Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 98. Sitzung / Seite 180

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

diesem Land, erstmals vor Augen geführt, dass Vergangenheitsbewältigung nicht selektiv nur aus einem einzigen Blickwinkel betrieben werden darf.

Ich möchte noch etwas sehr Wesentliches anmerken: Eine bloße Obsoleterklärung der so genannten Beneš-Dekrete durch Tschechien oder der AVNOJ-Beschlüsse in Slowenien reicht den Heimatvertriebenen, die schon seit Jahrzehnten in Österreich leben, durchaus nicht aus. Die Staaten, die die Beneš-Dekrete noch immer in ihrem Rechtsbestand haben, können sich aus ihrer Verantwortung gegenüber den Opfern nicht so einfach und billig davonstehlen, meine Damen und Herren! Das Scheinargument, das da immer ins Treffen geführt wird, die Konferenz von Potsdam habe das alles geregelt, suggeriert einen durchaus falschen Eindruck.

Ich möchte deshalb ausdrücklich das Tätigwerden des Europäischen Parlamentes in dieser wichtigen Menschenrechtsfrage begrüßen. Sie alle wissen, dass zurzeit geprüft wird, ob die Beneš-Dekrete für Tschechien und die Slowakei zum Stolperstein auf dem Weg in die Europäische Union werden könnten. Wir Österreicher sollten deutlich signalisieren, dass wir auch in dieser Frage mit aller Kraft nachdrücklich für die Menschenrechte eintreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte.

20.19

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Es ist eigentlich ein erfreulicher Augenblick, wenn wir heute feststellen können, dass es uns gelungen ist, einen Vier-Parteien-Konsens zu finden. Es ist für viele eigentlich nicht verständlich, dass eine Materie wie die der Menschenrechte, die so selbstverständlich sind, so schwierig zu handhaben war, dass wir Monate brauchten, um zu diesem Ergebnis zu gelangen.

Der gemeinsame Antrag aller vier Parteien betreffend den internationalen Schutz der Menschenrechte ist sehr wichtig, und ich freue mich darüber, dass es in dieser Frage zwischen den Fraktionen zu einer Einigung gekommen ist. Menschenrechte sind Grundwerte des Menschen, und daher muss Menschenrechtspolitik über jeder Parteipolitik stehen. Das hat das Hohe Haus, der Ausschuss bewiesen, und auf diesen Grundkonsens kann man meiner Meinung nach eine sehr sinnvolle Menschenrechtspolitik aufbauen.

Hohes Haus! In der zunehmend vernetzten Welt mit einer sehr hohen Informationsgeschwindigkeit ist es sehr viel leichter als früher, den anderen zu beobachten und tatsächliche Ereignisse zu verfolgen. Daher reicht es nicht mehr aus, dass sich Menschenrechtspolitik auf bloße Absichtserklärungen beschränkt, sondern Menschenrechtspolitik kann nachvollzogen werden, Menschenrechtspolitik ist Realpolitik.

Dass der sorgfältige und verantwortungsvolle Umgang mit den Menschenrechten keine Selbstverständlichkeit ist, zeigen uns Beispiele aus vielen Ländern – wir haben in den Debattenbeiträgen schon vieles gehört –, auch aus unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Vor wenigen Jahren hat es im ehemaligen Jugoslawien zwei Kriege gegeben, bei denen wir sehr deutlich sehen konnten, wie schnell die Würde des einzelnen Menschen an Bedeutung verliert. Daher ist es Aufgabe jedes einzelnen Staates, sehr hellhörig zu sein, hellhörig nicht nur im eigenen Land, sondern auch dort, wo offensichtlich die Kontrollmechanismen für Demokratie, für Menschenrechte, für den Schutz der Bürger nicht so stark oder überhaupt nicht ausgeprägt sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Staatliche Souveränität ist Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Das ist ein sehr hoher Wert. Aber das Menschenrecht als überstaatliches und vorstaatliches Recht darf nicht zum Gegenstand der Disposition staatlicher Souveränität werden.

Die Menschenrechte müssen über dem Wert staatlicher Souveränität stehen. Das ist eine der wichtigsten Konsequenzen aus den Schrecken des 20. Jahrhunderts. Und wenigstens in Europa muss gelten, dass die Menschenrechte unteilbar sind.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite