haben, zugedeckt nur mit Zeitungen. 200 Meter! (Ruf bei den Freiheitlichen: Gehen Sie in den Stadtpark! – Abg. Dr. Ofner: 30 000 Obdachlose in Wien! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Ich glaube, da braucht man gar nicht zu schreien. Ich meine, wir können auch stolz sein; man muß nicht alles im Leben heruntermachen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Krüger: Es gibt einen eigenen Obdachlosenverein in Wien! Hast du schon von der Zeitschrift "Augustin" etwas gehört?)

Lieber Kollege Krüger! Ich arbeite im 12. Bezirk. Das ist wirklich ein Bezirk, der nicht mit Millionären gesegnet ist. Ich weiß, was Armut ist, und ich werde auch über Armut hier reden. Ich brauche von dir sicherlich keine Belehrung, ob ich schon arme Menschen gesehen habe. Ich helfe ihnen auch. Ich weiß nicht, ob du ihnen hilfst, aber ich helfe ihnen garantiert! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Nowotny. )

Daß wir heute überhaupt über dieses Thema reden, ist ja zum Teil auch Schuld der Ärzte. Wir haben von 1980 bis 1990 3,1 Jahre an Lebenserwartung dazugewonnen, und wir werden bis zum Jahr 2020 – und wir müssen ja Reformen immer für die Zukunft anlegen – noch einmal vier bis fünf Jahre zulegen. Und das schafft einfach Probleme. Wer sich hier herausstellt und sagt, es gebe keine Probleme und wir würden nie Reformen brauchen, der schwindelt einfach! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Wenn Frau Abgeordnete Partik-Pablé sagt: Die Jüngeren werden einmal gar keine Pension haben!, dann, glaube ich, ist das ein übles Spiel mit Emotionen, ein übles Angstmachen. (Abg. Dr. Krüger begibt sich zum Rednerpult und legt dem Redner einen Zettel hin: Obdachlose!) Ich sehe selber in meiner Ordination, daß allein das Wort "Pensionsreform" enorme Emotionen auslöst und vor allem bei den älteren Menschen starke Ängste hervorruft. Ich glaube, man sollte mit diesem Thema vorsichtiger umgehen, als Sie es hier gemacht haben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Nowotny. )

Es geht im Alter meiner Meinung nach um drei Dinge: Es geht erstens um den Kampf gegen die Einsamkeit, den wir hier schwer beeinflussen können. Es geht zweitens um den Kampf, gesund und in Würde alt zu werden. Und es geht drittens darum, nicht in Armut zu altern. Ich glaube, diese Reform ist sicherlich ein weiterer Meilenstein in diese Richtung.

Es geht auch darum, Härten zu vermeiden. Es geht auch darum, Armutsfallen zu reduzieren. Es kann sich niemand hier herausstellen und sagen: Ich habe das ideale System. Es gibt das ideale System. Aber wir können uns annähern.

Wenn wir uns international die Systeme anschauen, dann erkennen wir, daß wir stolz auf unser System sein können. Haben wir doch den Mut dazu! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Rürup, der mir sicher nicht nahesteht – ich kenne ihn gar nicht –, hat in seinem Gutachten festgestellt, daß Österreich eines der weltbesten Systeme hat. Und wer die Zeitungen liest, weiß, daß Reformen schwierig sind – nicht nur in Österreich, sondern weltweit –, weil es eben um den Ausgleich unterschiedlicher Standpunkte geht. Es geht um den berühmten Generationenvertrag.

Ich möchte zu zwei Punkten Stellung nehmen: erstens zur verbesserten Anrechnung von Kindererziehungszeiten. Jawohl, es soll der freie Wille der Frau sein können, zu Hause zu bleiben, und nicht eine unbedingte Notwendigkeit sein, arbeiten zu gehen – ich will beides nicht gegeneinander ausspielen, ich glaube, das wäre falsch –, und es soll keine Armutsfalle sein, wenn jemand den Mut dazu hat oder wenn jemand zu Hause bleiben muß. Ich lese hier, daß von den 15- bis 59jährigen Frauen, die drei Kinder haben, insgesamt nur 45 Prozent ins Arbeitsleben integriert sind, und wenn es Alleinerzieherinnen sind, sind es bei drei Kindern auch nur 61 Prozent. Das heißt, wir können da nicht wegschauen!

Ich meine, es wäre wirklich schandhaft, wenn wir diese Mütter im Stich lassen würden – und ich weiß, wovon ich rede. Meine Mutter hat ihr ganzes Leben unter einer Sache gelitten: Sie hat fünf Kinder großgezogen, und sie hat immer gesagt, sie hat das Gefühl, daß ihre Leistung für die Gesellschaft nichts wert ist. – Ich glaube, die jetzt verbesserte Anrechnung von Kindererziehungszeiten ist ein Signal des Staates, zu zeigen: Jawohl, liebe Mütter, eure Leistung ist sehr wohl etwas wert! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zweitens: die verbesserte Beitragsleistung bei den Pflegenden. Auch das ist ein Puzzlestein in schwierigen Zeiten. Die 40-, 50jährigen Frauen sind heute die Helden in der Pflege. Wenn alles nur von Profis gemacht würde, wäre das nicht finanzierbar. Und ich sage Ihnen als praktischer Arzt: Es ist heutzutage fast nicht möglich, für Samstag, Sonntag professionelle Dienste aufzutreiben. Es ist oft nicht einmal möglich, daß einem Diabetiker am Abend die Spritze verabreicht wird. Deshalb können wir uns nicht allein auf die Profis verlassen, und wir müssen wirklich jene, die pflegen, irgendwie absichern.

Natürlich gebe ich Überlegungen recht, vielleicht Stufe 3 oder 4 miteinzubeziehen. Aber das ist ein erster Schritt. Und machen wir uns doch bewußt, daß das Pflegegeld international einmalig ist. Ich glaube, das Ganze ist ein Puzzle, das sich durchaus sehen lassen kann.

Angst kann krank machen. Und Sie, liebe Kollegen von den "F", haben heute leider Mißtrauen geschürt. Das ist nicht fair den Älteren gegenüber. Dieses System wider besseres Wissen zu verteufeln, ist, glaube ich, falsch.


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95. Sitzung / Seite 152

Einen Satz möchte ich noch zu der leidigen Auseinandersetzung Ärzteschaft – Bauern sagen. Ich halte nichts davon, daß zwei Berufsgruppen aufeinander losgehen. Ich hoffe, daß dieses Problem irgendwie positiv lösbar sein wird, obwohl die Nerven blankliegen. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Hums. )

Ich komme zum Schluß. Wir haben eines der weltbesten Pensionssysteme. Machen wir es nicht schlecht! Das Ziel unseres Pensionssystems muß es sein, zu ermöglichen, heute und in Zukunft stolz, in Würde zu altern. Diese Reform ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Krüger! Sie haben eine tatsächliche Berichtigung begehrt. Bitte beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen.

18.54

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (Abg. Dr. Khol: Guter Mann! Eine gute Rede!) hat von einem Washington-Aufenthalt berichtet und erzählt, er habe festgestellt, daß es dort Obdachlosigkeit gebe. Gleichzeitig hat er damit zum Ausdruck gebracht und auch expressis verbis gesagt, er sei daher froh, daß wir hier in Österreich leben. Damit wollte er sagen, daß es in Österreich keine Obdachlosigkeit gibt. (Abg. Dr. Lukesch: Das ist keine tatsächliche Berichtigung, niemals!)

Ich berichtige tatsächlich, auch wenn Sie es nicht hören wollen, Herr Kollege Lukesch: In Österreich und speziell in Wien gibt es eine Vielzahl von Obdachlosen. Wer U-Bahn fährt, der wird immer wieder konfrontiert mit dem Hilfswerk für Obdachlose und mit der Aufforderung, Zeitschriften zugunsten von Obdachlosen zu kaufen. (Abg. Dr. Lukesch: Sie kennen nicht New York, Sie kennen nicht Los Angeles, da sind Sie geographisch unbeleckt!) Und wer die morgige Ausgabe der Zeitung "Kurier" liest, der wird feststellen, daß es darin einen Bericht gibt über eine neue Aktion zugunsten von Obdachlosen: "Obdachlose bekommen einen neuen Hilfsverein". Mit einer Plakatkampagne soll das Problem der Obdachlosigkeit der Bevölkerung wieder ins Bewußtsein gerufen werden. (Abg. Dr. Khol: Das ist doch keine tatsächliche Berichtigung mehr! Das ist eine Rede!) Hier besteht ein offensichtlicher Bedarf. Und ich muß sagen, es ist traurig, wenn ein Abgeordneter nicht weiß, daß es diese Obdachlosigkeit in Österreich beziehungsweise in Wien gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Abgeordneter Dietachmayr. 6 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.55

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Sicherung der langfristigen Finanzierbarkeit und die damit verbundene Sicherung des Vertrauens auch in die Zukunft der Pensionen ist die zentrale Herausforderung an die Politik. Schon im Vorblatt der Regierungsvorlage wurden die Ziele der Reform eindeutig festgelegt. Ich werde auf keine Details mehr Bezug nehmen, weil viele meiner Vorrednerinnen und Vorredner bereits auf die einzelnen Punkte eingegangen sind. Ich möchte dennoch ein wenig auf die Verhandlungen replizieren.

Es wurde immer lautstark bekrittelt, daß alles so schnell geht, daß man einfach drüberfährt und daß viel zuwenig Zeit für die Verhandlungen ist. Ich erinnere daran, daß die ersten Verhandlungen bereits im April dieses Jahres geführt worden sind. Mit dem Regierungsentwurf wurde der erste große Proteststurm losgetreten. Diese starken, massiven Proteste der Gewerkschaften und der Arbeiterkammer sehe ich als positive Reaktion, und ich verstehe überhaupt nicht, daß sich hier so viele darüber aufgeregt haben.

Meine Damen und Herren! Es hat sich eben etwas, das in westlichen Demokratien ganz normal ist, auch einmal bei uns in Österreich abgespielt. Zwischen der Regierung, dem Parlament und den Interessenvertretungen gab es verschiedene Standpunkte und Meinungen. Das ist doch eine natürliche Sache und überhaupt keine Katastrophe. Ich meine sogar, es ist ein deutliches


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95. Sitzung / Seite 153

Signal in der Öffentlichkeit dafür, daß es eben verschiedene Interessengruppen gibt. Daher ist es umso erfreulicher, daß es letztendlich doch zu einer Einigung gekommen ist.

Ich verstehe ja die Kritik der Opposition. Ich kann mir vorstellen, daß es für Sie natürlich ein großes Fressen gewesen wäre, wenn die Verhandlungen gescheitert wären, wenn das eine Regierungskrise ausgelöst hätte und womöglich Neuwahlen stattfinden müßten. Damit hätten Sie wahrscheinlich Ihre Freude gehabt. Aber eines muß uns klar sein, meine Damen und Herren: Die österreichische Bevölkerung wird uns daran messen, was wir weiterbringen, was wir verwirklichen, und nicht daran, was die Opposition verhindert! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Meisinger: So wie in Oberösterreich! Minus 4 Prozent!)

Das österreichische System hat sich trotz aller Unkenrufe wieder einmal behauptet. Wir alle kennen diese Argumente: Die Sozialpartnerschaft sei überholt, hieß es, sie sei nicht mehr zeitgemäß. – Sie hat sich durchgesetzt, ihre Existenz zum Wohl der Bevölkerung eingesetzt, und ich glaube, das ist das Erfreuliche an diesem Ergebnis!

Ich möchte schon zu bedenken geben, daß kein System der Altersvorsorge losgelöst von zukünftigen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und demographischen Rahmenbedingungen betrachtet werden kann. Wir wissen alle, daß sich diese Bedingungen sehr rasch ändern. Und niemand kann heute sagen, ob es nicht in vier, fünf, sechs Jahren wieder zu Anpassungen kommen wird müssen, weil sich die Rahmenbedingungen eben ändern. Eine erfolgreiche Sozialpolitik kann meiner Meinung nach nur mit einer guten Wirtschaftspolitik funktionieren. Daher ist es oberste Aufgabe der Politik, jene Rahmenbedingungen zu erhalten und gegebenenfalls auch zu adaptieren und zu ändern, die eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik ermöglichen. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik sind untrennbar miteinander verbunden. Aber eines muß uns klar sein: Die Politik kann nur Rahmenbedingungen schaffen. Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren bewiesen, daß sie entsprechende Maßnahmen setzen kann. Die soziale Verpflichtung des Staates wird es auch in Zukunft sein, einen Bundesbeitrag so festzusetzen, daß die finanzielle Absicherung der Pensionen gewährleistet ist.

Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich feststellen: Langfristig können die Pensionen und darüber hinaus das gesamte System der sozialen Sicherheit nur durch Wachstum, Beschäftigung und steigende Einkommen gesichert werden. Diese Zielsetzungen haben oberste Priorität für die Politik zu sein. Die Bundesregierung hat das bisher sehr ernst genommen, und wir sozialdemokratischen Parlamentarier werden darauf achten, daß dies auch in Zukunft geschieht. (Beifall bei der SPÖ.)

