Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 74. Sitzung / Seite 156

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.13

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Zweifellos drücken diese knapp 194 000 Unterschriften unter dieses Volksbegehren aus, dass es Unbehagen darüber gibt, wie die Entscheidungen in dieser Union gefällt werden, dass sie nicht transparent sind, dass es zum Teil absurde Vorschriften gibt. Beispiele: Gurkenlänge, Traktorsitzgrößen und Ähnliches. (Abg. Dr. Krüger: Gurkenkrümmung!)  – Gurkenkrümmung, wie auch immer.

Es gibt Unbehagen darüber, dass viele Dinge in der Bevölkerung zu wenig bekannt gemacht werden und dass es zu wenig Tendenzen gibt, ein Mehr an Nähe, Erklärung und Transparenz zu zeigen und auch ein Mehr an Demokratie in dieser EU zu schaffen. Das geht zu langsam, und deswegen gibt es dieses Unbehagen. Das ist auch einer jener Gründe dafür, dass die Abstimmung in Irland so ausgegangen ist, wie sie eben ausgegangen ist.

Es sind Ängste da, die zum Teil durchaus auch von den Grünen mitgetragen werden. Auch die Tatsache, dass die österreichische Neutralität – auch von diesem Hause; von den Bundesregierungen, die wir hatten – ausgehöhlt wurde, ist etwas, was einfach Ängste erzeugt, weshalb die Leute sagen: So wollen wir das nicht haben! – Auch im Bereich des Umweltschutzes, des Tierschutzes gibt es sehr wohl Dinge, die nicht so sind, wie auch wir von den Grünen sie haben wollten. (Beifall bei den Grünen.)

Von den Inhalten her gibt es viele Punkte, die wir als Kritik an der zu geringen Verfasstheit der Europäischen Union mit den Initiatoren und Initiatorinnen dieses Volksbegehrens teilen. Ein Punkt, in dem wir dem Begehren nicht nachgeben möchten – und ich werde jetzt begründen, warum –, ist die Frage einer neuerlichen Volksabstimmung.

Die Frage ist sehr wohl: Was ist die Konsequenz aus dieser Kritik? – Das kann aus unserer Sicht nicht sein, eine neuerliche Volksabstimmung zum jetzigen Zeitpunkt durchzuführen, denn es hat sich seit dem Jahre 1994 nicht Grundlegendes geändert, was eine neue Volksabstimmung legitimieren würde. Was schon Sinn macht, ist, dass es dann, wenn es tatsächlich einmal – und in diese Richtung soll es ja gehen – eine grundlegend neue Verfassung dieser Europäischen Union gibt, eine Volksabstimmung darüber gibt. Aber derartiges ist ja leider noch nicht in Sicht.

Alle paar Jahre, weil es Kritik, und zwar berechtigte Kritik in einzelnen Punkten gibt, eine Volksabstimmung durchzuführen – ich muss sagen, ich war erstaunt darüber, dass vom freiheitlichen Abgeordneten Schweitzer beziehungsweise seiner Fraktion nicht auch die Befürwortung einer Volksabstimmung zur Erweiterung und ähnliche Dinge ins Spiel gebracht wurden – und Volksabstimmungen aus populistischen und zum Teil nationalistischen Interessen zu missbrauchen, dagegen sprechen wir Grüne uns dezidiert aus.

Es gibt noch einen anderen Grund für unsere Haltung, und ich möchte das an einem Beispiel klarmachen. Stellen Sie sich vor, was die österreichische Bevölkerung, was gerade jene, die für mehr Demokratie eintreten, davon halten würden, wenn wir jetzt sagen würden – bekanntlich wittert ja die Atomlobby wieder Morgenluft, denn die USA wollen das Kyoto-Ziel nicht beschließen –: Nehmen wir doch die angeblich saubere Atomenergie! Und stellen wir uns vor, jemand fordert: Machen wir eine neue Volksabstimmung zu Zwentendorf, das steht ja noch, das könnten wir vielleicht wieder in Betrieb nehmen!

Würden Sie das befürworten? Wir würden das auf keinen Fall befürworten. Ich denke, Volksabstimmungen sind dann sinnvoll und notwendig, wenn man Dinge grundlegend verändern will, aber nicht, wenn jemand zum Beispiel auf die Idee kommt, die Abstimmung zu Zwentendorf zu wiederholen.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite