Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 103. Sitzung / Seite 113

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14.23

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Danke schön, Herr Präsident! Leider gab es offensichtlich einen kleinen Kommunikationsfehler am Präsidium.

Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich möchte in meinem Debattenbeitrag noch einmal auf das Abkommen von Cotonou eingehen, weil ich glaube, dass es da sehr viele Zusammenhänge mit der europäischen Außenpolitik und insbesondere mit der europäischen Landwirtschaftspolitik gibt.

Ich möchte darauf hinweisen, dass von diesen 77 AKP-Ländern 38 zu den Least Developed Countries, zu den wirklich Ärmsten der Armen gehören. Auch daran erkennt man die Bedeutung dieses Abkommens: Es geht darum, den Ärmsten neue Möglichkeiten zu eröffnen. In diesem Zusammenhang stellt sich selbstverständlich die Frage, ob die getroffenen Maßnahmen, ob der neue Vertrag wirklich dazu beitragen wird, diesen Ländern die Zukunft zu sichern und neue Chancen zu eröffnen.

Wenig Beachtung findet in Europa auch die relevante EU-Verordnung, die sich für die Least Developed Countries ausspricht. In dieser Verordnung werden jenen Ländern besondere Konditionen für den Export von landwirtschaftlichen Produkten in die Europäische Union gewährt. Dieses Abkommen für die LDCs – ebenfalls ein wesentliches Abkommen – wird mit 1. Jänner 2004 in Kraft treten. Die Europäische Union ist sich daher, so würde ich meinen, ihrer Verantwortung bewusst, wir müssen aber im Detail darauf achten, inwieweit diese Verantwortung wirklich greift und ob es in diesen Abkommen nicht Widersprüche gibt.

Zuerst möchte ich natürlich den für uns Grüne ganz besonderen Erfolg noch einmal erwähnen, nämlich den Erfolg, dass im neuen AKP-Abkommen der "faire Handel" explizit erwähnt ist. Das ist eine Forderung, die wir seit Jahren massiv betrieben haben und für die wir ein offenes Ohr bei der Frau Bundesministerin gefunden haben. Das freut uns besonders. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Böhacker: Eine erfolgreiche Reformregierung mithin!)

Ein zweiter besonders wichtiger Punkt ist klarerweise die Intention der Verringerung der Armut, die in diesem Abkommen vorangestellt und explizit formuliert wird, und im Zusammenhang damit die Stärkung der Zivilgesellschaft und der Demokratie in diesen Ländern. Das sind sicherlich sehr wichtige Implikationen, die aber nicht nur Lippenbekenntnisse bleiben dürfen.

Meine Damen und Herren! An dieser Stelle setzt auch unsere Kritik an, nämlich wenn es um die Umsetzung dieser Ziele geht. Stichwort: regionale Integration versus Integration in den Welthandel; das wurde heute hier schon mehrfach diskutiert. Da besteht ein Widerspruch, meine Damen und Herren, und da setzt sich auch der Widerspruch der europäischen Agrarpolitik fort, nämlich insofern, als wir weiterhin unsere Exportsubventionen aufrechterhalten wollen und damit die lokale Produktion insbesondere der bäuerlichen Selbstversorgung weltweit vernichten. Meine Damen und Herren, das ist leider ein Tatbestand!

Wenn man dieses Abkommen ernst nimmt, müssten wir dazu übergehen, entsprechend den Bekenntnissen, die wir hier in Europa zum Beispiel in Bezug auf die ländliche Entwicklung formuliert haben, auch für diese Länder die Chancen auf ein "Rural Development" zu eröffnen. Das würde heißen, unsere Exportsubventionen abzubauen und uns auf der Ebene der WTO für Ernährungssouveränität einzusetzen. Eine besonders wichtige, zentrale Forderung des neuen Jahrhunderts muss heißen: Ernährungssouveränität für unsere Lebenskultur, für unsere europäische Ernährungskultur, aber selbstverständlich auch Ernährungssouveränität für jene Länder, deren Einwohnerschaft zu 50, 60 und mehr Prozent aus Landarbeitern, Bäuerinnen und Bauern besteht, die auf diese Weise ihr Auskommen und ihr Einkommen finden. In dieser Hinsicht fehlt eine Neuausrichtung der europäischen Außenpolitik.

Kollege Spindelegger hat zu Recht gesagt, wir brauchen mehr Außenpolitik – darin gebe ich Ihnen Recht, Kollege Spindelegger –, allerdings brauchen wir auch einen neuen Fokus. Dieser Fokus muss aus unserer Sicht auf eine Ökologisierung der internationalen Handelsbeziehungen und eine soziale Dimensionierung dieser Beziehungen gerichtet sein. Ökologische und soziale


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