19.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.01

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die heute zum Beschluß vorliegenden arbeitsrechtlichen und arbeitsmarktpolitischen Begleitmaßnahmen zur Pensionsreform sind ein Beitrag zu einer innovativen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. Und je länger dieser Arbeitstag hier im Parlament dauert, umso entsetzter bin ich eigentlich über die Nichtverantwortung der Oppositionsparteien gegenüber den Menschen außerhalb dieses Plenarsaales. Denn so viel Polemik und so wenig Inhalt, wie in dieser Diskussion gebracht wurde, können wir fast nicht mehr nach außen vertreten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte nur auf einen kleinen Teil der arbeitsrechtlichen Maßnahmen, die ein großartiger Erfolg sind, eingehen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Herr Kollege Ofner, hören Sie auch zu, damit Sie es der Bevölkerung dann mitteilen können. – Dieses Maßnahmenpaket hat zum Beispiel zum Ziel, daß älteren Arbeitnehmern der Verbleib im Erwerbsleben erleichtert beziehungsweise auch ein Solidaritätsausgleich zwischen jung und alt hergestellt wird, daß es eine flexiblere Gestaltung der Lebensarbeitszeit gibt und auch eine bessere Förderung der Qualifizierung


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95. Sitzung / Seite 154

und Beschäftigung von Arbeitslosen. Denn selbst dann – das wissen Sie –, wenn man nur eine befristete Arbeit bekommt, ist das schon eine Qualifizierung, die hilft, im Arbeitsprozeß zu verbleiben.

Diese Möglichkeit wird auch durch die Bildungskarenz oder Jobrotation, wie man sagt, geboten. Ich bin darauf besonders stolz, weil ich weiß, daß das eine unter Anführungszeichen "schwere Geburt" war, aber ein notwendiger Schritt. Daß dabei auch eine soziale Absicherung gewährt wird, ist ein weiterer Punkt. Daß das auch eine Forderung seitens des ÖAAB war, speziell von den Frauen dort, wissen ja alle, und ich bin sehr stolz darauf. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Rahmen des Solidaritätsprämienmodells haben Gruppen von Beschäftigten die Möglichkeit, gemeinsam ihre Vollarbeitszeit befristet zu reduzieren, um dadurch einen Teilzeitarbeitsplatz zu schaffen und diesen anzubieten, damit ein anderer Arbeitnehmer, eine Arbeitnehmerin einsteigen kann.

In Zukunft werden auch Arbeitslosengeldbezieher und nicht nur Notstandshilfenbezieher Integrationsmaßnahmen seitens des Arbeitsmarktservice annehmen können. Das heißt, daß sie in dieser Zeit schon die Möglichkeit haben, Umschulungsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen, und nicht erst warten müssen, bis sie Notstandshilfe beziehen. Denn in Zukunft wird es so sein, daß nur mehr 10 Prozent aller Jobs für nicht- oder minderqualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen werden. Das heißt, daß mehr denn je Umschulungen und lebenslanges berufliches Lernen stattfinden werden müssen.

In Studien heißt es, daß 80 Prozent der genutzten Technologien schon zur Jahrtausendwende stark veraltet sein werden und unzählige Arbeitnehmer umgeschult werden müssen, da sie eine höhere Qualifikation benötigen. Daß dieses Zugeständnis auch eine Leistung seitens der Wirtschaft ist, anerkenne ich als ÖAAB-Vertreterin umso mehr.

Zusammenfassend kann man sagen: Der Reformschritt, der nun mit diesem Beschluß gesetzt wird, geht in die richtige Richtung. Wir werden künftig noch weitere Veränderungen brauchen. Eine ständige Fortentwicklung ist notwendig. Dieser Reform ist, wie ich meine, wirklich mit ganzem Herzen zuzustimmen, und sie ist den Menschen nahezubringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Onodi. – Bitte.

19.06

Abgeordnete Heidemaria Onodi (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Das Pensionskonzept hat das Ziel, unser qualitativ sehr gutes und ausgebautes Alterssicherungssystem zu bewahren und auch für künftige Generationen zu sichern. Sozial verträgliche Änderungen innerhalb des Systems sollen die Akzeptanz erhöhen und die Finanzierbarkeit auch in Zukunft erleichtern.

Zusätzlich zu seinem ursprünglichen Zweck, nämlich als Einkommensersatz im Alter und bei Invalidität beziehungsweise auch bei Berufsunfähigkeit, wurden dem Pensionssystem im Laufe der Zeit noch eine Vielzahl anderer Zwecke übertragen, die es alle gleichzeitig erfüllen soll.

Dieses Pensionskonzept verfolgt im wesentlichen drei Ziele: die Angleichung der Systeme, die Stärkung des Generationenvertrages und auch mehr Transparenz der Ziele. Ein wichtiger Punkt ist auch die Aufhebung der Subsidiarität in der Krankenversicherung. Die Ausnahme, wonach im GSVG Pflichtversicherte in der Krankenversicherung dann keinen Krankenversicherungsbeitrag zu leisten haben, wenn sie daneben bereits zum Beispiel im ASVG pflichtversichert sind, wird aufgehoben und durch eine Mehrfachversicherung in der Krankenversicherung ersetzt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Bisher war es auch geltendes Recht, daß Bauern keine Krankenversicherung bezahlen mußten, wenn sie bei einem nahen Angehörigen mitversichert waren. Diese Regelung soll nunmehr auslaufen. Dabei sichern Übergangsbestimmungen ein möglichst

 


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sanftes Wirksamwerden der Aufhebung.

Das gesamte Maßnahmenpaket, ob es nun die Änderungen im Arbeitsrecht sind, Änderungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik und auch Änderungen im Sozialversicherungsgesetz, zielt auf die Erhöhung der Gerechtigkeit zwischen den verschiedenen Berufsgruppen und zwischen der jüngeren und älteren Generation ab. Darüber hinaus, sehr geehrte Damen und Herren, sollen die Effizienz, die Akzeptanz, die Transparenz und die langfristige Finanzierbarkeit sichergestellt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

19.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Stummvoll vor. – Bitte.

