Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 100. Sitzung / Seite 29

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Was mich sehr verwundert, ist, dass es Kollege Grünewald als Cheforganisator aller Uni-Demonstrationen (Abg. Dr. Grünewald: Bitte?! So viel Zeit habe ich nicht!) geschafft hat, dass die Studenten erstmals seit Bestehen der Universitäten für die alten Zöpfe, für die pragmatisierten Beamten auf die Straße gehen. Das ist der "revolutionäre Geist" der Studentenschaft in der heutigen Zeit. Na danke! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn Sie das als Ablehnung der Reform werten, dann sind Sie auf dem Holzweg. Das tut mir Leid, das tut mir wirklich Leid. Es geht Ihnen nicht um die Universitäten, denn Sie müssten zugestehen, dass diese Reform eine Verbesserung bringt: Budgethoheit an die Universitäten, Organisationshoheit an die Universitäten, Personalhoheit an die Universitäten, Ressourcenhoheit an die Universitäten! All das, was die Universitäten bis heute nicht haben, bekommen sie nun. Und sie werden damit umgehen können, und zwar besser, als Sie schon wieder schwarz malen oder befürchten. Sie werden sehen: Die Universitäten werden mit der neuen Organisationsform bestens leben können – trotz Ihrer Befürchtungen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

9.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Gleiche Redezeit. – Bitte.

9.35

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich habe Ihnen und Kollegem Graf zugehört, Sie haben Recht: Jawohl, es gibt eine neue Qualität des Denkens! Schauen wir uns diese Qualität einmal an! Es wurde Folgendes gesagt: Meilensteine, epochale Gesetze werden geschrieben, ein Jahrhundertwerk. – Und dann geizt man mit einigen wenigen Monaten mehr an profunder Diskussion. Man setzt Fristen und Zeitabläufe, die eine Gesetzwerdung quasi wie ein Windhundrennen betrachten. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Natürlich ist es so! Wenn man ein Jahrhundertwerk schaffen möchte, geizt man doch nicht mit einigen Wochen, um Konsens zu finden, um einen Dialog zu führen. Sie sagen ja immer: Es gibt den Dialog, der Dialog wurde von gewissen Gruppen verweigert. – Denken Sie nach mit einer Qualität des Denkens, warum zirka 80 Prozent der zur Plattform Geladenen nicht mehr hingegangen sind: weil all ihre Argumente nicht berücksichtigt worden sind – mit einigen wenigen, aber eher lächerlichen Ausnahmen! Zwei weitere haben sich auch von dort entfernt. Darunter war auch ich. Sie verwechseln Dialog mit Diktat. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist richtig: Sie haben viele Diskussionen geführt. Sie haben einen Wanderzirkus von Kronzeugen durch alle österreichischen Universitäten gejagt, die dort aber keinen Dialog gepflogen, sondern Belehrungen verteilt haben. Auf Fragen an den Universitäten wurden von Beamten des Ministeriums keine Antworten gegeben, weil ein Sektionschef gesagt hat: Man kann noch nichts sagen, es ist alles offen, es ist alles frei.

Und was war dann? – Nichts war frei! Man hat sich medizinische Universitäten gewünscht und Leute sozusagen dazu genötigt, diesen Fluchtreflex anzutreten, weil man ihnen Sonderbestimmungen weggenommen hat et cetera. Das ist die "neue Qualität des Denkens".

Sie haben einen Rat installiert, in dem mindestens zwei von fünf, maximal drei von fünf Räten von der Regierung bestellt werden. Das heißt, von 90 Räten oder Rätinnen österreichweit werden zumindest 36, maximal aber 54 von der Regierung bestellt. Welche Autonomie ist das? – Der Rat hat wesentlich mehr Macht als der Senat. Der Senat ist ein zahnloser Tiger – "Tiger" darf man gar nicht mehr sagen, der Senat ist ein Plüschhunderl gegen den Rat. Das kann nicht Autonomie sein. Das ist eine Verzerrung der Autonomie und ein Etikettenschwindel.

Sie installieren – und da hat Van der Bellen zu 100 Prozent Recht – alte Hierarchien, die in modernen betrieblichen Strukturen schon lange nicht mehr zeitgemäß sind. Sie demotivieren 80 Prozent der MitarbeiterInnen auf akademischer Basis. Sie demotivieren Studentinnen und Studenten, indem Sie deren Mitbestimmung und Kooperation massiv beschneiden. Sie sagen, diese Leute werden gestärkt, werden bestärkt und all die negativen Argumente stimmen nicht. – Ich frage mich wirklich: Was ist das für ein Dialog?


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite