Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 96. Sitzung / Seite 101

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erlassen, zu beurteilen, ob das im Rahmen der Bundesverfassung möglich ist. Das hat er getan und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß ein Steuergesetz hier nicht möglich ist. Wir haben gefragt, ob die Feststellung des Verfassungsgerichtshofes, daß das nicht möglich ist, mit der politischen Intention übereinstimmt, die lautet, daß für Kinder aus gutgestellten Häusern mehr Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden als für Kinder aus weniger gutbetuchten Häusern. Wir sagen dazu nein, wir wollen das nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Frau Kollegin! Diese Diskussion hier zu führen, hat nichts damit zu tun (Abg. Dr. Fekter: Das hat der Verfassungsgerichtshof nicht erkannt, sondern er hat den Gleichheitsgrundsatz als verletzt anerkannt!) , daß wir den Verfassungsgerichtshof angreifen, sondern es geht schlichtweg darum, hier gesetzliche Entwürfe zu diskutieren, damit wir zukünftig zu einer anderen Lösung kommen. Das ist schlicht und einfach der Punkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Punkt, der in den Raum gestellt worden ist, war die Frage des sogenannten Arbiter dictum beziehungsweise der dissenting opinion. Worum geht es? – Es geht im Grunde genommen darum, daß auf Lebzeiten gewählte Richter im Verfassungsgerichtshof eine wissenschaftliche Debatte darüber abführen, wie sie zu den vorgelegten Anträgen stehen, daß sie abwägen, wie sie die Gesetze, die Bundesgesetze werten, und dann zu einer Einigung kommen. Unsere Auffassung ist, daß jedem Verfassungsrichter das Recht – das Recht, sage ich – zustehen sollte, wenn er das für notwendig erachtet und eine andere Meinung hat, diese Meinung kundzutun. Es muß meinetwegen nicht in der Form passieren, daß er es mit seinem Namen macht, das kann auch anonym passieren. Ich bin aber der Meinung, daß es unserer Rechtskultur entspricht, daß eine derart hochwertige Diskussion auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll, damit wir davon profitieren können. Daß dadurch das Diskussionsniveau gefährdet ist, kann wohl niemand ernsthaft behaupten.

So gibt es auch eine Reihe von Gerichten, bei denen das bereits der Fall ist. Etwa im angloamerikanischen Bereich – Amerika und Großbritannien – ist es keine Frage, daß es so etwas gibt. In Deutschland ist es keine Frage, daß es so etwas gibt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine derartige Regelung, und sogar beim Europäischen Gerichtshof gibt es etwas Ähnliches, weil dort nämlich die Anträge der Generalanwälte eine umfangreiche inhaltliche Ausführung über die von ihnen gewünschte Entscheidung darstellen. Wenn der Gerichtshof davon abgeht und sich dem nicht anschließt, hat er das fundiert zu begründen.

Das heißt, auch dort ist das gesamte Diskussionsspektrum der unterschiedlichen Meinungen erkennbar. Das führt meines Erachtens zu einer Weiterentwicklung der Rechtskultur, und nichts anderes als das haben wir gefordert, das soll auch in Österreich der Fall sein. Es handelt sich auch nicht um eine Verpflichtung, sondern um ein Recht für die Richter des Verfassungsgerichtshofes.

Ich würde Sie ersuchen, uns in diesem Zusammenhang nicht mangelndes Demokratieverständnis vorzuwerfen, sondern ich darf Sie einladen, in der Diskussion zu klären, ob dieser unser Vorschlag nicht letztlich das ist, was auch Sie sich wünschen. – Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

18.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Volksanwalt Schender. – Bitte, Herr Volksanwalt.

18.17

Volksanwalt Horst Schender: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige Rednerinnen und Redner haben sich mit der österreichischen Volksanwaltschaft auseinandergesetzt – überwiegend in positiver Weise –, und ich darf auf einige Details eingehen, auf die in der Debatte Bezug genommen wurde.

Im Anhang an den 20. Parlamentsbericht der Volksanwaltschaft, der seit Mai dieses Jahres dem Hohen Haus vorliegt, finden Sie eine Reihe von Anregungen der Volksanwaltschaft zur Fortent


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