19.08

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Ende einer langen Debatte möchte ich nur einige wenige Punkte aus diesem – wie ich glaube – großen Reformvorhaben hervorheben. Im wesentlichen sind es fünf Punkte:

Der erste Punkt, meine Damen und Herren: Ich glaube als ein durchaus kritischer Mensch – so kennen Sie mich –, daß mit diesem Reformvorhaben ein wichtiger Beitrag zur Absicherung des Generationenvertrages oder besser gesagt zur Entlastung des Generationenvertrages gesetzt wird. Ich glaube aber, daß mit dieser Reform auch ein wichtiger Beitrag zur Bewußtseinsbildung in weiten Kreisen der Bevölkerung geleistet wurde. In Klammern sage ich dazu: Vielleicht wäre diese Bewußtseinsbildung vor Rust besser gewesen. Das mag sein, aber es wurde jedenfalls ein Beitrag zur Bewußtseinsbildung dahin gehend geleistet, Frau Minister, daß ein Umlageverfahren letztlich auf diesem Vertrag der Generationen aufbaut und man da eine gewisse Balance halten muß, weil jede Entscheidung im Pensionsbereich letztlich eine Entscheidung über die Einkommensverteilung zwischen Aktiven und Pensionisten ist.

Das zweite, meine Damen und Herren: Im Zuge dieser monatelangen Reformdiskussion wurde außerdem bewußt gemacht, daß wir eine Versicherung, eine Pensionsversicherung haben und kein Fürsorgesystem. Das heißt, daß eine gewisse Balance zwischen Beitrag und Leistung gegeben sein muß. Man kann nicht 300 S einzahlen und 1 000 S verlangen. Ich kenne das Argument, dies sei aber eine soziale Pensionsversicherung. Das ist richtig, und das soziale Element kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß auch Zeiten, für die keine Beiträge geleistet wurden, angerechnet werden – Zeiten der Arbeitslosigkeit, Zeiten der Kindererziehung, Zeiten der Krankheit und so weiter.

Ich glaube aber, es ist auch richtig, zu sagen: Wir können das soziale Prinzip nicht ein zweites Mal in Form des Rosinenprinzips verankern und nur die allerbesten Monate oder Jahre eines Lebensverlaufs berücksichtigen. Diese längere Durchrechnung ist ein Hinweis darauf, daß wir bei allen Bekenntnissen zu einer sozialen Pensionsversicherung auch nicht nach dem Rosinenprinzip vorgehen können.

Der dritte Punkt, meine Damen und Herren, ist für mich zumindest genauso wichtig wie die ersten beiden Punkte: Ich glaube, daß die beiden Pensionsreformvorhaben – vorgestern wurde der Bereich der Beamten diskutiert, heute wird der Bereich des ASVG, der Gewerbetreibenden und der Bauern behandelt – ein unglaublich wichtiger Beitrag zur Entschärfung jenes Spannungsverhältnisses sind, das sich in den letzten Jahren zwischen dem sogenannten geschützten Sektor und dem sogenannten exponierten Sektor ergeben hat, eines Spannungsverhältnisses, das ich oft als eine gesellschaftspolitische Zeitbombe bezeichnet habe. Bei den Beamten einerseits gab es Verärgerung und Frust, bei den Arbeitnehmern andererseits eine immer stärker werdende Emotion gegen die Beamten. (Abg. Dr. Krüger: Kollege, gehören Sie dem exponierten Sektor an?) Wenn sich das aufschaukelt, ist das staatspolitisch sicher bedenklich, und daher glaube ich, Herr Kollege Krüger, daß es richtig ist, einen Beitrag zu leisten, um diese Spannungen abzubauen.


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Der vierte Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren: Ich glaube, daß wir mit diesem Reformvorhaben den Nachweis dafür führen, daß für eine Pensionsreform auch flankierende Maßnahmen in Form von kreativen Ansätzen im Bereich der Beschäftigungspolitik notwendig sind. Ich bin sehr froh darüber, daß überwiegend das Prinzip der Freiwilligkeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern verankert wurde und man von ursprünglich beabsichtigten Zwangsregelungen Abstand genommen hat.

Fünftens möchte ich zu jener Frage Stellung nehmen, meine Damen und Herren, die in den letzten Tagen immer wieder diskutiert wurde: Ist diese Pensionsreform nun zu weitgehend oder zu wenig umfangreich? – Ich gehöre zu jenen – und ich sage das ganz offen –, die eigentlich ursprünglich gemeint haben, die Pensionsreform müßte weitergehend sein, aber ich gebe gerne zu, daß an sich ein breiter sozialer Konsens etwas ist, was der politischen Kultur unseres Landes entspricht. Und wenn viele Abgeordnete, vor allem der größeren Regierungspartei, in voller Verantwortung ihrer Mandate sagen: Uns ist der soziale Konsens so viel wert, daß wir nur dann zustimmen, wenn auch die Gewerkschaft zustimmt!, dann muß ich das respektieren. Ein Experte tut sich leicht; aber Politik ist die Kunst des Möglichen, und das haben wir mit dieser Reform bewiesen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: So ist es!)

19.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.13

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Kollegin Pittermann schilderte den Vertragszustand zwischen Ärzten und Bauern. Sie wies zu Recht darauf hin, daß dieser nicht gottgewollt oder gar im Gesetz verankert ist, sondern daß dieser Zustand zwischen der Sozialversicherungsanstalt der Bauern und der Ärztekammer vertraglich fixiert worden ist. Als dies vor 23 Jahren geschah, wußte offenbar niemand – auch die bäuerliche Interessenvertretung nicht –, daß die Tarife, die die Bauern zu leisten hatten, viel zu hoch waren: um 250 Millionen Schilling pro Jahr; wenn man das auf 23 Jahre hochrechnet, kommen gewaltige Beträge heraus.

Herr Kollege Schwarzböck! Als Vorsitzender der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern haben Sie das ja gewußt! Es stellt sich nun die Frage: Warum haben die Bauern über Jahre, über Jahrzehnte hindurch zu hohe Beiträge bezahlt? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Warum haben Sie diese Lösung, die Sie jetzt anpeilen, nicht schon früher angepeilt beziehungsweise umgesetzt? – Sie hätten damit den Bauern viel Geld erspart! Sie haben es ja selbst kritisiert, Herr Präsident Schwarzböck: Erst dann, als die Vereinbarung geplatzt ist, haben Sie der Öffentlichkeit bekanntgegeben, daß die Tarife für jene Leistungen, die für die Bauern erbracht werden, zwei- bis dreimal so hoch sind wie die anderen Tarife. Warum haben Sie das nicht schon früher in Angriff genommen? – Das wäre eine wesentliche Entlastung für die Bauern gewesen.

