Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 96. Sitzung / Seite 26

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Ich frage Sie aber, was statt dessen passiert ist, und das ist mir eigentlich das Wichtigste in meinen Ausführungen. Ich habe den Eindruck, daß der Zustand unserer Demokratie wirklich ernst ist, und ich will das auch dokumentieren. Statt die Anliegen derer, die nicht gehört werden, die zuwenig gehört werden, die schon aufgeschrien haben, endlich ernst zu nehmen und in das Haus hereinzuholen, zum Beispiel durch eine Aufwertung der Petitionen, zum Beispiel durch eine Beiziehung der ProponentInnen von Volksbegehren bei wichtigen Debatten, bei Pensionsdebatten – da hätten die Frauen, da hätten die Studierenden hineingehört –, wird der ohnehin bescheidene Zustand der Demokratie weiter eingeschränkt.

Das ist zum einen auf der europäischen Ebene der Fall. Wir nähern uns mit Riesenschritten nicht einer Unterstützung der Bemühungen des Europäischen Parlaments durch Österreich, sondern statt dessen einer Unterstützung der Exekutivgewalten – Schlagwort Schengen, Schlagwort Europol, Schlagwort Preisgabe von BürgerInneninteressen. Es gibt eine rapide Entwicklung in Richtung des Metternich-Staates, der Aufwertung der klassischen Staatsfunktionen, der repressiven Staatsfunktionen, anstatt daß der Kulturstaat, der Universitätsstaat und der Gleichberechtigungsstaat endlich gebührend gewichtet werden.

Das zweite ist der Bereich der Gewaltenteilung. Das jetzt oftmals angesprochene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ist passiert, möchte ich fast sagen, vor dem Hintergrund einer Untätigkeit der Regierung, eines Nicht-Miteinander-Könnens der verschiedenen Ideologien der Regierungsparteien und in einem Vakuum. Ja, wir brauchen eine politische Debatte über Familien, über Kinder, über junge Leute. Darüber gibt es offenbar gewaltige ideologische Differenzen, aber wenn diese Debatte nicht geführt wird, dann wird nolens volens der Verfassungsgerichtshof – entgegen dem Prinzip der Gewaltenteilung – zum Gesetzgeber. Und das ist falsch!

Die Antwort aus der Sicht der Grünen ist eine klare: Wir wollen vor allem eine Aufwertung der Kinder, der Jugendlichen, der Bildungschancen und nicht eine Prämierung von Eltern aus dem Titel einer nebulosen Familienförderung!

Dritter Punkt: Die indirekte Demokratie ist eingeschränkt worden. Die Vorgänge rund um die Pensionsdebatte, der Ausschluß der Opposition bei der Pensionsreform, die Nichtänderung der Geschäftsordnung, was das Minderheitsrecht auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen betrifft – etwas, was an sich Standard einer entwickelten Demokratie ist –, haben das klar und deutlich gezeigt. In diesem Bereich hat sich nichts getan.

Ein allerletzter Punkt – und da komme ich einmal mehr zum Bereich der Publizistikförderung, zur Meinungsvielfalt, denn da können sich die Interessen verschiedener Gruppen in der Bevölkerung artikulieren –: Ich halte es für einen Bruch der Verfassung, ich halte es für eine Ungeheuerlichkeit, wenn im Zusammenhang mit einem vergleichbar minimalen Posten des Budgets ein wirklicher Anschlag auf die Meinungsfreiheit, auch wieder ein Anschlag auf die Artikulationsrechte von Frauen vorgenommen wird. Und wenn mit Duldung der SPÖ in einem Begleitgesetz zum Budget steht, daß die Förderungswürdigkeit periodischer Druckschriften unter anderem davon abhängt, ob sie das Wehrrecht beachten, dann frage ich Sie wirklich: Wohin ist diese Republik gekommen? (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Hat das Wehrrecht eine andere Stellung als andere Bundesgesetze? Wir können darüber reden, ob Medien, die die Gesetze verletzen – zum Beispiel was die Gleichstellung von Frauen, die Würde von Frauen betrifft; alle diese Gesetze –, in Hinkunft keine Förderungen mehr bekommen sollen. Aber hier ist etwas anderes passiert: Hier ist es zu einer ideologischen Aufwertung eines ganz bestimmten Teilbereiches gekommen, und ich halte das für einen Anschlag auf die Demokratie und die Verfassung in Österreich. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

12.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. Die Uhr ist auf 7 Minuten eingestellt. – Bitte.

12.31

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Mitglieder der Volksanwaltschaft! Sehr geehrter Herr Staats


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