Diese Pensionsreform zeigt, daß die sozial Schwachen – auch in der Landwirtschaft – und jene, die ohnehin Probleme haben, am schlechtesten wegkommen. Zum Beispiel die Bäuerin als Mutter: Sie hatte bislang Anspruch auf 250 S, jetzt wird das zwar auf 300 S erhöht, aber es gibt genügend Studien, die belegen, daß der Kostenaufwand 400 S beträgt. Sie können nicht sagen, das hätten wir nicht finanzieren können, denn Sie haben aus diesem Titel auf der Grundlage der 0,5 Prozent 600 Millionen Schilling eingenommen und haben nur etwas mehr als 200 Millionen verbraucht. Das heißt, Sie haben in diesem Sektor 400 Millionen Schilling Überschüsse erwirtschaftet, die Sie wiederum umgeschichtet haben, um damit andere Leistungen zu erbringen.

Herr Präsident Schwarzböck! Ich glaube, gerade die Bäuerinnen – wir alle wollen doch, daß sie eine gute soziale Absicherung erhalten! – haben das nicht verdient. Diese Politik, die nicht nur die Regierung, sondern vor allem Sie und die Sozialversicherungsanstalt zu verantworten haben, hätte schon längst reformiert gehört. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Auch im dritten Bereich, im Zusammenhang mit der Abschaffung der Subsidiarität, werden falsche Signale gesetzt. Es trifft nämlich die Hofübernehmer und es trifft die Jungbauern, die heiraten und eine Familie gründen. Genau diese beiden Gruppen fallen jetzt aus der Subsidiarität. Das ist auch nicht gerade ein Anstoß dafür, daß junge Menschen sich entschließen, in der Landwirtschaft zu verbleiben.

Die Bäuerinnen wurden jetzt zum zweiten Mal – verzeihen Sie mir den Ausdruck – richtiggehend gelegt. (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. – Ich werde es Ihnen gleich erklären.

Als es 1992 darum ging, die Pension für Bäuerinnen einzuführen, hatten jene Bäuerinnen, die 45 Jahre alt waren, die Möglichkeit und das Recht, entweder im alten System zu verbleiben oder ins neue System überzuwechseln. Sie haben ihnen ein zweifellos gutes Angebot gemacht. Sie haben viele verlockt, dieses Angebot anzunehmen, denn die Wartezeit für den Antritt der vorzeitigen, krankheitsbedingten Pension hat damals nämlich nur zehn Jahre betragen.

Sie haben dann in einem zweiten Schritt, aber erst dann, als bereits viele ihre Entscheidung getroffen hatten, dieses System für viele wieder unattraktiv gemacht. Sie haben diese Wartezeit auf 15 Jahre erhöht, sodaß sich viele natürlich geprellt gefühlt haben. Es wäre ihnen lieber gewesen, sie hätten dieses unmoralische Angebot nie angenommen und wären im alten System verblieben.

Mit dieser Sozialrechtsänderung, die Sie jetzt beschließen werden, werden die Bäuerinnen ein zweites Mal stark benachteiligt, weil Sie ... (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. )  – Ja, da gebe ich Ihnen recht, Herr Präsident Verzetnitsch, aber es wäre ein Gebot der Fairneß gewesen, ihnen das zu jenem Zeitpunkt zu sagen, als sie sich noch für das alte oder das neue System entscheiden hätten können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Beispiele zeigen, daß Sie wirklich ohnehin benachteiligte Berufsgruppen, sozial schwache Berufsgruppen noch einmal benachteiligen wollen, und dagegen wenden wir Freiheitlichen uns.

Noch ein paar Worte zu den Pensionsversicherungen der Bauern im allgemeinen. Im Jahre 1966 gab es 182 000 Einzahler, im Jahre 1996 waren es nur mehr 72 000, die die gesamte Pensionsleistung aufzubringen hatten. Sie können doch nicht zuerst die Bauern wegrationalisieren und anschließend die Beiträge erhöhen!

Das ist eine Politik, die im übrigen auch von der §-7-Kommission abgelehnt wird, die in ihrer Empfehlung, die sie einstimmig beschlossen hat – da waren auch Ihre Vertreter dabei, Herr Präsident Schwarzböck –, eindeutig dafür eintritt, keine weiteren Belastungen für die Bauern zuzulassen. – Sie tun jedoch genau das Gegenteil: für die Jungbauern, für die Bäuerinnen und für die Bauern insgesamt, und dagegen wehren wir Freiheitlichen uns! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.19


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Donabauer gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.19

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Ing. Reichhold wäre vieles zu sagen, aber ich fasse mich kurz.

Ich berichtige tatsächlich, daß es im Jahr 1992 kein "unmoralisches Angebot", sondern eine gesetzliche Vorgabe mit der Wahlmöglichkeit gab, von der viele Gebrauch gemacht haben, und daß die Veränderung nicht in irgendeiner Weise gelaufen ist, sondern daß das notwendige Maßnahmen waren, die wir im Interesse der Stabilisierung des Sozialversicherungssystems für alle Berufsgruppen in ganz Österreich mitgetragen haben. Manche Teile, die Sie heute kritisieren, Herr Kollege Reichhold, haben Sie selbst in Entschließungsanträgen mitbestimmt. (Beifall bei der ÖVP.)

19.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.20

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auch ganz kurz zur Absicherung der gesetzlichen Pensionsversicherung Stellung nehmen. Kollege Stummvoll hat von der Entlastung des Generationenvertrages gesprochen, ich rede von der finanziellen Absicherung.

Vorweg vielleicht eines, es ist heute schon mehrfach angesprochen worden: Die Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die Sozialversicherungspflicht als Maßnahme zur sozialen Absicherung, aber auch zur Vermeidung der Abdrängung aus sozialversicherungsrechtlich abgesicherten Dienstverhältnissen in versicherungsfreie, scheinselbständige Erwerbstätigkeiten muß aus unserer Sicht massiv befürwortet werden. Damit kann nämlich der Flucht aus der Sozialversicherung ein Riegel vorgeschoben werden. Damit erfolgt eine langfristige Verbesserung der Finanzsituation der gesetzlichen Pensionsversicherung.

Jetzt kommt das große Aber, Hohes Haus: Es ist notwendig, daß von den Unternehmern die arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen, beispielsweise des Kollektivvertrages, hinsichtlich des Entgeltes eingehalten werden. Lassen Sie mich das an einem Beispiel erklären.

Die Gewerkschaft Handel, Transport und Verkehr, aber auch alle Rechtsabteilungen der Arbeiterkammern in Österreich müssen feststellen, daß vom Güterbeförderungsgewerbe Österreichs und vom privaten Autobusgewerbe laufend die Bestimmungen der zutreffenden Kollektivverträge, des Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetzes, des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes und des Einkommensteuergesetzes massivst verletzt werden. Durch diesen skandalösen Mißstand bekommt einerseits die Republik Österreich geringere Steuereinnahmen und entgehen andererseits der Sozialversicherung Beiträge in nicht geringem Ausmaß.

Diese Situation – lassen Sie mich das mit aller Deutlichkeit sagen – führt zu einer absoluten Wettbewerbsverzerrung, und es werden gerade die Arbeitsplätze in jenen Betrieben gefährdet, die sich an die gesetzlichen Bestimmungen halten. Andererseits kommt es aber auch zu enormen Mindereinnahmen. Ich werde es Ihnen an einem Beispiel vorrechnen.

Es gibt ein umfangreiches "Sündenregister", das vor kurzem von der Gewerkschaft Handel, Transport und Verkehr publiziert wurde. Nur einige Aspekte daraus: unzulässige, akkordähnliche Lohnsysteme wie Kilometergeld, Tourengeld, Umsatzbeteiligungen nach Fracht oder vereinbarte Pauschalentlohnungen werden angewandt. Diese werden über die Lohnverrechnung so manipuliert, daß der Anschein erweckt wird, daß sie dem Kollektivvertrag und den sozial- und steuerrechtlichen Vorschriften entsprechen. Geleistete Überstunden werden in Form von steuer- und sozialversicherungsfreien Diäten abgerechnet.

Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Aus diesem Grund hat die Gewerkschaft Handel, Transport und Verkehr innerhalb von zwei Wochen 17 000 Unterschriften gesammelt, und in Form einer Petition wurden diese Unterschriften von mir dem Präsidenten dieses Hauses übergeben.

Lassen Sie mich an einem Beispiel noch einmal deutlich machen, wo die Probleme liegen. Dieses Beispiel geht auf einen konkreten Interventionsfall in der Salzburger Gewerkschaft Handel, Transport und Verkehr zurück. Es handelt sich um die Lohnabrechnung eines Dienstgebers, aufgrund welcher der Arbeitnehmer, der Lenker, einen Betrag von 26 666 S bekommt. Hätte der Unternehmer korrekt abgerechnet, müßte der Arbeitnehmer 32 961,99 S erhalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt bei dieser skandalösen Abrechnung drei Verlierer. Zum einen den Dienstnehmer: Er verliert in diesem Fall ganz konkret jährlich 75 551 S. Der zweite Verlierer ist die Sozialversicherung. Sie verliert durch diese manipulierte Abrechnung 36 516 S. Und der dritte Verlierer ist der Staat. Der Herr Finanzminister verliert dabei den Betrag von 26 700 S.


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Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht um die langfristige Absicherung der gesetzlichen Pensionsversicherung. Diese ist nur dann möglich, wenn sich Unternehmer an gesetzliche Bestimmungen halten, wenn arbeits- und sozialrechtliche Standards eingehalten werden. Dies ist derzeit nicht immer der Fall. Daher gilt mein Appell der Wirtschaft: Dem Staat sein Geld, aber dem Arbeitnehmer seine Rechte! (Beifall bei der SPÖ.)

19.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Aumayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.25

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Frau Ministerin! Herr Präsident! Diese Pensionsreform, diese von Rot und Schwarz so hochgelobte, vielgepriesene Pensionsreform ist offensichtlich doch nicht das, was Sie uns hier weismachen wollten. Wie sonst, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist es erklärbar, daß weder Frau Ministerin Hostasch noch Herr Minister Molterer noch die Klubobmänner – weder der Klubobmann der ÖVP noch der von der SPÖ – bereit sind, am Sonntag bei der Sendung "Zur Sache" mit Dr. Jörg Haider über diese Pensionsreform zu diskutieren? – Sie sind ja alle zu feig dazu! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Widerspruch bei der SPÖ.)

Sie loben hier die Pensionsreform, aber vor Publikum trauen Sie sich nicht, mit dem Oppositionspolitiker Dr. Jörg Haider darüber zu diskutieren! Das ist doch so feig! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Widerspruch bei SPÖ und ÖVP.)

Das ist doch die größte Blamage überhaupt. Sie lassen doch sonst keine Minute aus, um im Fernsehen präsent zu sein, aber in dieser Diskussion trauen Sie sich nicht einmal zu zweit, gegen Jörg Haider anzutreten! Damit ist die Sache erledigt. (Rufe bei der SPÖ: Wo ist er denn?! Er ist nicht da!)

Herr Kollege Dr. Rasinger! Sie haben einen ganz entscheidenden und für mich sehr beeindruckenden und berührenden Debattenbeitrag geliefert. Sie haben gesagt, Ihre Mutter – sie hatte fünf Kinder – hat ein Leben lang darunter gelitten, daß sie das Gefühl hatte, daß ihre Leistung, die Erziehung von fünf Kindern, von der Gesellschaft niemals anerkannt wurde. – Ist das richtig so? Gut.

Herr Kollege Rasinger! Sie haben weiters ausgeführt, daß Sie froh sind, daß durch diese Pensionsreform diese Ungerechtigkeit sozusagen aus der Welt geschafft worden ist. – Herr Dr. Rasinger! Ich kann Ihnen nur sagen: Eine Mutter, die heute fünf Kinder großzieht und aufgrund dieser Belastung niemals einen Beruf ausüben kann, diese Frau, diese Mutter von fünf Kindern ist nach dieser Pensionsreform genausowenig pensionsrechtlich abgesichert, wie es Ihre Mutter gewesen ist. Es hat sich nichts geändert, aber überhaupt nichts! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und zum Herrn Kollegen Donabauer: Es ist bei der Bäuerinnenpension schon ein bißchen anders, als er gesagt hat. Man hat den Bäuerinnen 1992 eine Bäuerinnenpension sozusagen aufs Auge gedrückt und dann jenen Bäuerinnen, die über 45 Jahre alt waren, erklärt, sie können sich aussuchen, ob sie im alten System bleiben oder das neue in Anspruch nehmen wollen, wofür sie 120 Beitragsmonate – also zehn Jahre – brauchen, um einen Anspruch zu erwerben.

Viele Bäuerinnen entschieden sich aufgrund dieser Gesetzeslage für die neue Regelung, aber nach der Entscheidung dieser Bäuerinnen, nämlich drei Jahre später, ändern Sie einfach die gesetzlichen Spielregeln! Sie setzen einfach die Zahl der Antrittsmonate um 60 hinauf: statt 10 Jahren sind es nun 15 Jahre. Das ist unfair, Herr Donabauer! Denn diese Frauen, die damals zum Beispiel 50 waren und sich für die alte Regelung entschieden haben, müssen heute als Bäuerinnen bis zur Erreichung des 65. Lebensjahres arbeiten. Sie haben einfach nachträglich die Spielregeln geändert, Herr Donabauer, und Sie haben sie gesetzlich geändert.

Sie haben den Vertrauensgrundsatz nicht gewahrt, Herr Kollege Donabauer. Wo sind denn die wohlerworbenen Rechte der Bäuerinnen und der Bauern? – Sie haben immer nur Ihre eigenen


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wohlerworbenen Rechte verteidigt, aber niemals die der Bauern und der Bäuerinnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte abschließend sagen: Für einen Landwirtschaftsminister, der sich über Monate hinweg damit beschäftigt hat, die Beamtenpensionen zu regeln, sich aber mit keinem einzigen Wort für eine gerechte Regelung oder gegen Beitragserhöhungen bei den Bauern ausspricht, wäre es wirklich besser, wenn er abträte – so wie in Oberösterreich der Agrarlandesrat Hofinger. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

19.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gelangt nun Frau Bundesminister Hostasch. – Bitte, Frau Bundesminister.

19.31

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Ich möchte mich am Schluß der Debatte bei Ihnen für sehr viele Debattenbeiträge sehr herzlich bedanken, auch für verschiedene Anregungen, die in diesen Debattenbeiträgen vorgebracht worden sind. Ich denke, daß viele, die sich bisher nicht so intensiv mit dieser gesamten Materie auseinandersetzen konnten, nach einiger Zeit erkennen werden, daß mit diesem Gesetzesvorhaben sehr wichtige Weichenstellungen gesetzt werden und daß wir damit sehr viele zukunftsorientierte Schritte eingeleitet haben.

Ich bin mir aber dessen bewußt, daß wir in manchem auch Neuland betreten. Es wurde in der Debatte zum Beispiel die Frage der Einbeziehung geringfügig Beschäftigter in das Sozialversicherungswesen angesprochen. Wir verfügen in dieser Hinsicht weder über inländische noch über ausländische Erfahrungen. Ich möchte Sie daher bitten, gemeinsam mit mir die Entwicklungen zu beobachten, sodaß wir gemeinsam entsprechende Maßnahmen setzen können, falls Entwicklungen eintreten sollten, die wir gemeinsam als sozialpolitisch nicht erwünscht ansehen, und wenn wir glauben, entsprechende Änderungen vornehmen zu müssen.

Ich denke, man sollte den Mut haben, neue Wege zu beschreiten, aber dementsprechend auch die Verantwortung übernehmen, dann einzugreifen, wenn die eine oder andere Entwicklung nicht so eintritt, wie man es wünscht.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich möchte mich auch sehr herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Parlaments und der Parlamentsklubs bedanken. Ich weiß, daß die Zusammenarbeit zwischen meinem Ressort und diesen Mitarbeitern eine gute ist. Es war insbesondere bei diesem Gesetzesvorhaben eine sehr arbeitsintensive und anspruchsvolle Zusammenarbeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mein Ressort hat sich bemüht, bei der Vorbereitung dieser Gesetze sehr viel Informationsarbeit zu leisten. Es hat sich auch bemüht, Ihnen mit allgemeinen Informationen so weit wie irgend möglich zur Verfügung zu stehen. Wir werden dies selbstverständlich auch in weiterer Folge tun, und ich bitte Sie, an meine Kolleginnen und Kollegen heranzutreten, wenn Sie diesbezügliche Wünsche und Anfragen haben.

Erlauben Sie mir zum Abschluß, meinen sehr geschätzten Beamten, meinen ambitionierten Beamten, meinen sehr kompetenten Beamten ein herzliches Dankeschön für ihre ungeheure Arbeit zu sagen. (Anhaltender Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort der Frau Berichterstatterin wird nicht gewünscht.


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Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte daher die Damen und Herren Abgeordneten, zu diesem Zweck jeweils ihren Platz einzunehmen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 912 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen einen Abänderungs- beziehungsweise Zusatzantrag eingebracht. Weiters haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen Abänderungs- beziehungsweise Zusatzanträge eingebracht. Ferner haben die Abgeordneten Öllinger und Genossen Abänderungs- beziehungsweise Zusatzanträge eingebracht. Die Abgeordneten Haidlmayr und Genossen haben ebenfalls einen Abänderungsantrag eingebracht. Schließlich liegen Verlangen der Abgeordneten Mag. Haupt und Öllinger auf getrennte Abstimmung vor.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Abänderungs- und Zusatzanträgen beziehungsweise den beiden Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile – und zwar entsprechend der Systematik des Gesetzentwurfes – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Ich lasse entsprechend dem Verlangen auf getrennte Abstimmung über Artikel 1 Z 2 §§ 11 bis 13 sowie 15 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend Artikel 3 eingebracht, der den Entfall von § 6 Abs. 8 1. Satz vorsieht.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung von Artikel 3 Z 3 vorsieht.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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95. Sitzung / Seite 162

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Haidlmayr und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 5 Z 5 § 15 Abs. 2 eingebracht.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben die Streichung der Z 9 in Artikel 5 beantragt.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben die Streichung der Z 17 in Artikel 5 beantragt.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Das diesbezügliche Zeichen der Zustimmung erfolgt mit Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend Artikel 6 eingebracht, der die Änderung des § 7 Abs. 1 vorsieht.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen, die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen sowie die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben jeweils die Streichung der Z 9 in Artikel 6 beantragt.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Die Anträge sind abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend Artikel 7 Z 60 eingebracht, der die Einfügung einer Z 26 in § 49 Abs. 3 sowie die entsprechende Ergänzung der Inkrafttretensbestimmung in Artikel 7 Z 156 vorsieht.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dieses erfolgt durch die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 77 Abs. 6 in Artikel 7 Z 64 eingebracht.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Haidlmayr und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 77 Abs. 6 in Artikel 7 Z 84 eingebracht.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.


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95. Sitzung / Seite 163

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer neuen Z 102a in Artikel 7 vorsieht.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 7 Z 107 eingebracht.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Mehrheit. Angenommen.

Entsprechend dem Verlangen auf getrennte Abstimmung lasse ich weiters über Artikel 7 Z 144a in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist einstimmig angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend § 572 Abs. 1 Z 1 in Artikel 7 Z 156 eingebracht.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend Artikel 7 Z 156 eingebracht, der die Einfügung eines neuen Abs. 7a in § 572 vorsieht.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über § 27 Abs. 1 Z 1 in Artikel 8 Z 29 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte Sie im Fall Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 8 Z 40 eingebracht.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Haidlmayr und Genossen haben ebenfalls einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 8 Z 40 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.


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95. Sitzung / Seite 164

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Artikel 8 Z 58 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 8 Z 64 eingebracht.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Wer hiefür stimmt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 8 Z 83a in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Die Zustimmung erfolgt stimmeneinhellig. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 273 Abs. 3a in Artikel 8 Z 99 eingebracht.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse daher sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 28 Abs. 6 in Artikel 10 Z 26 eingebracht.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Haidlmayr und Genossen haben ebenfalls einen Abänderungsantrag betreffend § 28 Abs. 6 in Artikel 10 Z 26 eingebracht.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse nun über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen weiters zur getrennten Abstimmung über Artikel 10 Z 45 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.


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95. Sitzung / Seite 165

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 10 Z 51 eingebracht.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Artikel 10 Z 70a in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist stimmeneinhellig angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung der Ziffern 4, 22 und 42 § 113a Abs. 2 in Artikel 13 vorsieht.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes.

Das diesbezügliche Zeichen der Zustimmung erfolgt. Dieser Teil ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Anfügung eines neuen Artikels 19 vorsieht.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend den Titel des Gesetzentwurfes eingebracht.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die diesen Antrag unterstützen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über den Titel des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit . Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen betreffend dauerhafte Sicherung der Pensionen durch Umstellung


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95. Sitzung / Seite 166

auf ein Drei-Säulen-Modell. (Abg. Dr. Khol: Wo ist denn die "Säule" Haider? – Abg. Mag. Stadler: Wo ist Neisser? – Abg. Dr. Khol: Der ist keine Säule!)

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haidlmayr und Genossen betreffend Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten in das Sozialversicherungssystem.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haidlmayr und Genossen betreffend die Schaffung der Möglichkeit der begünstigten Selbstversicherung zur Pensionsversicherung für pflegende Angehörige.

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Damit ist das Abstimmungsverfahren zu Punkt 1 der Tagesordnung beendet.

2. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9aE Vr 8973/97, Hv 5328/97) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Walter Meischberger (931 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.


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95. Sitzung / Seite 167

Eine Berichterstattung findet nicht statt.

Wortmeldungen liegen keine vor.

Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 931 der Beilagen, folgendes zu beschließen. (Unruhe im Saal.) Wir wollen eventuell folgendes beschließen. (Heiterkeit.)

"1. In Behandlung des Ersuchens des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13. Oktober 1997 um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten Ing. Walter Meischberger wird im Sinne des Artikel 57 Abs. 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes festgestellt, daß ein Zusammenhang zwischen der von den Privatanklägern behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten Ing. Walter Meischberger besteht.

2. Einer behördlichen Verfolgung des Abgeordneten Ing. Walter Meischberger wird zugestimmt."

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. (Abg. Dr. Khol: Der Meischberger ist noch nicht flüchtig, aber der Haider ist schon geflohen!)  – Dies erfolgt mit Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

3. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9bE Vr 10153/97, Hv 6089/97) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider (932 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung. (Abg. Dr. Khol: Haider ist flüchtig!)

Eine Berichterstattung findet nicht statt.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir treten in die Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 932 der Beilagen ein. Es sei folgendes zu beschließen:

"1. In Behandlung des Ersuchens des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. Oktober 1997 um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten Dr. Jörg Haider wird im Sinne des Artikel 57 Abs. 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes festgestellt, daß ein Zusammenhang zwischen der vom Privatankläger behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten Dr. Jörg Haider besteht.

2. Einer behördlichen Verfolgung des Abgeordneten Dr. Jörg Haider wird zugestimmt."

Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. (Abg. Dr. Khol: Er ist unter Mitnahme der Pension flüchtig!)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Hans Helmut Moser auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Verantwortlichkeit von Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit der freien Ausreise der Täter betreffend den Mord an dem damaligen Vorsitzenden der DPK-I Dr. Abdul Rahman Ghassemlou und seiner zwei Vertrauten; insbesondere ob und welche Weisungen angesichts der Drohungen von seiten des Iran, "die Unterlagen über die illegalen österreichischen Waffenlieferungen im ersten Golfkrieg" preiszugeben – wie vom ehemaligen Präsidenten des Iran Bani-Sadr behauptet – erteilt wurden.

Dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt. Eine Verlesung durch einen Schriftführer braucht daher nicht zu erfolgen.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Hans Helmut Moser und weiterer Abgeordneter auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG

Der Nationalrat wolle beschließen:

Zur Untersuchung folgenden Gegenstandes wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt:

Verantwortlichkeit von Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit der freien Ausreise der Täter betreffend den Mord an dem damaligen Vorsitzenden der DPK-I Dr. Abdul Rahman Ghassemlou und seiner zwei Vertrauten; insbesondere ob und welche Weisungen angesichts der Drohungen von seiten des Iran, "die Unterlagen über die illegalen österreichischen Waffenlieferungen im ersten Golfkrieg" preiszugeben – wie vom ehemaligen Präsidenten des Iran Bani-Sadr behauptet – erteilt wurden.

Mit folgender Zusammensetzung:

4 SPÖ, 3 ÖVP, 2 FPÖ, 1 Liberales Forum, 1 Grüne

*****

Die Durchführung einer Debatte wurde weder verlangt noch beschlossen.


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95. Sitzung / Seite 168

Wir treten daher sofort in die Abstimmung über den genannten Antrag ein.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Einlauf

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 628/A bis 630/A eingebracht wurden. Ferner sind die Anfragen 3256/J bis 3265/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Dienstag, den 11. November 1997, um 11 Uhr mit folgender Tagesordnung ein:

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (841 und Zu 841 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1998 samt Anlagen (910 der Beilagen).

Zur Beratung kommen:

Beratungsgruppe I: Kapitel 01: Präsidentschaftskanzlei, Kapitel 02: Bundesgesetzgebung, Kapitel 03: Verfassungsgerichtshof, Kapitel 04: Verwaltungsgerichtshof, Kapitel 05: Volksanwaltschaft, Kapitel 06: Rechnungshof.

Beratungsgruppe II: Kapitel 10: Bundeskanzleramt mit Dienststellen, Kapitel 13: Kunst, Kapitel 71: Bundestheater.

Beratungsgruppe V: Kapitel 30: Justiz.

In dieser Sitzung findet keine Fragestunde statt.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 19.52 Uhr